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Epidemiologie der KSP beim Schwarzwild

2 LITERATURÜBERSICHT

2.4 Epidemiologie der KSP beim Schwarzwild

2.4.1 Zusammenhang des Auftretens der Schweinepest bei Haus- und Wildschweinen Viele Hausschweinepestfälle der letzten Jahre traten in Gebieten auf, in denen Schwarzwild mit KSPV infiziert war, so z. B. in Niedersachsen, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Rheinland-Pfalz. Dabei war der analysierte Virussubtyp in den Hausschweinebeständen identisch mit dem in der Umgebung der landwirtschaftlichen Gehöfte nachgewiesenen KSPV-Subtyp der Wildschweine (TEUFFERT et al., 2004). Für 59 % der Primärausbrüche von KSP bei Hausschweinen konnte in Deutschland in der Zeit von 1993 bis 1998 als Einschleppungsursache der direkte oder indirekte Kontakte zu infizierten Wildschweinen vermutet werden; dieser Faktor wird insbesondere dann relevant, wenn Mängel im Betriebsmanagement bzw. in der seuchenhygienischen Absicherung der Schweinehaltungsbetriebe vorliegen (FRITZEMEIER et al., 2000). Ein äußerst schwer-wiegender KSP-Ausbruch in einem schweinehaltenden Großbetrieb (ca. 65.000 Tiere) mit sehr gutem Hygienemanagement im Jahr 1998 in Losten/Mecklenburg-Vorpommern verdeutlichte, dass trotz besonderer seuchenhygienischer Maßnahmen KSPV für Hausschweine ein hohes Risiko darstellt. Auch in diesem Fall wurde indirekter Kontakt mit KSPV-infiziertem Schwarzwild vermutet (TEUFFERT, persönliche Mitteilung).

2.4.2 Vorkommen der KSP bei Wildschweinen in Europa

Die Wildschwein-Population der „alten Mitgliedsstaaten“ der EU wird von LADDOMADA (2000) auf etwa eine Million Tiere geschätzt. Betrachtet man die Schätzungen der jeweiligen Landesdaten, die während der „Jahrestagungen der nationalen Referenzlaboratorien für KSP“

vorgestellt werden, so müsste eine Populationsgröße von mind. 1,5 bis 2 Millionen Wildschweinen vorzufinden sein (UTTENTHAL, 2005), allerdings wird diese Schätzung anhand von Jagdstrecken vorgenommen und gibt ein sehr ungenaues Bild der Population wieder. ARTOIS et al. (2002) geben einen kartographischen Überblick zu den europäischen KSP-Seuchenherden zwischen 1990 und dem Jahr 2001 (Abbildung 4).

In den vergangenen zwei Jahrzehnten entwickelte sich die KSP bei Wildschweinen in Europa zu einem ernstzunehmenden Problem (LADDOMADA, 2000). In dieser Zeit wurde das KSPV in Wildschweinpopulationen u. a. in Deutschland, Frankreich, Österreich, Luxemburg, Schweiz und Italien diagnostiziert (KADEN et al., 1999a, 2000; LEFORBAN u. CARIOLET,

1992; KRASSNIG u. SCHULLER, 1993; LADDOMADA et. al., 1994, 2000; PATTA et al., 1998; FERRARI et al., 1998; HOFMANN et al, 1999; SCHOOS, 2002, MESPLEDE et al., 2005). ARTOIS et al. (2002) verweisen auch auf das endemische Auftreten der KSP in einigen Ländern Osteuropas. Nachweise von KSPV bei Schwarzwild in Kroatien, Ungarn, der Slowakei, Estland, Polen und der tschechischen Republik wurden von anderen Autoren beschrieben (LOWINGS et al. 1999; KERN, 1999b; ZUPANCIC et al., 2002; STADEJEK et al., 1997; BARTAK u. GREISER-WILKE, 2000).

Abbildung 4: KSP-Seuchengebiete bei Wildschweinen der Jahre 1990 bis 2001; dargestellt ist ein Ausschnitt des europäischen Kontinents. In schwarz sind die Gebiete mit KSP-Vorkommen eingefärbt. Deutschland, die Slowakei, Österreich, Schweiz, Italien (inkl. Sardinien), Frankreich, Luxemburg sind betroffen (aus ARTOIS et al., 2002)

2.4.3 KSP-Situation in Deutschland

Bis Mitte der 50er Jahre des letzten Jahrhunderts spielte KSP bei Schwarzwild nur eine untergeordnete Rolle, da sie nur sporadisch auftrat und lokal sehr begrenzte KSP-Ausbrüche verursachte. Deshalb wurde lange Zeit angenommen, dass die KSP bei Schwarzwild selbstlimitierend sei (DEPNER et al, 1998; KADEN et al., 1999a). Während der letzten beiden Jahrzehnte wurde jedoch zunehmend beobachtet, dass eine KSP-Epidemie endemischen Charakter annahm und KSPV in einem Schwarzwildbestand zirkulierte (ARTOIS et al., 2002). Gründe dafür sehen KADEN et al. (2004a) in der stetigen Zunahme der Wildschweinepopulation, dem hohen Anteil empfänglicher Jungtiere an der Population, der mäßigen Virulenz des Virus und den milden Umweltbedingungen.

Bis Mitte der 80er Jahre des 20. Jahrhunderts liegen vereinzelte Berichte über KSP bei Schwarzwild in Deutschland vor. Während der letzten zwanzig Jahre konnte KSPV bei Wildschweinen in mehreren Bundesländern Deutschlands festgestellt werden (FRITZEMEIER et al., 2000; KADEN et al. 2000, 2004a).

In Hessen konnte im Jahr 1989 das Virus diagnostiziert werden, anschließend breitete sich das Seuchengeschehen 1990 auf die angrenzende Region Taunus (Rhein-Lahn-Kreis) in Rheinland-Pfalz aus, von 1992 bis 1995 waren auch die südlichen Landkreise (Südpfalz), welche an ein KSP-Gebiet in den Nordvogesen (Bas-Rhin) grenzten, von KSP betroffen (HESS u. HÜRTER, 1996). Ohne ursächlichen Zusammenhang zu Rheinland-Pfalz wurde die Schweinepest in Mecklenburg-Vorpommern (1993) bei Wildschweinen diagnostiziert. Als Einschleppungsursache wurde importiertes Wildschweinfleisch aus Osteuropa diskutiert (KADEN et al., 1998a). Das Seuchengeschehen erreichte im Frühjahr 1995 das Bundesland Brandenburg. In Niedersachsen trat die KSP in den Jahren 1992 bis 1995 und erneut seit dem Jahr 1997-2004 in vier Landkreisen auf (LADDOMADA, 2000). Im Zeitraum 1999 bis 2001 kam es im Zusammenhang mit dem KSP-Geschehen in Niedersachsen zu einem Ausbruch in der Schwarzwildpopulation von Sachsen-Anhalt. Weiterhin kam es in Baden-Württemberg, Saarland, Nordrhein-Westfalen (Grenzgebiet zu Rheinland-Pfalz) und erneut 1998 in Rheinland-Pfalz zur Feststellung der KSP bei Schwarzwild.

Eine Übersicht über die KSP-Geschehen in Deutschland und die Tilgungsmaßnahmen während des letzten Jahrzehnts findet sich in chronologischer Folge in Tabelle 2.

doi = Doppelauslage im Abstand NDS = Niedersachsen SL = Saarland von z. B. 14 oder 28 Tagen MVP = Mecklenburg-Vorpommern SA = Sachsen-Anhalt soi = Einzelauslage BRB = Brandenburg RP = Rheinland-Pfalz HA= Handauslage BWB = Baden-Württemberg J = Jahr

FL = Flugzeug-Auslage NRW = Nordrhein-Westfalen

Tabelle 2: KSP-Geschehen und deren Tilgungsmaßnahmen von 1992 bis 2005 (modifiziert nach TEUFFERT et al., 2004; KADEN et al., 2002; KADEN, 2005c)

Impfköderauslage

Bundesland Datum des Erstausbruchs Letzter Virusnachweis Viursfälle bis 03/2005 Beginn Ende Immunisieungs- schemata Genetische Typisierung Aufhebung der Sperrmaßnahmen

70 1993 02/1995 2.3 Uelzen

MVP 01.03.1993 21.07.2000 1.094 12/1994 06/2002

2x doi/J,

BRB 14.03.1995 26.04.2000 287 04/1995 04/2001

2x soi/J,

1993 Feb/1995 117 keine orale

Immunisierung 2.3 Uelzen RP

Pfalz 2)

23.10.1998 12.11.2004 190 02/2003 aktuell 3x doi/J,

30-40 Köder; HA 2.3 Uelzen

2.4.4 Epidemiologisch wichtige Einflussgrößen

2.4.4.1 Wildbestandsdichte und Zirkulation des Virus

Als wichtigster Faktor hinsichtlich der Verbreitung der KSP unter Wildschweinen wird die stark gestiegene Schwarzwildpopulation in europäischen Ländern angesehen (LADDOMADA, 2000; ARTOIS et al., 2002; KADEN et al., 2004a; UTTENTHAL, 2005;

ARNOLD, 2005b). Für diese ansteigende Schwarzwilddichte werden verschiedene Gründe genannt, dazu zählen: die ganzjährige „Kirrpraxis“ und teilweise Fütterung durch Jäger; das hohe Reproduktionspotential von Schwarzwild; fehlende Prädatoren; optimales Habitat; die hervorragende Anpassungsfähigkeit der Wildart; die milden Witterungsverhältnisse der letzten Jahre (v. a. im Winter), das ganzjährige Angebot an Futter (z. B. Baummast).

Nach einem Primärausbruch in einer Schwarzwildpopulation erfolgt die Weiterverbreitung des KSPV in der Meta-Population durch direkten Kontakt mit infizierten Tieren oder durch Kontakt mit Exkreten und Kadavern (KADEN et al., 2005a). Eine Zirkulation innerhalb der Tiergruppe kann durch persistent-infizierte (PI) Frischlinge unterstützt werden (ANONYM, 1999a; DEPNER et al., 1995). Allerdings weisen KADEN et al. (2005a) darauf hin, dass PI-Frischlinge als Quelle einer Viruszirkulation möglicherweise überschätzt wurden. Vielmehr halten sie das Sozialverhalten und nicht-animale Vektoren, wie z.B. Kirrstellen, Malbäume und Suhlen für wichtiger. Nach ROSSI et al. (2005b, 2005c) hängt die Viruspersistenz von der Größe der Population und der Struktur des Wald-Habitats ab, wobei ein großes zusammenhängendes Waldgebiet eine Persistenz wesentlich begünstigt.

2.4.4.2 Reproduktionsrate der Infektion , Alter und Geschlecht

Ein entscheidender Parameter für die Persistenz des KSP-Virus und sein Ausbreitungs-vermögen in einer Schwarzwildpopulation ist die Reproduktionsrate der Infektion (Ro).

Danach muss ein virämisches Tier das KSPV auf mindestens ein weiteres empfängliches Wildschwein übertragen, um den Fortbestand der Infektion zu ermöglichen (Ro≥ 1) (ANONYM, 1999a). Ro repräsentiert dementsprechend die Anzahl der neu infizierten Individuen, die während der Lebensspanne eines infizierten Tieres von diesem angesteckt werden (ARTOIS et al., 2002). Schlussfolgernd erhöht sich die Wahrscheinlichkeit für Ro≥ 1 über einen längeren Zeitraum, je mehr empfängliche Wildschweine in einer Schwarzwild-Metapopulation vorzufinden sind, je mehr Reproduktionsträger (Bachen) Teil des Bestandes

sind und je höher die Schwarzwilddichte in einem bestimmten Gebiet ist. Die Absenkung der Zahl empfänglicher Tiere muss das Ziel aller Bekämpfungsmaßnahmen sein, da so die Zielgröße Ro< 1 erreicht werden kann. Somit stellt nachhaltige Depopulation einen entscheidenden Faktor zur Eradikation der Seuche dar (ARTOIS et al., 2002). Dabei müssen Jungtiere als empfänglichste Altersklasse und Bachen als Reproduktionsträger von bestandsreduzierenden Maßnahmen erfasst werden (KADEN, 2005b).