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Opre Rom*nja!

Im Dokument Dikhen amen! Seht uns! (Seite 119-126)

noch machtlos sind. Sie haben Möglichkeiten zum Widerstand, brauchen jedoch auch die Unterstützung solidarischer Menschen.

Wichtig: Diese Methode zeigt mögliche Handlungsspielräume auf, erhebt dabei jedoch keinen Anspruch auf juristische Unfehlbarkeit. Sollte ein*e Jugendliche in der Gruppe von einer Abschiebung bedroht sein, ist juristische Beratung unabdingbar! Informati-onen und Beratung bezüglich aufenthaltsrechtlicher Fragen bieten die Flüchtlingsräte der Bundesländer: http://www.fluechtlingsrat.de

Hintergrund

Die Länder Serbien, Mazedonien, Bosnien und Herzegowina, Albanien, Kosovo und Montenegro sind seit 2014 beziehungsweise 2015 als sogenannte „sichere Her-kunftsländer“1 von der Bundesregierung eingestuft worden. Es wird davon ausgegangen, dass in diesen Ländern keine politische Verfolgung stattfindet. Asylanträge von Men-schen, deren Staatsangehörigkeit zu einem „sicheren Drittstaat“zählt, können dadurch leichter abgelehnt werden. Viele Rom*nja, die in Deutschland leben, kommen aus diesen Ländern beziehungsweise sind die Kinder und Enkelkinder derer, die von dort einge-wandert sind. Ein großer Teil von ihnen floh während der Kriege im ehemaligen Jugos-lawien nach Deutschland. Heute ist die Situation für Rom*nja in diesen Staaten entge-gen der Einschätzung der Bundesregierung keinesfalls sicher. Sie erleben rassistische

→Diskriminierung, Verfolgung und Gewalt. Die →Asylgesetzgebung wird in Deutsch-land mit Härte ausgetragen: Regelmäßig werden Einzelpersonen und Familien nachts oder in den frühen Morgenstunden von der Polizei abgeholt und abgeschoben, oft ohne Vorwarnung. Darunter sind viele Jugendliche, die hier geboren sind und in Länder „rück-geführt“ werden, die sie nicht kennen und in denen sie sich weder zugehörig fühlen noch eine Zukunftsperspektive haben. Die herrschende Gesetzeslage und die Verwal-tung der Asylanträge zielen damit eher auf die Abschiebung der betroffenen Menschen als auf deren Bleiberecht ab.

Ablauf der Methode

Vorbereitung (60 Minuten) – Erklärung (15 Minuten) – Rollenverteilung (15 Minuten) – Recherche der Rollen (45 Minuten) – Rollenspiel (45 Minuten) – Aufklärung der idealen Ergebnisse und Auswertung (90 Minuten)

Vorbereitung (60 Minuten)

Für das Rollenspiel sind folgende Rollen vorgesehen: betroffene Person, Ausländerbe-hörde (AB), Nichtregierungsorganisation (NGO), Beratungsorganisation, Kirche, An-walt*Anwältin, Presse, Härtefallkommission, Schule, Amtsgericht, Politiker*in. Die de-taillierten Rollenbeschreibungen finden sich im Materialanhang. Sie werden von der teamenden Person ausgedruckt, um daraus Rollenkärtchen für die Teilnehmenden zu basteln. Die ausgedruckten Beschreibungen werden auf jeweils einen Karton geklebt und nach Möglichkeit laminiert. Danach erschließt sich die teamende Person die „ide-alen Schritte“, die im Falle einer drohenden Abschiebung angewendet werden können.

Sie finden sich ebenfalls im Materialanhang. Die teamende Person notiert die „idealen Schritte“ auf einer Flipchart, um sie später der Gruppe vorzustellen. Je nachdem, wieviel Zeit für die Durchführung der Methode zur Verfügung steht, kann die teamende Person auch Beispiele erfolgreich verhinderter Abschiebungen vorbereiten.

Erklärung (15 Minuten)

Den Teilnehmenden wird erklärt, dass sie jetzt an einem Rollenspiel teilnehmen wer-den. Sie erfahren, dass jede*r eine Rolle erhält, in die er*sie sich einarbeiten soll, um sie zu spielen. Ihnen wird die folgende Ausgangssituation geschildert: Einer fiktiven Person droht die Abschiebung und sie weiß nicht, was sie machen soll. Die Aufgabe der Teilneh-menden ist es, den Umgang mit der Situation spielerisch zu erforschen. Bei mehr als 11 Teilnehmenden können sich zwei Teilnehmende eine Rolle „teilen“, sie also gemeinsam erarbeiten und spielen.

Rollenverteilung (15 Minuten)

In dieser Phase werden die Rollen verteilt. Zunächst stellt die teamende Person alle Rol-len kurz vor, damit die Teilnehmenden eine informierte Entscheidung treffen können.

Anschließend wählen alle Teilnehmenden eine Rolle für sich aus. Kurze (!) Nachfragen zu den Rollen werden geklärt.

Recherche der Rollen (45 Minuten)

Die Teilnehmenden arbeiten sich nun in ihre Rollen ein. Sie sollen die Rollenkärtchen genau lesen und intensiv über die Position und Möglichkeiten ihrer Rolle nachdenken.

Die Teilnehmenden können mit Smartphones im Internet recherchieren, um sich ein umfassenderes Bild von ihrer Rolle zu machen. Bei der Auseinandersetzung mit ihren Rollen sollen sich die Teilnehmenden darauf konzentrieren, wie sie eine von der Ab-schiebung bedrohte Person unterstützen könnten. Die teamende Person steht für auf-kommende Fragen zur Verfügung.

Rollenspiel (45 Minuten)

Zu Beginn des Rollenspiels erklärt die Person, die die Rolle der*des Betroffenen hat, ihre Situation. Anschließend wird nach Art des Improvisationstheaters gespielt. Die Teilneh-menden handeln also spontan und ohne Drehbuch. Die TeilnehTeilneh-menden agieren in ihren Rollen und können von selbst auf die „betroffene Person“ zukommen. Zum Beispiel kann die*der „Anwältin*Anwalt“ eine Visitenkarte verteilen, um ins Gespräch zu kommen.

Doch auch die von der Abschiebung bedrohte Person kann auf die anderen zugehen und schauen, was sich daraus ergibt. Es ist wichtig, dass alle Teilnehmenden intuitiv reagie-ren und handeln. Dabei soll jede Rolle von der Gruppe berücksichtigt und einbezogen werden, um die Situation gründlich zu erörtern. Die Teilnehmenden spielen bis es ein Ergebnis gibt. Das kann eine Aufhebung der Abschiebung oder eine Abschiebung sein.

Aufklärung der idealen Ergebnisse und Auswertung (90 Minuten)

Nach dem Rollenspiel erklärt die teamende Person den Teilnehmenden die „idealen Schritte“ im Falle einer Abschiebung. Durch die Präsentation der „idealen Schritte“ soll ein „Aha-Effekt“ entstehen und deutlich aufgezeigt werden, welche Funktion/Hand-lungsmöglichkeit sich hinter welcher Rolle verbirgt. Die teamende Person soll dadurch verdeutlichen, dass es mehrere Wege gibt, wie gehandelt werden und möglicherweise eine Abschiebung vermieden werden kann. Wichtig ist auch, dass die teamende Person darauf aufmerksam macht, dass Glück ein wichtiger Faktor dabei ist.

Im Anschluss wird eine intensive Gruppenauswertung der Übung vorgenommen. Hier-für sollte die teamende Person ausreichend Zeit einplanen, damit die Teilnehmenden im Ernstfall ihre Möglichkeiten kennen und das Wissen darüber anwenden können. Da-für sollen die gespielten Rollen sehr gründlich reflektiert und diskutiert werden. HierDa-für eignen sich folgende Fragen:

• Wie hast du dich während des Rollenspiels gefühlt?

• Welchen Einfluss hatte deine Rolle auf den Verlauf des Rollenspiels?

• Gab es einen Moment, in dem sich die Situation der betroffenen Person ent-scheidend geändert hat? Wenn ja, warum war das so?

• Welche Unterstützung war am effektivsten?

• Was hast du durch die Präsentation der „idealen Schritte“ dazu gelernt?

• Was war dein „Aha-Effekt“ bei der Präsentation der „idealen Schritte“?

Tipps

Die Anleitung der Methode erfordert ein hohes Maß an Sensibilität, da Teilnehmen-de, die einen unsicheren Aufenthaltsstatus haben, dadurch emotional überfordert sein könnten. Zudem können traumatisierende Erlebnisse der Teilnehmenden wieder an die Oberfläche gelangen. Die teamende Person sollte dies einschätzen und auffangen können. Es ist auch möglich, die entsprechenden Personen an Beratungsstellen

weiter-zuvermitteln. Die Methode sollte nur mit Gruppen durchgeführt werden, in denen ein wohlwollender und solidarischer Umgang miteinander vorliegt.

Quellen

1 Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Sichere Herkunftsstaaten. https://www.bamf.de/DE/Themen/

AsylFluechtlingsschutz/Sonderverfahren/SichereHerkunftsstaaten/sichereherkunftsstaaten-node.html (zuletzt aberufen am 12.12.19), siehe auch Definition im Glossar.

2 Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Glossar, Sichere Drittstaaten. https://www.bamf.de/DE/Service/Left/

Glossary/_function/glossar.html?lv3=1504418&lv2=1364198 (abgerufen am 16.10.2019).

Publikationen zur Situation in sogenannten sicheren Drittstaaten, Kampagnen zum Bleiberecht und Möglichkeiten zur Vernetzung finden sich beim Roma Center Göttin-gen: http://www.roma-center.de

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