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Office of Hawaiian Affairs (OHA)

4. Politische Gruppierungen und staatliche Institutionen

4.2 Office of Hawaiian Affairs (OHA)

Auch wenn das 1978 im Rahmen einer Verfassungsänderung gegründete und vom Staat Hawai‘i finanzierte Office of Hawaiian Affairs (OHA)187 nicht den unabhängigen Gruppierungen der hawaiischen Autonomiebewegung zuzurech-nen ist, war es doch während der gesamten 1990er Jahre und darüber hinaus einer der einflussreichsten Akteure in den politischen Auseinandersetzungen um eine hawaiische Autonomie. Im Artikel XII der Verfassung Hawai‘is fin-den sich die rechtlichen Grundlagen des Office of Hawaiian Affairs – ebenso wird OHA hier auch als potenzieller Empfänger von Landübertragungen be-nannt:

„There is hereby established an Office of Hawaiian Affairs. The Office of Hawaiian Affairs shall hold title to all the real and personal property now or hereafter set aside or conveyed to it which shall be held in trust for native Hawaiians and Hawaiians. There shall be a board of trustees for the Office of Hawaiian Affairs elected by qualified voters who are

187 Das Akronym „OHA“ bildet das hawaiische Wort für den Taro-Schössling – die Institution nutzt so, neben ihrem englischsprachigen Namen, eines der hawaiischen Kernsymbole zur Ei-genbezeichnung. Die Vorstellung eines Schösslings korrespondiert zudem mit der vom Office of Hawaiian Affairs propagierten Darstellung des OHA als Keimzelle einer hawaiischen Nation.

Hawaiians, as provided by law. The board members shall be Hawaiian.

[...]“ (Hawaii Constitution 1997:Art. XII [5]).

Die Verfassungsversammlung von 1978 sah ursprünglich sogar vor, die Ver-waltung und Nutzung der Hawaiian Home Lands an das Office of Hawaiian Affairs zu übertragen und so eine staatliche Behörde, das Department of Hawaiian Home Lands, entbehrlich zu machen (cf. McKenzie 1991:88-9;

Hawaiian Affairs 1978:5, 7). Allerdings folgte das Parlament diesem Vorschlag nicht und nahm die Hawaiian Home Lands in den entsprechenden Gesetzen ausdrücklich von etwaigen zukünftigen Landübertragungen aus (Hawaii Revised Statutes o.J.:§10-3 [1,3]). Dies ist insofern von Bedeutung, als OHA ansonsten schon seit seiner Gründung über eine eigene Landbasis hätte verfü-gen können, was seine Ansprüche als Vorläufer einer autonomen hawaiischen Einheit noch untermauert hätte.

Zwar stehen OHA immerhin 20% aller Einnahmen aus dem „Public Land Trust“ zur Verfügung, doch dürfen diese Einkünfte gemäß den Bestim-mungen des Aufnahmevertrages von 1959 nur für Native Hawaiians im Sinne des Hawaiian Homes Commission Act, d.h. für Hawaiier mit einer mindestens zu 50% hawaiischen Abstammung verwendet werden. Darüber hinaus ist das Office of Hawaiian Affairs zu einem guten Teil auf finanzielle Zuweisungen des Parlaments angewiesen, über deren Verwendung es Rechenschaft ablegen muss – es verfügt also nur über eine eingeschränkte Unabhängigkeit (cf. Ma-cKenzie 1991 b:89).188

In seiner Selbstdarstellung betont OHA jedoch seine Unabhängigkeit vom US-Staat Hawai‘i und verweist vor allem auf hawaiische Wurzeln seiner Entstehung:

„In 1977, an unprecedented series of ‚Puwalu Seminars‘ provided rep-resentatives from 28 organizations and many individual Hawaiians with an opportunity to discuss a wide range of Hawaiian issues. [...] In later sessions, island representatives were elected to serve as members of a mini-legislature, which prepared a set of legislative proposals called the Native Hawaiian Legislative Package“ (OHA 1998).

Die Aufgabenstellung des Office of Hawaiian Affairs sind in den Hawaii Revised Statutes festgelegt: OHA soll die allgemeinen Lebensbedingungen der

188 1996 betrugen die Mittel aus dem Public Land Trust und anderen Quellen, die nach dem Aufnahmevertrag von 1959 für Native Hawaiians verwendet werden müssen, US $ 22.434.240.

Sie wurden ergänzt durch allgemein verwendbare Mittel in Höhe von US $ 3.901.563. Um sei-nen Aufgaben gerecht werden zu könsei-nen, verrechnet OHA unterschiedliche Posten. Das Ge-samtvermögen des Office of Hawaiian Affairs belief sich im Juni 1996 auf US$ 217.347.438 (OHA 1997:43, 47).

4. Politische Gruppierungen und staatliche Institutionen 127 Hawaiier verbessern, indem es Förderprogramme für die hawaiische Bevölke-rung entwirft und durchführt sowie Programme anderer Behörden bewertet und koordiniert; es soll sich um finanzielle Mittel für diese Programme bei allen möglichen Quellen bemühen. Und schließlich soll OHA auch der Empfänger von etwaigen zukünftigen Reparationszahlungen staatlicher Stellen an die ha-waiische Bevölkerung sein (Hawaii Rev. Statutes o.J.:§10-3 [1-6]). Diese Auf-gaben und damit sein Selbstverständnis als Interessenvertretung der gesamten hawaiischen Bevölkerung hebt das Office of Hawaiian Affairs in seiner Eigen-darstellung ausdrücklich hervor:

„OHA then, is an agency, a trust and a government all at once. Its mis-sion is the betterment of conditions of all Hawaiians and to provide Hawaiians the opportunity for a better life and future“ (OHA 1998).

Zur Erfüllung seiner Aufgaben verfügt OHA über einen umfangreichen Stab von Mitarbeitern, der sich auf zehn Abteilungen verteilt, die gewisserma-ßen Regierungsstrukturen nachbilden (so u.a. Government Affairs Office, Cul-ture Office, Economic Development Division und Land and Natural Resources Division). Nach den Vorstellungen der ursprünglichen Satzung sollte die Insti-tution von einem Vorstand aus neun gewählten hawaiischen Treuhändern, dem

„Board of Trustees“, geleitet werden (Hawaii Constitution 1997:Art. XII [5]).

In den Hawaii Revised Statutes (o.J.:§13 D-3, 4) war darüber hinaus festgelegt worden, dass ausschließlich wahlberechtigte Bürger hawaiischer Abstammung an den alle vier Jahre stattfindenden Wahlen teilnehmen konnten – ein Urteil des Obersten Gerichtshofes der USA änderte diese Regel im Jahr 2000, so dass nun auch Nichthawaiier über den OHA-Vorstand entscheiden können. Die Zahl der registrierten Wähler zu den OHA-Wahlen stieg seit 1990 beständig an – waren es 1990 noch 63.432 Personen (MacKenzie 1991 b:89), so stieg die Zahl auf 75.766 im Jahre 1994 und 87.298 im Jahre 1996 an.189

1989 trat OHA mit einem so genannten „Blueprint for Native Hawaiian Entitlements“ an die Öffentlichkeit, einem als Diskussionsgrundlage gedachten Plan zur Übertragung von Land an eine hawaiische Verwaltungseinheit und die Gewährung politischer Unabhängigkeit (OHA 1989).

Diese im Gegensatz zu den Mitgliedszahlen der unabhängigen Initiativen nachprüfbaren Zahlen machen das Office of Hawaiian Affairs zumindest hinsichtlich des mittelbar involvierten Bevölkerungsteiles zum bedeutendsten Repräsentanten der hawaii-schen Bevölkerung.

190

189 „OHA voters active, growing“, Richard Borreca (H S-B online 27.5.97: starbulletin.com/

In der Zusammenfassung des „Blueprints“ heißt es:

97/05/27/news/story3.html [23.9.1998]).

190 Siehe ausführlich zu dem Dokument MacKenzie (1991b:91-2).

„Native Hawaiians have the right to pursue their own culture, traditions and goals. To achieve this right, this blueprint proposes a gathering of elected Native Hawaiian representatives who will draft a governing document (such as a constitution). This document should provide for a process of ratification by Native Hawaiian voters. If adopted, it should provide for establishment and powers of such an entity“ (OHA 1989:1).

Hier muss zunächst angemerkt werden, dass das Office of Hawaiian Affairs trotz der besonderen Rolle, die es für die Hawaiier im Sinne des Hawaiian Homes Commission Act spielt, die Bezeichnung „Native Hawaiians“ im oben zitierten Passus wie auch in seinen sonstigen Selbstäußerungen auf alle Ha-waiier, gleich welchen Abstammungsgrades anwendet (OHA 1989:1). So ver-meidet es zumindest vordergründig eine Trennung seiner Wählerbasis in Grup-pen mit unterschiedlichem Rechtsstatus. Des Weiteren konstatiert OHA mehr oder weniger deutlich, dass es sich als weitgehend selbst verwaltete hawaiische Institution bereits als oberste Instanz der im „Blueprint“ genannten autonomen Gebietseinheit („Entity“) sieht (OHA 1989:3 [10. a,b]). Dieses durchgängig geäußerte Selbstverständnis klingt auch in der Aufzählung der vorgesehenen Befugnisse bzw. Aufgaben der o.a. autonomen Institution deutlich an:

„The document drafted may give OHA, or another entity chosen by Native Hawaiians, the power to adopt ordinances for the health, safety, and welfare of Native Hawaiians; the power to levy taxes, zone trust lands, produce income from such lands, and regulate conduct on trust lands; the power to receive and manage any lands, resources or funds;

the power to allot lands to individuals; and the power to regulate hunt-ing, fishhunt-ing, gatherhunt-ing, access and other traditional rights and practices of Native Hawaiians“ (OHA 1989:3 [10. a]).

Einige Jahre später, im Gedenkjahr 1993, hatten sich die Vorstellungen des Office of Hawaiian Affairs erheblich konkretisiert: die Behörde vertrat nun unmissverständlich das Autonomiemodell einer hawaiischen Nation nach dem Vorbild der „Indian Nations“ in den kontinentalen USA – wie es auch von Ka Lāhui favorisiert wird. Diese Vorstellungen finden sich in dem Entwurf eines

„Native Hawaiian Recognition and Restoration Act“, der in den US-Kongress eingebracht werden sollte. Hier heißt es u.a.:

„The form and structure of the Native Hawaiian government is for Na-tive Hawaiians to decide... [...] (1) NaNa-tive Hawaiians are indigenous people with a long historical and political relationship with the United States. (2) ...Congress has the constitutional authority to legislate in

4. Politische Gruppierungen und staatliche Institutionen 129 matters affecting indigenous people, including Native Hawaiians. (3) A re-established Native Hawaiian Government would have a status and relationship with the United States similar to that which federally rec-ognized Indian tribes now possess. [...]“ (OHA 1993a:3).191

Auch OHA sieht also die USA in der Verantwortung, durch Gesetze wie den

„Recognition Act“ die politische und rechtliche Situation der hawaiischen Be-völkerung grundlegend zu ändern. Hinsichtlich seiner eigenen Rolle in diesem Prozess versteht sich das Office of Hawaiian Affairs als treibende Kraft und als wichtigster Ansprechpartner der entscheidenden Regierungsinstanzen:

„OHA would be designated as the interim organization to manage the process and petition the President and Congress with the results“ (OHA 1993a:3).

Soweit die Äußerungen des Office of Hawaiian Affairs zu Autonomiemodellen und Vorstellungen der eigenen Rolle bei diesen Projektionen, die in den 1990er Jahren einen wesentlichen Aspekt des hawaiischen Autonomiediskurses bilde-ten.

Das Office of Hawaiian Affairs hat die vom Staat angeregte und ge-förderte „Native Hawaiian Vote“ von 1996 nachdrücklich unterstützt und eine zentrale Rolle bei Planung und Durchführung dieser Wahl gespielt. OHA hatte nicht nur einen festen Sitz sowohl in der Hawaiian Sovereignty Advisory Commission als auch im Hawaiian Sovereignty Election Council (HSEC) – es finanzierte die zuletzt genannte Institution darüber hinaus zu 50% aus seinem Haushalt. Eine der dem Office of Hawaiian Affairs im Zuge der Wahlvorberei-tungen zufallenden Aufgaben war die Information der wahlberechtigten Bevöl-kerung über die unterschiedlichen politischen Modelle hawaiischer Selbstbe-stimmung, wobei dem von ihm selbst favorisierten Modell einer „Nation within a Nation“ keine offensichtliche Vorrangstellung eingeräumt wurde (siehe z.B.

OHA 1994).

Allerdings stand der Vorstand des Office of Hawaiian Affairs nicht einheitlich hinter der Idee einer hawaiischen Wahl zur Festlegung des weiteren Weges zur Autonomie. So machte zumindest ein Mitglied des Vorstandes, Samuel L. Kealoha, aus seiner Ablehnung des Wahlganges keinen Hehl und schrieb in der OHA-Zeitung Ka Wai Ola:

„HSEC [Hawaiian Sovereignty Election Council] does not represent self-determination for the Hawaiian people. HSEC represents a

191 Man vergleiche die hier vom Office of Hawaiian Affairs formulierten Zielvorstellungen mit jenen der „Akaka-Bill“; siehe hierzu 8.3.

controlled process for achieving a state-controlled outcome – an out-come that protects state interests, not the interests of the Hawaiian peo-ple.“192

Diese Vorbehalte hinsichtlich einer Beteiligung des OHA an der „Nati-ve Hawaiian Vote“ wurden von vielen Hawaiiern und einem großen Teil der organisierten Autonomiebewegung geteilt. Eine ganz ähnliche Kritik galt zu-dem überhaupt jeglicher Beteiligung des Office of Hawaiian Affairs am Auto-nomieprozess. Insbesondere Ka Lāhui Hawai‘i wandte sich bei jeder Gelegen-heit gegen OHA als Mitstreiter für die hawaiische Selbstbestimmung. Gerade diese beiden so unterschiedlichen Organisationen zeichneten sich durch ein ausgeprägtes Konkurrenzverhältnis aus, das u.a. durch eine erhebliche ge-meinsame Schnittmenge ihrer politischen Zielvorstellungen und durch den beiderseits erhobenen Anspruch, bereits eine jederzeit handlungsfähige hawaii-sche „Regierung“ zu bilden, begründet war.

Neben dem Office of Hawaiian Affairs als einer hawaiischen on mit Verfassungsrang waren aber auch andere staatliche Stellen und Instituti-onen in die Auseinandersetzungen um die „Hawaiian Sovereignty“ involviert – auf ihre Rolle und Bedeutung im Autonomiediskurs der 1990er Jahre werde ich im Folgenden eingehen.

192 „HSEC plebiscite is not Hawaiians‘ choice“, Samuel L. Kealoha (Ka Wai Ola o OHA, May 1995, 12 [5]:15)