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Neue Funktion als Einzelhandelszentrum

Im Dokument Stadtentwicklung von Hanoi (Seite 149-155)

3. Stadtentwicklung Hanois seit 1954

3.2 Hanoi nach Einsetzen von Doi Moi

3.2.2 Transformationsprozesse im französischen Kolonialviertel

3.2.2.2 Neue Funktion als Einzelhandelszentrum

Nach Beginn der Doi Moi Reformen wurde das französische Kolonialviertel südlich des Hoan Kiem Sees - etwas zeitversetzt gegenüber der marktwirtschaftlichen Inwertsetzung im 36-Gassen-Gebiet - Anfang der neunziger Jahre Teil des innerstädtischen Geschäfts- und Einzelhandelszentrums Hanois: In komplementärer Ergänzung der traditionell im 36-Gassen-Gebiet angebotenen Produktpalette errichteten staatliche und private Unter-nehmen sowie Privatpersonen hier Ladengeschäfte, in denen vornehmlich importierte Produkte oder Dienstleistungen angeboten werden, die vor Doi Moi für weite Teile der Bevölkerung nicht bekannt oder nicht erschwinglich waren. Dabei handelt es sich über-wiegend um hochwertige Güter episodischen Bedarfs, wie etwa Farbfernseh- und HiFi-Geräte, Videorekorder, Waschmaschinen, Computer, Mobiltelefone und Klimaanlagen oder um neue Dienstleistungsgeschäfte wie etwa Copy-Shops, Werbeagenturen, Reise-büros, u.ä.

Ähnlich wie im 36-Gassen-Gebiet kam es auch hier zur traditionellen räumlichen Kon-zentration von Geschäften mit ähnlichem Warenangebot nach einzelnen Straßenab-schnitten, etwa in der Hai Ba Trung Str. zwischen Ba Trieu- und Quang Trung Str., wo nahezu ausschließlich Unterhaltungselektronik angeboten wird.

Insgesamt konzentrieren sich heute im französischen Kolonialviertel die hochrangigsten und modernsten Einzelhandelseinrichtungen Hanois, wobei die marktwirtschaftliche In-wertsetzung des Gebiets in den zentralen Straßen in der Nähe des Hoan Kiem Sees früher einsetzte als in den peripherer gelegenen Straßen (vgl.: PARENTEAU/CHAMPAGNE

1997: 106f.) Auch hinsichtlich der durchschnittlichen Verkaufsflächengrößen ist ein deutliches Zentrum-Peripheriegefälle festzustellen (vgl.: Kap. 4.2).

Der informelle Sektor, insbesondere der vornehmlich von Frauen mit Tragestangen be-triebene ambulante Handel mit landwirtschaftlich erzeugten Produkten spielt auch im französischen Kolonialviertel eine wichtige Rolle bei der täglichen Versorgung mit

Lebensmitteln, tritt aber bei weitem nicht so auffällig in Erscheinung wie im 36-Gassen-Gebiet.

Die marktwirtschaftliche Inwertsetzung des französischen Kolonialviertels steht im engen Zusammenhang mit der Transformation der baulich-physiognomischen Gestalt des Stadtteils, wobei der Gebäudebestand je nach Akteurstyp unterschiedliche Überfor-mungen erfährt.

3.2.2.3 Bautätigkeiten

Die Errichtung von Repräsentanzen durch internationale Unternehmen, Organisationen oder ausländische Regierungen in Kolonialvillen führte dazu, dass diese Gebäude er-halten blieben und in der Regel unter Aufsicht qualifizierter Architekten komplett reno-viert wurden (vgl.: Abb. Nr. 32) (vgl.: MACLAREN 1995: 106).

Abb. Nr. 32: Botschaft Neuseelands in vollrenovierter französischer Kolonialvilla Sitz der Botschaft Neuseelands in vollrenovierter

französischer Kolonialvilla Standort: Ly Thoung Kiet Str.

Quelle: Eigene Aufnahme, April 1998.

Dies betrifft zum einen – wie erwähnt – vor allem zuvor in Privat- oder Mischbesitz be-findliche Wohngebäude und zum anderen Kolonialvillen, die zuvor von staatlichen In-stitutionen genutzt wurden.

Neben der Ansiedlung von ausländischen Repräsentanzbüros und Botschaften in Ge-bäuden aus französischer Kolonialzeit errichteten ausländische Firmen auch zahlreiche

Neubauten. Die beiden größten Hochhaustürme Hanois wurden 1998 durch interna-tionale Joint-Venture-Unternehmen im französischen Kolonialviertel fertiggestellt.

Beide Bauwerke weisen verschiedene, miteinander kombinierte Nutzungsformen auf: Es handelt sich zum einen um die sogenannten ‚Hanoi Towers’ (Baukosten 36,23 Mio.

US$; errichtet von einem südkoreanisch-vietnamesischen JV) mit einem fünfund-zwanzigstöckigen Hotel-/Apartmentturm sowie einem dreizehnstöckigen Büroturm83, die durch ein vierstöckiges Podium mit Konferenz-, Tagungsräumen sowie modernen Einzelhandelsgeschäften internationaler Konzerne84 miteinander verbunden sind (vgl.:

Abb. Nr. 33). Zum anderen handelt es sich um das sogenannte ‚Meliá Hanoi’ (ehemals Hanoi Central Hotel; Baukosten 72,629 Mio. US$; errichtet von einem thailändisch-vietnamesischen JV) mit einem einundzwanzigstöckigen Hotelturm mit Tagungs- und Konferenzeinrichtungen, einem achtzehnstöckigen Büroturm sowie dem einzigen Heli-port Hanois85 (vgl.: Abb. Nr. 33).

Die von den internationalen Einzelhandelsketten in den Hochhäusern des französischen Kolonialviertels angesiedelten Ladenlokale haben ihr Angebot auf ein ausländisches sowie ein kaufkräftiges inländisches Publikum ausgerichtet. Die von diesen Unter-nehmen getragenen Filialen weisen hinsichtlich ihrer modern-westlichen Ausstattung Pioniercharakter auf und stellen augenblicklich die modernsten Einzelhandelsein-richtungen im Stadtgebiet von Hanoi dar.

83 Informationen über die ‚Hanoi Towers’: Gespräch mit Frau LE THI THU HA, am 27.03.1998.

84 U.a. befinden sich hier auf insgesamt 1.800 qm Verkaufsfläche Niederlassungen der Cathay Pacific Airlines und der SAS Airlines, ein Bekleidungsgeschäft von Pierre Cardin, ein Supermarkt der Kette Citimart, ein Konfektgeschäft der internationalen Marke ’Sweeties’, eine Gemäldegalerie sowie eine Dienststelle der staatlichen vietnamesischen Post (Stand: März 1999).

85 Informationen über das ‚Meliá Hanoi’: Gespräch mit Herrn LUU PHUONG PHAM KIEM, am 27.03.1998.

Abb. Nr. 33: Hochhaustürme im französischen Kolonialviertel

Quelle: Eigene Aufnahme, März 1999.

Neubautätigkeiten im französischen Kolonialviertel durch internationale Akteure

Quelle: Eigene Aufnahme, September 1997.

Hanoi Towers Meliá Hanoi

Diese beiden Hochhäuser werden dauerhaft die Skyline der Innenstadt Hanois domi-nieren, da nach Verabschiedung eines baurechtlichen Dekrets 1995 durch das Büro des Chefarchitekten im französischen Viertel keine Neubauten mit mehr als fünf Stock-werken gebaut werden dürfen (vgl.: KOPERDRAAT 1997: 11).

Der jüngste von internationalen Investoren im französischen Kolonialviertel fertigge-stellte Neubau stellt das sich in unmittelbarer Nähe zum Stadttheater befindliche für 64 Mio. USD im Februar 1999 fertiggestellte ‚Hanoi Opera Hotel’ dar, das zur interna-tionalen Hilton-Gruppe gehört und von einem französisch-vietnamesischen JV-Unter-nehmen errichtet wurde (vgl.: Abb. Nr. 34) (vgl.: HUYEN 1999).

Abb. Nr. 34: Das Hanoi Opera Hotel im französischen Kolonialviertel Rohbau des Hanoi Opera Hotels

Quelle: Eigene Aufnahme, April 1998.

Im Gegensatz zu den Bautätigkeiten der internationalen Akteure sind die von den ansäs-sigen Bewohnern getragenen baulichen Erneuerungsprozesse größtenteils ungesteuert.

Die stärksten Überformungen erfahren dabei die staatlichen Villen, in denen nach 1954 niedrigrangige Kader einquartiert wurden, da dort der Bevölkerungsdruck aufgrund hoher Belegdichten am größten und der bauliche Zustand der Wohngebäude am schlechtesten ist (vgl.: KOPERDRAAT 1997: 12). Eine Erweiterung der Wohnflächen wird durch die Errichtung von Anbauten an die Villen oder durch Neubauten anstelle der alten Wirtschaftsgebäude auf den Grundstücken hinter den Kolonialgebäuden er-reicht. Die Notwendigkeit, zu zusätzlichem Geldeinkommen zu gelangen, führt zudem zur Errichtung von Ladenverkaufsflächen, die fast immer zur Straßenseite hin erfolgt, wobei bei kolonialen Reihenhäusern in Gehwegrandbebauung Hauswände aufgebrochen und bei Villen in solitärer Bebauung garagenartige Anbauten vor der Villa errichtet werden (vgl.: PARENTEAU/CHAMPAGNE 1997: 86/DANG 1996: 117). Die weitver-breiteten als Ladengeschäfte genutzten garagenartigen Anbauten vor den Villen wurden im Zuge von Doi Moi zu einem typischen Merkmal der privaten Geschäftstätigkeit von Vietnamesen im französischen Kolonialviertel (vgl.: Abb. Nr. 35).

Abb. Nr. 35: Handelstätigkeiten in Anbauten im französischen Kolonialviertel Garagenartige Anbauten im französischen Kolonialviertel Nutzung als Ladeneinzelhandelsgeschäfte durch Privatpersonen

Quelle: Eigene Aufnahmen, März 1999.

Standort: Trang Hung Dao Str. Standort: Ham Long Str.

Im Zuge von Doi Moi wurden nicht nur das 36-Gassen-Gebiet und das französische Kolonialviertel, also die innerstädtischen Areale, von Transformationsprozessen erfasst, sondern auch die in der Peripherie gelegenen staatlichen Wohnsiedlungsanlagen erfuh-ren beträchtliche Veränderungen.

3.2.3 Transformationsprozesse in den staatlichen

Im Dokument Stadtentwicklung von Hanoi (Seite 149-155)