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Internationalisierung

Im Dokument Stadtentwicklung von Hanoi (Seite 146-149)

3. Stadtentwicklung Hanois seit 1954

3.2 Hanoi nach Einsetzen von Doi Moi

3.2.2 Transformationsprozesse im französischen Kolonialviertel

3.2.2.1 Internationalisierung

Nach Verabschiedung des vergleichsweise liberalen Gesetzes über die Zulassung von ausländischen Direktinvestitionen im Jahre 1987 und der beginnenden außenwirtschaft-lichen Öffnung des Landes kam es zu einem starken Anstieg der Aktivitäten auslän-discher Unternehmen und Organisationen in Vietnam (vgl.: PHE 1997: 6/RIEDEL 1997:

59). Nachdem in den ersten Transformationsjahren der größte Teil der ausländischen Direktinvestitionen (FDI) in den Süden des Landes, allen voran Ho Chi Minh Stadt ge-flossen waren, konnte ab Anfang der neunziger Jahre auch Hanoi zunehmend von dem Zufluss ausländischen Kapitals profitieren (vgl.: IMF 1996B: 21). Bis Ende März 2000 kumulierte sich der Kapitalumfang der in Hanoi offiziell lizenzierten ausländischen In-vestitionsprojekte auf 7,42 Mrd. US$79, damit vereinte die Hauptstadt 20,2 % des ge-samten landesweiten Bestandes an FDI auf sich80 (vgl.: o.V. 2000B: 38). In der Innen-stadt Hanois spiegelten sich die Aktivitäten der internationalen Unternehmen u.a. in einem vermehrten Anstieg von ausländischen Repräsentationsbüros wider, deren Zahl sich innerhalb von nur vier Jahren von 61 im Jahr 1991 auf 202 im Jahre 1994 mehr als verdreifachte (KOPERDRAAT 1998: 62; nach HENSHALL 1995: 18).

Die überwältigende Mehrheit (84 %) der ausländischen Unternehmen errichtete ihre Niederlassungen im französischen Kolonialviertel (vgl.: HENSHALL 1995:

ii/KOPERDRAAT 1998: 62).

Mit zunehmender Aufhebung der internationalen Isolation Vietnams verdoppelte sich zudem die Zahl der ausländischen Botschaften in diesem Gebiet von 1986 bis 1996 (KOPERDRAAT 1998: 66).

78 PÜTZ beschreibt mit diesem Begriff die Transformation der Innenstadt im polnischen Wroclaw, die er im Rahmen seiner Dissertation über den Einzelhandel im Transformationsprozess untersuchte.

79 Dieser Betrag wurde bislang jedoch nur zu ca. einem Drittel tatsächlich realisiert. Die wichtigsten Herkunftsländer für nach Vietnam strömende FDI sind Singapur, Tawain, Japan, Südkorea und Hongkong (vgl.: o.V. 1998C/HSO 1999: 107/o.V. 2000B).

80 Zum Vergleich: Ho Chi Minh Stadt wies zum gleichen Zeitpunkt einen Anteil von 28,7 % am landesweiten FDI-Bestand auf (o.V. 2000B).

Die Beliebtheit des französischen Kolonialviertels bei der Standortwahl internationaler Akteure erklärt sich zum einen durch seine zentrumsnahe, strategisch günstige Lage in-nerhalb Hanois, zum anderen durch den dort vorhandenen großen Bestand an repräsen-tativen Kolonialgebäuden, der potenziell in neue Nutzungsformen konvertiert werden konnte (vgl.: LOGAN 1995A: 335/PHE 1997: 6).

Neben der Ansiedlung von Unternehmensrepräsentanzen und Botschaften errichteten internationale Unternehmen im französischen Kolonialviertel auch zahlreiche Hotels.

Das erste internationalen Standards genügende Luxushotel Hanois war das 1992 durch das französische Touristikunternehmen Accor neu eröffnete Sofitel-Métropole Hotel (vgl.: LOGAN 1994: 67). Während für das Sofitel-Métropole ein aus französischer Kolo-nialzeit stammendes traditionsreiches Hotelgebäude komplett renoviert und saniert wurde, fanden in der Folgezeit für Hotels der obersten Kategorie81 ausschließlich Neu-bauten Verwendung.

Mit diesen Entwicklungen einhergehend verlor die Wohnfunktion des französischen Kolonialviertels an Dominanz: Während vor Einsetzen von Doi Moi noch 87 % der Vil-len südlich des Hoan Kiem Sees ausschließlich zum Wohnen genutzt wurden, sank dieser Anteil bis 1997 auf 72 % (vgl.: KOPERDRAAT 1998: 71). Neue Funktionen wie die Nutzung der Gebäude für kommerzielle-, Dienstleistungs- oder Verwaltungstätigkeiten gewannen hingegen an Bedeutung (vgl.: Tab. Nr. 9).

In Hanoi war die erste Phase der Entstehung eines Immobilienmarkts – ähnlich wie in vielen ostmitteleuropäischen Städten – von einem extremen Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage gekennzeichnet (FASSMANN/LICHTENBERGER 1995: 237). Der große Nachfrageüberhang nach Büroflächen im französischen Kolonialviertel führte zu sehr hohen Mietpreisen von 45 bis zu 50 US$/qm im Monat, die damit das Niveau von Tokyo oder Hongkong erreichten (o.V. 1998A/EVERTSZ 1998: 53f./KILGOUR/SMITH

1998: 3). Für einzelne Villen wurden von internationalen Unternehmen Anfang der neunziger Jahre bis zu 10.000 US$/Monat Miete bezahlt (KOPERDRAAT 1998: 63).

Prominente deutsche Unternehmen oder Organisationen, die sich in Villen des französischen Kolonialviertels ansiedelten, waren etwa die Siemens AG, die Mannesmann AG, die Deutsche Bank AG, die Repräsentanz der deutschen

81 Für Unterkünfte der mittleren oder unteren Kategorien (oder auch Restaurants) hingegen, wurden seit Beginn von Doi Moi zahlreiche Villen im französischen Kolonialviertel, insbesondere in der Nähe des Bahnhofes, in Hotels umgewandelt. Träger dieser Transformationsprozesse waren jedoch in der Regel nicht internationale Akteure, sondern vietnamesischen Unternehmen oder Einzelpersonen.

Außenhandelskammer oder die Vertretung des Ostasiatischen Vereins (vgl.: AHK:

5.08.1996).

Tab. Nr. 9: Neue Funktionen ehemaliger als Wohngebäude genutzter Häuser im französischen Kolonialviertel

Neue Funktion in v. H.

Kommerzielle Nutzung 37,9

Dienstleistungen 27,0 Verwaltung 35,1 Quelle: Parenteau et al. 1995: 172.

Die Umwidmung von Wohn- in Büroflächen betraf dabei vor allem Villen, die sich in Privat- oder Mischbesitz befanden und somit eine vergleichsweise geringe Bevölke-rungsdichte aufwiesen (vgl.: Tab. Nr. 10). Mit der Konvertierung ging in der Regel der Auszug der bisherigen Einwohner und damit eine Dekonzentration der Einwohnerdichte einher.

Tab. Nr. 10: Veränderung der Zahl der Villen mit Wohnfunktion im französischen Kolonialviertel südlich des Hoan Kiem Sees nach Eigentumsform, 1986 u. 1997

Eigentumsform Privat Quelle: verändert nach: Koperdraat 1998: 71.

Ab Mitte der neunziger Jahre begannen die Villen jedoch an Bedeutung als Standorte für Repräsentationsbüros zu verlieren, da in Hanoi im Zuge eines teilweise überhitzten Baubooms eine Vielzahl von neu errichteten Bürohochhäusern fertiggestellt wurde. Es kam rasch zu einem starken Überangebot an Büroraum, das durch die 1997 in Ost- und Südostasien einsetzende regionale Finanz- und Währungskrise und dem damit ver-bundenen Rückgang der ausländischen Direktinvestitionsströme noch verstärkt wurde (vgl.: DUNG 1996: 38f./o.V. 1997G/MINH 1998: 42f.). Die Mietpreise für Büroflächen sanken folglich zwischen 1996 und 1998 um ca. 25 %, die für Villen gingen in diesem Zeitraum sogar um die Hälfte zurück (vgl.: o.V. 1996A/o.V. 1998A/KOPERDRAAT 1998:

63). Der Leerstand an Büroflächen erreichte in Hanoi bereits 1998 knapp 50 %82 (o.V.:

1998A). Die Immobilienkrise führte auch im Hotelsektor zu stark sinkenden Auslas-tungsraten, da die Ankünfte internationaler Touristen in Hanoi seit 1997 stagnieren, aber

82 Die Immobilienkrise beschränkte sich nicht nur auf die Hauptstadt Vietnams, auch aus Ho Chi Minh Stadt wurden im gleichen Zeitraum ähnlich hohe Leerstände vermeldet (vgl.: NGUYEN 1999: 6).

gleichzeitig viele neue Hotels eröffnet wurden (vgl.: LAM/BICKNELL: 2.-8.03.1998/HUNG: 1999/o.V.: 1998B).

Neben internationalen Unternehmen errichteten auch viele vietnamesische Staats- und Privatunternehmen Niederlassungen im französischen Kolonialviertel. Insbesondere im Hinblick auf den (Einzel-)Handel spielten vietnamesische Akteure sogar eine tragende Rolle bei der wirtschaftsräumlichen Transformation.

Im Dokument Stadtentwicklung von Hanoi (Seite 146-149)