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Die Entwicklung Hanois von 1428-1802

Im Dokument Stadtentwicklung von Hanoi (Seite 52-57)

2. Geschichtliche Entwicklung Hanois von den Anfängen bis 1954

2.1 Die vorkolonialen Phasen

2.1.3 Die Entwicklung Hanois von 1428-1802

LE LOI wurde unter dem Namen LE THAI TO der Begründer der Le-Dynastie und machte das alte Thang Long wieder zur Hauptstadt. Unter seiner Herrschaft wurde die Stadt nach den Zerstörungen durch die Chinesen wiederaufgebaut und die Befestigungsanlage der Kaiserstadt vergrößert (PHUC 1995: 45). Im Jahre 1430 benannte LE THAI TO die

17 In älteren Beschreibungen wird Hanoi abwechselnd auch als Kehue (RODES 1623: 37), Cacho (BARON 1954: 59/DELAPORTE 1954: 207/ROLLIN 1954: 504) oder als Cachao (DAMPIER 1909: 313) bezeichnet.

Stadt in Dong Kinh18 (Hauptstadt des Ostens) um (PHUC 1995: 45).

Im Jahr 1466 wurde Dong Kinh unter dem Le-Kaiser LE THANG TONG (1460-1497) in Trung Do umbenannt (PHUC 1995: 45). Während der 37 Jahre andauernden Herrschaft von LE THANG TONG erlebte die Stadt eine weitere Blütezeit, die durch rege Bautätig-keiten gekennzeichnet war (vgl.: VIEN 1993: 69f.). Unter seiner Ägide wurde etwa die Kaiserstadt erneut vergrößert sowie das Gelände des Literaturtempels erweitert und aus-gebaut (vgl.: VUONG/LONG 1977: 45/MOC/INSTITUTE ON ARCHITECTURE 1999: 5).

Aus dem Jahr 1490 stammt die älteste noch erhaltene, skizzenartige Karte der heutigen Hauptstadt Vietnams, die einen ungefähren Eindruck über die räumliche Lage und Aus-dehnung der Kaiser- und Volksstadt sowie der wichtigsten Bauten innerhalb der Stadt-grenzen gibt19 (vgl.: Abb. Nr. 8) (vgl.: VUONG/LONG 1977: 40). Weite Teile des Stadtgebiets waren zu jener Zeit mit Seen bedeckt, die bei den häufigen Überschwem-mungen als natürliche Wasserauffangbecken dienten. Der Hoan Kiem See war weitaus größer als heute, und es bestand noch eine direkte Verbindung zum Roten Fluss. Gleich-zeitig boten der To Lich-, Kim Nguu-, und Rote Fluss wie auch der Westsee neben den Befestigungswällen einen natürlichen Schutz vor militärischen Agressionen. Auf dem Gelände der Volksstadt war die Bevölkerungsdichte auf dem Marktgebiet entlang des To Lich-Flusses zwischen Kaiserstadt und Rotem Fluss am größten. Auf diesem Areal entstand – wie erwähnt – zu jener Zeit das Handwerks- und Handelsgebiet der 36-Gassen. Der Kaiser und seine Familie hatten ihre Residenz in der Verbotenen Stadt (b), welche nur über ein hierarchisches System von verschiedenen Toren innerhalb der Zitadelle zugänglich war.

18 Der Name Dong-Kinh wurde von westlichen Ausländern als Tonkin (oder Tongking) verstanden und diente ihnen im Folgenden als Bezeichnung für das gesamte nordvietnamesische Gebiet

19Die Abb. Nr. 8 stellt natürlich nicht die erwähnte Originalkarte dar, sondern es wurde bei dieser Darstellung versucht, die in der historischen Karte enthaltenen Informationen auf die heutige Stadtfläche Hanois projeziert so gut wie lagetreu darzustellen (vgl.: MOC/INSTITUTE ON ARCHITECTURE 1999: 5).

Abb. Nr. 8: Die Stadtstruktur Hanois, 1490

Befestigungswall der Volksstadt Literaturtempel

a b Bach Ma Tempel c Ling Lang Tempel d Quan Thanh Tempel Verbotene Stadt

e f Ly Quoc Su Tempel g Bao Thien Pagode hQuan Su Pagode Tor

Quelle: verändert nach: MOC/Research Institute on Architecture 1999. S. 5.

Stadtstruktur Hanois, 1490

Befestigungswall der Kaiserstadt

Rote r Flu

ss

ca. 1 km

Über das soziale und wirtschaftliche Leben in der Stadt zu jener Zeit gibt es leider nur sehr spärliche Angaben. Die zeitgenössischen vietnamesischen Geschichtsschreiber ver-zeichneten fast ausschließlich politische Ereignisse auf nationaler Ebene und Verände-rungen am Kaiserlichen Hof. Sie legten im Allgemeinen wenig Wert auf die Be-schreibung sozioökonomischer Gegebenheiten oder Darstellung lokaler Verhältnisse wie etwa die des täglichen Lebens in Trung Do (SIDEL 1998: 7; TRANG/HUNG 1977).

Im Jahr 1527 gewann der Mac-Clan die Herrschaft über die Leund rief eine neue Dy-nastie aus (vgl.: VIEN 1993: 78). Daraufhin nahmen die Vasallen der Le, von denen die bedeutendsten die Trinh- und Nguyen-Fürsten waren, den Kampf gegen die Mac auf, die sich nominell bis 1592 halten konnten. Die Trinh-Fürsten setzten jedoch bereits 1533 ein machtlos bleibendes Marionetten-Regime der Le-Kaiser wieder ein und vereinigten nach einem längeren Bürgerkrieg gegen die Nguyen ab 1545 im Norden die gesamte Macht auf sich (vgl.: VUONG/LONG 1977: 43). Die Nguyen-Fürsten mussten nach Süden

ausweichen und wurden im Folgenden zu den Kolonisatoren Südvietnams (DUIKER

1983: 20). Mit Beginn der Herrschaft der sogenannten ‚Späten Le-Dynastie’ oder ‚Le-Trinh-Dynastie’ 1593 setzte in der Stadt Hanoi eine letzte, vergleichsweise kurze Blütezeit mit intensiver Bautätigkeit ein, die durch die Errichtung eines riesigen, rechteckig angelegten Palastes außerhalb der Verbotenen Stadt für die Trinh-Fürsten initiiert wurde (PHUC 1995: 47f.). Die neuen Herrscher gaben der Stadt wieder den ur-sprünglichen Namen Thang Long (PHUC 1995: 47). Die Trinh-Fürsten, die die wahre Macht auf sich vereinigten, konnten ihre Vorherrschaft zumindest im Norden bis 1786 halten (VUONG/LONG 1977: 43/PHUC 1995: 50).

Über die Einwohnerzahl Thang Longs zu jener Zeit existieren vergleichsweise wenige und häufig widersprüchliche Informationen. Oft ist unklar, ob sich Angaben nur auf die eigentliche Stadt oder auch auf das weitläufige Umland beziehen. Neben dem Problem der räumlichen Bezugsgröße übersahen etwa die frühen europäischen Beobachter des 17. Jahrhunderts in der Regel, dass sich ein großer Teil der Bevölkerung nicht perma-nent in Hanoi aufhielt, sondern je nach Erntesaison zwischen Heimatdorf und Stadt pendelte (vgl.: PETIT 1954: 1174). Zudem übertrieben insbesondere französische Reisende in vorkolonialer Zeit sehr häufig Einwohnerangaben, um das (imperialistische) Interesse ihres Mutterlandes für Tonkin zu verstärken (vgl.: PHUC 1997: 2). Eine erste als verlässlich anzusehende Angabe bezüglich der Einwohnerzahl Thang Longs stammt von dem Franzosen DAMPIER, der Ende des 17. Jahrhunderts die Stadt besuchte. Er bezeichnete Thang Long als 'stark bevölkert' und zählte knapp 20.000 Häuser20, von denen fast alle, auch die des Kaiserlichen Palastes, aus Holz und oder Lehm errichtet waren21 (DAMPIER 1909: 315/RHODES 1954: 37).

Von 1600 bis 1786 war das Land etwa entlang des 14. Breitengrads zweigeteilt: Das Nordreich mit der Hauptstadt Thang Long blieb unter der Herrschaft der Le-Trinh, das die Gebiete Mittel- und Südvietnams umfassende Südreich kam in Besitz der Nguyen-Fürsten, die Phu Xuan (das heutige Hue) als ihre Hauptstadt wählten. Von Phu Xuan aus brachten die Nguyen während ihres ‘Großen Marschs nach Süden’ (nam tien) bis 1758

20 Zum Vergleich: In seinem Reisebericht gibt DAMPIER die Zahl der Häuser der damals bedeutenden Hafenstadt Hoi An (Hean) mit 2.000 an (DAMPIER 1909: 314).

21 Einzig die Häuser der ausländischen Handelskontore waren im 17. Jahrhundert aus Ziegelstein errichtet (vgl.: BARON 1954: 60/ROLLIN 1954: 505).

die Gebiete der Cham und Khmer im Süden des Landes nach und nach in ihren Besitz (vgl.: WEGGEL 1994: 3/TANA 1996: 3).

Im Jahre 1771 kam es zur sogenannten Tay Son-Rebellion, einem Bauernaufstand unter der Führung von drei Brüdern mit Namen Nguyen. Die Revolte erfasste, von dem Dorf Tay Son in der heutigen Binh Dinh Provinz im Süden Vietnams ausgehend, nach und nach das ganze Land. Ende 1774 eroberten die Rebellen Phu Xuan und setzten die Nguyen-Fürsten ab (vgl.: VIEN 1993: 101f.). Schließlich nahmen sie im Juli 1786 auch Thang Long ein, wodurch die Trinh-Fürsten ihre Macht verloren (vgl.: VIEN 1993:

101f.). Damit beendeten sie die nahezu 200 Jahre andauernde Teilung des Landes und setzten die Le-Familie wieder als Kaiser von Gesamtvietnam ein. Als diese jedoch den Einmarsch chinesischer Truppen der Mandschu-Dynastie zuliess, erklärte sich der jüngste der Nguyen-Brüder am 22.12.1788 kurzerhand selbst zum Kaiser QUANG TRUNG

(vgl.: PHUC 1995: 50). Mit seinen Armeen gelang ihmim Januar 1789 ein von der viet-namesischen Geschichtsschreibung zu Recht glorifizierter Sieg gegen die Übermacht von 290.000 Chinesen auf dem Gelände des heutigen Dong Da Distrikts von Hanoi (vgl.: PHUC 1995: 51). Die militärischen Auseinandersetzungen mit den Chinesen führten jedoch zu großen Zerstörungen in der Stadt (VUONG/LONG 1977: 66).

Während der kurzen Herrschaft der Tay Son-Dynastie wurde das Land nicht von Thang Long (das in Bac Thanh [Zitadelle des Nordens] umbenannt wurde), sondern von Phu Xuan aus regiert (MOC/INSTITUTE ON ARCHITECTURE 1999: 6).

Nach dem frühen Tod QUANG TRUNGs 1792 zerfiel das Land wieder in eine längere Phase des Bürgerkrieges bis im Jahre 1802 schließlich der letzte Überlebende der alten Fürstenfamilie Nguyen, ein Prinz mit Namen NGUYEN ANH, sich als neuer Machthaber durchsetzen konnte und als Kaiser GIA LONG das Land endgültig wiedervereinigte (KHOI 1955: 286f.). GIA LONG wurde damit zum Begründer der Nguyen-Dynastie und bestimmte den traditionellen Herrschaftssitz seiner Familie Phu Xuan zur Hauptstadt von Gesamtvietnam. Phu Xuan sollte in der Folgezeit zur einer mit einer mächtigen Zitadelle versehenen prunkvollen Kaiserresidenz ausgebaut werden (ENGELBRECHT

1999: 223).

Im Dokument Stadtentwicklung von Hanoi (Seite 52-57)