• Keine Ergebnisse gefunden

3. MATERIAL UND METHODEN

5.5. Vor- und Nachteile der Bekämpfung der Moderhinke mit systemischen antibiotischen Behandlungen

Die systemische antibiotische Behandlung ist zurzeit weltweit die Methode der Wahl zur Behandlung der Moderhinke. So beschrieben schon EGERTON und PARSONSON (1966) den erfolgreichen Einsatz eines Streptomycin/Penicillin Präparats. Ob ein Behandlungserfolg und eine Genesung eintreten, ist demnach am 5. bis 21. Tag nach Applikation adspektorisch an der Klaue zu erkennen. Sie setzten das Antibiotikum ebenfalls unter Feldbedingungen ein. In Kombination mit einem Formalinbad heilten bei 96,2% der Tiere die Läsionen der Klauen ab, während bei jedem zweiten Tier in der Gruppe der unbehandelten Tiere nach zwei Monaten weiterhin Lahmheiten zu erkennen waren. Daraufhin stellten EGERTON et al. (1968) die Hypothese auf, dass mittels einer einmaligen antibiotischen Behandlung die Moderhinke-Prävalenz in einer Herde signifikant reduziert werden kann, unter der Voraussetzung, dass ein Antibiotikum mit bakterizider Wirkung und der Aufrechterhaltung einer therapeutischen Dosis von mindestens 18 Stunden im

DISKUSSION

Entzündungsgebiet eingesetzt wird. KALER et al. (2010a, 2012) forderte einen Wirkstoffspiegel für den Therapieerfolg von 72 Stunden bei der akuten und 12 Tage bei der chronischen Form der Moderhinke. Die Hypothese von EGERTON et al.

(1968) konnte mit der hier vorliegenden Studie bestätigt werden. Durch den Einsatz eines entsprechenden Antibiotikums kann die Moderhinke-Prävalenz signifikant gesenkt werden. Die gleichen Autoren haben auch die Beachtung der Umweltbedingungen für den Therapieerfolg, nämlich die Aufstallung auf trockenem Untergrund 24 Stunden vor der Behandlung empfohlen. Dies war im vorliegenden Fall nicht möglich.

Dass die Kontrolle der Klaue von Bedeutung für den Erfolg der Behandlung ist, erkannten ABBOTT und EGERTON (2003). Die Moderhinke-Sanierung konnte mittels Antibiotikatherapie in ihrem Feldversuch mit 3000 Schafen nicht erreicht werden. So folgerten sie, dass die Inspektion der Klauen vor Therapiebeginn, sowie nachfolgende regelmäßige Klauenkontrollen von essentieller Bedeutung sind, um rezidivierende und subklinisch erkrankte Tiere zu erkennen, die die Infektkette aufrechterhalten könnten. Dies kann durch die durchgeführte Studie bestätigt werden. Eine regelmäßige Kontrolle der Schafe, um subklinisch erkrankte Tiere oder auch chronisch erkrankte Tiere zu identifizieren, ist für einen Sanierungserfolg von entscheidender Bedeutung. So beschrieben auch RAADSMA und EGERTON (2013), dass die Nachkontrolle der behandelten Tiere von großer Bedeutung für den Erfolg ist.

In den Untersuchungen von KALER et al. (2010a) konnte gezeigt werden, dass eine Verbesserung des klinischen Bildes, innerhalb von 10 Tagen bei 90% der mit Antibiotika behandelten Tiere erkennbar ist. Klauenschnitte führten nur zu Heilungsraten von < 30%. Die Untersuchungen von WASSINK et al. (2010b) bestätigen den Vorteil der antibiotischen Behandlung gegenüber dem Klauenschnitt.

Auch konnte von den Autoren gezeigt werden, dass durch die parenterale Behandlung die Moderhinke-Prävalenz gesenkt werden kann. Ebenso beschreiben sie die Verbesserung der Wirtschaftlichkeit der so behandelten Herden durch die geringeren Lahmheitsprävalenzen in den Betrieben.

DISKUSSION

Zur Verbesserung des Behandlungserfolges empfehlen KALER et al. (2010a), die Klauenpflege 5 Tage nach der letzten Antibiotikagabe zu legen. Wird die Klauenpflege vor oder unmittelbar nach der Antibiotikagabe durchgeführt, können in dem abgeschnittenen Horn enthaltene Moderhinkeerreger zu einer verstärkten Kontamination der Umgebung und zu einem erhöhten Ansteckungsrisiko führen.

Wird die Klauenpflege erst fünf Tage nach der antibiotischen Behandlung durchgeführt, gehen KALER et al. (2010a) davon aus, dass die im Horn evtl.

vorhanden Moderhinkeerreger abgetötet sind und somit keine weitere Gefahr für Neuinfektionen darstellen. Der Einsatz von nichtsteroidalen Antiphlogistika (NSAID) beeinflusste die Heilung nach KALER et al. (2010a) nicht signifikant. KALER et al.

(2010a) formulierten auch die Anforderung an das Antibiotikum, einen Wirkungsspiegel von mindesten 72 Stunden in der Klauenlederhaut aufrecht zu erhalten. Makrolide erfüllen diese Forderung bereits bei einmaliger Injektion (GREEN et. al 2011). So wurde in Dänemark Gamithromycin erfolgreich bei der Sanierung der akuten Moderhinke in großen Herden eingesetzt (STAMPHØJ 2012), wobei immer die gesamte Herde behandelt wurde, wenn per PCR D. nodosus in einer verdächtigen Herde nachgewiesen wurde. Die Untersuchungen von STROBEL et al.

(2015) bestätigen den erfolgreich Einsatz von Gamithromycin und zeigen die bessere und schnellere Wirkung gegenüber den Langzeitoxytetrazyklinen auf. Um annähernd gleiche Heilungsgeschwindigkeiten zu erreichen, musste FRIESE (2013) in ihrer Studie mehrfach Tetrazykline applizieren, während von den eingesetzten Makroliden eine Injektion ausreichend war, um die Moderhinke zur Abheilung zu bringen.

Der systemische Einsatz von Antibiotika ist also eine interessante Möglichkeit zur Behandlung der Moderhinke. Der Einsatz führt zu schnellen Behandlungserfolgen bei Einzeltieren. Die Moderhinke-Prävalenz in der Herde kann gesenkt werden. Die von WASSINK et al. (2010) aufgestellte Hypothese, dass durch die zeitnahe antibiotische Behandlung von lahmen Schafen die Moderhinke-Inzidenz und Prävalenz in einer Herde gesenkt werden kann, wurde durch die vorliegende Untersuchung eindrucksvoll bestätigt. Im vorliegenden Fall wurde sogar ganz auf die Klauenpflege zur Bekämpfung der Moderhinke verzichtet, was sich nicht negativ auf die

DISKUSSION

Tiergesundheit auswirkte und die Belastung von Mensch und Tier bei der Behandlung jedoch erheblich reduzierte.

Auch kann der Einsatz von systemischen Antibiotika einen betriebswirtschaftlichen Vorteil bringen. So schlagen zwar die Kosten für die Antibiotika höher zu Buche, als beispielsweise die Kosten der Chemikalien für Klauenbäder, doch der Arbeitsaufwand und die anfallenden Lohnkosten sind beim Einsatz von Klauenbädern deutlich höher.

Beim Einsatz von systemischen Antibiotika ist auch die Reaktionszeit vom Erkennen lahmer Schafe bis hin zur Behandlung deutlich kürzer als beim Klauenbad, da Personalaufwand und Logistik deutlich geringer ausfallen (KUHLEMANN 2011). Bei Klauenbädern ist außerdem, bei der virulenten Form der Moderhinke, eine Freilegung der Unterminierungen für den Behandlungserfolg wichtig. Dies stellt natürlich einen erheblich Arbeitsaufwand dar. Weiterhin ist dieses Vorgehen mit erheblichen Schmerzen verbunden und kann, bei unsachgemäßer Durchführung, zu einer weiteren Verbreitung der Moderhinke führen (SELBITZ et al. 2001).

Der Einsatz von systemischen Antibiotika führt allerdings nicht zur Ausbildung einer protektiven Immunantwort, sondern lediglich zu einer Hemmung des Erregerwachstums, Reduktion der Entzündung und Abheilung der Klauenläsionen.

Wird die Anwendung von Antibiotika lediglich bei den lahmen Schafen mit Moderhinke angewendet, kann nicht erwartet werden, dass eine Eradikation des Erregers aus der Herde erreicht werden kann. Die mögliche Entstehung von Resistenzen beim regelmäßigen Einsatz von Chemotherapeutika muss sicherlich auch berücksichtigt werden. Besonders im Hinblick auf die aktuelle Diskussion über die Reduktion des Antibiotikaeinsatzes in Deutschland, ist die regelmäßige Behandlung der Tiere mit einem Makrolid-Antibiotikum problematisch. Allerdings zeigt sich, dass die Moderhinke-Inzidenz, und damit die Anwendungshäufigkeit des Antibiotikums, bei konsequenter Vorgehensweise nahezu kontinuierlich sinkt.

Ist eine sehr niedrige Moderhinke-Prävalenz erreicht, sollte versucht werden, die Herde zu sanieren und damit D. nodosus aus der Herde zu eliminieren. Wenngleich

DISKUSSION

der metaphylaktische Einsatz von Antibiotika bei gesunden Tieren problematisch ist, ist dies die einzige derzeit bekannte Möglichkeit, eine Herde zu sanieren. Wie die Untersuchungen von STAMPHØJ (2012) und TEGTMEYER et al (2015) zeigen, ist durch die einmalige Behandlung aller Tiere einer Herde eine Sanierung der Moderhinke möglich. Die Tatsache, dass danach keine Antibiotika mehr gegen die Moderhinke eingesetzt werden müssen, rechtfertigt meines Erachtens den Einsatz, auch bei den gesunden Tieren der Herde! Insofern entspricht dieser Einsatz auch aktuellen Antibiotikaleitlinien (Leitlinien für den sorgfältigen Umgang mit antibakteriell wirksamen Tierarzneimitteln, Stand Januar 2015).

In Deutschland ist Tilmodil®(WDT eg, Garbsen) das einzige zugelassen Antibiotikum gegen Moderhinke. Die Anwendung ist auf den Tierarzt beschränkt, bei dem Einsatz anderer Antibiotika sind die arzneimittelrechtlichen Vorschriften zu beachten. Wenn Präparate, mit entsprechender Wirkung, eine Zulassung für Moderhinke hätten und vom Tierhalter nach entsprechender Verschreibung selbst angewendet werden könnten, wären die rechtlichen Rahmenbedingungen für den Einsatz von systemischen Antibiotika vereinfacht.

Aber auch bei dem Einsatz von Klauenbädern muss die rechtliche Situation beachte werden. So werden zwar Zinksulfat, Kupfersulfat, Formalin, sowie auch wasserlösliche Antibiotika als Klauenbäder eingesetzt. Doch in Deutschland ist kein Tierarzneimittel für den Einsatz als Klauenbad zur Behandlung der Moderhinke zugelassen (EMMERICH et al 2013). So kann zwar bei einem Therapienotstand Zinksulfat in Form von GOLDEN HOOF plus®(Sheepfair Products Ltd. Abergavenny, Großbritannien) über den Tierarzt bezogen werden. Ebenso können mittels apothekenpflichtiger Stoffe, wie Formaldehyd, Kupfer- und Zinksulfat, auf tierärztliche Verschreibung, Klauenbäder hergestellt werden (KLEIMINGER 2009, 2012), wobei durch den Tierarzt die Wartezeiten festgesetzt werden müssen. Auch können grundsätzlich Biozide zur Desinfektion und Klauenhärtung bei gesunden Schafen als Klauenbäder zum Einsatz kommen. Neben der rechtlichen Problematik kommt bei den Klauenbädern das Problem der Entsorgung der verwendeten Stoffe hinzu. So kann insbesondere der Einsatz in Naturschutzgebieten problematisch sein. Auch

DISKUSSION

lässt sich der Einsatz von bekanntermaßen kanzerogenen Stoffen, wie z.B. Formalin, in der Öffentlichkeit nicht vertreten. Dem gegenüber stehen natürlich die positiven Erfahrungen, die mit dem Einsatz von Klauenbädern zur Behandlung der Moderhinke gemacht wurden (JELINEK et al. 2001, FRIESE 2013). Der Einsatz von systemischen Antibiotika stellt nach den hier vorgestellten Untersuchungen eine echte Alternative zu Klauenbädern bei der Bekämpfung der Moderhinke dar.

Das gleiche gilt sicher auch für den Einsatz von Impfstoffen. So führt die Impfung zur Ausbildung einer Immunität gegenüber der Moderhinke. Voraussetzung für den Erfolg einer Impfung ist, unabhängig davon, ob bestandsspezifische oder handelsübliche Impfstoffe eingesetzt werden, dass eine konsequente Grundimmunisierung und regelmäßige Folgeimpfungen durchgeführt werden (KUHLEMANN 2011). Die polyvalenten inaktivierten Impfstoffe wirken sowohl prophylaktisch als auch therapeutisch. So berichtet HOSIE (2004) über den erfolgreichen Einsatz von Footvax®(Fa.MSD/Intervet). Er konnte 4 Wochen nach der ersten Applikation Heilungsraten von 20%, nach der zweiten Applikation und weiteren 4 Wochen später Heilungsraten von 60% erreichen. Im Vergleich zur Behandlung mit systemischen Antibiotika, sind diese Heilungsraten allerdings unzureichend, wie mehrere Autoren berichten (EGERTON und PARSONSON 1966,GROGONO-THOMAS et al. 1994, JORDAN et al. 1996). So berichten beispielsweise GROGONO-THOMAS et al. (1994) von 89% bis 100% Heilungsraten nach Applikation von Langzeitoxytetrazyklinen. Auch die Untersuchungen von WASSINK et al. (2003), KALER et al. (2010a) bestätigen die erfolgreichen Heilungserfolge, u.a. mit Tetrazyklinen. Die eigenen Untersuchungen bestätigen die Heilungserfolge bei einer systemischen antibiotischen Therapie (Abb. 14 + 15). Der Einsatz von systemischen Antibiotika zur Behandlung der akuten Moderhinke-Infektion ist also sicher deutlich besser geeignet, als der therapeutische Einsatz von Impfstoffen. HÄRDI-LANDERER et al (2012) berichten, dass es beim Einsatz des Impfstoffes, bei akuten Krankheitsgeschehen, nicht zur Ausbildung einer Immunität kommt und die Erkrankung weiter fortschreiten kann.

DISKUSSION

Inwieweit nun der Einsatz von systemischen Antibiotika zur Behandlung der Moderhinke als alleinige Behandlungsmethode ausreicht, ist sicherlich von vielen Faktoren abhängig. Die systemische Antibiose eignet sich aber Zweifels ohne zur Behandlung bei einer akuten Moderhinke-Infektion. Die eigenen Untersuchungen zeigen, dass durch konsequente frühzeitige Behandlungen aller an Moderhinke erkrankten Schafe die Inzidenz der Erkrankung deutlich gesenkt und damit die Krankheit kontrolliert werden kann. Ob dadurch eine Eradikation des Erregers und eine Sanierung erreicht wird, ist sehr von den Rahmenbedingungen abhängig, erscheint aber möglich.