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10.3   WISSENSCHAFTLICHE  UNTERSUCHUNGEN

10.3.5   Mondeffekte  bei  Notrufnummern

Die Mütter vermeiden sorgsam, das Kind den Strahlen des Mondes auszusetzen, und dehnen diese Vorsicht sogar auf die Wiege und die Wäsche aus. Irgend eine Änderung des Befindens wird auf den Mond geschoben; dann heisst es sofort: „Das Kind hat den Mond“ (Junqueiro, 1902, zitiert nach Abeking, 1904, S. 224).

Bezüglich des Einflusses des Mondes auf Kinder und Jugendliche besteht eine Forschungslücke. Es finden sich kaum Untersuchungsergebnisse, welche Aufschluss über einen möglichen Mondeinfluss auf das kindliche oder jugendliche Verhalten geben.

Jerry Wilde (2008) untersuchte die Anzahl von „Klassenbucheinträgen“ aufgrund von Schulregelverstößen in einer amerikanischen Mittelschule. In seiner Chi-Quadrat-Analyse zeigte sich ein signifikanter Effekt bezüglich der zu erwartenden und den tatsächlichen

„Klassenbucheinträgen“ im letzten Viertel des Mondzyklus. Es kam zu deutlich weniger Verweisen als in den übrigen drei Quartalen. Der Autor weist aber darauf hin, dass sich sowohl in der ersten Schulwoche als auch der Woche nach „spring break“ der Mond im jeweils letzten Viertel des synodischen Zyklus befand und es in diesen Zeiten üblicherweise immer zu weniger Disziplinarverweisen komme.

Ein weiteres, besonders für die Studie in dieser Diplomarbeit interessantes Ergebnis, welches mit der Thematik „Kinder und Jugendliche“ im Zusammenhang steht, findet sich bei Tasso und Miller (1976). Die Autoren untersuchten das Auftreten von unterschiedlichen Straftaten in Bezug auf einen vermuteten Anstieg in der Phase des Vollmondes (Vollmondtag inklusive drei Tage davor und danach). Der größte signifikante Effekt zeigte sich in der Kategorie „offenses against family and children“.

   

10.3.5 Mondeffekte bei Notrufnummern

Leider ist auch die Anzahl der Untersuchungen von Notrufdaten in Bezug auf den Mond verschwindend gering. Bickis, Kelly & Byrnes (1995) analysierten die Anrufstatistiken der Notrufnummer 911 in Vancouver bezüglich zeitlicher und lunarer Variablen. Es ergaben sich sehr schwache Korrelationen mit dem anomalistischen, dem semi-synodischen und siderischen Zyklus. Die Maximale Anzahl der Anrufe zeigte sich einige Tage nachdem der Mond in seiner größten Entfernung zur Erde stand (Apogäum), und bezogen auf den synodischen Zyklus zeigten sich die Anrufspitzen im ersten und im

dritten Quartal (jeweils zehn Tage nach Neumond beziehungsweise Vollmond). Die hoch signifikanten Ergebnisse dieser Studie beziehen sich jedoch auf wöchentliche, jährliche und halbwöchentliche Zyklen.

Wilson und Tobacyk (1990) überprüften 4575 Anrufe bei Krisenzentren mittels einer Zeitreihenanalyse. Der 28-tägige Mondzyklus erklärte dabei nur etwa ein Prozent der Varianz. Im zweiten Teil ihrer Arbeit kamen die Autoren zu dem Ergebnis, dass der Glaube an den Einfluss des Mondes bei Mitarbeitern des Kriseninterventionszentrums signifikant höher war als in der Vergleichsgruppe. Diese Ergebnisse des zweiten Teils der Untersuchung stehen im Einklang mit den Ergebnissen von Vance (1995) (siehe auch Kapitel 7.3.2).

Kollerstrom und Steffert (2003) fanden in ihrer Analyse der Anruferzahlen eines englischen Krisenzentrums einen signifikanten Anstieg von weiblichen Anruferinnen in der Zeit des Neumondes und betonen die Wichtigkeit, in weiteren Studien über den Einfluss des Mondes auf das menschliche Verhalten die Daten geschlechterspezifisch zu analysieren, da ein möglicher Effekt ansonsten verloren gehen könnte.

In ihrer Dissertation „Telefonseelsorge – ein Echolot in psychische, soziale und religiöse Not. Möglichkeiten und Grenzen der Erfassung“ beschreibt Manja Lehner (1995) unter anderem den Einfluss der Mondphasen auf die Anruferhäufigkeit bei der Telefonseelsorge in Linz. In Bezug auf die allgemeine Anruffrequenz findet sie keine Hinweise auf einen Zusammenhang mit der lunaren Periodik. Betrachtet man allerdings die erfassten Themeninhalte der Gespräche zeigen sich kleine Effekte bezüglich der Mondphasen. Unter anderem scheint es eine leichte Häufung von Anrufen zum Thema

„Suizid“ zu Vollmond in der Anruferstatistik zu geben, und das Thema „Aggression“ zeigt kleine Spitzen in den Tagen nach Vollmond und nach Neumond. Weiters zeigen sich etwas mehr „Sexanrufe“ zu Vollmond und in der Zeit des abnehmenden Mondes.

 

10.4 ERKLÄRUNGSANSÄTZE ZUR DISKREPANZ ZWISCHEN

„WISSENSCHAFT“ UND „MONDGLAUBEN“

Im Artikel „The moon and the madness reconcidered“, der im Jahre 1999 im Journal of Affective Disorders erschienen ist, suchen Raison, Klein & Steckler Antworten auf die Frage, wie es zu dieser Diskrepanz zwischen dem allgemeinen Mondglauben und den empirischen Untersuchungsergebnissen kommen kann. Ihrer Ansicht nach wäre es zum Beispiel möglich, dass die „Mondgläubigen“ sehr wohl „Recht haben“, aber in den wissenschaftlichen Studien noch nicht die wirklich relevanten Variablen erfasst wurden.

Vielleicht hat der Mond auch Effekte, die wir noch nicht im Stande sind zu messen oder es liegt am methodischen Vorgehen mancher wissenschaftlicher Arbeiten. Die Autoren sehen beispielsweise eine Schwierigkeit darin, den Zusammenhang zwischen den Mondphasen und psychiatrischen Erkrankungen in den Statistiken psychiatrischer Kliniken zu finden. „[...] because of intra-patient variations in time between symptom onset and hospitalization“ (Raison et al., 1999, S. 100).

Ein weiterer Erklärungsversuch wäre die Annahme, dass die Assoziationen zwischen Mondeinwirkung und psychischen Erkrankungen einfach „falsch“ sind.

„People have also belived the moon is made of green cheese“ (Raison et al., 1999, S.

100). Und es wäre ja auch nicht das erste Mal, dass sich die Menschheit in ihren gängigen Vorstellungen schlichtweg irrt. Auch der Mondglauben als „kulturelles Fossil“

wäre nach Ansicht der Autoren denkbar, also eine Erinnerung an einen Effekt der aber heute nicht mehr gültig ist (Raison et al., 1999).

Seht ihr den Mond dort stehen?

Er ist nur halb zu sehen,

Und ist er doch rund und schön!

So sind wohl manche Sachen, Die wir getrost belachen,

Weil unsre Augen sie nicht sehen.

(M. Claudius, 3. Strophe aus „Der Mond ist aufgegangen“)

III EMPIRISCHER TEIL 11 RAT AUF DRAHT

11.1 DIE LEITLINIEN

• „147 Rat auf Draht“ ist der österreichische Notruf für Kinder, Jugendliche und deren Bezugspersonen.

• Das psychologische Beratungsangebot von „147 Rat auf Draht“ ist österreichweit zum Nulltarif rund um die Uhr erreichbar.

• Das Angebot von „147 Rat auf Draht“ kann auch von Erwachsenen in Anspruch genommen werden, sofern es sich um Fragen handelt, die mit Kindern und Jugendlichen zu tun haben.

• Die Anrufenden haben das Recht auf Anonymität.

• Das Team bleibt ebenso anonym und verpflichtet sich zur Verschwiegenheit.

• Die Beratung erfolgt ressourcenorientiert, mit dem Ziel, die Autonomie der Kinder und Jugendlichen zu stärken.

• Die Dauer der Beratungsgespräche orientiert sich an den Bedürfnissen der Anrufenden.

• Bei Bedarf wird das Beratungsgespräch durch die Nennung von Institutionen und Fachleuten ergänzt.

• In Krisensituationen und auf ausdrücklichen Wunsch der Anrufenden kann ein telefonischer Erstkontakt (Konferenzschaltung) zu den genannten Stellen hergestellt werden.