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Die Rantumer sagen [Rantum ist ein Ortsteil der Gemeinde Sylt]: Der Mann im Monde ist ein Riese; der steht zur Zeit der Fluth [sic] gebückt, weil er dann Wasser schöpft und auf die Erde gießt und dadurch die Fluth hervorbringt. Zur Zeit der Ebbe aber steht er aufrecht und ruht von seiner Arbeit aus, und dann kann sich das Wasser wieder verlaufen (Müllenhoff, 1845, S. 360).

Heute ist bekannt, dass das Wechselspiel der Gezeiten mit den Gravitationskräften der Sonne und des Mondes auf die Erde zusammenhängt. Aufgrund seiner Erdnähe wirken jedoch die Kräfte des Mondes wesentlich stärker als die der Sonne. Das Erde-Mond-System kreist um einen gemeinsamen Schwerpunkt und hält das Gleichgewicht zwischen Anziehungs- und Fliehkräften. Da jedoch die Entfernungen des Mondes bezogen auf bestimmte Punkte auf der Erde nicht immer gleich sind, ergeben sich unterschiedliche Stärken in der Gravitationskraft. Auf der mondzugewandten Seite ist die Anziehungskraft stärker als die Fliehkraft, auf der mondabgewandten Seite überwiegt die Fliehkraft der Anziehungskraft. Aus diesen Differenzen ergeben sich die sogenannten

„gezeitenerzeugenden Kräfte“. Diese Kräfte bewirken jeweils einen Wasserberg auf der mondzu- und der mondabgewandten Seite. Der halbtätige Wechsel (im Mittel vergehen etwa 12 Stunden und 25 Minuten zwischen einem Hochwasser und dem nächsten) von Ebbe und Flut unterliegt verschiedensten Variationen. Bei der sogenannten Springtide erreichen die Unterschiede zwischen Hoch- und Niedrigwasser ihr Maximum. Dies geschieht immer in einem gewissen zeitlichen Abstand (etwa zwei Tage) nach Voll- und Neumond (Endres & Schad, 1997; Einhorn & Wuchterl, 2003b).

9 MONDRHYTHMIK BEI ORGANISMEN

9.1 MONDRHYTHMIK BEI TIEREN

Die ersten Aufzeichnungen über Beobachtungen von Tieren mit mondperiodischem Verhalten finden sich unter anderem bereits bei Aristoteles, Cicero und Plinius. Letztgenannte berichteten, dass sich die Austernmenge im Meer mit den Mondphasen verändere, und Aristoteles beschrieb das Anschwellen der Eierstöcke der Seeigel des Mittelsmeeres zur Vollmondzeit (Endres & Schad, 1997).

9.1.1 Der Palolo-Wurm

Der Palolowurm ist ein besonders schillerndes Bespiel für die Angleichung des Fortpflanzungsrhythmus mit der Mondperiodik. Er lebt in den Korallenriffen des Südpazifiks, und sein Fortpflanzungsverhalten, bei dem der hintere, mit Samen- beziehungsweise Eizellen gefüllte Wurmteil, abgestoßen wird und zur Meeresoberfläche schwärmt, ist mit dem Tages-, Monats- und Jahresrhythmus vollständig abgestimmt.

Anhand der Aufzeichnungen über das Paloloschwärmen an den Samoa-Inseln in der Zeit von 1843-1960 wird das mondperiodische Verhalten des Palolowurms deutlich. Das Schwärmen findet fast nur im Oktober und November statt und ist streng an das dritte Mondviertel gebunden. Aufgrund der zeitlichen Differenzen von synodischem Monat und Kalendermonat verfrüht sich der Schwärmzeitpunkt jährlich um zehn bis 11 Tage. Weiters lässt sich eine 19-jährige Periode feststellen, bei der es sich um den metonischen Zyklus handelt, nach dem beim selben Kalenderdatum wieder die gleiche Konstellation von Sonne, Mond und Erde erreicht wird (Endres & Schad, 1997).

   

9.1.2 Vom gemeinen Regenwurm und anderen mondorientierten Lebewesen

Doch nicht nur im Südpazifik, auch in heimischen Gebieten findet sich eine Vielzahl an Tierarten, deren Verhalten den Zyklen des Mondes folgt. Ein Beispiel ist der

eng mit dem Mondstand verknüpft sind. So lieferten Laborversuche in North Carolina das Ergebnis, dass die Würmer abends eine Strecke von zehn Zentimetern schneller zurücklegen konnten als zu Mittag. Weiters war der Unterschied zwischen den mittäglichen und abendlichen Kriechgeschwindigkeiten im Frühjahr und Winter in der Woche vor und nach Vollmond größer als in den zwei Wochen rund um den Neumond.

Spitzen in seiner Bewegungsaktivität finden sich während Vollmond und besonders bei Neumond etwa drei Stunden vor dem täglichen Tiefstand des Mondes (Endres & Schad, 1997).

“Das ganze feine Wechselspiel zwischen Sonne, Erde und Mond macht er so in seiner Lebensweise bewundernswert mit“ (Endres & Schad, 1997. S. 11).

Auch die Honigbiene, der Aal und die Nachtschwalbe sind anschauliche Beispiele für Tiere mit mondperiodischem Verhalten. Die Nachtschwalbe legt ihre Eier in der Zeit des dritten Mondviertels, sodass die Fütterung der Jungtiere bei größter Mondhelligkeit geschehen kann, und auch der Balzgesang der Männchen richtet sich nach den Mondphasen. Weiters finden sich beim Goldhamster und der weißen Labormaus mondphasenparallele Laufaktivitätsrhythmen. Im Cahora Bassa-See in Mosambik lässt sich die größte Anzahl an freischwimmenden Krebsen kurz vor Neumond feststellen. Dies ist auf das Fressverhalten eines gewissen Heringfisches zurück zu führen, der am liebsten in mondhellen Nächten auf „Krebsjagd“ geht. Auch der Fortpflanzungsrhythmus des südasiatischen Wasserbüffels, des afrikanischen Streifengnus und der Schwarzfersenantilope sollen sich nach der lunaren Periodik richten. Bei den Blattnasenfledermäusen wird die Nahrungssuche um mehrere Stunden rund um die Zeit des Höchststandes des Mondes ausgesetzt. (Endres & Schad, 1997)

Hans Gerhard Erkert untersuchte den „Einfluß des Mondlichts auf die Aktivitätsperiodik nachtaktiver Säugetiere“ (1973). In seiner Versuchreihe registrierte er über mehrere Monate hinweg die Bewegungsaktivität von Nachtaffen, Blattnasenfledermäusen, Nilflughunden und Goldhamstern unter natürlichen Beleuchtungsbedingungen in Kolumbien. Aus seinen Ergebnissen formuliert er drei Grundtypen der Reaktion: „Beim Aotus-Typ wird die Aktivität durch geringe Nachthimmelhelligkeiten stark gehemmt.“ (S. 284). Die Aktivität beschränkt sich also bei Neumond fast ausschließlich auf die Dämmerung, während sich bei Vollmond die ganze Nacht hindurch ein erhöhtes Aktivitätsniveau zeigt. Genau umgekehrt ist es beim Artibeus-Typ, bei welchem hohe Nachthimmelhelligkeiten aktivitätshemmend wirken.

Beim Mesocricetus-Typ finden sich bislang keine Einflüsse unterschiedlicher Nachtbeleuchtungsstärken auf die Aktivitätsstärken.