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2.1.1 Mondgöttinnen

Es hieß Selene habe sich einst in Endymion, einen Schafhirten verliebt. Sie sah ihn, wie er in der Nacht auf einem Felsvorsprung schlief, richtete ihre Mondstrahlen auf ihn und küsste ihn so vollendet, dass er fortan für immer schlief. Manche sagen, wenn Selene hinter einem Berg verschwindet, besucht sie Endymion in einer Felshöhle, andere behaupten, dass sie ihn hinauf zum Himmel trägt, wo man ihn noch immer im Antlitz des Mondes sehen kann, wenn dieser voll ist(Pausanias, 1998, zitiert nach Cashford, 2003, S. 14).

Unzählig sind die Geschichten, Sagen, Mythen und Legenden, die um den Himmelskörper Mond kreisen. Die Faszination, welche dieses Gestirn schon seit Menschengedenken ausübt, kann man sich leicht bewusst machen, indem man sich gedanklich um Jahrtausende zurück versetzt. Die frühen Beobachter des Nachthimmels sahen ein sich kontinuierlich veränderndes Wesen. Ein Wesen, welches einem gewissen Rhythmus zu unterliegen schien und den Wechsel von Tag und Nacht, Licht und Dunkelheit mitgestaltete. Die Ideen über dieses „Wesen“ waren vielfältig. Man hielt es für einen Gott oder, noch öfters, für eine Göttin. In der griechischen Mythologie galten unter anderem Artemis und Selene als Mondgöttinnen. Bei den Römern waren sie unter den Namen Diana und Luna bekannt. Luna war die Schwester des Sonnengottes Sol und der Göttin der Morgenröte Aurora. Im 6. Jahrhundert vor Christus wurde ihr auf dem Agentin ein Tempel geweiht. Auch auf dem Palatin gab es eine heilige Stätte, wo sie als Luna Noctiluca (Leuchterin der Nacht) verehrt wurde. So vielfältig die Kulturen und Religionen, so vielfältig sind auch die Namen der Mondgöttinnen. A, auch Sirdu oder Sirrida nannten die Chaldäer die Göttin des Mondes. Artimpasa galt als Mondgöttin der Skythen (Reiternomadenvölker, die im ersten Jahrtausend vor Christus im eurasischen Steppengürtel lebten). Britomaris war ursprünglich die Mondgöttin von Kreta und wurde

Dae-Soon ist ihr Name in Korea. Gwaten ist die japanische Mondgöttin der Buddhisten.

Hekate die „Urmutter aller Hexerei“ ist ebenfalls eine griechische Mondgöttin. Isis verkörperte im alten Ägypten sowohl den Mond als auch die Sonne. Bei den Mayas waren Ix Chel und die Sonne ein Liebespaar. In einem Streit befahl die Sonne Ix Chel, den Himmel zu verlassen. So wurde sie untertags unsichtbar. Mama Killa (Quechua, dt. Mutter Mond) galt in der Mythologie der Inka als Schutzgöttin und war Teil des Inka-Kalenders.

Tlazolteotl ist eine aztekische Göttin der Wolllust und der verbotenen Liebe, die eng mit dem Mond in Verbindung steht. Ursula (auch Horsel oder Orsel) galt als slawische Mondgöttin, die später vom Christentum zur Heiligen gemacht wurde (Zacker, 1997).

2.1.2 Thot als Gott des Mondes und der Zeit

Doch gibt es nicht nur weibliche Gottheiten, die den Mond verkörpern. Thot heißt der wichtigste Mondgott in der ägyptischen Mythologie. Die Verehrung von Thot gilt als einer der ältesten Götterkulte des alten Ägyptens. Doch Thot ist nicht nur der Gott des Mondes, sondern auch der Zeit und des Maßes. „Einst wurde Zeit überall auf der Welt nach den Phasen des Mondes gemessen“ (Nilsson, 1920, zitiert nach Cashford, 2003, S.

38).

Man könnte annehmen, dass mit der Beobachtung des Rhythmus des Mondes gleichzeitig die Vorstellung von Zeit entstand. Es scheint als machte der Mond durch die kontinuierliche Struktur seiner Phasen das Phänomen Zeit erfahrbar und auch messbar (Cashford, 2003).

2.2 „DER MANN IM MOND“ IM AUGE DES BETRACHTERS

Der Mond ist allein durch seine Größe und Helligkeit das auffälligste Gestirn am Nachthimmel. Durch seine Dimensionen ist es uns möglich, mit bloßem Auge Oberflächendetails zu erkennen. Die Mondflecken, also die hellen und dunklen Strukturen, die wir auf der Mondoberfläche sehen können, sind, so weiß man heute, nichts anderes als Hochländer und Ebenen. Jedoch ist es verständlich, dass sich rund um diese sichtbaren, bizarren Formen die unterschiedlichsten Mythen und Legenden entwickelt haben (Haupt, 2004).

Wenn der Mond „so hell scheint wie der Tag“ nehmen die auf ihm verstreuten Schatten Konturen an und werden zu Bildern, die das Leben jener widerspiegeln, die zu ihm hinaufschauen: ihre Hoffnungen und Träume, ihre Zweifel und Ängste, der Wunsch nach Glück und die Sehnsucht nach Bedeutung (Cashford, 2003, S. 174).

2.2.1 Das Mondgesicht

Das Mondgesicht, also die Assoziation der sichtbaren Strukturen der Mondoberfläche, als menschliches Angesicht, findet sich häufig in Illustrationen, vor allem im Zusammenhang mit Texten und Liedern für Kinder. Auch die heute im „digitalen Zeitalter“ häufig verwendeten graphisch dargestellten „Smileys“ werden aufgrund ihrer Form oft Mondgesicht genannt: „Punkt - Punkt - Komma - Strich – fertig ist das Mondgesicht :-)“

Es war einmal ein Mann, der ging sonntags in den Wald, um Holz zu sammeln. Als er mühsam mit seiner Last nach Hause ging, traf er einen Fremden, der gerade auf dem Weg zur Kirche war. „Weißt du nicht, dass am Sonntag alle Arbeit ruhen muss?“ fragt dieser den Reisigsammler. „Ob Sonntag oder Montag, das ist mir alles eins!“ - „Dann sollst du dein Bündel bis in alle Ewigkeit tragen. Wie du dem Sonntag Ehre erweist, soll für dich immer Mond-Tag am Himmel herrschen!“ zürnte der Fremde und verschwand. Und so fand sich der Holzsammler mit seinem Reisigbündel im Mond wieder, wo er bis heute zu sehen ist (Zacker, 1997, S. 19).

Märchen und Geschichten vom „Mann im Mond“ finden sich in den unterschiedlichsten Variationen über den gesamten Globus verstreut.

2.2.2 Der Hase im Mond

Eine weitere interessante Assoziation der Hell-Dunkel-Strukturen auf der Mondoberfläche ist das Bild des Hasen. Es findet sich in unter anderem in den Kulturen der Tibeter, Ägypter, Japaner, Maya, Azteken und Mexikaner. Uns mag das Bild des Hasen überraschend erscheinen, da in den westlichen Kulturen die Vorstellung des Mondgesichts, also die Mondflecken als Abbildungen eines menschlichen Antlitzes,

Tag des lunaren Zyklus hinauf zum Mond, wird man vermutlich die langen „Löffel“ des Hasen auf der rechten Mondseite erkennen können (Blunck, 2003; Cashford, 2003).

Eine aus Indien stammende Legende erzählt vom schlauen Hasen, welcher zum König der Elefanten entsandt wurde um eine Herde von Dickhäutern vom Mondsee, einem Hasenbaugebiet, fernzuhalten. Um dem Elefantenkönig zu imponieren, erzählte der Hase, er wohne ihm Mond und sei vom Mond selbst geschickt worden um für Ordnung am Mondsee zu sorgen. Skeptisch begleitete der Dickhäuter den schlauen Hasen zum See und tat was er befahl. Er tauchte seinen Rüssel ins Wasser um dem Mond Ehrfurcht zu gebieten. Durch diese Bewegung kam die Wasseroberfläche ins Schwanken und die Spiegelung des Mondes zitterte hin und her. Beeindruckt ließ der Elefant seine Ohren demütig hängen und versprach dem Hasen, den Mond von nun an nie wieder verärgern zu wollen (Baring-Gould, 1877 und Bhatta, 1923, zitiert nach Blunck, 2003).

Im Christentum wurde der Hase aufgrund seiner Fruchtbarkeit zum Symbol der sexuellen Lust. Daher wurde er auch manchmal zu Füßen der Jungfrau Maria dargestellt, um den „Triumph des Geistes über die Natur“ zu symbolisieren. In anderen Religionen wurde der Hase für seine Fruchtbarkeit verehrt und gefeiert. Seine durchschnittliche Tragezeit von 30 Tagen ähnelt dem Mondzyklus, und sein Gebären wurde mit der kontinuierlichen „Wiedergeburt“ des Mondes in Verbindung gebracht (Cashford, 2003).

2.2.3 Die Teufel im Mond

Laut dem estnischen Märchen „Die Färber des Mondes“ lässt sich die Entstehung der Mondflecken auf die Wut des „Höllenvolkes“ zurückführen. Die Teufel wären nämlich derart erbost über die Tatsache gewesen, dass der Mond die Nacht gleichermaßen erhelle wie die Sonne den Tag und sie deshalb in ihrer finsteren Umtriebigkeit eingeschränkt waren, dass sie auf die Idee kamen die hell scheinende Mondscheibe mit Teer anzuschwärzen. Ihre Versuche schlugen fehl. Sie fielen von der Leiter, übergossen sich selbst mit Teer und wurden zu guter Letzt, als sie erst die Hälfte ihrer Arbeit verrichtet und die Rückseite des Mondes geschwärzt hatten, vom Altvater erwischt. Dieser verbannte einen der Teufel samt dem Eimer voller Teer auf den Mond, wo er noch heute sitzt, weshalb der Mond nicht mehr ganz so hell scheinen möchte. Immer wieder lässt sich der Mond in die Meere hinab um sich rein zu waschen. Doch die Teerflecken bleiben

2.2.4 Der ernüchternde Blick durch das Fernrohr

„Ein Blick jedoch durch einen einfachen Feldstecher oder gar ein Fernrohr bringt einen ganz anderen Charakter zum Vorschein: Übersät von zahllosen ringförmigen Rändern aus hartgezackten Mondbergen, wird uns der Mond zum Bild wüstenhafter Erstarrung“ (Endres & Schad, 1997, S. 26).

3 DER MOND ALS SYMBOL

Ein Symbol heißen wir einen Begriff, ein Bild oder einen Namen, die uns als solche bekannt sein können, deren Begriffsinhalte oder Gebrauch und Anwendung jedoch spezifisch oder merkwürdig sind und auf einen verborgenen, unklaren oder unbekannten Sinn hindeuten (Jung, 2001, S. 7).

3.1 DER MOND AUS PSYCHOANALYTISCHER SICHT

Mach, daß er seine Kindheit wieder weiß, Das Unbewusste und das Wunderbare, Und seiner ahnungsvollen Anfangsjahre Unendlich dunkelreichen Sagenkreis.

R.M. Rilke

Der bekannte Psychoanalytiker Fritz Riemann spricht in seinem Buch „Lebenshilfe Astrologie – Gedanken und Erfahrungen“ (19. Auflage, 2003) vom Mondhaften - im Gegensatz zur „schöpferisch-zeugerischen“ Kraft des Sonnenhaften - als das „weiblich Empfangende“. Der Mond sei das Symbol für die emotionale Beeindruckbarkeit und die Reaktionsfähigkeit auf Eindrücke. „Wie der Mond das Sonnenlicht reflektiert, so spiegelt das Mondhafte die uns erreichenden Eindrücke in pathischem Erleben, als Empfindungen, die immer von Gefühlsstörungen begleitet sind“ (S. 163).

Er assoziiert das Mondhafte mit dem „persönlich Unbewussten“. Als Symbol für unsere tiefste Wesensschicht sieht Riemann eine besondere Beziehung zur frühen Kindheit und erkennt im Mondhaften auch das Sinnbild „der Mutter“, sowohl im archetypischen Sinne als auch im Sinne der realen Mutter. Dem Mondhaften entspricht das anfängliche symbiotische „Eins-Sein“ mit der Mutter, weshalb Riemanns Ansicht nach, eine dominierende Mondposition im Horoskop zu einer erschwerten Ablösung von der Mutter und später zu regressiven Neigungen führen kann (Riemann, 2003).