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Mobilisierungsprojekte in der Praxis – eine Gruppendiskussion

4   Mobilisierungspotenzial von Geschäftsprozessen

4.4   Mobilisierungsprojekte in der Praxis – eine Gruppendiskussion

Mobilisierungsstrategie beschäftigen, fehlen entsprechende detaillierte Vorgehensweisen zur Einführung mobiler Technologie zur Unterstützung von Unternehmensabläufen sowie entspre-chende Evidenz dazu (vgl. Kapitel 2.3.3). Um die Informationen, welche im Rahmen der Lite-raturanalyse abgeleitet werden durch erste Einblicke in die Praxis zu erweitern, werden

Erfah-4.4 Mobilisierungsprojekte in der Praxis – eine Gruppendiskussion 85 rungen mit Mobilisierungsprojekten in der Praxis im Rahmen einer Gruppendiskussion gesam-melt. Das methodische Vorgehen bei der Organisation und Durchführung dieser Gruppendis-kussion sowie die daraus erzielten Erkenntnisse werden im Folgenden vorgestellt.

4.4.1 Methodisches Vorgehen

Eine Gruppendiskussion stellt eine qualitative Erhebungstechnik dar, anhand derer Informatio-nen und Erkenntnisse zu einer Themenstellung ermittelt werden könInformatio-nen (Lamnek 2010, 377ff.).

Diese ist mit der Methode der Befragung eng verwandt und kann als eine spezifische Form des Gruppeninterviews gesehen werden, bei der mehrere Teilnehmer an einem Gespräch zu einem vorgegebenen Thema teilnehmen (Lamnek 2010, 372). Zu den Zielen von Gruppendiskussio-nen zählen unter anderen die Ermittlung von Meinungen und Einstellungen der ganzen Gruppe sowie die Ermittlung von Gruppenprognosen oder kollektiven Orientierungsmuster (Lamnek 2010, 376).

Im Rahmen dieser Arbeit dient die Gruppendiskussion als eine Vorstudie für die Ermittlung von Anforderungen an die methodische Unterstützung von Mobilisierungsprojekten, die in Ka-pitel 5 beschrieben wird (Gläser/Laudel 2010, 107). Diese Vorstudie ist auf eine Erweiterung des Wissens über den zu untersuchenden Gegenstandsbereich gerichtet.

Ziel der Gruppendiskussion war die Ermittlung von Erkenntnissen aus der unternehmerischen Praxis über Vorgehensweisen und Herausforderungen bei der Durchführung von Mobilisie-rungsprojekten. Dabei wurden die aus der Literatur abgeleiteten Erkenntnisse hinterfragt und um praxisbezogene Aspekte ergänzt. Die Gruppendiskussion wurde mit Experten eines mittel-ständischen Beratungsunternehmens durchgeführt, die mehrere Mobilisierungsprojekte in un-terschiedlichen Unternehmen aktiv mitgestaltet haben. Der Fokus dabei lag auf der Gewinnung inhaltlicher Ergebnisse zu Fragestellungen rund um die Durchführung von Mobilisierungspro-jekten. Die Diskussion umfasste einen Zeitraum von ca. 1,5 Stunden und wurde durch die Au-torin dieser Arbeit und eine weitere Person moderiert. An der Diskussion haben fünf Experten teilgenommen, die jeweils mehr als drei Mobilisierungsprojekte in verschiedenen Unternehmen begleitet haben. Der Ablauf der Diskussion umfasste folgende Schritte:

1. Die aus der Literaturanalyse abgeleiteten Erkenntnisse über die Ziele und Herausforde-rungen bei der Einführung mobiler Technologie zur Prozessunterstützung wurden kurz erläutert.

2. Es folgte eine erste Diskussionsrunde, in der die Teilnehmer die Ergebnisse diskutierten und die Gewichtung der genannten Ziele von Mobilisierungsprojekten, entsprechend ihrer eigenen Erfahrungen, durchgeführt haben.

3. In einem nächsten Schritt wurden die Kriterien zur Identifikation möglicher Geschäfts-prozesse bzw. Aktivitäten für die Mobilisierung beschrieben.

4. Jedes der genannten Kriterien wurde diskutiert und die Identifikation von Geschäftspro-zessen für die Mobilisierung um weitere Aspekte ergänzt.

Die Ergebnisse der Gruppendiskussion wurden protokoliert und im Nachgang der Diskussion den Teilnehmern zur Vollständigkeitsüberprüfung zur Verfügung gestellt. Im Rahmen der

86 4 Mobilisierungspotenzial von Geschäftsprozessen Gruppendiskussion wurden zusätzliche Erkenntnisse über die Rolle von Zielen und Herausfor-derungen bei Mobilisierungsprojekten gewonnen sowie über weitere Aspekte, die bei der Ein-führung mobiler Technologie in Unternehmen berücksichtigt werden sollen.

4.4.2 Interpretation der Ergebnisse

Im Folgenden werden die Erkenntnisse aus der Gruppendiskussion erläutert. Diese sind in drei Bereiche unterteilt: 1) Ziele und Herausforderungen von Mobilisierungsprojekten, 2) Vorge-hensweisen bei Mobilisierungsprojekten und 3) weiterführende Aspekte.

Ziele und Herausforderungen von Mobilisierungsprojekten. Die Ziele und Herausforderungen von Mobilisierungsprojekten, die aus der Literatur abgeleitet wurden, wurden durch die Exper-ten bestätigt. Dabei wurde angemerkt, dass die Ziele aus der Kategorie „Prozessverbesserung“

eine führende Rolle für „early-adopter“ Unternehmen haben, welche offen gegenüber der Nut-zung innovativer Technologien sind. Solche Unternehmen haben ihre ersten Mobilisierungsini-tiativen schon zu Beginn der Smartphone-Revolution begonnen (teilweise bereits im Jahr 2008). Seitdem haben mobile Technologien an Reife gewonnen und ihre Nutzung im Unter-nehmenskontext steigt weiter an. Ein Trend, der in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewinnt und zu einem der Hauptziele für die Einführung mobiler Technologien in Unternehmen geworden ist, ist die Konsumerisierung mobiler Technologie. Die Erfahrungen der Experten zeigen, dass Unternehmen, die nicht schon zu Beginn der „Smartphone-Revolution“ über die Nutzung mobiler Technologien im Unternehmenskontext nachgedacht haben, jetzt zunehmend vor der Herausforderung stehen, die Nutzung privater mobiler Endgeräte im Arbeitsumfeld zu regulieren bzw. angemessene Alternativen (z.B. mobile Unternehmensanwendungen) bereitzu-stellen. Die Erfahrungen der Experten zeigen zudem noch, dass mobile Technologie verstärkt zur Steigerung der individuellen Produktivität von Mitarbeitern eingesetzt wird (z.B. Unterstüt-zung der Bürokommunikation, Planungs- und Koordinationsaufgaben, Dokumentenverwaltung etc.) und zwar unabhängig davon, ob es sich dabei um mobile Mitarbeiter handelt oder um Mitarbeiter, die einfach einen Teil ihrer Arbeit jenseits der Unternehmensgrenzen ausführen möchten (z.B. in Cafés, Parks, zu Hause etc.).

Ergänzend zu den aus der Literatur abgeleiteten Herausforderungen bei der Mobilisierung von Geschäftsprozessen wurden vor allem Implementierungsaspekte genannt. So stellt beispiels-weise die Entwicklung von Anwendungen für verschiedene mobile Betriebssysteme einen gro-ßen Aufwandposten in Mobilisierungsprojekten dar. Als weitere große Herausforderung wurde die Ausarbeitung und Umsetzung von Strategien für das Gerätemanagement genannt (englisch

„Mobile Device Management“). Der Verlust eines mobilen Endgeräts, auf dem Unternehmens-daten oder Verbindungen zu internen Informationssystemen abgelegt sind, stellt ein großes Si-cherheitsrisiko dar und muss bei der Mobilisierung von Geschäftsprozessen besondere Beach-tung finden.

Die Gewichtung der verschiedenen Aspekte, die bei der Einführung mobiler Technologie in Unternehmen berücksichtigt werden sollen, hängt stark von der Zieldefinition und Priorisierung des jeweiligen Unternehmens ab. Beispielsweise kann das Ziel der Verbesserung der Prozess-effizienz für ein Unternehmen oberste Priorität bei der Einführung mobiler Technologie haben, für ein anderes kann aber wiederum die Steigerung der Mitarbeiterzufriedenheit im Vorder-grund stehen. Dies sollte bei der Identifikation und Bewertung des Mobilisierungspotenzials

4.4 Mobilisierungsprojekte in der Praxis – eine Gruppendiskussion 87 von Geschäftsprozessen entsprechend berücksichtigt werden (beispielsweise in Form einer Ge-wichtung).

Vorgehensweisen bei Mobilisierungsprojekten. Auch bei den genutzten Vorgehensweisen im Rahmen von Mobilisierungsprojekten unterscheiden die Experten zwischen den „early-adop-ter“ Unternehmen und den „Nachzüglern“, die erst jetzt anfangen, über die Nutzung mobiler Technologie in Unternehmen nachzudenken. Bei den ersteren wurden Mobilisierungsprojekte vor allem in Form von Innovationsprojekten durchgeführt, die durch eine geringere Einbezie-hung von Fachabteilungen gekennzeichnet waren. Auslöser für das Mobilisierungsprojekt ist dabei oft die innovative Technologie (z.B. Smartphones, Tablets), deren Anschaffung von ver-einzelten Versuchen gefolgt wird, einen Zugang zu verschiedenen Funktionen und Unterneh-mensinformationen über die neue Technologie bereitzustellen. Die fehlende systematische Identifikation von Anwendungsfällen resultiert oft in die Entwicklung von Insellösungen, wel-che die Ausnutzung der Potenziale mobiler Technologie auf Gesamtunternehmensebene nicht sicherstellen können.

Die Vorgehensweisen, die durch die „Nachzügler“-Unternehmen verfolgt werden, zeichnen sich allerdings auch nicht durch eine tiefere Systematik aus. Meist wird zunächst geprüft, ob auf dem Markt Angebote existieren, welche den Bedürfnissen der Mitarbeiter für die Nutzung (privater) mobiler Endgeräte im Unternehmensumfeld gerecht werden können. Die Anschaf-fung einer sogenannten mobilen Unternehmensplattform verspricht dabei, die Lösung für den Umgang mit unterschiedlichen mobilen Betriebssystemen, Endgerätetypen und Administrati-onsherausforderungen zu sein, bietet aber wiederum keine Unterstützung bei der systemati-schen Identifikation von Geschäftsprozessen und Aktivitäten, die über ein hohes Mobilisie-rungspotenzial verfügen.

Unter den großen Herausforderungen zu Beginn eines Mobilisierungsprojekts wurde im Rah-men der Gruppendiskussion die fehlende ProzessdokuRah-mentation genannt. Die fehlende Mög-lichkeit, bestehende Unternehmensprozesse in Form einer Prozesslandkarte hinsichtlich deren Interdependenzen, Inputs, Outputs und Zuständigkeiten zu analysieren, erschwert die systema-tische Identifikation und Analyse von Geschäftsprozessen für die Mobilisierung. Darüber hin-aus werden, aufgrund fehlender Erfahrung seitens des einzuführenden Unternehmens, meist externe Dienstleister (z.B. Beratungsunternehmen, Softwareanbieter) mit der Durchführung der Mobilisierungsprojekte beauftragt. Diese arbeiten eng mit der Fach- und IT-Abteilung des Un-ternehmens zusammen.

Weiterführende Aspekte. Zusätzlich zu den oben beschriebenen Erkenntnissen wurden im Rah-men der Gruppendiskussion auch weitere Aspekte genannt, die im RahRah-men der initialen Phasen eines Mobilisierungsprojekts beachtet werden sollen. So haben beispielsweise die Erfahrungen der Experten gezeigt, dass speziell bei der Betrachtung der Herausforderungen, die mit der Mo-bilisierung von Geschäftsprozessen verbunden sind, die Berücksichtigung bereits vorhandener mobiler Infrastruktur eine wichtige Rolle spielt. Je nach Geschäftstätigkeit kann es sein, dass mobile Geräte wie Handhelds, spezielle proprietäre Geräte oder veraltete mobile Endgeräte (z.B. PDAs) bereits seit Jahren im Unternehmen eingesetzt werden. Um diese Geräte an die IT-Infrastruktur des Unternehmens anzubinden, wurden bereits technologische Entscheidungen getroffen und Investitionen getätigt. Zu Beginn eines Mobilisierungsprojekts sollte deshalb eine Entscheidung bezüglich des Umgangs mit vorhandenen Geräten und Infrastruktur getroffen werden (z.B. beibehalten, anpassen, abschaffen etc.).

88 4 Mobilisierungspotenzial von Geschäftsprozessen Die Wirtschaftlichkeitsbewertung von Mobilisierungsprojekten wurde als ein weiterer zu be-trachtender Aspekt genannt. Dabei handelt es sich oft um eine Kosten-Nutzen-Analyse, die aufgrund der Fülle an nicht direkt ermittelbarem (qualitativem) Nutzen und variabler Kosten schwer durchführbar ist. Diese wird zusätzlich durch das Fehlen vordefinierter Kennzahlen er-schwert, die speziell bei der Wirtschaftlichkeitsbewertung von Mobilisierungsprojekten eine Rolle spielen. Interessant ist hierbei anzumerken, dass laut der Experten die Bedeutung der Wirtschaftlichkeitsrechnung mit der steigenden Relevanz mobiler Technologie für Unterneh-men über die letzten Jahre abgenomUnterneh-men hat. Dies sei vor allem darauf zurückzuführen, dass bei einer starken Managementunterstützung für das Mobilisierungsprojekt die Entscheidung für die Einführung mobiler Technologie nicht vom Nachweis der Wirtschaftlichkeit des Projektes abhängt.

Durch die Gruppendiskussion wurden die aus der Literatur abgeleiteten Erkenntnisse von Ex-perten evaluiert und um weitere Erkenntnisse aus ihrer beruflichen Erfahrung ergänzt. Diese Erkenntnisse, zusammen mit den evaluierten Erkenntnissen aus der Literaturanalyse, dienen als Ausgangsbasis für die Anforderungsermittlung an eine methodische Unterstützung bei der Identifikation, Bewertung und Anpassung von Geschäftsprozessen für die Mobilisierung, die in Kapitel 5 beschrieben wird.