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5   Empirische Untersuchung: Ziele und Herausforderungen von

5.5   Durchführung von Mobilisierungsprojekten in der Praxis

Herausforderung Ursache Lösungsvorschlag

Heterogene IT-Landschaft Verfügbarkeit und Doku-mentation vorhandener Schnittstellen

- Identifikation der Daten, die mobil genutzt werden sollen und der dafür notwendigen Schnittstellen zum Backend

- Einsatz einer Mobile Device Management Lösung zur

- Nutzung offener Entwick-lungsumgebungen und Programmiersprachen Quellen (Interviews): Experte 1, Experte 4, Experte 6, Experte 8, Experte 9

Tabelle 35: IT Infrastruktur Quelle: Eigene Darstellung

5.5 Durchführung von Mobilisierungsprojekten in der Praxis

Die dritte Frage, welche die durchgeführte empirische Untersuchung geleitet hat, betrifft die eigentliche Durchführung von Mobilisierungsprojekten in der Praxis. Im Fokus stehen dabei insbesondere die anfänglichen Phasen der Identifikation von Geschäftsprozessen mit Mobili-sierungspotenzial sowie das Vorgehen bei der Anpassung der zu mobilisierenden Geschäfts-prozesse bzw. Aktivitäten.

Vier der befragten Experten haben Mobilisierungsprojekte in verschiedenen Unternehmen be-gleitet. Der Rest der Experten war oder ist immer noch an einem internen Mobilisierungsprojekt beteiligt. Entsprechend ihrer Rollen in den Mobilisierungsprojekten (externe IT-Dienstleister bzw. interne Fachabteilung oder IT-Abteilung) wurden in den Interviews zwei Perspektiven auf die Einführung mobiler Technologie in Unternehmen beleuchtet: IT-Perspektive und fachliche Perspektive.

Die Durchführung von Mobilisierungsprojekten aus Sicht der IT unterscheidet sich in ihrem allgemeinen Ablauf nicht von klassischen IT-Projekten. Die zusätzlichen technischen Heraus-forderungen, die noch berücksichtigt werden sollen, hängen mit der Mobilitätseigenschaft zu-sammen – die Verfügbarkeit und Stabilität von Ressourcen, die an einem stationären Arbeits-platz selbstverständlich sind, sind bei der Nutzung mobiler Technologie für die Unterstützung von Unternehmensabläufen nicht gegeben. Experte 1 nennt dafür folgendes Beispiel:

„Technisch gibt es natürlich andere Herausforderungen, weil sie bringen ja auch viele Geräte mit, weil sie eben, wenn sie wirklich Handelsvertreter, Handelsreisende, Einkäu-fer oder VerkäuEinkäu-fer unterstützen, die sind halt nicht im Büro. Dann müssen sie sozusagen

158 5 Empirische Untersuchung: Ziele und Herausforderungen von Mobilisierungsvorhaben dort Möglichkeiten bereitstellen, dass Sie, wenn sie draußen im Feld alleine sind, ihnen auch helfen können.“ (Experte 1)

Die anfänglichen Phasen eines Mobilisierungsprojektes werden stark durch die Treiber und Ziele für die Mobilisierung beeinflusst. Liegt die unternehmensweite Nutzung mobiler Endge-räte im Fokus (z.B. in Form eines Bring-Your-Own-Device Ansatzes), so stellt sich für Unter-nehmen zunächst die Frage nach der zentralisierten Verwaltung und Administration aller mo-bilen Endgeräte, die im Unternehmen im Umlauf sind. Erst nachdem die zentrale Verwaltung sichergestellt wurde, werden potenzielle Anwendungsbereiche bzw. Aktivitäten für die Mobi-lisierung identifiziert. Die befragten IT-Dienstleister nennen folgende zwei typische Phasen, die sie zu Beginn von Mobilisierungsprojekten durchlaufen: 1) Analyse der bestehenden IT Landschaft und ggf. der noch geplanten Systemanschaffungen und 2) Identifikation der mobi-len Daten im Unternehmen. Dieses Vorgehen ist stark IT-getrieben, was nach der Erfahrung der befragten Experten dazu führen kann, dass wichtige Geschäftsprozessverbesserungspoten-ziale unberücksichtigt bleiben. Experte 2 beschreibt das wie folgt:

„Dann schauen wir uns die Infrastruktur an. Was haben sie an Warenwirtschaftssyste-men im Einsatz? Was für ein Betriebssystem ist im Einsatz? Und was für Smartphones, wenn vorhanden, sind schon da? Und auf Basis dessen wird dann analysiert, wie man das Ganze zusammenkriegt. Oft können allerdings echte Killer-Apps nur von der Fach-abteilung aufgedeckt werden, denn sie kennen ihre Prozesse – und da haben wir keinen Einblick.“ (Experte 2)

Ein Vorgehen für die Identifikation von Anwendungsfällen bei IT-getriebenen Mobilisierungs-projekten ist die fachbereichsübergreifende Digitalisierung von Checklisten, Benachrichtigun-gen und Genehmigungsworkflows. Dabei steht nicht eine ganzheitliche Geschäftsprozessana-lyse im Fokus, sondern das kurzfristige Erzielen von Effizienzverbesserungen. Um weitere Ver-besserungspotenziale im Rahmen der Geschäftsprozessausführung zu identifizieren, ist das Prozesswissen der Fachabteilung über Abläufe, verwendete Daten, Medienbrüche etc. unver-zichtbar.

Neun der befragten Experten waren oder sind immer noch an Mobilisierungsprojekten in dem Unternehmen beteiligt, in dem sie beschäftigt sind. Sechs der Experten waren für die fachliche Analyse und Anpassung von Geschäftsprozessen für die Unterstützung mit Hilfe mobiler Tech-nologien zuständig. Das Vorgehen, das sie beschreiben, beginnt mit der Identifikation von Pro-zessschwachstellen durch die Fachabteilung. Häufig geben Mobilisierungsvorschläge von ein-zelnen Mitarbeitern den ersten Anstoß in Richtung von fachbereichsweiten Mobilisierungspro-jekten. Wurde das Mobilisierungsprojekt in einer Fachabteilung erfolgreich abgeschlossen, werden die dabei gewonnenen Erkenntnisse verwendet, um Mobilisierungsprojekte in weiteren Fachabteilungen durchzuführen. Dabei betont Experte 6, dass es für den Mobilisierungserfolg wichtig ist, zunächst mit der Erfassung der Unternehmensabläufe in einer Fachabteilung zu beginnen und nicht zu versuchen, im Rahmen eines Big-Bang Ansatzes alle Fachbereiche gleichzeitig in das Projekt miteinzubeziehen.

„[…] war vom CIO auch so gewünscht – wir machen die komplette Analyse erstmal nur in der Instandhaltung und können dann sagen: „das und das sind die Schwachstellen, hier wird mobile helfen“. Natürlich schauen wir uns dabei auch die Schnittstellen zur

5.5 Durchführung von Mobilisierungsprojekten in der Praxis 159 Produktion an, was da alles besser gemacht werden kann, aber nicht den Produktions-prozess selbst. Der soll in einer nächsten Phase angeschaut werden. Und dabei weiß man ja schon, „aha, in der Instandhaltung wurde das so gelöst, das können wir auch so machen““. (Experte 6)

Bei der Identifikation von Aktivitäten für die Mobilisierung haben sich die befragten Experten nicht an standardisierten Vorgehensweisen orientiert, welche die Identifikation und Bewertung von Mobilisierungspotenzialen unterstützen. Die Geschäftsprozessanalyse wurde durch die Do-kumentation der Ist-Prozesse, die schrittweise Selektion von Problemklassen und die Model-lierung des Sollzustands abgebildet. Die Erfahrung der befragten Experten zeigt, dass sich die-ser Prozess, aufgrund der Komplexität der Unternehmensabläufe und der fehlenden Prozessdo-kumentation als sehr aufwändig erweist. Alle dreizehn befragten Experten gaben an, dass eine methodische Unterstützung bei der Identifikation und Bewertung von Prozessen für die Mobi-lisierung zu einer besseren Komplexitätsbeherrschung durch Fokussierung auf vordefinierte Aspekte beitragen wird.

„Man kann nicht alles mobilisieren - deshalb wollen wir nicht alle Aufgaben auf iPads bringen - das wird nicht funktionieren. Sondern nur diese, die mobil Sinn machen. Wir haben sechs Monate gebraucht bis wir an dem Punkt waren, wo wir die Problemfelder identifiziert hatten. Wenn ich jetzt daran denke – das wäre ja ein Traum – wenn wir zu Beginn schon wüssten, wo wir denn ansetzen können, was sind die häufigsten Felder und Potenziale.“ (Experte 9)

Nachdem die Prozesse bzw. Aktivitäten für die Mobilisierung identifiziert wurden, wird ein Sollprozess ausgearbeitet, der die durch den Einsatz mobiler Technologie aufgelösten Prozess-schwachstellen nicht mehr enthält. Hierbei nennen die befragten Experten insbesondere tech-nische (z.B. Datenübertragung, Synchronisation, Informationsdarstellung etc.) und organisato-rische (z.B. Aufgabenverschiebung, Aufgabenintegration, Schnittstellenreduktion etc.) Heraus-forderungen, welche die Prozessanpassung erschweren.

„[…] da es keinen Sinn macht, alles wie vorher zu machen. Wir müssen auch schauen, wie das ganze besser strukturiert werden kann. Und das ist immens schwierig. Meistens wird der Prozess dann einfach so gelassen wie vorher und ist jetzt halt digital und effi-zienter. Das ist aber keine Nutzenmaximierung. Wird aber oft aus - wie soll ich sagen - Bequemlichkeit oder gar Trägheit gemacht.“ (Experte 8)

Tabelle 36 fasst die aus den Interviews gewonnenen Erkenntnisse über die Durchführung von Mobilisierungsprojekten aus Sicht der Praxis zusammen.

160 5 Empirische Untersuchung: Ziele und Herausforderungen von Mobilisierungsvorhaben Arten von

Mobilisierungs-projekten

IT-getrieben Fachabteilung-getrieben

Beschreibung - Werden häufig als Versuch ausgelöst, die Administration von bereits im Unternehmen genutzten mobilen Endgerä-ten zu zentralisieren

- Werden durch Mobilisie-rungsvorschläge einzelner

- Identifikation von Aktivitäten für die Mobilisierung wird im zweiten Schritt gemacht - Fachbereichsübergreifende

Digitalisierung von Checklis-ten, mobile BI und Genehmi-gungsworkflows

- Dokumentation der Ist-Situa-tion, Schwachstellenanalyse, Sollprozessdefinition

Schwachstellen - Können kurzfristige Effizi-enzvorteile erzielen

- Weiterreichende Effizienz- und Effektivitätsverbesserun-gen können nur durch die Fachabteilung identifiziert werden

- Identifizierte Schwachstellen und Sollprozessanforderun-gen sind nicht immer mit ver-tretbarem Aufwand technisch umsetzbar

- IT soll die Priorisierung der Anwendungsfälle begleiten

Tabelle 36: Mobilisierungsprojekte in der Praxis Quelle: Eigene Darstellung