• Keine Ergebnisse gefunden

2   Begriffliche und theoretische Grundlagen

2.1   Geschäftsprozesse

2 Begriffliche und theoretische Grundlagen

In diesem Kapitel werden die wichtigen Begriffe und theoretischen Grundlagen erläutert, um ein einheitliches Verständnis für diese zu schaffen. Dabei wird zunächst der Geschäftsprozess-begriff eingeführt und näher erläutert. Da im Kern dieser Forschungsarbeit eine ausführliche Geschäftsprozessanalyse durchgeführt wird, die das Ziel hat, geeignete Prozessteile für die Un-terstützung mit Hilfe mobiler Technologie zu identifizieren, werden hier auch gängige Metho-den zur Geschäftsprozessmodellierung beschrieben sowie der Grundgedanke der Prozessauto-matisierung durch IT beleuchtet. Anschließend werden die für die Arbeit relevanten Begriffe aus dem Bereich Mobile Computing definiert. Dabei wird zunächst auf die Abgrenzung mobiler und verteilter Systeme eingegangen sowie die Ausprägungen der Eigenschaft „Mobilität“ näher erläutert. Die Klassifikationskriterien für mobile Endgeräte, auf denen die spätere Auswahl der betrachteten Geräteklassen basiert, werden hier ebenfalls diskutiert. Abschließend wird der Be-griff „mobiler Geschäftsprozess“ definiert und die Eigenschaften mobiler Geschäftsprozesse diskutiert. Das Kapitel schließt mit der Definition des Begriffs „mobile Unternehmensanwen-dungen“ und einer Beschreibung der typischen Merkmale, die sie von anderen Anwendungen unterscheiden.

2.1 Geschäftsprozesse

2.1.1 Definition

In der Literatur wird der Begriff Geschäftsprozess intensiv diskutiert und auf unterschiedlichen Ebenen betrachtet, wobei er häufig als Synonym zum Begriff Prozess verwendet wird (z.B.

Lehmann 1999).

Nach Krcmar (1984) ergeben sich Geschäftsprozesse aus der Zergliederung der Unternehmens-aufgabe, welche alle Ziele und Vorgaben umfasst, die sich eine Organisation und ihre Mitglie-der geben. Dabei stellen Tätigkeiten (Aktivitäten) betriebsspezifische Elemente von Geschäfts-prozessen dar, die aus Wiederholungen von Arbeitsschritten bestehen (Krcmar 1984, 81). Ar-beitsschritte sind allgemeine Elemente, die mit oder ohne Hilfsmittel ausgeführt werden können und die in der Regel nicht mehr Objekt von Arbeitsteilungsüberlegungen sind (Krcmar 1984, 81). Die sich daraus ergebende Begriffshierarchie hat für die Prozessmodellierung die Konse-quenz, dass die Betrachtungsebene für die Definition einzelner Tätigkeiten bzw. Aktivitäten ein subjektiver Faktor ist, der durch den Zweck der Prozessmodellierung festgelegt werden kann (Staud 2006, 9).

Trotz der zahlreichen Begriffsdefinitionen in der Literatur identifiziert Rump (2013) folgende Gemeinsamkeiten in den Definitionen von Geschäftsprozessen. Ein Geschäftsprozess (Rump 2013, 18):

- besteht aus einer Menge von Aktivitäten, die in einem zeitlichen, sachlogischen Zusam-menhang stehen,

- generiert einen Nutzen für interne oder externe Kunden,

- kann sich über verschiedenen Organisationseinheiten erstrecken, - wird auf ein bestimmtes Ziel hin durchgeführt und

- benötigt zu seiner Ausführung Ressourcen.

12 2 Begriffliche und theoretische Grundlagen Das Geschäftsprozessbegriffsverständnis dieser Arbeit richtet sich an die von Hammer/Champy (1994) eingeführte Geschäftsprozessdefinition, welche im Zuge der Diskussion um Business Process Reengineering erarbeitet wurde:

„Wir definieren einen Unternehmensprozess als Bündel von Aktivitäten, für das ein oder mehrere unterschiedliche Inputs benötigt werden und das für den Kunden ein Ergebnis von Wert erzeugt.“ (Hammer/Champy 1994, 52)

2.1.2 Begriffsabgrenzungen

Eine wesentliche theoretische Basis des Prozessdenkens stellt das von Porter entwickelte Wert-kettenmodell dar, das die Segmentierung der Unternehmensaktivitäten in primäre und sekun-däre Aktivitäten vorsieht (Franz 1996, 210). Nach Porter (1989, 62) sind primäre Aktivitäten wertschöpfende Tätigkeiten, die einen direkten Bezug zum hergestellten Produkt haben und daher einen Beitrag zum wirtschaftlichen Ergebnis des Unternehmens leisten. Das sind Tätig-keiten in den Bereichen Eingangslogistik, Produktion, Marketing und Vertrieb, Ausgangslogis-tik und Kundendienst. Unterstützende Aktivitäten dagegen besitzen keinen Bezug zum herge-stellten Produkt und tragen daher nicht zum wirtschaftlichen Ergebnis des Unternehmens bei.

Ohne die unterstützenden Tätigkeiten ließen sich allerdings die primären nicht durchführen.

Beispiele für solche Tätigkeiten sind Personalwirtschaft, Beschaffung, Technologieentwick-lung und Unternehmensinfrastruktur. Die Wertkette nach Porter ist in Abbildung 4 grafisch dargestellt.

Abbildung 4: Wertkette eines Unternehmens Quelle: Porter (1989, 62) 

Ein primärer Geschäftsprozess (Kernprozess) ist demzufolge ein Prozess, dessen Aktivitäten einen Beitrag zur Wertschöpfung im Unternehmen leisten. Sie erzeugen unmittelbaren Nutzen für die Kunden und haben einen entscheidenden Einfluss auf die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens (Schmelzer/Sesselmann 2008, 78).

Ein sekundärer Prozess (Supportprozess) ist demgegenüber ein Prozess, der aus Kundensicht nicht wertschöpfend ist, der aber für die Ausführung der Kernprozesse essentiell ist. In

unter-Unternehmensinfrastruktur Personalwirtschaft

Technologieentwicklung Beschaffung

primäre Aktivitäten

Unter-stützende Aktivitäten

Kunden-dienst

Eingangs-logistik

Produk-tion Marketing

& Vertrieb Aus- gangs-logistik

2.1 Geschäftsprozesse 13 schiedlichen Kontexten und für unterschiedliche Unternehmen kann derselbe Prozess Kern- und Supportprozess sein, oder ein Supportprozess kann in einen Kernprozess übergehen (Becker et al. 2012, 7). Ausgangspunkt für die Identifizierung von sekundären Geschäftspro-zessen sind die Anforderungen der primären Geschäftsprozesse. Die Supportprozesse sollen diese Anforderungen als unternehmensinterne Dienstleister erfüllen (Schmelzer/Sesselmann 2008, 78). Laut einer Erhebung von Schmelzer/Sesselmann (2008) kann das Leistungsspektrum eines Unternehmens mit fünf bis acht Geschäftsprozessen abgedeckt werden. Die Anzahl der sekundären Geschäftsprozesse liegt ebenfalls bei fünf bis acht, wobei die Anzahl durch die in diesen Prozessen gebundene Personalkapazität bestimmt wird. Z.B. ist es wenig sinnvoll, eine unterstützende Aktivität mit drei Mitarbeitern als eigenständigen Geschäftsprozess auszuwei-sen (Schmelzer/Sesselmann 2008, 81).

2.1.3 Geschäftsprozessmodellierung

Eine systematische Prozessanalyse erfordert die Dokumentation und Beschreibung von Ge-schäftsprozessen mit dem Ziel, eine Bestandsaufnahme zu erstellen (Staud 2006, 17). Ein wei-teres Ziel ist die Geschäftsprozessoptimierung – die Beseitigung von Schwachstellen, die bei der Prozessbeschreibung erkannt wurden. Die modellhafte Beschreibung der aktuellen oder neu gestalteten Unternehmensabläufe mit Hilfe einer geeigneten Beschreibungssprache dient als Basis für die Geschäftsprozessoptimierung (Elgass et al. 1995, 18f.). Zur Modellierung betrieb-licher Abläufe haben sich folgende Methoden durchgesetzt (Krcmar 2015, 32ff.):

- Ereignisgesteuerte Prozessketten (EPK): Betriebliche Funktionen werden in der Rei-henfolge ihrer Ausführung modelliert. Dabei werden – ausgehend von einem Starter-eignis und endend mit einem EnderStarter-eignis – Funktionen mit ErStarter-eignissen verbunden.

Diese Modellierungsmethode wurde im Rahmen der Architektur Integrierter Informati-onssysteme (ARIS) entwickelt und ist ein wesentliches Element im ARIS-Konzept (vgl.

Scheer (2013).

- Vorgangskettendiagramme (VKD): Zur Darstellung von Prozessen werden hier Sym-bole aus der Ablaufdiagramm- und Datenflusstechnik verwendet. Charakteristisch für VKD ist die Anordnung der Prozesselemente in Spalten.

- UML Aktivitätsdiagramme: Das UML-Diagrammtyp Aktivitätsdiagramm eignet sich für die Modellierung betrieblicher Unternehmensabläufe, da es Zustände und Abläufe im Fokus hat. Es beginnt mit einem Start- und endet mit einem Endknoten. Neben Kon-troll- und Datenflüssen erlauben Aktivitätsdiagramme auch die Modellierung von Zu-ständigkeiten bestimmter Organisationseinheiten.

- Business Process Modeling Notation (BPMN): BPMN ist ein umfassender Ansatz zur Beschreibung, Analyse, Durchführung, Verwaltung und Verbesserung von Geschäfts-prozessen in Großunternehmen. Das Hauptziel dabei ist die Definition einer Notation, die von allen an der Automatisierung von Geschäftsprozessen beteiligten Personen ein-fach lesbar und nachvollziehbar ist. Ein wichtiger Aspekt der Nutzung von BPMN ist, dass die Notation nicht nur für die einfache Beschreibung und Dokumentation betrieb-licher Unternehmensabläufe benutzt werden kann, sondern auch deren Analyse, Vor-hersage des zu erwartenden Verhaltens sowie eine Verbesserung des Geschäftsprozes-ses selbst ermöglicht.

14 2 Begriffliche und theoretische Grundlagen Die primäre Zielsetzung bei einer Geschäftsprozessverbesserung ist die optimale Ausnutzung knapper Produktionsfaktoren (Thommen/Achleitner 2006, 46ff.). Der Verbesserungsgrad wird dabei grundsätzlich anhand der Prozesseffizienz und -effektivität gemessen. Dabei erreichen effiziente Prozesse den gewünschten Output mit minimalen Ressourcenaufwand (Harrington 1991). Die Prozesseffektivität wird dagegen durch das Ausmaß, in dem der Output die Kun-denerwartungen und -bedürfnisse befriedigt, bedingt (Harrington 1991). Effizienz und Effekti-vität stehen in einem engen Zusammenhang, denn um einen Prozess effizient gestalten zu kön-nen, müssen an erster Stelle Inhalte und Ziele des Prozesses entwickelt werden. Die Prozessef-fektivität bedarf einer klaren Anforderungsdefinition an den zu erbringenden Output. Oftmals werden für die Detailierung der Prozesseffizienz und -effektivität folgende drei Beurteilungs-kriterien genannt (Krcmar 2015, 189f.):

- Qualität: Hierbei wird gemessen, inwieweit das Prozessergebnis den Prozessanforde-rungen und den damit verbundenen Zielsetzungen entspricht.

- Zeit: Dieses Beurteilungskriterium misst die Prozessdurchlaufzeit vom Start- bis zum Endzeitpunkt.

- Kosten: Die Beurteilung der Prozesskosten erfordert die Ermittlung von Einzelkosten für die Ausführung einzelner Prozesselemente.

Die Messung des Verbesserungsgrades eines Geschäftsprozesses bedarf der Prozessauflösung (Krcmar 2015, 190f.). Diese erlaubt die Gliederung eines Prozesses nach verschiedenen Krite-rien. Mit Hilfe einer vertikalen Prozessauflösung (vgl. Abbildung 5) können übergeordnete und untergeordnete Prozesselemente identifiziert werden (Krcmar 2015, 190). Hauptprozesse las-sen sich demnach in Subprozesse untergliedern, wobei der Detailierungsgrad der Prozessauflö-sung durch die Anforderungen der Darstellung vorgegeben wird. Die unterste Ebene stellen einzelne Tätigkeiten bzw. Aktivitäten dar.

Abbildung 5: Prozessauflösung Quelle: Krcmar (2015, 190)

Eine weitere Dekompositionsmöglichkeit ist die horizontale Prozessauflösung, die auf die in-haltliche Trennung von Prozessen auf der gleichen Abstraktionsebene abzielt (Krcmar 2015, 191).