D) Professionelle Kompetenz
5 Kompetenzentwicklung und informelles Lernen
6.2 Deutschsprachiger Raum
6.2.6 Mittelmeerländer
In diesen Ländern ist – im Vergleich zu den Ländern in Mittel- und Nordeuropa – das berufliche Aus- und Weiterbildungssystem nur schwach entwickelt. Parallel dazu existiert eine starke akademische Ausbildung. Vor allem in ländlichen Regionen wer-den die beruflichen Qualifikationen vorwiegend auf nicht formalem Wege und über den Arbeitsplatz erworben. Ein System zur Feststellung und Anerkennung dieser Kompetenzen ist daher von besonderer Bedeutung, aber es ist bisher nur wenig ausgebaut. Gleichzeitig wurde in den letzten Jahren eine Reform der Berufsbil-dungssysteme in die Wege geleitet (vgl. ZÜRCHER, 2007, S.127).
6.2.6.1 Griechenland
Die bedeutende Rolle des non-formalen Lernens in Griechenland hängt damit zu-sammen, dass das Berufsbildungssystem im Gegensatz zur akademischen Bildung nur schwach entwickelt ist. Nach Schätzungen besitzen nur 30 % der Arbeitskräfte eine formale Ausbildung. 1994 wurde eine Arbeitsgruppe zur Untersuchung der Akk-reditierung nicht formaler beruflicher Bildung Erwachsener eingerichtet, der 1997 ei-ne Akkreditierungsinstitution folgte. 2003 wurde ein Gesetz erlassen, das das frag-mentierte Bildungssystem vereinheitlichte, die Bedingungen für die Berufsbildung und Beratung verbesserte und die Akkreditierung von Kompetenzen auf eine legisti-sche Basis stellte. Wenn es auch bisher noch keinen übergeordneten Rahmen für die Validierung gibt, so wurde zumindest die Basis dafür gelegt und es wurden einige Initiativen (Sprachen, IT) gesetzt.
6.2.6.2 Italien
Mit einem Gesetz wurde 1996/97 sichergestellt, dass Kompetenzen unabhängig da-von, wie sie erworben wurden, zertifiziert werden können. Dazu wurden zwei Instru-mente entwickelt: ein individual training record book, das in Verbindung mit formalen Prüfungen ein Portfolio ergibt, sowie skills audits. Schwierigkeiten traten in der Folge auf wegen fehlender Regelungen im Umgang mit diesen Instrumenten, wegen man-gelnder nationaler Standards und nicht vorhandener Ressourcen. So gibt es daher, trotz großen Interesses aller relevanten Stellen, bis jetzt noch kein installiertes Vali-dierungssystem.
6.2.6.3 Portugal
Ähnlich wie in Griechenland, Italien und Spanien spielt das nicht formale Lernen ins-besondere für die traditionellen Wirtschaftszweige eine wichtige Rolle. Während eine Gesamtstrategie zur Anerkennung nicht formal erworbener Kompetenzen noch aus-steht, werden in den letzten Jahren von ministerieller Seite Schritte in diese Richtung gesetzt. Ein berufsrelevantes Zertifikat kann auf drei Wegen erworben werden:
Über die traditionelle Berufsbildung in Schulen
Durch die Anerkennung von Qualifikationen, die in anderen Bildungssystemen erworben wurden
Durch die Überprüfung und Anerkennung im Beruf erworbenen Wissens
Das Assessment im letzten Fall kann in einer formalen Analyse des CV bestehen, in einem Interview oder in Tests. Im November 2000 wurde ein System zur Anerken-nung und Zertifizierung informell erworbener Kompetenzen eingerichtet, das laut Planung bis 2006 seine volle Funktion aufnehmen sollte. Ebenfalls im Jahr 2000 wurde im privaten Sektor eine Initiative gestartet, deren zweite Phase ab 2004 die Zertifizierung beruflich erworbenen Wissens für eine Reihe von Berufen vorsieht.
6.2.6.4 Spanien
Ähnlich wie in den anderen Mittelmeerländern existiert auch in Spanien sowohl im öf-fentlichen als auch privaten Sektor eine positive Haltung gegenüber der Validierung informellen Lernens. In den letzten Jahren wurden eine Reihe von Initiativen in der zentralen Verwaltung, über EU-Programme und durch das Arbeits- und Sozialminis-terium gesetzt. Im Juni 2002 wurde ein Gesetz für Qualifikationen und Berufsbildung erlassen, das die Varianten, auf formalem und informellem Wege zur Akkreditierung von Kompetenzen zu kommen, vereinheitlicht. Dazu wurde ein Nationaler Katalog beruflicher Qualifikationen erstellt. Im 2003 durchgeführten ERA Pilotprojekt25 wur-de das Assessment und die Anerkennung beruflich owur-der informell erworbener Kom-petenzen getestet, wobei erstmals „Kompetenzeinheiten“ zum Einsatz kamen.
6.2.7 Andere Länder (ZÜRCHER, 2007, S. 117ff.) 6.2.7.1 Australien
In Australien gibt es eine große Zahl von Zuwanderern mit nicht formal erworbenen Kompetenzen (DOHMEN, 2001, S. 61ff.).26 Der 1990 gegründete Nationale Ausbil-dungsausschuss legte gemeinsam mit den Gremien für Kompetenzanforderungen den achtstufigen Anforderungsrahmen fest. Seit 1995/1996 wird ein System zur An-erkennung früher erworbener Kenntnisse verwendet, das auf den Erfahrungen der 1980er Jahre aufbaut. Es basiert auf 120 unabhängigen Validierungszentren. Nach einer fünfjährigen Probephase wurde 2000 der Australian Qualification Framework eingeführt. Damit wurde ein einheitlicher Rahmen für alle Qualifikationen nach Ende der Schulpflicht im Schul- und universitären Sektor sowie in der beruflichen Bildung geschaffen. Die nationale Integration wurde jedoch erschwert dadurch, dass die ein-zelnen Bundesstaaten für die Schulen und Hochschulen zuständig sind.
Jedes training package enthält diese Bausteine:
national competency standards
assessment guidelines and materials
national qualifications
25 Vgl. www.eubuero.de
26 Vgl. www.aqf.edu.au
learning strategy
professional devolopment materials
Anhand dieser Bauanleitung werden die einzelnen Lerninhalte entwickelt und die Qualifikationsmaßnahmen durchgeführt sowie Prüfungen abgenommen (Bosch,
Ler-en im Wandel). Die landesweitLer-en KompetLer-enzstandards ( n
standards
national competency ) sind dabei das Herzstück.
Herkunft
1974 „Committee on Open University“ >
Ursprung: schwieriges Hoch schulwesen Definition
des Begriffs Erfahrungslernen ales hs
gen: orientiert an & Gesellschaft Verständnis
Verknüpfung Studium & Mehr berufsbegleitendes St
erbindung the
Studium & Berufspr Berufstätigkeit udium & Externenstudium Methoden zur
Förderung
„DETYA“ >
apersonaler Tutor (e-learning)
Regelm. Wechsel:
formales & informelles Lernen
Abschluss Lernvertrag Lerner-Bildungsinstitution
(„training packages“) s
„Case
Keine Input-or ng Ne
nfre
Zeitrahmen Mehrere Sem Studium
(1 Jah ebe m Be
ester
bis 6 re) N n de ruf Individuell absteckbar Veröffentlichung
in Australien Europa U a Besonder
SA K nada GB ikan s im
anglo-ischen Raum amer
Orte des Lernens/
Anwendungsfeld
Erwach-Senioren Arbeit-
Jugend-Führungskräfte
geber sene nehmer liche
Abb. 6.1 Morphologischer Kasten „Kompeten2 zanerkennung in Australien“
6.2.7.2 Kanada (DOHMEN, 2001, S. 56ff.)
Die Abkürzung NALL (New Approaches to Life Long Learning) beschreibt ein wichtiges Forschungsnetzwerk und der SSHRC (Social Siences and Humanities Research Council) fasste 1998 die erste Erhebung zum informellen Lernen zusam-men. Die wissenschaftliche Leitung führte LIVINGSTONE durch. Die NALL-Erhebung untersucht das informelle Lernen Erwachsener im Gesamtzusammenhang menschli-chen Lernens. Dabei wird das Lernen insgesamt mit einem Eisberg verglimenschli-chen,
des-en- weitgehend unsichtbar ist un sen Hauptmasse- das informelle Lern
er Regel nur eine Spitze- das formale Lernen- wahrgenommen wird.
d von dem in d
Ergebnisse der NALL-Untersuchung:
Kanadier halten sich für lerninteressiert & lernfähig
50 % nehmen an organisierten Weiterbildungsveranstaltungen teil
95 % lernen informell
4 x mehr Zeit für informelles Lernen als die Teilnahme an formalem Lernen berufsspezifische Kenntnisse zu 70 % durch informelles Lernen erworben Überraschend:
Kein Zusammenhang zwischen erreichtem Schulab
schluss und Weiterbildungs-e RollWeiterbildungs-e. MWeiterbildungs-enschWeiterbildungs-en
da- nstanzen sind sich des riesigen Umfangs der informellen Lerntätigkeit, die in der Gesellschaft insgesamt vor sich geht, nicht bewusst.
Drei Viertel aller Lernprozesse finden außerhalb von Bildungs-/Weiterbildungs-einrichtungen statt.
teilnahme > beim informellen Lernen spielt das überhaupt kein
mit niedrigster Schulbildung praktizieren mindestens ebenso häufig informelles Lernen wie andere mit höherem Bildungsabschluss
Größter Anteil beim Lernen Erwachsener: Informelles Lernen
Eine effektive Reproduktion des meisten wirklich nützlichen Wissens erfolgt durch, dass ältere Menschen ihr informelles Wissen an Jüngere weitergeben.
Bildungspolitische I
Herkunft
Qualifikationsmangel &
Unterforderung:
Mitarbeiter im Betrieb
Untersuchungen von NALL/SSHRC über
„informelles Lernverhalten“
Forschungsgruppe von Prof.
Livingstone (Toronto) und Kollegen (1999) Definition
des Begriffs Anlassbedingt Sporadisch > Alltagslernen punktuell
Verständnis des Begriffs
Jede Aktivität > au-ßerhalb
Höhere formale Bildungsabschlüsse
nicht = bessere Chancen, sondern höhere
Lern-/Anpas-sungsfähigkeit
Informelles Lernen >
für Mehrheit, nicht nur für Personen mit
hoher Schulbildung
> sonst Erweiterung der Bildungskluft
Von Individuen/
Gruppen > ad hoc im Lebensvollzug
prak-tiziertes Lernen (nicht von jm. gelei-tet & nicht an
forma-le Kriterien gebun-den)
Ziel/Zweck
Kompetenzen (durch informelles Lernen) kreativ nutzen und betr.
Anforderungen dem-entsprechend verändern
Bildungsdefizite statt mit formalem, mit informellem Lernen aus-gleichen > egalitär fundierte
Lerngemeinschaft
Gezieltes informelles Lernen = bessere Quali-fikation für Wirtschaft:
Neuge-staltung des Verhältnisses von Bildung
und Arbeit
Methoden zur Förderung
Einbeziehung weiterbildungsferner Mehrheit der Bevölkerung &
Ver-besserung
(soz./komm./gesellsch.) Schlüs-selkompetenzen
Lebenslanges Lernen aller
> kreative Vernetzung zwischen formalen & informellen
Lernmöglichkeiten
NALL-Erhebung Livingstone Universität Toronto
Transfer/
Good Practice
Anpassung betrieb-licher Anforderung an Kompetenzpotenziale
der Menschen
Kategorische Abgrenzungen in Praxis nicht tragbar (z. B. man liest die „Sportmeldungen“ ohne
jede Einsicht)
Forschung soll Grundmuster des inform.
Lernens in Bezug zum forma-len Lernen bringen Zeitrahmen
Ein Leben
lang
Für das Schritt-halten im Beruf:
6 Std./Woche
Mit zunehmendem Alter > mehr
infor-melles Lernen
Mit zunehmendem Alter > weniger Teilnahme an organisierten
Weiter-bildungsangeboten Veröffentlichung
in CAN Angelsächsische Länder Europa
Orte des Lernens/
Anwendungsfeld
Überall außer in
Bildungseinrich-tungen & bei Lehrpersonen
Abgrenzung zu
„indirekter Sozialisation“
> Bemühen der Perso-nen um Wissen & Können
Hobby,
Zielgruppe Breite Schicht
Erwachsener Arbeitnehmer „Bildungsferne“ Bewerber auf eine Facharbeitsstelle
Abb. 6.13 Morphologischer Kasten „Informelles Lernen in Kanada“
Fazit
Es gibt in der kanadischen Diskussion die schwierige Abgrenzung zwischen impliz-tem und expliziimpliz-tem, beiläufigem und planmäßigem Lernen. Diese Unterscheidungen spielen aber nur zur Kennzeichnung zu Beginn einer Lerninitiative eine Rolle, d. h.
für die Frage, ob es aus einer bewussten, eigenen Entscheidung oder ungeplant zum Lernprozess kommt. Das informelle Lernen kann hier von verschiedenen Einstiegs-punkten aus beginnen und zu wechselnden Verzweigungen springen. Aus unter-nehmerischer Perspektive kann hier gefragt werden, ob dabei ein gezieltes informel-les Lernen möglich und ob es erstrebenswert ist.
In der Praxis sind die Grenzen fließend: Solange nur ein implizit-unbewusster Pro-zess stattfindet, ragt das informelle Lernen in die Sozialisation hinein. Es ist also schwer abgrenzbar. Wenn durch diesen Prozess jedoch (auch im Nachhinein) ein Wissens- und Kompetenzerwerb festgemacht werden kann, dann spricht Livingstone im Sinne eines Lernens, das sich am humanistischen Menschenbild orientiert (DOHMEN, 2001, S.56ff.).
6.2.7.3 Japan
Bis Mitte der 1990er Jahre existierte noch kein System zur Anerkennung früher er-worbener Kenntnisse, das dem britischen oder französischen vergleichbar wäre. Ei-ne Beschäftigung bedeutete meist eiEi-ne lebenslange Stellung, weshalb der Arbeits-markt auf Schulabgänger(innen) ausgerichtet war. Das Gesetz von 1990 schuf Rah-menbedingungen für die Anerkennung informellen Lernens in Zusammenhang mit dem lebenslangen Lernen. Als Gegenbewegung gegen das streng formalisierte Bil-dungssystem wurden daraufhin viele Bildungsprogramme unter diese Rubrik gestellt.
6.2.7.4 Südkorea
1998 wurde das Credit Bank System als alternativer Weg zu höherer Bildung einge-richtet. Hat man genug Credits gesammelt, erhält man einen akademischen Grad.
Credits werden unter anderem für berufliche Qualifikationen, für im Selbststudium erworbenes Wissen und für kulturelle Kompetenzen angerechnet, also auch für in-formell erworbene Fähigkeiten (vgl. ZÜRCHER, 2007, S. 126).
6.2.8 Qualifikationsrahmen
6.2.8.1 Europass in der Europäischen Union27
Herkunft Europ. Kommis-sion & CEDFOP
Kopenhagener Lernen & Arbeiten
EU-Definition des „Lebenslangen
Lernens“
Implizites & selbstgesteuertes Lernen außerhalb formaler Kontexte Verständnis
des Begriffs Erfahrungslernen Impliziertes Lernen Alltagslernen Reflexives Lernen Ziel/Zweck
Förderung lernorientiert impulsorientiert Nationale EuropaPass-Anlaufstellen Erfassung/
Nur Erfassung von Daten (keine Praxis)
Aktualisierungen möglich
Transnationaler Aus-tausch/Übertragbarkeit Zeitrahmen Individuell
verschieden
Ausfüllen der Vordrucke &
unter Absprache mit nationaler Anlaufstelle
Ausstellung der Dokumente über nat. Europass-Stelle
Alltag Betrieb Freizeit Sport Auslands-aufenthalt
Ausbil-dung/Schule Ehrenamt
Zielgruppe Lernende
(Berufs-)
Abb. 6.14 Morphologischer Kasten „Europass“
Ein abgestimmtes Portfolio von Dokumenten hat eine stärkere Kommunikationswir-kung, als eine lose Sammlung separater Dokumente (Kommission der europäischen Gemeinschaften). Der Europäische Qualifikationsrahmen (EQR) für lebenslanges Lernen (European Qualifications Framework for Lifelong Learning – EQF) ist ein Re-ferenzinstrument für den Vergleich der Qualifikationsniveaus in nationalen und sekt-oralen Systemen. Das Europäische Leistungspunktesystem für die Berufsbildung (European Credit System for Vocational Education and Training – ECVET) dient zur Unterstützung der internationalen Übertragbarkeit und Anerkennung von Lernergeb-nissen. Der europass-Lebenslauf wird online erstellt. Der Link auf der Europass-Homepage führt zum EU-Portal der CEDFOP28, die als federführende Institution
27 Vgl. www.europass-info.de
28 Centre Européen pour le Développement de la Formation Professionnelle
ständig ist. Hier wird dann Schritt für Schritt durch die Erstellung des Europass-Lebenslaufs geführt und am Ende kann das Dokument gedownloadet werden.
Die Nationalen Europass-Zentralstellen haben im Wesentlichen die Aufgabe,
die Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Bereitstellung oder Ausgabe der Eu-ropass-Dokumente zu koordinieren,
die Benutzung des Europasses und der Europass-Dokumente zu fördern,
sicherzustellen, dass Informations- und Beratungseinrichtungen über den Euro-pass und die EuroEuro-pass-Dokumente gut informiert sind,
dafür zu sorgen, dass alle Europass-Dokumente auch in gedruckter Form ver-fügbar sind,
im Rahmen des europäischen Netzwerks der Nationalen Europass-Zentralstellen als nationaler Netzpartner zu fungieren.29
.2.8.2 Fakten zum Europass 6
Der Europapass beinhaltet fünf Dokumente: zwei Dokumente, die selbst ausgefüllt werden müssen. Das ist zum einen der Europass-Lebenslauf und zum anderen der Europass-Sprachenpass, außerdem drei weitere Dokumente, die von den jeweils zu-ständigen Organisationen ausgefüllt und ausgestellt werden. Darunter fällt die Europass-Zeugniserläuterung, der Europass-Diplomzusatz und der Europass
Mobili-ätsnachweis
t .
Zur Unterstützung und Flankierung des Europasses wird ein Netz von Nationalen Eu-ropass-Zentralstellen aufgebaut. Eingeführt wurde der Europass durch das Europäi-schen Parlament und des Rates im Jahre 2004. Es wurde sich auf ein einheitliches gemeinschaftliches Rahmenkonzept zur Förderung der Transparenz bei Qualifikatio-nen und Kompetenzen geeinigt. Darüber hinaus wurde gefordert, dass alle EU-Mitgliedsstaaten eine nationale Version (hierzulande der DQR, siehe dazu auch das
apitel über Deutschland) entwickeln, die den europäischen Standards entsprechen.
K
.2.8.3 Deutscher Qualifikationsrahmen 6
Wie im Kapitel „Deutschland“ schon kurz angerissen wurde, widmet sich dieser Ab-schnitt dem aktuellen Stand des DQR. Im EQR werden die Mitgliedstaaten gebeten, ihre nationalen Qualifikationssysteme bis 2010 an den EQR zu koppeln. Dies soll dadurch geschehen, dass sie die Qualifikationsniveaus auf nationaler Ebene mit den EQR-Niveaus verknüpfen und unter Berücksichtigung der jeweiligen nationalen Ge-setzgebung und Praxis nationale Qualifikationsrahmen entwickeln. Darüber hinaus sollen Maßnahmen ergriffen werden, damit alle nach 2012 ausgestellten Qualifikati-onsbescheinigungen, Diplome und EUROPASS-Dokumente einen klaren Hinweis
uf das zutreffende Niveau des EQR enthalten.
a
29 Vgl. www.europass-info.de
Ziele des DQR
Die Ziele des DQR sind, das deutsche Qualifikationssystem transparenter zu machen und Verlässlichkeit, Durchlässigkeit sowie die Qualitätssicherung zu unterstützen. De im Bildungs- und Beschäftigungssystem Tätigen soll mit dem DQR ein Überset-zungsinstrument an die Hand gegeben werden, um Qualifikationen besser einordnen zu können. Außerdem soll die Anerkennung von in Deutschland erworbenen Qualifi-kationen in Europa erleichtert und die Mobilität von Lernenden und Beschäftigten in-nerhalb Europas soll im Sinne bestmöglicher Chancen gefördert werden. Darüber hinaus soll dieser die Orientierung der Qualifikationen an Kompetenzen und die Ori-entierung der Qualifizierungsprozesse an Lernergebnissen (Outcome-OriOri-entierung) fördern. Er soll die Möglichkeiten der Anerkennung und Anrechnung von Ergebnis-sen informellen Lernens verbessern und so das lebenslange Lernen insgesamt stär-ken.30
Der DQR bildet die Voraussetzungen zur Umsetzung des Europäischen Qualifikati-onsrahmens in Deutschland. Der DQR dient dazu, die im deutschen Bildungssystem erworbenen und angebotenen Qualifikationen in Relation zu den acht Niveaustufen des Europäischen Qualifikationsrahmens zu setzen. Darüber hinaus kann der DQR auch innerhalb Deutschlands einen wichtigen Beitrag zu mehr Transparenz und Ver-gleichbarkeit von unterschiedlichen Bildungsabschlüssen leisten. Die Anerkennung von Qualifikationen und Lernergebnissen über die Grenzen der eigenen ersten rufsqualifikation hinweg eröffnen Chancen für mehr Mobilität, insbesondere im Be-reich der beruflichen Bildung und dem Hochschulwesen. Der DQR hat keine Geset-zeskraft und die Zuordnung von Kompetenzen und Qualifikationen zu den acht Ni-veaus des Deutschen Qualifikationsrahmens heben im Gegensatz zu nationalen Kompetenzanerkennungsverfahren anderer Länder nicht das bestehende System der Zugangsberechtigungen auf. Das hat zur Folge, dass das Erreichen eines be-stimmten Niveaus des Deutschen Qualifikationsrahmens nicht automatisch einen Zugang in Bildungsgänge verschafft, die Qualifikationen im nächst höheren Niveau vermitteln.31
Niveaustufen anhand der DQR-Matrix
Ausgehend von diesem Grundverständnis verfasste die Bund-Länder-Koordinie-rungsgruppe DQR einen ersten Entwurf der Matrix (Niveaustufen und Deskriptoren).
Der aktuelle Matrix- Entwurf (Stand 2009) verfügt über acht Niveaustufen. Auf den jeweiligen Niveaustufen erfolgt die Beschreibung der Kompetenzen in der Dimension
„Fachkompetenz“ getrennt nach „Wissen“ und „Fertigkeiten“ und in der Dimension
„Personale Kompetenz“ gesondert nach „Sozialkompetenz“ und „Selbstkompetenz“.
Die DQR-Matrix wird zunächst in der praktischen Anwendung in ausgewählten Bei-spielfeldern (Metall/Elektro, Handel, Gesundheit und IT-Bereich) erprobt. Ziel der Er-arbeitungsphase des DQR ist es, exemplarische Zuordnungen ausgewählter Qualifi-kationen des deutschen Bildungssystems vorzunehmen und dadurch die Praktizier-barkeit der DQR-Matrix zu überprüfen (siehe die einzelnen Niveaustufen im Anhang des Dokumentes).32
30 Vgl. www.deutscherqualifikationsrahmen.de
31 Ebenda.
32 Vgl. www.deutscherqualifikationsrahmen.de
Fazit zu den Modellen der Kompetenzerfassung
Einige Länder setzen bereits seit Jahrzehnten Maßnahmen, während andere bisher nur kleine Schritte wagten. Oft finden sich erhebliche Unterschiede in den nationalen Ansätzen. Seit 2004 gibt die Europäische Kommission jährlich das European Inven-tory33 heraus, welches u. a. Good-Practice Beispiele unter dem Gedanken des le-benslangen Lernens für Unternehmen und Interessierte zur Hand hat. Die Länder un-terscheiden sich im Hinblick auf ihre Bildungssysteme sowie auf das Niveau und die Standards der Validierung informell erworbener Kompetenzen: Länder wie Belgien, Dänemark, Deutschland, Italien, Österreich und Schweden befinden sich noch im Prozess der Planung und Akkreditierung. Sie befinden sich noch im Aufbau eines gültigen Kompetenzanerkennungsverfahrens. Die gesetzlichen und institutionellen Grundlagen sind etabliert, sie müssen aber noch umgesetzt werden. Nationale Sys-teme wie die Bilan de Competence in Frankreich oder das National Framework of Qualifications in Irland sind Beispiele dafür. Auch Länder wie Niederlande, Norwe-gen, Portugal und Spanien zählen zu der letztgenannten Gruppe. Permanente Aner-kennungsverfahren bestehen in Finnland und Großbritannien. Hier sind die Validie-rungssysteme bereits auf Dauer wirksam (vgl. ZÜRCHER, 2007, S. 127).