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Mismatch als Folge von Suchprozessen auf dem Arbeitsmarkt

3.2 Arbeitsmarkttheoretische Betrachtung

3.2.3 Mismatch als Folge von Suchprozessen auf dem Arbeitsmarkt

Arbeitsmärkte lassen sich als Suchmärkte charakterisieren, auf denen Unter-nehmen mit offenen Stellen qualifizierte Arbeitnehmer für diese Stellen suchen.

Gleichzeitig suchen Arbeitsanbieter die für sie geeigneten Arbeitsplätze.166 We-der Arbeitsnachfrager noch -anbieter kennen alle potentiellen Arbeitgeber bzw.

-nehmer und damit Beschäftigungsmöglichkeiten. Als Folge dessen sind dem Arbeitsanbieter nicht alle potentiellen Löhne bekannt, die er erhalten könnte.

Der Arbeitsnachfrager ist sich im Gegenzug nicht über die Produktivität der Bewerber im Klaren. Auf beiden Seiten müssen diese Informationen in einem zeit- und kostenintensiven Prozess beschafft werden. Als mögliche Folge kann ein und derselbe Arbeitnehmer in unterschiedlichen Unternehmen unterschiedli-che Löhne erhalten.167

Das Optimierungsproblem des Individuums liegt darin, zwischen den Kos-ten der Suche und den zu erwarteKos-ten Erlösen eines möglicherweise besseren Angebots zu entscheiden.168 Dabei gilt, dass je geringer die Suchkosten und je höher der Anspruchslohn des Individuums, desto länger wird die Suchdauer sein. Für höhere Suchkosten und geringeren Anspruchslohn gilt entsprechend der umgekehrte Zusammenhang.169 Der Anspruchslohn ist allerdings keine fixe 163 Vgl. Gartner (2012), S. 85.

164 Vgl. Wagner/Jahn (1997), S. 64.

165 Vgl. Lärm (1982), S. 98.

166 Vgl. Wagner/Jahn (1997), S. 64.

167 Vgl. Garloff (2003), S. 2f.

168 Vgl. Franz (1999), S. 206f.

169 Vgl. Buttler/Gerlach (1988), S. 687.

oklassische noch die neukeynesianische Theorie eine vollständige Erklärung der gleichzeitigen Existenz von offenen Stellen und Arbeitslosen.163

Darüber hinaus sind – fernab von den skizzierten Modellen – weder Arbeits-nachfrager noch Arbeitsanbieter homogen. Vielmehr unterscheiden sich beide Seiten in vielerlei Merkmalen. Durch diese Sachverhalte werden Suchprozesse seitens der Marktteilnehmer angestoßen, die unter unvollständigen Informatio-nen bzw. Ungewissheit ablaufen.164 Nachfolgend wird daher die Mismatch-Problematik als weiterer wichtiger Erklärungsansatz für Ungleichgewichte auf dem Arbeitsmarkt vorgestellt. Zentraler Bestandteil dieser Modellerweiterungen sind die durch die Inhomogenität beider Markseiten hervorgerufenen, verzöger-ten Anpassungsprozesse auf dem Arbeitsmarkt.165

3.2.3 Mismatch als Folge von Suchprozessen auf dem Arbeitsmarkt

Arbeitsmärkte lassen sich als Suchmärkte charakterisieren, auf denen Unter-nehmen mit offenen Stellen qualifizierte Arbeitnehmer für diese Stellen suchen.

Gleichzeitig suchen Arbeitsanbieter die für sie geeigneten Arbeitsplätze.166 We-der Arbeitsnachfrager noch -anbieter kennen alle potentiellen Arbeitgeber bzw.

-nehmer und damit Beschäftigungsmöglichkeiten. Als Folge dessen sind dem Arbeitsanbieter nicht alle potentiellen Löhne bekannt, die er erhalten könnte.

Der Arbeitsnachfrager ist sich im Gegenzug nicht über die Produktivität der Bewerber im Klaren. Auf beiden Seiten müssen diese Informationen in einem zeit- und kostenintensiven Prozess beschafft werden. Als mögliche Folge kann ein und derselbe Arbeitnehmer in unterschiedlichen Unternehmen unterschiedli-che Löhne erhalten.167

Das Optimierungsproblem des Individuums liegt darin, zwischen den Kos-ten der Suche und den zu erwarteKos-ten Erlösen eines möglicherweise besseren Angebots zu entscheiden.168 Dabei gilt, dass je geringer die Suchkosten und je höher der Anspruchslohn des Individuums, desto länger wird die Suchdauer sein. Für höhere Suchkosten und geringeren Anspruchslohn gilt entsprechend der umgekehrte Zusammenhang.169 Der Anspruchslohn ist allerdings keine fixe 163 Vgl. Gartner (2012), S. 85.

169 Vgl. Buttler/Gerlach (1988), S. 687.

Größe. Bestimmte allgemeine Arbeitsmarktverhältnisse und persönliche Merk-male der Individuen beeinflussen diesen. Zu letzterem gehören die Qualifikatio-nen des Individuums.170 Die eigenen Qualifikationen sind eng mit dem Erwar-tungswert des Lohnangebots verknüpft. Die Einschätzung, eine überdurch-schnittlich hohe Lohnofferte zu erhalten, erhöht den Anspruchslohn. Im Gegen-teil besitzen Sucher mit höheren Gegenwartspräferenzen (für Einkommen) einen niedrigeren Anspruchslohn.171 Ferner spielen auch die Finanzierungsmöglichkei-ten der SuchkosFinanzierungsmöglichkei-ten, wie beispielsweise die Arbeitslosenunterstützung eine Rolle.

In Zeiten von Arbeitslosigkeit kann eine hohe Arbeitslosenunterstützung den Anspruchslohn erhöhen, da die Kosten der Suche geringer ausfallen. In diesem Fall präferiert das Individuum länger zu suchen und auf bessere Lohnofferten zu warten.172

Aus der Sicht der Arbeitsplatzanbieter bzw. der Unternehmen liegen unvoll-kommene Informationen über die Eignung eines Bewerbers vor.173 Im Gegen-satz zur Sichtweise der Arbeitsnachfrager, die in der Regel lediglich den Lohn-satz als Entscheidungsvariable besitzen, ist die Beurteilung der Qualifikation eines Bewerbers nicht durch einen einzigen Indikator zu bestimmen. Fernab von formal erworbenen Qualifikationsnachweisen durch Ausbildung oder abge-schlossenes Studium, spielen für Unternehmen neben der Produktivität der Ar-beitnehmer auch Aspekte wie Lernfähigkeit, Zuverlässigkeit und Kündigungs-verhalten eine Rolle.174

Auch bei den Unternehmen begrenzen die Suchkosten die Anzahl der Such-schritte. An die Stelle des Anspruchslohns tritt eine zu erfüllende Mindestquali-fikation der Bewerber.175 Die Strategie der Unternehmen ist es, denjenigen Be-werber auf die offene Stelle zu setzen, der bei gegebenen Grenzkosten der Ar-beit (Lohnkosten plus Suchkosten) den höchsten Netto-Gewinn über alle zu-künftig zu erwartenden Beschäftigungsperioden erzielt.176 Ist der Lohnsatz bei-spielsweise durch Tarifverträge fest vorgegeben, muss das Unternehmen im Rahmen des Suchprozesses den produktivsten Bewerber – als Summe aller sei-ner Eigenschaften – herausfiltern.177

170 Vgl. Apolte (2004), S. 21.

171 Vgl. Franz (1999), S. 208f.

172 Vgl. Apolte (2004), S. 21.

173 Die Problematik der Auswahl eines geeigneten Kandidaten für einen bestimmten Ar-beitsplatz ist Gegenstand zahlreicher Modelle. Siehe hierzu Peterson (1972), McCall (1972) sowie Lippman/McCall (1976).

174 Vgl. König (1979), S. 87f.

175 Vgl. Franz (1999), S. 211.

176 Vgl. König (1979), S. 89f.

177 Vgl. Franz (1999), S. 211.

Diese Ausführungen und die Darstellungen im vorherigen Kapitel zeigen, dass sich Arbeitsangebot und -nachfrage auf dem Arbeitsmarkt finde müssen.

Neben dem eingangs erwähnten Suchcharakter ist dieser Prozess auch durch ei-nen Matching-Charakter gekennzeichnet. Beide könei-nen nicht isoliert voneinan-der betrachtet werden. Ersteres beinhaltet Aspekte voneinan-der Kontaktwahrscheinlich-keit beider Parteien und beantwortet Fragen der optimalen Suchstrategie und -dauer. Letzteres beschreibt die Kontraktwahrscheinlichkeit, beispielsweise das Zustandekommen eines Arbeitsvertrages.178

Ein Match bzw. Vertrag kommt bei gegebener Kontaktwahrscheinlichkeit zustande, wenn das suchende Individuum die Mindestanforderung erfüllt und das Lohnangebot des Unternehmens über dem Anspruchslohn des Individuums liegt.179 Auf der Makroebene würde entsprechend perfektes Matching bedeuten, dass jeder Arbeitsanbieter einen passenden Arbeitsnachfrager findet und umge-kehrt.180 Ist dies nicht der Fall, weil die Arbeitskräfte in bestimmten Dimensio-nen nicht den betrieblichen Anforderungen entsprechen, liegt ein Mismatch auf dem Arbeitsmarkt vor. Darunter wird eine dauerhafte Funktionsstörung des Ar-beitsmarktes verstanden, die auf eine Diskrepanz von Arbeitskräfteangebot und -nachfrage zurückzuführen ist.181 Offene und nicht besetzbare Stellen trotz an-haltender Arbeitslosigkeit sind ein Charakteristikum des Mismatch.182

Mismatches auf dem Arbeitsmarkt spielen vor dem Hintergrund von struktu-reller und friktioneller Arbeitslosigkeit eine Rolle.183 Dabei handelt es sich um ein hoch komplexes und dynamisches Phänomen, dessen Ursache vielschichtig ist.184 Die in der Literatur genannten Ursachen für Mismatches lassen sich im Wesentlichen auf qualitative, regionale und institutionelle Ursachen sowie In-formationsdefizite zurückführen.185

Mismatches auf der Seite der Arbeitsanbieter entstehen durch unzureichende Qualifikationen sowie aufgrund von Mobilitäts- und Motivationshemmnissen bei der Arbeitsplatzsuche.186 Auf qualifikatorischer Seite wird häufig bemängelt, dass die im Schulsystem vermittelten Qualifikationen nicht den von Arbeitge-bern nachgefragten entsprechen.187 Eingeschränkte Verwendbarkeit des Gelern-178 Vgl. Franz (1999), S. 191ff.

179 Vgl. Ebd., S. 213.

180 Vgl. Apolte (2004), S. 17.

181 Vgl. Entorf (1996), S. 139.

182 Vgl. Schmid et al. (2002), S. 7.

183 Vgl. Apolte (2004), S. 17.

184 Vgl. Loo et al. (2009), S. 1.

185 In Anlehnung an Franz (1999), S. 223 sowie Schmid et al. (2002), S. 7ff.

186 Vgl. Schmid et al. (2002), S. 9.

187 Vgl. Blossfeld et al. (2011), S. 123.

Diese Ausführungen und die Darstellungen im vorherigen Kapitel zeigen, dass sich Arbeitsangebot und -nachfrage auf dem Arbeitsmarkt finde müssen.

Neben dem eingangs erwähnten Suchcharakter ist dieser Prozess auch durch ei-nen Matching-Charakter gekennzeichnet. Beide könei-nen nicht isoliert voneinan-der betrachtet werden. Ersteres beinhaltet Aspekte voneinan-der Kontaktwahrscheinlich-keit beider Parteien und beantwortet Fragen der optimalen Suchstrategie und -dauer. Letzteres beschreibt die Kontraktwahrscheinlichkeit, beispielsweise das Zustandekommen eines Arbeitsvertrages.178

Ein Match bzw. Vertrag kommt bei gegebener Kontaktwahrscheinlichkeit zustande, wenn das suchende Individuum die Mindestanforderung erfüllt und das Lohnangebot des Unternehmens über dem Anspruchslohn des Individuums liegt.179 Auf der Makroebene würde entsprechend perfektes Matching bedeuten, dass jeder Arbeitsanbieter einen passenden Arbeitsnachfrager findet und umge-kehrt.180 Ist dies nicht der Fall, weil die Arbeitskräfte in bestimmten Dimensio-nen nicht den betrieblichen Anforderungen entsprechen, liegt ein Mismatch auf dem Arbeitsmarkt vor. Darunter wird eine dauerhafte Funktionsstörung des Ar-beitsmarktes verstanden, die auf eine Diskrepanz von Arbeitskräfteangebot und -nachfrage zurückzuführen ist.181 Offene und nicht besetzbare Stellen trotz an-haltender Arbeitslosigkeit sind ein Charakteristikum des Mismatch.182

Mismatches auf dem Arbeitsmarkt spielen vor dem Hintergrund von struktu-reller und friktioneller Arbeitslosigkeit eine Rolle.183 Dabei handelt es sich um ein hoch komplexes und dynamisches Phänomen, dessen Ursache vielschichtig ist.184 Die in der Literatur genannten Ursachen für Mismatches lassen sich im Wesentlichen auf qualitative, regionale und institutionelle Ursachen sowie In-formationsdefizite zurückführen.185

Mismatches auf der Seite der Arbeitsanbieter entstehen durch unzureichende Qualifikationen sowie aufgrund von Mobilitäts- und Motivationshemmnissen bei der Arbeitsplatzsuche.186 Auf qualifikatorischer Seite wird häufig bemängelt, dass die im Schulsystem vermittelten Qualifikationen nicht den von Arbeitge-bern nachgefragten entsprechen.187 Eingeschränkte Verwendbarkeit des Gelern-178 Vgl. Franz (1999), S. 191ff.

185 In Anlehnung an Franz (1999), S. 223 sowie Schmid et al. (2002), S. 7ff.

186 Vgl. Schmid et al. (2002), S. 9.

187 Vgl. Blossfeld et al. (2011), S. 123.

ten in Kombination mit Berufswechseln erhöhen das Mismatch-Risiko und ent-mutigt bei der Arbeitssuche. Mangelnde Motivation und Flexibilität bei der Ar-beitssuche und daraus folgend unspezifisches Suchverhalten entstehen häufig auch aufgrund mangelnder Informationen und Transparenz auf dem Arbeits-markt.188

Von Seiten der Arbeitsnachfrager werden Mismatches durch zeitlich und re-gional schwankende Qualifikationsanforderungen begünstigt. Zum einen ent-steht nach wie vor ein Trend zur Dienstleistungsgesellschaft mit einem sich ste-tig verändernden Anforderungsprofil. Zum anderen finden kontinuierlich regio-nale Umstrukturierungsprozesse statt, beispielsweise durch Unternehmens-schließungen oder Neugründungen sowie neue Produktions- und Organisations-strukturen. Dies erfordert fortlaufend neue Tätigkeitsprofile, die nicht von den vorhandenen Arbeitskräften oder gängigen Ausbildungsmustern abgedeckt wer-den können. Mismatches sind bei diesen Umstrukturierungsprozessen dann eine Folge unangemessener und zu langsamer Reaktion des Arbeitskräftepotenzials auf die sich ändernden Anforderungen.189

Die Ursachen für ein Mismatch sind nicht nur bei den Arbeitsanbietern oder -nachfragern zu suchen. Eine Reihe von übergeordneten institutionellen Fakto-ren trägt ebenfalls dazu bei. Als zentrales Element auf dem deutschen Arbeits-markt fungieren dabei die Arbeitsämter, die als „Matching-Agentur“ von Ar-beitslosen und offenen Stellen, Suchkosten abbauen und den informationsbe-dingten Mismatch190 reduzieren können. Zu den institutionellen Faktoren zählen ferner auch das Angebot und die Ausgestaltung von Ausbildungsberufen, Quali-fizierungsmaßnahmen, die allgemeine Lohnstruktur, rechtliche und tarifliche Regelungen der Beschäftigungsverhältnisse sowie die Vorgaben der Arbeits-marktpolitik. Da sich alle Akteure auf dem Arbeitsmarkt innerhalb dieser insti-tutionellen Grenzen bewegen sind die zuvor beschrieben Gründe und Ursachen für ein Mismatch teilweise abgeleitete Probleme dieser Rahmenbedingungen, ohne immer zweifelsfrei einen kausalen Zusammenhang herstellen zu können.

Dennoch bestehen auch innerhalb dieser Rahmenbedingungen gewisse Hand-lungsspielräume, die den Grad des Mismatches beeinflussen können.191

Das Mismatch-Phänomen ist insgesamt sehr vielschichtig, sodass die ge-nannten Kategorien nicht ausschließlicher Natur sind, und in der Regel ver-schiedene Gründe für ein Mismatch zusammentreffen können. Eine Zuordnung 188 Vgl. Schmid et al. (2002), S. 9.

189 Vgl. Ebd., S. 8f.

190 Dies gelingt nicht immer, sei es aufgrund einer zu geringen finanziellen und personellen Ausstattung des Arbeitsamts und durch Vermittlung von ungeeigneten Bewerbern. Vgl.

Ebd., S. 11.

191 Vgl. Ebd., S. 10f.

der Gründe zu den genannten Kategorien ist daher weder zu jeder Zeit problem-los möglich noch in jedem Fall zweckmäßig.192

Bei der Erfassung und Analyse von Mismatches sind der Wissenschaft je-doch Grenzen gesetzt. So kann die tatsächliche Anzahl der offenen Stellen193 nicht ausreichend über die Statistiken der Bundesagentur für Arbeit abgebildet werden. Hinzu kommt, dass es durch die Zeitspanne zwischen Meldung einer offenen Stelle und ihrer Besetzung bzw. Nichtbesetzung zu Unregelmäßigkeiten und Verzerrungen dieser Daten kommen kann.194 Häufig beziehen sich Untersu-chungen des Mismatches nur auf eine bestimmte Stufe bzw. Dimension. Ver-knüpfungen und Abhängigkeiten zu weiteren Dimensionen werden allenfalls nur in unzureichendem Maße berücksichtigt. Darunter leidet das Verständnis für die dynamischen Zusammenhänge der Mismatch-Problematik.195

Für Deutschland ist das Vorhandensein von Mismatches unumstritten. In der Vergangenheit wurden in verschiedenen Studien196 ein Qualifikations-Mismatch – ein qualifikatorisches Auseinanderklaffen von betrieblichen Anforderungen und Befähigungen der Arbeitslosen – in Deutschland nachgewiesen. Über das Ausmaß, die Struktur und Entwicklung des Mismatches herrscht jedoch Unei-nigkeit.197 Aus volkswirtschaftlicher Sicht können Mismatches auf dem Ar-beitsmarkt das Wirtschaftswachstum, die Wettbewerbsfähigkeit und Innovati-onskraft einer Volkswirtschaft hemmen. Jegliche Form von Auswirkungen des Mismatches, sei es ein Überangebot oder Überqualifikation der Individuen, oder Arbeitslosigkeit und Teilzeitarbeit, stellen eine Verschwendung von humanen Ressourcen dar. In diesem Zusammenhang hat der Rat der Europäischen Union bereits im Jahr 2007 die Notwendigkeit betont, die zukünftigen Qualifikations-anforderungen an die Beschäftigten zu antizipieren. Um den zu erwartenden mismatchbedingten Engpässen zu begegnen, müssen die Qualifikationen der Ar-beitnehmer frühzeitig an die der Gesellschaft und Wirtschaft angepasst wer-den.198

192 Vgl. Franz (1999); S. 223.

193 Vgl. hierzu beispielhaft Magvas/Spitznagel (2001), S. 2ff. Untersuchungen haben zu-dem gezeigt, dass nur ein Bruchteil der Vakanzen in den Unternehmen tatsächlich der Bundesagentur für Arbeit gemeldet wird. In den Jahren 1991 bis 2000 schwankte die Meldequote zwischen 32% und 39%.

194 Vgl. Schmid et al. (2002), S. 7.

195 Vgl. Loo et al. (2009), S. 1.

196 Vgl. z. B. Abraham (1991); Schettkat (1992); Entorf (1996); Schmid/Baden (2003).

197 Vgl. Schmid et al. (2002), S. 7f.

198 Vgl. Loo et al. (2009), S. 4.

der Gründe zu den genannten Kategorien ist daher weder zu jeder Zeit problem-los möglich noch in jedem Fall zweckmäßig.192

Bei der Erfassung und Analyse von Mismatches sind der Wissenschaft je-doch Grenzen gesetzt. So kann die tatsächliche Anzahl der offenen Stellen193 nicht ausreichend über die Statistiken der Bundesagentur für Arbeit abgebildet werden. Hinzu kommt, dass es durch die Zeitspanne zwischen Meldung einer offenen Stelle und ihrer Besetzung bzw. Nichtbesetzung zu Unregelmäßigkeiten und Verzerrungen dieser Daten kommen kann.194 Häufig beziehen sich Untersu-chungen des Mismatches nur auf eine bestimmte Stufe bzw. Dimension. Ver-knüpfungen und Abhängigkeiten zu weiteren Dimensionen werden allenfalls nur in unzureichendem Maße berücksichtigt. Darunter leidet das Verständnis für die dynamischen Zusammenhänge der Mismatch-Problematik.195

Für Deutschland ist das Vorhandensein von Mismatches unumstritten. In der Vergangenheit wurden in verschiedenen Studien196 ein Qualifikations-Mismatch – ein qualifikatorisches Auseinanderklaffen von betrieblichen Anforderungen und Befähigungen der Arbeitslosen – in Deutschland nachgewiesen. Über das Ausmaß, die Struktur und Entwicklung des Mismatches herrscht jedoch Unei-nigkeit.197 Aus volkswirtschaftlicher Sicht können Mismatches auf dem Ar-beitsmarkt das Wirtschaftswachstum, die Wettbewerbsfähigkeit und Innovati-onskraft einer Volkswirtschaft hemmen. Jegliche Form von Auswirkungen des Mismatches, sei es ein Überangebot oder Überqualifikation der Individuen, oder Arbeitslosigkeit und Teilzeitarbeit, stellen eine Verschwendung von humanen Ressourcen dar. In diesem Zusammenhang hat der Rat der Europäischen Union bereits im Jahr 2007 die Notwendigkeit betont, die zukünftigen Qualifikations-anforderungen an die Beschäftigten zu antizipieren. Um den zu erwartenden mismatchbedingten Engpässen zu begegnen, müssen die Qualifikationen der Ar-beitnehmer frühzeitig an die der Gesellschaft und Wirtschaft angepasst wer-den.198

192 Vgl. Franz (1999); S. 223.

193 Vgl. hierzu beispielhaft Magvas/Spitznagel (2001), S. 2ff. Untersuchungen haben zu-dem gezeigt, dass nur ein Bruchteil der Vakanzen in den Unternehmen tatsächlich der Bundesagentur für Arbeit gemeldet wird. In den Jahren 1991 bis 2000 schwankte die Meldequote zwischen 32% und 39%.

194 Vgl. Schmid et al. (2002), S. 7.

195 Vgl. Loo et al. (2009), S. 1.

196 Vgl. z. B. Abraham (1991); Schettkat (1992); Entorf (1996); Schmid/Baden (2003).

197 Vgl. Schmid et al. (2002), S. 7f.

198 Vgl. Loo et al. (2009), S. 4.

3.2.4 Zwischenfazit

Um Einflussfaktoren auf Arbeitsangebot und -nachfrage im Gesundheits- und Pflegewesen zu bestimmen und diese im Rahmen der Modellierung des empiri-schen Berechnungsmodells zu berücksichtigen, lässt die arbeitsmarkttheoreti-sche Betrachtung erste Rückschlüsse zu. Zunächst wurde auf das grundlegende neoklassische Arbeitsmarktmodell eingegangen. Es kann mit seinen zugrunde-liegenden Annahmen als Abbildung des „idealen Arbeitsmarktes“ verstanden werden und dient als Ausgangspunkt nahezu aller neuen arbeitsmarkttheoreti-schen Ansätze. Allerdings hält das neoklassische Modell aufgrund der modellin-härenten Annahmen und Vereinfachungen der empirischen Überprüfbarkeit nicht stand. Annahmen wie vollkommene Konkurrenz, Transparenz und Mobili-tät sowie HomogeniMobili-tät der Arbeitsanbieter sind nicht mit der Empirie in Ein-klang zu bringen. Aufgrund dieser realitätsfremden Annahmen ist es weder zur Ableitung relevanter Einflussfaktoren auf Arbeitsangebot und -nachfrage im Ge-sundheits- und Pflegewesen geeignet, noch lässt sich daraus die Notwendigkeit einer Bedarfsprognose ableiten, da sich auf dem neoklassischen Arbeitsmarkt ohnehin ein Gleichgewicht durch Lohnanpassungen einstellen würde.

Als makroökonomisches Arbeitsmarktmodell ist der neukeynesianischen Ansatz mit der neoklassischen Darstellung vergleichbar. Allerdings ersetzt in den neukeynesianischen Modellen die Lohnsetzungskurve die Arbeitsangebots-kurve und die PreissetzungsArbeitsangebots-kurve die ArbeitsnachfrageArbeitsangebots-kurve des klassischen Modells. Hier ist der Arbeitsmarkt im Gleichgewicht, wenn der durch die Lohn-setzung festgelegt Reallohn dem durch die PreisLohn-setzung festgelegten Reallohn entspricht. Im Gegensatz zum neoklassischen Modell berücksichtigt das neu-keynesianische Modell allerdings die Abhängigkeit der Lohn- und Preissetzung von weiteren Faktoren wie beispielsweise Arbeitslosigkeit, Arbeitslosen- und Sozialhilfe sowie Wettbewerbsintensität.

Damit wird in der neukeynesianischen Betrachtung klar herausgestellt, dass die angebotene bzw. nachgefragte gleichgewichtige Arbeitsmenge nicht nur vom Lohnsatz abhängt. Diese Erkenntnis ist insofern für den Arbeitsmarkt im Gesundheits- und Pflegewesen von besonderer Bedeutung, da dort die regulie-rende Funktion des Faktors Lohn noch weniger als in anderen Wirtschaftszwei-gen greift. In einem maßgeblich durch Steuern finanzierten und staatlich regu-lierten System, haben die Arbeit nachfragenden Einrichtungen – neben sonstigen institutionellen Rahmenbedingungen – nur geringe Spielräume für eine am (Re-al-) Lohn orientierte Nachfragepolitik. Vielmehr orientiert sich die Nachfrage im Gesundheits- und Pflegewesen an normativ festgelegten Gesundheitszielen und gesellschaftlichen Wertevorstellungen, die eine Steuerung über andere Kompo-nenten erfordert.

Im weiteren Verlauf des Kapitels wurde gezeigt, dass Arbeitsmärkte als Suchmärkte zu charakterisieren sind, auf denen das Arbeitsangebot und die -nachfrage zusammengeführt werden müssen. Unternehmen suchen qualifizierte Arbeitnehmer und diese wiederum geeignete Arbeitsplätze. Als Folge der Hete-rogenität beider Marktseiten und den daraus resultierenden Informationsasym-metrien sowie der Diskrepanz zwischen Arbeitskräftenachfrage und -angebot, entstehen Mismatches auf dem Arbeitsmarkt. Es wurde gezeigt, dass die Mis-match-Problematik komplex und vielschichtig ist, und ihre Wurzeln in der ge-sellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung hat. Dabei spielen insbeson-dere qualifikatorische, regionale und institutionelle Ursachen, aber auch Infor-mationsdefizite eine Rolle. Um letztere zu beseitigen, müssen die Marktteilneh-mer in einem zeit- und kostenaufwendigen Suchprozess möglichst viele Infor-mationen beschaffen. Aufgrund der Vielschichtigkeit der Mismatch-Problematik und der Überlappung der einzelnen Dimensionen ist eine möglichst komplexe und umfassende Betrachtung der Dimensionen erforderlich.

Aus der suchtheoretischen Darstellung kann für diese Arbeit und den Ar-beitsmarkt im Gesundheits- und Pflegewesen abgeleitet werden, dass bei einer getrennten Betrachtung von Arbeitsangebots- und -nachfrageseite vergleichbare Merkmale benötigt werden, über die ein Match beider Größen möglich ist. Le-diglich die Gegenüberstellung von einer offensichtlich homogenen Größe Ange-bot und Nachfrage ist aufgrund der empirisch nicht haltbaren Homogenitätsan-nahme nicht zielführend. Für die makroökonomische Betrachtung des Gesund-heits- und Pflegewesens bedeutet dies, dass Informationen darüber vorhanden sein müssen, welche Qualifikation (Berufe, Fachrichtungen), zum jeweiligen Zeitpunkt, an welchem Ort (Region) und in welcher Einrichtung benötigt wer-den.