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6 Gelehrten Kammern

6.2 Michele Mercati, Arzt in Italien

Dem italienischen Arzt Michele Mercati, ein Zeitgenosse Kentmanns, war es gelungen, über 30 Bernsteine verschiedener Farbvarietäten sowie einige Steine mit tierischen und pflanzlichen Einschlüssen seiner stattlichen und wohl geordneten Mineraliensammlung einzuverleiben.

Es stellt sich die Frage, wie es ihm gelungen war, diesen damals so raren Stein zu beschaffen. Die Antwort lautet: Beziehungen waren schon immer ausschlaggebend, wenn man etwas erreichen wollte. Als Sohn eines päpstlichen Laibarztes waren Mercati alle Türen geöffnet. Bei dem Mediziner, Botaniker und Philosophen Andrea Caesalpinus (1519-1603) hatte er studiert. Papst Pius V. ernannte ihn zum Vorsteher der botanischen Gärten. In dieser Funktion begleitete er Kardinal Aldobrandini, den späteren Papst Clemens VIII. auf seinen Reisen, von wo er seltene Gesteine, darunter sicherlich auch die Bernsteine, nach Rom mitbrachte. Seine hohe Stellung war ihm bei der Beschaffung seltener Minerale von Nutzen. Zur Aufbewahrung seiner Schätze hatte er, nach dem Vorbild von Kentmanns, kunstvoll gestaltete Schränke mit mehrladigen Kästen anfertigen lassen.

Die Naturalien zu besitzen, war ihm nicht genug. Er wollte auch alles darüber wissen.

Besonders interessierte ihn die Erforschung des „Regni Fossilium“. Das Wissen seiner Zeit und seine eigenen auf Reisen gewonnenen Erkenntnisse über Fundorte, Gewinnung, Verarbeitung und Nutzen der ihm bekannten Bodenschätze und Fossiliae hatte Mercati in seinem Lebenswerk „Metallotheca“ zusammengefasst. Jedem Material war ein eigenes Kapitel gewidmet. Um sein Manuskript zu illustrieren, ließ er besonders seltene Gesteine von dem Goldschmied und Kupferstecher Antonius Eisenhoit373 (1553/54-1603) zeichnen. Hierin bestand auch seine herausragende innovative Leistung.

Der Leser, der aus mehreren Gründen selbst nicht die Gelegenheit hatte vor Ort Erkenntnisse zu sammeln und dem somit der Zugang zu seltenen raren Bodenschätzen verschlossen blieb, erhielt dank der Illustrationen ein Abbild von der Wirklichkeit.

373 Über das Leben und Werk des Antonius Eisenhoit, vgl. Vgl. Holländer, Hans: Ein Museum der Steine:

Die „Metallotheca“ des Michele Mercati und die Ordnung des Wissens, in: Wunderwerk und Göttliche Ordnung und vermessene Welt: Der Goldschmied und Kupferstechen Antonius Eisenhoit und die Hofkunst um 1600, [Katalog der Ausstellung im Erzbischöflichen Diözesanmuseum Paderborn 2003], hrsg. von Christoph Stiegmann, Mainz am Rhein 2003.

Abb. 64:

Sammlungsschrank des Michele Mercati. Kupferstich nach einer Vorlage von Antonius Eisenhoit, um 1580. Methalloteca, Rom 1717, S. 76. Universitätsbibliothek Halle, Signatur: Sa 756.

Originellerweise überschrieb Mercati, entsprechend der Ordnung seiner Sammlung, die er Kentmann abgesehen hatte,374 jedes Kapitel mit „Armarium“ (deutsch: Schrank) und dessen Nummer. Auf der ersten Seite eines jeden Kapitels ist der dazugehörige Sammlungsschrank abgebildet. Am Ende jedes Kapitels befindet sich das Verzeichnis des Inhalts des dazugehörigen Schrankes. Im Schrank mit der Nr. 5 (Abb. 64) waren die

„Succi Pingues“, darunter auch die verschiedenen Bernsteine, untergebracht.

Der Schrank, dessen Form dem Kentmanns gleicht, ruht auf einem mehrstufigen Sockel. Die Fassade gliedern drei Pilaster, deren Kapitelle durch Festons miteinander verbunden sind. Reicher Schmuck in Form von Grotesken ziert die Türfüllungen des Unterbaus. Die Rundbögen des oberen Teils sind verglast. Am Gesims verweist die Inschrift „Succi Pingues“ auf den Inhalt des Schrankes. Darüber erhebt sich ein Aufsatz in Form einer ebenfalls verglasten Ädikula. Links und rechts des Aufsatzes sitzen zwei

374 Vgl. Holländer 2003, S. 22 f.

Putti, die ganz vertieft ihren handwerklichen Tätigkeiten nachgehen. Auf dem gesprengten Giebel sitzen ebenfalls zwei Putti. Sie flankieren ein Wappenschild, worauf ein vierfaches Kreuz zu sehen ist. Jeder Putto hält einen Schlüssel. Die Schlüssel kreuzen sich über dem Wappen. Darüber erhebt sich die päpstliche Krone. Zwischen Ober- und Unterbau befindet sich eine Ablage. Darauf liegen eine Dose, ein Futteral und ein aufgeschlagenes Buch.

Nach dem Tode Mercatis wurde dessen Sammlung einschließlich des illustrierten Manuskriptfragments den Vatikansammlungen einverleibt. Zu Beginn des 18.

Jahrhunderts wurde das Manuskript durch den Arzt und Botaniker Giovanni Maria Lancisi wieder entdeckt und aufgrund seiner wissenschaftlichen Qualität und wohl auch aufgrund der ausgezeichneten Illustrationen Eisenhoits 1717 unter dem Titel

„Metallotheca“ publiziert.375 Dieses Fachbuch über Mineralogie gehörte zu den naturgeschichtlichen Bestsellern des 18. Jahrhunderts, nicht nur in Italien, sondern auch nördlich der Alpen. Ein Exemplar wird heute in der Martin-Luther-Universität zu Halle aufbewahrt.376

Inhaltsverzeichniss des 5. Sammlungsschrankes:377

INDEX ARMARII QUINTI

Sulphur vivum, sive ignem non expertum, liquidum, & candidumPuteolanum

Sulphur nativum nigrum, Volaterranum Sulphur nativum durum instar lapidis, ex Sylvena Sulphur nativum glebosum cinereum; Volaterranum

Sulphur nativum flavum, pellucens, chrysolithi instar

Sulphur nativum flavescens, in capillamenta concretum, Puteolanum Sulphur nativum arenae simillimum; ex Ilva insula

Sulphur nativum in atro-cinereo; ex Sylvena

Sulphur nativum cum Alumine plumoso mistum; Puteolanum Sulphur nativum glebosum nigrum; ex Sylvena

Sulphur nativum viride; ex Sylvena Sulphur nativum rubrum; ex Sylvena

Sulphur nativum glebosum in candido cinereum Sulphur nativum caeruleum: Hispanicum

375 Vgl. ebd., S. 23.

376 Ein Exemplar wurde für die Königliche Bibliothek zu Berlin angeschafft. Im Katalog der

Staatsbibliothek zu Berlin existiert nur noch die Katalogkarte. Sie trägt den Vermerk: Kriegsverlust. An dieser Stelle herzlichen Dank an die Mitarbeiter der Martin-Luther-Universität Halle für die freundliche Unterstützung.

377 Auszug aus Mercatis Bestandsverzeichnis, in: Mercati 1717,

Sulphur nativum glebosum, candidum cum Melanteria Terra Sulphurae. Ex qua Sulphur excoquitur; ex Sylvena

Vena Sulphuris citrini, & rubei; inter misto argento rubro; ex Germania Sulphur ignem expertum, ex aquis sulphureis

Sulphur ignem expertum ex venis, & terris sulphureis Oleum sulphuris, è sulphure liquido expressum Oleum sulphuris, ex sulphure vivo distillatum

Bitumen liquidum Naphta vocatum, ex lacu Asphaltite

Bitumen liquidum, volgò petroleum, vel oleum saxi; ex Saxonia Bitumen liquidum, ex Monte Gibio agri Mutinensis

Bitumen liquidum Neapolitanum

Gagates lapis, volgò Ambra nigra Carbones fossiles, ex agro Leodiensi Carbones fossiles, ex Westphalia Carbones fossiles, ex Ilva Insula

Carbones fossiles cum Pyrite aluminoso, ex agro Spoletino Carbones fossiles friabiles, ex Sylvena

Terra Ampelitis

Succinum decocti mellis colorem referens Succinum flavae cerae simile

Succinum candidum, & pellucidum, hodie in precio habitum Succinum in candido flavum non pellucidum

Succinum luteum non pellucens Succinum decocto mellis simile Succinum multis coloribus varium

Succinum candidum mellei coloris, & cinereum mistum Succinum fulvum non pellucens

Succinum falernum orientale, quod accensum non reddit odorem Succini, verùm suavem, &aromaticum Succinum fulvum, cui muscae includuntur

Succinum fulvum, in quo formicae Succinum fulvum, quod culices claudit Succinum fulvum, cui centipedae insunt

Succinum subcandidum, in quo araneus concrevit

Succinum adulterinum, quod colore à vero nihil differt, quodque in arboribus è formicarum cellis eximitur

Oleum succini Sal succini

Ambra odorifera, grysea vocata, cinerea, albicantibus venis intercepta Ambra piscium ungulis, avium rostra resentibus, permista

Ambra odorifera nigra, quae in piscum ventre reperiri solet