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6 Gelehrten Kammern

6.5 Familie Linck, Apotheker in Leipzig

Wegen seiner Langlebigkeit über drei Generationen (1670-1807) nimmt das Naturalien- und Kunstkabinett der Apotheker-Familie Linck in Leipzig eine Sonderstellung innerhalb des Sammlerwesens ein. Eine besondere Zuneigung hatten die Links dem Bernstein entgegengebracht. Der letzte Betreiber der Sammlung Johann Heinrich Linck d.J. verfügte über eine umfangreiche Kollektion von durchsichtigen und undurchsichtigen Bernsteinen verschiedener Farbvarietäten und von echten und falschen Bernsteininklusen. Neben diesen Bernsteinnaturalien gab es mehrere Kunststücke aus Bernstein. Alles aus Bernstein bildete die Bernsteinsuite und war Teil der Naturaliensammlung. Diese Sammlung in der Sammlung hat Linck d.J. ausführlich in seinem „Index Musaei Linckiani oder kurzes systematisches Verzeichnis der vornehmsten Stücke der Linckischen Naturaliensammlung zu Leipzig“ (1783-1787) beschrieben.388

Die Bernsteinsuite war, so das Urteil Alfred Seiferts, Leiter der mineralogisch-paläontologischen Sammlung im Dresdner Zwinger (1935), ein bürgerlicher Abglanz der Bernsteinsammlung Augusts des Starken.389

Mit dem Sammeln von Naturalien hat Heinrich Linck (1638-1717) wahrscheinlich um 1669 begonnen, als Provisor der Apotheke „Zum goldenen Löwen“. Zwei Jahre später hat er die Apotheke gepachtet und schließlich 1686 erworben. Sein Sammelsurium von Naturalien hat er wahrscheinlich zur Anlockung von Kunden inmitten seiner Apotheke zur Schau gestellt.

Voller Weitblick schickte er seinen Sohn, Johann Heinrich Linck d.Ä. (1674-1737) nach Kopenhagen in die Lehre des Hofapothekers J.G. Becker (1639-1711). Hier hatte er gewiss das Museum von Olaus Worm besucht. Reisen führten ihn bis nach Schweden. 1696 führte ihn sein Weg in das damalige Zentrum der Bernsteinkunst Danzig.

Er machte die Bekanntschaft von manch anderen Sammlern und Naturgelehrten wie Ruysch, Vincent, Seba, Sloane, Woodward und Catesby in England. Mit den

388 Ein Exemplar des „Index Musaei Linckiani“ wird in Waldenburg/ Sachsen aufbewahrt. An dieser Stelle herzlichen Dank an die Mitarbeiter des Naturalienkabinetts in Waldenburg für die freundliche Unterstützung.

389 Seifert 1935, S. 1-15.

Naturforschern Marsigli, Michelius, Monti und Zanichelli in Italien, Bayer, Gmelin, v.

Heucher, Brückmann, Büchner, Breyn, Klein in Danzig sowie dem Breslauer Arzt und Sammlungstheoretiker Johann Kanold (1679-1729) pflegte er den Austausch von Briefen, Material und Büchern. Nebenbei hatte er sich einen ausgezeichneten Ruf als Naturforscher durch das von ihm aufgestellte Ordnungssystem der Seesterne mit dem Titel „De stella marinis“ erworben. Im Jahre 1722 wurde er als erster Apotheker in die Leopoldinisch-Carolinische Akademie aufgenommen. Er war Mitglied der Royal Society in London und der Akademie für Wissenschaft und Kunst in Bologna.

Johann Heinrich war um die ständige Erweiterung des ererbten Naturalienkabinetts bemüht, wobei er besonderes Augenmerk auf Vielseitigkeit legte. Durch Ankäufe bei Versteigerungen involvierte er Teile bedeutender Sammlungen in sein Kabinett. 1714 erwarb Linck große Bestände aus der Sammlung des Arztes Chr. S. Wolff (1685-1737) mit dem Titel „Museum Wolffianum“ und im Jahre 1716 mineralogische und paläontologische Objekte aus dem Kabinett von G.F. Mylius. Besonders interessiert war Linck an einheimischen Naturschätzen, die er oft selbst auf seinen Reisen ins Umland von Leipzig sammelte. Er hatte seine Sammlung in drei Reiche der Natur Animalia, Mineralia, Vegetabilia und „Kunstsachen“ getrennt in Schubladenschränken aufgestellt.

Die letzte Gruppe nahm eine untergeordnete Stellung ein. Das Mineralreich umfasste Erden, feste Gesteine und Mineralien (in 79 Schubläden) sowie Versteinerungen (in 123 Schubläden). In Lade 14: „Mit mancherley Vitriolen, Salzen, Alaune, Stein-Kohlen, schwarzem und gelbem Agt-Stein, bey wlchem allerhand eingeschmolzene Insecta, und aus Succino verfertigte Sachen, als Brenn-Glas, Sand-Uhr, Toback-Dosen ec. zu sehen seyn“. Diese Auskunft gab Linck an Kanold weiter, als dieser in Vorbereitung einer Publikation über zeitgenössische Kunst- und Naturalienkammern recherchierte.390 Nach Johann Heinrichs d.Ä. Tod verfiel die Sammlung. Erst 13 Jahre später, 1757, übernahm dessen Sohn Johann Heinrich d.J. die väterliche Apotheke und die vernachlässigte Sammlung. Durch Neuerwerbungen ließ er das Kabinett in neuem Glanz erstrahlen. Mit der Ersteigerung des „Museum Richterianum“ (1784), gelangte neben mineralogischen und paläontologischen Objekten, die Johann Christoph Richter seinerseits 1716 bei der Versteigerung des Mylius´schen Kabinetts erworben hatte, eine von beiden bereits erwähnten Froschinklusen in seinen Besitz.

390 Ebd.

Ebenso wie sein Vater hatte er sich für die Naturwissenschaften begeistert und es zu hohem Ansehen gebracht. Er war Mitglied der Römisch Kaiserlichen Akademie der Naturae Curiosum. 1770 war er, nachdem der damalige Präsident der Leopoldinisch-Carolinischen Akademie der Naturforscher J.F. v. Baier (1707-1788) seinem Museum einen Besuch abgestattet hatte, in die Akademie aufgenommen worden. Baier regte der Besuch an eine Übersicht über Apotheker aufzustellen, welche sich als Sammler und Naturforscher hervorgetan hatten.391 Besondere Betonung finden die Verdienste Johann Heinrich Lincks d.Ä. Die Ehrungen spornten nun Linck d.J. an, eine Beschreibung seiner Sammlung herauszugeben. 1783 erschien der Erste von drei Bänden des „Index Musaei Linckiani“. Der erste Teil verzeichnet den Inhalt der zoologischen Sammlung, der zweite den Inhalt der mineralogischen Sammlung und der dritte Teil behandelt die Sammlungen von Pflanzen und Kunstsachen sowie die 1200 Bände umfassende Fachbibliothek. Jedes Stück seiner Sammlung, bis auf die Pflanzen, erhielt eine Nummer. Jedes Stück war erfasst und wo es möglich war, die linnésche Bezeichnung beigefügt sowie andere Autoren zum Thema angeführt. Zum Beispiel:

Roher Agtstein Succinum Succinum f. electricum LINN.

Agtstein oder Bernstein mit einem roten Ueberzuge, von Angerburg.

Wall. Min. Syst. II Theil p. 105. Linn. P. 108

Der Ordnung der zoologischen Sammlung legte er im Großen und Ganzen das von Carl von Linné (1707-1778) im Jahre 1735 erstmals veröffentlichte und 1740 ins Deutsche übertragene Werk „Systema Naturae“ zugrunde und der Ordnung der Mineralien, zu denen auch eine Reihe von Zufallsbildern gehörte oder wie Linck sie bezeichnete

„Bildsteine“, die 1781/83 erschienene deutsche Überstzung des „Mineralrikets“ von Johann Gottschalk Waller (1709-1785). Für die Pflanzen und Kunstsachen erdachte Linck ein eigenes System.

Die Ordnung des Mineralreiches und die Bernsteine in der Linckischen Sammlung:392 Mineralreich

1. Klasse: Erden 2. Klasse: Steine

391 Baier, J.F.:Dissertatio epistolaris de claris pharmacopoeis historiae naturalis amplificatoribus, Nürnberg 1779.

392 Auszug aus dem „Index Musaei Linckiani“, 2. Teil, in: Linck 1783

3. Klasse: Erze

I. Brennbare Mineralien Sulphurea II. Agtstein Succinum

a) Roher Agtstein

Succinum Succinum. s. electricum LINN. Agtstein oder Bernstein miteinem roten Überzuge, von Angerburg. Wall. Min. Syst. II. Theil, p. 105.Linn. P. 108 (No. 18. 22. 23.)

ein Stück Succinum pellucidum rubrum, rother Bernstein mit versteinertem Holze. (No. 24.)

Dergl. dunkelbrauner undurchsichtiger; davon verschiedene Stücke ausdem baltischen Meere.(No. 20.) Dergl. unreiner. (No. 15.)

Dergl. ein Menge von einander geschlagene dunkelrothe durchsichtige Bernsteinper. (No. 25.) ein großes Stück undurchsichtiger. (No. 9.10.11.16.17.)

Zwey dergl. Stück. (No. 29.)

Dergl. ein noch größeres Stück. (No. 28.)

Succinum pellucidum citrinum. Gelber durchsichtiger Bernstein. (No. 8. 12.) Dergl. eine Menge durchsichtige von einander gebrochene Bernsteinperlen (No. 26) Dergl. Kugeln undurchsichtiger. (No. 21.)

Succinum album. Ganz weißer geschabter Bernstein.(No. 7.) Bernstein, weißer, mit grau und blaulichten Flecken. (No. 4.) Dergl. graulicher. (No. 13)

Zwey schöne ovalgeschliffene Tafeln von ganz bunten Bernstein. (No. 27.) Dergl. sechs verschiedene Tafeln von nehmlicher Art. (No. 5. 6.)

Dergl. bunter, der grünlicht, roth, weiß, gelb und braun gefleckt. (No. 1. 2.)

Angeschliffener Bernstein von gelber Farbe, mit einem großen schwarzen Flecken.(No. 14.) Dergl. ganz gelber undurchsichtiger angeschliffener. (No. 30.)

Zwey geschliffene Stück zu Ringen von bunter Farbe. (No. 3) (in der 45. Schublade)

b) Agtstein oder Bernstein mit Insecten.

Succinum pellucidum, in forma cortis, Ranula inclusa. Ein sehr schönes durchsichtiges Stück angeschliffener Bernstein, in Form eines Herzens, worinnen ein kleiner Frosch befindlich. (No. 6.) Dergl. ein kleineres Stück mit einem Frosche, wo aber der Bernstein nicht so schön durchsichtig ist, und mehr gemacht zu seyn scheinet. (No. 14.)

Dergl. ein Stück mit einem Tropfen Wasser. (No. 12.)

Dergl. ein großes und ein kleines Stück mit einem Fische. (No. 4.) Dergl. zwey Stück, worinnen eine Spinne. (No. 10.)

Dergl. sechs Stück mit Ameisen. (No. 7. 11. 13.) Dergl. sieben Stück mit Wasserinsecten. (No. 16. 17.) Dergl. mit einem unbekannten Zweige. (No. 1.) Dergl. mit dem Squillen Krebs. (No. 8.) Dergl. drey Stück mit Fliegen. (No. 3.) Dergl. zwey Stück mit Käfer. (No. 9.) Dergl. drey Stück mit Motten. (No. 2. 5.)

Dergl. noch 40 Stück großer und kleiner Bernstein mit lauter Insecten, davon dasgrößte undurchsichtige aus Indien ist. (No. 15.)

Noch verschiedene einzelne Stücke ohne Insecten. (in der 46. Schublade.)

c) Agtstein oder Bernstein, aus welchem verschiedenes gearbeitet.

Ein sehr schöner außerordentlich großer und starker Rosenkranz, woran alle möglichen Farben von Bernstein an demselben befindlich; von einer Länge von mehr als zwey Ellen. (No. 3.)

Zwey sehr schöne Sanduhren von dergleichen Arbeit, etwas über ein Zoll hoch. (No. 1.)

Zwey paar Messer und Gabeln, davon das eine paar stark mit Silber beschlagen und die Klingen damascirt sind. (No. 2.)

Zwey Fläschchen von Bernstein. (No. 6. 8.)

Eine längliche ovale Dose von undurchsichtigen Bernstein (No. 5.)

Eine kleine runde Dose dergleichen, auf dessen Deckel Carolus XII. erhaben im Brustbilde befindlich. (No. 9.)

Dergl. kleinere nebst noch zwey kleinen, welches vermuthlich Balsambüchsen vorstellen sollen. (No. 4.) Dergl. sechs kleine Büchsen, die aus einander zu schrauben. (No. 17.)

Ein Tobackstopfer, als ein Fuß, von durchsichtigem Bernstein. Desgl. ein Mundstück zu einer

Tobackspfeife und ein ganz kleiner Tobackskopf mit Silber beschlagen, als eine Berlocke an die Uhr zu hängen. (No. 14.)

Ein Löffel von Bernstein (No. 11.)

Ein paar Messer- und Gabelhefte. (No. 12.)

Ein Stockknopf von undurchsichtigen und ein noch kleinerer von hellen Bernstein.(No. 13.) Ein Brennglas von sehr schönem Bernstein. (No. 10.)

Eine kleine Schale mit Gestelle (No. 7.)

Ein kleines todtenköpfgen, sauber nach der Natur gemacht, von weiß und gelbem Bernstein. (No. 15.) 50 Stück Bernsteinperlen, an einer Schnure um den Hals zu tragen.(No. 16.)

III. Ambra

Zu Lincks d.J. Lebzeiten war das Museum in einigen Zimmern seines Hauses untergebracht und zwar „theils aufgestellet, theils aufgehänget, theils in Schubladen befindlich, theils in Weingeiste aufbewahret“.393 Nach seinem Tode bemühte sich die

393 Linck 1783, Vorwort.

Witwe erfolglos, das weithin bekannte Kabinett zu verkaufen. 1827 fiel es an den Apotheker Rohde. Im Jahre 1840 kaufte Fürst Otto Viktor von Schönburg-Waldenburg die schon um die Bibliothek und die Amphibienpräparate reduzierte Sammlung für das fürstliche Naturalienkabinett in Waldenburg an und gliederte den Bestand darin ein.

1933/34 hatte man sich des historischen Wertes und der Einmaligkeit der linckischen Sammlung besonnen. Ihre einstige Aufstellung konnte anhand des „Index“ rekonstruiert werden.394 Den zweiten Weltkrieg bestand die Sammlung einschließlich der Bernsteinsuite unbeschadet.