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König Friedrich Wilhelm I. von Preußen, der Soldatenkönig

5 Geschenke aus Bernstein

5.6 König Friedrich Wilhelm I. von Preußen, der Soldatenkönig

Friedrich Wilhelm I., der Soldatenkönig, begann unmittelbar nach dem Tod seines Vaters damit, das absolutistische Regime auf neue Grundlagen zu stellen und auszubauen. Es galt, den am falschen Ort, im falschen Gebrauch befindlichen Reichtum umzugruppieren, durch äußerste Sparsamkeit zu vermehren und für den Notfall jederzeit verfügungsbereit zu halten.344 Die durch „Haben und Haben“ eingesparten Mittel verwandte Friedrich Wilhelm I. für die Verstärkung der Armee. Der Monarch soll selbst einmal gesagt haben: „Mein Vater fand Freude an prächtigen Gebäuden, großen Mengen an Juwelen, Silber, Gold und Möbeln und äußerlicher Magnifizenz – erlauben Sie, dass ich auch mein Vergnügen habe, das hauptsächlich in einer Menge guter Truppen besteht.“345 An eine Geldausgabe zur Verfertigung von Geschenken war zu Beginn der Regierungszeit Friedrich Wilhelms I. nicht zu denken. Er opferte seinen politischen Interessen das Prunkstück seines Vaters, das Bernsteinzimmer. Über die Umstände der Schenkung wird nachfolgend eingegangen. Erst in den 20er Jahren wurden Bernsteinkunstwerke, gedacht als Geschenke, angekauft und beauftragt.

Der preußische König benötigte die Hilfe Peters I., um die Truppen Karls XII. aus Vorpommern zu verdrängen. Dieser war zu dieser Zeit auf dem Weg nach Holland und Frankreich. Unterwegs machte er in Potsdam und Berlin Station. Friedrich Wilhelm I.

war dem Zaren das erste Mal 1711 in Berlin begegnet, als dieser versuchte seinen Vater, Friedrich I., für ein Bündnis gegen Karl XII. (reg. 1697-1718) von Schweden zu gewinnen. Dieses Ansinnen schlug fehl, da der preußische König neutral bleiben wollte.

Bei dieser Gelegenheit trug sich Peter I. in das Stammbuch ein, welches im

343 Freundlicher Hinweis von Frau Suvorova, Direktorin des Bernsteinmuseums in Kaliningrad.

344 Vgl. Oestereich, G.: Friedrich Wilhelm I., Göttingen, 1977, S. 51.

345 Friedrich Wilhelm I. zitiert nach: Mittenzwei, Ingrid /Herzfeld, Erika: Brandenburg-Preußen 1648-1789, Berlin, 1987, S. 199.

Tabakzimmer, einem Eckzimmer im dritten Stockwerk des königlichen Schlosses in Berlin aufbewahrt wurde. Dort hatte der Zar vermutlich die eingebaute Bernsteinvertäfelung zum ersten Male in ihrer Gesamtwirkung gesehen. Damals hatte er den Wunsch geäußert, sie zu besitzen. Als Peter I. im Sommer 1716 Berlin und Brandenburg besuchte, erfüllte Friedrich Wilhelm I. dessen Wunsch und schenkte ihm, um ihn für sein Unterfangen zu gewinnen, das Bernsteinkabinett mitsamt Mobiliar. Als Gegengeschenk erhielt der Soldatenkönig 55 „lange Kerls“ mit Gewehren aus Tula, eine in St. Petersburg gebaute Barke und die bereits erwähnte Drechselbank346 und einen von Peter I. eigenhändig gedrechselten Elfenbeinpokal.Im November wurde das Kabinett verpackt und sollte auf dem Wasserwege an Bord der Prunkjacht „Liburnica“, 1704 für Friedrich I. von dem Amsterdamer Schiffsbaumeister und Marinemaler Michiel Madderstegh erbaut, die in Havelberg vor Anker lag, nach Russland verschifft werden. Wegen des einsetzenden Winters konnte die Jacht erst im Frühjahr 1717 in See stechen.347

Woraus das Kabinett bestand, geht aus der von Johann Wilhelm Meermann und M.

Schwaan, wahrscheinlich die mit dem Transport des Bernsteinkabinetts beauftragten Inspektoren, am 13. Januar 1717 erstellten „Spezifikation“ hervor: „das Bernstein=Gemach so Se: Königl: Mayst: in Preußen, Unser Allerdgst: Herr, Se:

Czarische Mayst: praesentirt“ [...]

„Als

1) Zwei Große Wandstücken, worinnen zwei Spiegelrahmen mit Spiegeln.

2) Zwei dergleichen Stücke, bei welchen nur ein lediger Spiegel Rahm.

3) Vier dergleichen Wandstücke, ein wenig schmäler, ein jedes mit einem ausgeschweifften Spiegel 4) Zum Blaker.

5) Zwei Flügel etwas breit, und noch zwey etwas schmäler. Diese 12 Stücke sind alle eine Höhe.

6) Zehen aparte Paneel-Stücken, von egaler Höhe, aber differenter breite, alle complet besetzt.

7) Noch sind dabey gegeben folgende Stücke, so da können mit gebraucht werden, als: eine viereckt Brett ganz belegt, ein fertig Schildt mit einem palmiten Kopf, drei fertige palmiten Köpfe aus Holz, sieben kleine Köpfe. Vierzehn fertige Tulipanen, zwölff fertige Rosen. Drey Stücken mit Schnecken und Muscheln ausgemacht. Zwey fertige Gesimmse. Zwei klein Eckstücken. Ein klein länglicht Brett, mit zwei

Schrauben. Vier kleine aussgeschweifte Bretter, so nur hin und wieder belegt. Noch zu einem Flügel ausgeschweiffter klarer Bernstein so in hundert und sieben kleine Stücken bestehet.

346 Die Drechselbank wurde bis zu Ende des II. Weltkrieges im Berliner Hohenzollernmuseum aufbewahrt. Vgl. Seidel, Paul : Führer durch das Hohenzollern-Museum im Schlosse Monbijou, Berlin 1906.

347 Vgl. Köhne 1882, S.63 und S. 97-103.

Obige specificirte Bernstein Sachen, seynd in diesen achtzehn großen und kleinen Packen befindlich [...]“348

Anscheinend wurden die Kisten mit der Bernsteinvertäfelung in Hamburg auf ein anderes Schiff Richtung Memel (heute Kleipeda) verladen, da die „Liburnica“ repariert werden musste. Für den Weitertransport von Memel über Riga nach St. Petersburg befahl der Zar eine Bewachung durch einen Unteroffizier und Dragoner. Dort angekommen ließ Peter I. ein Gemach des ganz aus Holz erbauten Winterhauses Ecke Deutsche Straße/ Winterkanal mit den Bernsteinpaneelen ausschmücken. Nach Fertigstellung des Neuen Winterpalais wurde das Bernsteinkabinett dorthin übertragen.349

Am 2. September 1721 befahl Friedrich Wilhelm I. dem Geheimen Rat von Zangen kuriose Bernsteinsachen im Wert von 300 Talern als Geschenk für den Sultan in Konstantinopel zu kaufen.350 Es ist zu vermuten, dass der König Handelsbeziehungen zu den Türken knüpfen wollte und sich mittels der Bernsteingeschenke, die der König von den Königsberger Bernsteinarbeitern Wölzendorf und von Porschin sowie von der Witwe Greiser ankaufen ließ, der Gewogenheit des Sultans zu versichern suchte.

Darunter befanden sich Leuchter, Spiele, Tintenfässer, Kästchen, Sanduhren und einiges mehr. Die Bernsteinsachen waren in einem Kasten, der mit den Initialen Friedrich Wilhelms I. „FWR“ gekennzeichnet war, am 11. Oktober 1721 aus Königsberg in Berlin eingetroffen.351 Ob diese Sachen dann wirklich nach Konstantinopel weitergeleitet wurden, ist nicht bekannt.

Das Verhältnis zwischen Sachsen und Preußen war aufgrund des eskalierenden Zoll- und Handelskrieges um Wolle und Tuchwaren sehr gespannt. Durch gegenseitige Staatsvisiten versuchte man die Streitigkeiten zu bereinigen. Im Februar 1728 reiste der preußische König mit seinem Sohn Friedrich nach Dresden, um an den Karnevalsveranstaltungen am Hofe Augusts teilzunehmen. Bei dieser Gelegenheit wurden den Preußen auch die kostbaren Raritäten aus den Kunst- und Naturaliensammlungen vorgeführt. So heißt es in einem Bericht über den Besuch des

348 Ebd., S. 100.

349 Vgl. ebd. S. 102 f.

350 Vgl. GStAPK, II. HA, Abt. 7 Generaldirektion Ostpreußen, II Materien, 682, Bl. 13.

351 Vgl. ebd., Bl. 21.

Preußenkönigs: „Den 20. Jan. haben Ihro Königl. Maj. In Preußen vormittags in dem sogenannten Collection-Hause auf dem Jüden-Hof, die allda befindlichen Müntz-Mineralien-Conchillien-Etampes-Muschel- und Berg-Cabineter imgleichen die Königl.

Bibliothek und Anatomie-Cammer in allerhöchsten Augenschein zu nehmen allergnädigst Gefallen gehabt [...]“352

Abb. 60:

Kabinettschrank, 1728, Königsberg, Holz, Bernstein verschiedener Varietäten, Elfenbein, Metallfolie, Silber, geschwärzt, Spiegelglas, Höhe: 212 cm, Breite: 107 cm, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Grünes Gewölbe, Inv.-Nr. III 88.

Im Mai 1728 erfolgte dann der Gegenbesuch August des Starken (reg. 1694-1733). Bei seinem Aufenthalt in Potsdam schenkte Friedrich Wilhelm I. August einen Hirschfänger und zwei Brettspiele. Als Besiegelung der Freundschaft353 und um des Sachsen zu beeindrucken, erhielt dieser bei seinem Aufenthalt in Berlin ein sehr kostbares Geschenk: einen Kabinettschrank aus Bernstein (Abb. 60) mit zahlreichen geologischen Kostbarkeiten, einem Schachbrett (Abb. 61, oben links) und mehreren Bernsteinaccessoires, darunter Büchsen, Tabaksdosen (Abb. 61, oben rechts und unten links) und verschiedene Spielmarken oder Jetons. Dieser Kabinettschrank, der die

352 Bericht über den Besuch von König Friedrich Wilhelm I. am königlich polnischen Hofe zu Dresden, Mitte Januar-Mitte Februar 1728, in: GStAPK, I HA, Rep. 46, C2, Blatt 45.

353 Am 10./17. Januar 1728 war zwischen Preußen und Sachsen ein Freundschaftsvertrag abgeschlossen worden. Am 6. Juni 1728 folgte ein Kommerzientraktat. Vgl. Loewe, V.: Preußens Staatsverträge aus der Regierungszeit Friedrich Wilhelms I., Leipzig 1913, Verträge mit Sachsen.

Bernsteinsammlung des sächsischen Monarchen krönen sollte und noch heute zu den Glanzstücken des Grünen Gewöbes gehört, hatte Friedrich Wilhelm I. extra von Königsberger Bernsteindrehern nach seinen Angaben anfertigen lassen.

Abb. 61:

Oben links: Schachspiel, Bernstein verschiedener Varietäten, Goldfolien, Holz, Elfenbein, 24,2 x 24 cm , 1. Viertel des 18. Jahrhunderts oder um 1725-1728. Oben rechts und unten links: Diverse Dosen, Bernstein verschiedener Varietäten. Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Grünes Gewölbe, unter der Inv.-Nr. III, 88 (Inhalt des Kabinettschranks).

Die Türinnenseiten des Kabinettschrankes und das Innere der Schubladen sollte mit Spiegelglas verkleidet werden. In Königsberg war es nicht möglich Spiegelglas zu bekommen, da dort keine Manufaktur existierte. Aus diesem Grunde bat Lesgewang, der in Königsberg mit der Überwachung der Arbeiten an dem Kabinett betraut worden war, den Geheimen Rat Bruders in Berlin, die Spiegel nach beigefügten Maßen bis zum 20. Mai 1728, dem vom König gewünschten Termin, herstellen zu lassen. Für eine Einpassprobe der Spiegelgläser sollte sich Bruders, die dem König zur Ansicht gesandte Schublade erbitten. Für das Einpassen hatte ihm Lesgewang genaue Anweisungen gegeben.354 Am 26. April informierte er seinen Auftraggeber darüber, dass Graf von Schlieben beauftragt worden war, die Spiegelgläser nach den vorgegebenen Maßen anfertigen zu lassen. Der König wies Lesgewang an, die Arbeit der Königsberger Bernsteindreher voranzutreiben und falls nötig, Bernsteindreher aus Stolp

354 Vgl. Schreiben über die Einrichtung der Räume im Berliner Schloss zum Besuch August des Starken, 1728, in: GStAPK, I HA, Rep. 36, Nr. 2950/1, Bl. 27.

hinzuzuziehen. Der Kabinettschrank hatte auf jeden Fall bis zum 20. Mai, dem Tag an dem August der Starke eintreffen sollte, in Berlin zu sein.355 Nachdem der Kabinettschrank von den Bernsteindrehern Carl. E. Cramer und Erdtmann Sönnke356 termingerecht in Berlin abgeliefert worden war, gab Friedrich Wilhelm I. seinem Kammerdiener Eversmann den Befehl, den Schrank in den Räumen August des Starken aufstellen zu lassen und die Schubfächer mit extra zusammengesuchten Bernsteinkleinodien zu füllen.357 Den Auftrag, den Schrank nach Dresden zu schaffen, bekam der sächsische Hofjuwelier Johann Heinrich Köhler (1669-1736). Hier angelangt, fand der Kabinettschrank seine erste Aufstellung im Bernsteinzimmer des Naturalienkabinetts, das man gerade 1728 im Zwinger eingerichtet hatte.358