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6 Gelehrten Kammern

6.1 Johannes Kentmann, Arzt in Torgau

Im Jahre 1565 war in Zürich die Naturgeschichte über das Reich der Fossilien mit dem Titel „De omni rerum fossilium genere gemmis, lapidibus, metallis“ des deutschen Naturgelehrten Conrad Gesner erschienen. Großes Aufsehen unter Gelehrten in Deutschland und darüber hinaus in Europa erregte der darin enthaltene Katalog

„Nomenclaturae Rerum fossilium, que in Misnia praecpue, & in alijs quoque regionibus inveniunter“ zur Mineraliensammlung des Arztes Johannes Kentmann. Dieser Katalog war überaus fortschrittlich, denn die darin aufgeführten Minerale waren nach dem 1546 von Agricola veröffentlichten System der Minerale „De natura fossilium libri X“

geordnet. Kentmann hatte somit als Erster dieses theoretische System in die Praxis umgesetzt.

Nomenklatur Kentmanns: 368

CATALOGVS RERVM fossilium Io. Kentmani.Numerus folij puncto praeeunte, faciem priorem indicate: sequente, posteriorem.

Titul. I Terrae: Argillae (weißer Ton oder Töpfererde) Margae (wahrscheinlich margerer Ton) Medullae (wahrscheinlich halbfetter Ton) Boli

Cretae (Kreide oder kretische Erde) Rubricae (Rote Erde oder Rötel) Ochrae (Ockerfarbene Erde) Vasa è terris (Tongeschirr)

Titul. II Succi natui: Sal (Salz)

Sales factity

Nitrum

Alumen (Alaun)

Atramentum (Vitriol)

Melanteria Sory Chalsitis Misy

368 Abdruck nach Kentmann 1565.

Chrysocollae

Efflorescentes seu extracti, (pyrite, que ex eis sunt)

Titul. III. Succi pingues

Bitumen (Erdpech oder Asphalt) Succina liquida seu pellucida Gravida

Crassa no pellucida

Mixta cum aliis succis folse

Titul. IIII Lapides Succum attriti emittentes

Gypsum Titul. V. Lapides ab animantibus appellatis item gravida, et cotes

Ab Avibus (von Vögeln)

Aquatilibus (von im Wasser lebenden Tieren) Animalibus aliis (von verschiedenen Tieren) Gravidi, et Belemnitae, etc.

E ligno corporati

Candida

Tincta ab exhalationibus

Gravida

Rubri coloris pellucidum

Rubri coloris non pellucidum

Flavi coloris

Coerulei coloris

Titul. XV. Argentum vivum Titul. XVI. Aes sev cuprum

Nativum cum aliis metallis mixtum Aerarii lapides effigiati à natura Aerarii lapides effigiati à natura picti Titul. XVII. Pompholt

Titul. XXII. Molybdaena

Cinerei coloris, è quibus ignis elicitur E quibus non elicitur

Titul. XXIX. Stomoma seu acies Titul. XXX. Alcyonia et concha etc.

Gesner hatte nicht versäumt, das Konterfei und Wappen des von ihm so hochgeschätzten Mediziners stechen zu lassen (Abb. 63, links). Der Torgauer ist bis zur Brust abgebildet. Die Umschrift „IOAN KENTMANN DOCTOR.M“ weist auf den Abgebildeten. Das Ganze ist in ein pompös von einer Kartusche gerahmtes Medaillon eingebettet. Kentmann blickt nach rechts. Er hat eine gerade Nase. Sein Kinn wird von dem üppigen Bart verdeckt. Auf dem Haupt trägt er eine Kappe und um die Schultern einen pelzverbrämten Umhang aus schwerem Stoff. Auf dem Wappenschild ist ein Minotaurus zu sehen, der gerade seinen Bogen zum Abschuss eines Pfeils spannt. Das Wappenschild rahmen üppige Akanthusblätter. Das Schild ist mit dem Helm einer Rüstung gekrönt. Dessen Visier ist geschlossen. Auf dem Helm balanciert eine Krone.

Aus deren Zacken, die an Krabben gotischer Turmhelme denken lassen, lehnt noch ein Bogenschütze. Auch er ist in dem Moment festgehalten, in dem er seinen Bogen zum Schuss bereit gespannt hält. Unterschrieben ist das Wappenschild mit der Devise:

„Phillyridae, laudes – sine fraude fidem“.

Abb. 63: Links: Konterfei und Wappen Kentmanns, Rechts: Sammlungsschrank von Kentmann. Aus:

Gesner, Conrad : De Omni Rervm Fossilivm Genere, Gemmis, Lapidibvs, Metallis, Et Hvivsmodi, Libri Aliquot, Plerique Nvnc, Primvm Editi, Tiguri: Gesnerus, 1565, S. 7 und 22r. Staatsbibliothek zu Berlin, Mq 211.

Kentmann stammte ursprünglich aus Dresden. Um 1562 hatte er sich in Torgau als Stadtmedikus niedergelassen. Während seiner Dresdener Jahre hatte er die Fische in sächsischen Gewässern, vor allem der Elbe erforscht. Seine Forschungsergebnisse hatte er dem weit über die deutschen Grenzen hinaus bekannten Naturforscher Conrad Gesner zukommen lassen. Wahrscheinlich hatte er schon in Dresden begonnen, allerhand einheimische Gesteine, Metalle und Erze zusammenzutragen, wozu, für uns heute unverständlich, auch Gallen- und Nierensteine gehörten. Diese, im Menschen gewachsenen Steine, hatten Kentmanns berufliches Interesse geweckt. Ergebnis ihrer Erforschung war eine Abhandlung über die Steinleiden des Menschen (1565). Zu den besonders raren Stücken seiner Sammlung gehörten einige Bernsteine. Es ist durchaus möglich, dass er sie durch die Vermittlung Gesners von Aurifaber als neues Heilmittel erhalten hatte. Insgesamt besaß er über 40 verschiedene Bernsteinstücke verschiedener Farbvarietäten, darunter einige mit Insekteneinschlüssen. Stolz war er auf ein Stück, in

welchem ein ganzer Mückenschwarm eingeschlossen war. Bis dahin konnte sich Aurifaber sicherlich als Einziger mit solch einem Schatz brüsten. Die Bernsteine hatte Kentmann, so weit es ging, nach ihrer Reinheit und Transluzidität in drei Gruppen sortiert. Die restlichen Steine sind in einer vierten Gruppe vereinigt. Zusammen mit Erdpech369, Kampfer370, Mumia371, indianischem Bergwachs und verschiedenen Exemplaren von Steinkohlen sind die Bernsteine unter der Überschrift „Succi Pingues“

(fette Gemenge, auch ölige Erdsäfte genannt) zusammengefasst. Jedes Stück seiner Sammlung hatte er erfasst und mit einer Kurzbeschreibung auf Latein und deutsch versehen.

Bernsteine in Kentmanns Sammlung: 372

Succina liquida, seu pellucida

1. Succinum falernum. Weinklarer ackstein/ oder bornstein.

2. Falernum in candido, vitro viridi simile. Ackstein einem waldtglaß gleich.

3. In candido prasinum. Ein grünlicher bornstein.

4. In candido citrinum. Ein lichtgelber ackstein.

5. In flauo dilutum. Bleichgelber ackstein.

6. Fuluum. Gelbackstein.

7. Topazio simile. Goldgelber ackstein.

8. In rubro fuluum. Rothgelber ackstein.

9. Hyacintho simile. Ein hoch rotgelber bornstein.

10.Crocei Coloris. Saffran roth.

11.Chrysolitho simile. Feürotfarbner.

12.Rubrum vt Carneoli. Carniol roth.

13.Carbunculo simile. Granat farbner.

Succina gravida

1. Succinú fului coloris, in quo papilio candidus. Ein lauter rothgelber bornstein / darinn ein weißer Molckendib oder fletterling.

2.Eiusdem coloris, in quo Tipula. Darinn ein wasserfliege.

3. Eiusdem coloris, in quo muscae. Darinn fliegen.

4. Eiusdem coloris, in quo culices. Darinn schnaacken oder mucken.

5. Eiusdem coloris, in quo formica. Darinn ein omeiß.

6. Eiusdem coloris, in quo totum quasi examen culicum, quod habuit Andr. Aurifaber.

369 Deutsch für Bitumen.

370 Weiße, körnige, kristalline Masse von stechendem Geruch und brennend scharfem Geschmack mit kühlender Nachwirkung. Er wird aus dem Holz des in Ostasien heimischen Lorbeergewächses Kampferbaum durch Destillation der Holzspäne mit Wasserdampf gewonnen.

371 Mittel, welches die Mauren (Kentmann 1727) und Ägypter (Worm1655) zur Konservierung ihrer Leichen nutzten.

372 Auszug aus Kentmanns Auflistung seines Bestandes, in: Kentmann 1565, S. 22 v.-24v.

Darinn ein schwarm mucken.

7. Mellei coloris, in quo cétipeda. Darinn ein ossel/ özle oder ohrwurm.

Succina crassa no pellucida

1. Succinum Prussicum candidissimum, &maximè preciosum, no pellucidum. Der allerweißste on beste ackstein oder bornstein.

2. Candidum. Weißer.

3. Subalbidum. Tunckel weißer.

4. In candido flauum. Gelblichter.

5. Flauum non pellucens. Bleichgelber.

6. Luteum. Gelber.

7. Cerei coloris. Wachsgelber.

8. Luteú cum candidis lineis. Gelber mit weißen strichen.

9. Mellei coloris. Honigfarber.

10.Decocto mellis simile. Tunckel honigfarber.

11.Fuluum. Rothgelber.

Succina mixta cum aliis succis folse

1. Succinum mellei coloris, cui annata melanteria, quod indies adhuc crelcit. Honigfarber mit schwartz acrament.

2. Mellei coloris, cui annata ligna & lignorum cortices.

3. Candidum, mellei coloris, & cine reum mixtum.

4. Multis coloribus mixtum. Ein new arth von bornstein.

5. Adulterinum e Marchia Brandenburgica, quod è resina coaluit, quod agyrtae pro myrrha vendunt: id colore à vero nihil differt, & accensum habet odorem succini: quod in formica rú tumulis prope arbores inuenitur. (Gefälschter Bernstein)

6. Falernum Orientale à Prussis vocatur, quod accensum nó habet odorem succini, sed dulcem &

aromaticum, &mastiches similem. Ein Orientischer wasserklarer ackstein.

7. Oleum succini est efficax remedium in epilepsia. Acksteinöl.

8. Recrementum succini.

9. Sal succini.

10. Ambra natiua facticia.

Ein weiterer Holzschnitt zeigt das Behältnis, in dem Kentmann die Bernsteine, gemeinsam mit den anderen Stücken seiner Sammlung aufbewahrte (Abb. 63, rechts).

Es handelte sich um einen verschließbaren Kasten mit 13 Schubläden in Form eines Giebelschrankes. Die Schubläden tragen Nummern. Den Inhalt der Läden erschloss das entsprechend nummerierte Register. Demnach bewahrte Kentmann die Bernsteine in der zweiten Lade von oben mit der Nr. 3 auf.

Die Sammlung existiert nicht mehr.