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Methodologische Grundlagen

1)2034*)52./*0'0%S0+'0%3.'.3%/5%V*0.'M.%N'3.'@'0+')%I20+H,0<3H*</-'0%,0+%

sozialer Erfahrungen statt. Wenn Lehrpersonen und Fachpersonen für Sonder-pädagogik den Unterrichtsalltag gestalten und darin individualisierte Förder-arrangements etablieren, sind diese Prozesse letztlich durch unterschiedliche Sinnkonstruktionen und habitualisierte Praktiken konstituiert. Ein forschender :,<20<% 2,4% +/'3'% U)2M/3\% 4)2<.% +202?@\%wie die relevanten Akteurinnen und Akteure vor Ort den Wandlungsprozess innerhalb der neuen organisatorischen Rahmenbedingungen angehen. Es entstehen Erkenntnisse darüber, wie sich die konkrete I20+H,0<3()2M/3%/5%LHH.2< derjenigen gestaltet, mit denen letztlich die Reformen umgesetzt werden. Über den konkreten Fallbezug hinaus soll es gelingen, gemeinsame oder differente Muster zu erkennen und zu fragen,

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Die methodologischen Grundlagen des rekonstruktiven Verfahrens der Doku-mentarischen Interpretation, die auf den Wissenssoziologen Mannheim (1980) zurückgehen, stellen hierfür einen geeigneten Zugang dar.

3.1 Die Verwurzelung von Wissen und Handeln im Sozialen

Bei einer näheren Bestimmung seiner „Kultursoziologie“ nimmt Mannheim (1980) eine Abgrenzung zur Naturwissenschaft vor. Im Gegensatz zu einer na-turwissenschaftlichen Realität, gehen „geistige“ Realitäten mit dem zeitlichen Wandel einher:

Man kann, in dem man von einem dinghaften Naturgegenstand, etwa von einem Stein, spricht, behaupten, dass er vor fünfhundert oder tausend Jahren auch ein Stein war, d.h. dass die damaligen Steine in demselben Sinn Steine waren, wie die jetzigen es sind. Man kann aber von einer 3#%!+%3#)* Z#2.%+H+, die sich im Bewusstsein (und zwar im historisch-bedingten Bewusstsein der menschlichen Individuen und Gemeinschaft) konstituiert, nicht sagen, sie wäre immer und in einem entsprechenden Sinn so da gewesen wie wir derartige Erscheinung heute ')H'N'0%,0+%N'<)/4E/?@%')4233'0%WBBY%-,)3/6\%(;;c"%

Das Verhältnis zwischen Mensch und „Kultur“ wird bei Mannheim als sich wechselseitig konstituierend verstanden: Menschen schaffen „geistige Reali-täten“ und werden wiederum durch diese sozialisiert (vgl. ebd., 59). Hierdurch wird die grundsätzliche E#%)!:#06,)5#)(#%+*jeglichen Wissens betont.

Damit wird nicht von einem statischen Erkenntnis-Ich ausgegangen, 3*0+')0% 6*0% '/0'5\% 3/?@% /5% V*0.'M.% ;20+'H0+')% <'/3./<')% &'2H/.J.'0% '/0<'-bundenen, 5?)2@%!'(#)* AB#@#%)!'(21+!!,6\#9+C (ebd., 244). Die scheinbar

individuellen, als selbstverständlich betrachteten habitualisierten und inkorpo-rierten Handlungen eines Individuums werden somit stets als in gemeinsamen Erlebniszusammenhängen verankert verstanden, die durch die „Partizipation 2)*3#@#%)!2@#)*E'(%'9!2.#)C%W'N+"\%C#Y%#GPO\%BD!c%'0.3.'@'0%;/'%N'/3(/'H3-weise die Migrationserfahrungen junger Männer aus dem Kosovo, die sozialen Auswirkungen von Erdbebenkatastrophen wie in Haiti oder Chile, die Atom-krise in Japan oder wie der sich in den letzten Jahren abzeichnende Vertrauens-einbruch gegenüber den Finanzmärkten.

Mannheim (1980) veranschaulicht am Beispiel historischer Revolutions-reden, dass sich deren Sinngehalt – im Vergleich mit den damalig Versammel-ten – dem heutigen Lesenden kaum mehr erschliesst. Die Worte können beim ersten Lesen lediglich von ihrer Allgemeinbedeutung, nicht jedoch in ihrer Ver-wurzelung im damaligen gemeinsamen Erfahrungsraum erfasst werden (vgl.

219). Über eine ausschliesslich auf die expliziten Inhalte abzielende Analyse sind die auf den gemeinsamen Erfahrungshintergrund orientierten Werthaltun-gen der Revolutionäre nicht zugänglich. Der Sinn der Rede erschliesst sich der Interpretation nur, wenn sie in den damaligen Erfahrungszusammenhang

„rückverankert“ wird, aus dem sie ursprünglich entsprungen ist (vgl. ebd.).

Gemeinsame Erlebniszusammenhänge ergeben sich allerdings nicht le-diglich aufgrund der Zugehörigkeit zu einer historischen Lebensgemeinschaft (vgl. Mannheim, 1970, 542). Auch wenn für alle in einer gleichen historischen Zeit lebenden Menschen ein gewisses Potential besteht, an den sich konstitu-ierenden sozialen und geistigen Strömungen zu partizipieren, ist die Art der Teilhabe an diesen Strömungen zum Beispiel je nach Alter, Geschlecht, Mili-euzugehörigkeit oder ökonomischen Verhältnissen anders. So setzen sich die Menschen unterschiedlich mit den sozialen und geistigen Strömungen ausein-ander, was wiederum zu unterschiedlichen Ausdrucksformen führt (vgl. ebd., 543f.). Die im gleichen B#)#02+%-)#)$,!2@@#)(2)3 lebenden Menschen greifen die in der Zeit gelagerten sozialen Herausforderungen und geistigen Potenziale unterschiedlich auf, wodurch unterschiedliche, sich auch bekämp-fende Gruppierungen – Mannheim nennt sie AB#)#02+%-)!#%)(#%+#)C – gestif-tet werden (vgl. 544).

Mannheim verweist darauf, dass auch die kollektive Identität einer Be-0,1!30,""# in unmittelbarer Relation zum kulturellen Wandel steht. Am Beispiel eines Unternehmensleiters erläutert er, wie sich dessen 6#0,S%'(#*

U0%#)+%#0,)3#) aufgrund von Veränderungen seiner Wirkräume und Funktion im sich entwickelnden Wirtschaftssystem transformieren (vgl. 668ff.). In An-lehnung dazu erleben die pädagogischen und heilpädagogischen Berufsgrup-pen im Rahmen der hier untersuchten Bildungsreform, eine Transformation /@)')%20<'3.255.'0%N'),E/?@'0%g/)-,0<34'H+')%,0+%X,0-./*0'0"%7*%6')J0+').%

3/?@%N'/3(/'H3;'/3'%+23%N'),E/?@'%>54'H+%7?@,H/3?@')%I'/H(J+2<*</00'0%,0+%

Heilpädagogen dahingehend, dass sie ihre Arbeit statt bisher mit ihrer eigenen in unterschiedlichen Klassen durchführen und dabei stets mit verschiedenen Klassenlehrpersonen kooperieren sollten. Ebenso sind die beiden

Berufs-gruppen der Kindergärtnerinnen und der Primarlehrerinnen im Schulversuch angehalten, ihre bisher voneinander getrennten Bildungskulturen im Rahmen ihrer Zusammenarbeit zusammen zu bringen. Während solcher Transformati-onsprozesse ist davon auszugehen, dass die verschiedenen Berufsgruppen ihre Herausforderungen innerhalb der neuen Arbeitsbedingungen mitunter auch 6*)%+'5%I/0.')<),0+%+')%N/3@')/<'0%N'),E/?@'0%7*=/2H/32./*0%,0+%/@)'5%N'-),E/?@'0% 7'HN3.6')3.J0+0/3% 2,4<)'/4'0"% [')0'0% S0+'.% /03*4')0% 3.'.3% 6*)% +'5%

Hintergrund bisheriger Erfahrungen statt. Daraus wiederum entwickelt sich 2HH5J@H/?@%'/0'%)*,./0/').'%N'),E/?@'%LHH.2<3()2M/3"%

3.2 Die Doppelstruktur von Wissen und Verständigung

Für das wissenssoziologische Interpretationsverfahren der Dokumentarischen Methode, welches Bohnsack (2008) in Anlehnung an Mannheim für die rekon-struktive Sozialforschung weiterentwickelt hat, ist die Unterscheidung zweier grundlegender Formen der Verständigung von Bedeutung:

_% %R/0'% `')3.J0+/<,0<% TN')% +/'% U)2M/3\% ;'00% '/0'% 6')5/..'H0+'% <'<'03'/./<'%

Interpretation erforderlich ist: 8-@@,)%92+%:#*D#0!+H)5%3,)37*

_% Eine Verständigung aus%+')%<'5'/0325'0%U)2M/3%@')2,3\%+/'%2,4%'/0%3'HN3.-verständliches D#0!+#(#) baut: 8-)\,)9+%:#*D#0!+H)5%3,)37

3.2.1 Kommunikative Verständigung

Die eine Form der Verständigung ist immer dann notwendig, wenn das gegen-seitige Verstehen aufgrund fehlender gemeinsamer Erfahrungen nicht gegeben ist und eine wechselseitige Interpretation notwendig macht. In Distanznahme

=,)%'/<'0'0%U)2M/3%;/)+%TN')%+/'3'%N')/?@.'."%R3%@20+'H.%3/?@%+2N'/%,5%5#&)%-+-0%!'(#[* 3#)#02.%!%#0+#* J%!!#)!6#!+H)5#% W6<H"% A*@032?-% !OO#2\% $$OY% A*@0-32?-ha'3'5200he*@H% !OO#\% ##c\% +/'% +'0%L-.',)/00'0% ,0+%L-.',)'0% )'E'M/6%

zugänglich sind. Es wird dargestellt, übersetzt, argumentiert, theoretisiert und bewertet. Mannheim (1980) erwähnt überdies die standardisierte Schriftspra-che als Medium einer generalisierten Verständigung zwisSchriftspra-chen verschiedenen Dialekten (289) oder die Verständigung zwischen Erwachsenen mit Kindern (287). In Interviewsituationen stellen sich beispielsweise solche kommunikati-ven Verständigungsformen dann ein, wenn die Beforschten in der Gruppendis-kussion die interviewende Person adressieren und dieser etwas erläutern und erklären, von dem sie ausgehen, dass deren Nachvollzug im Gespräch nicht selbstverständlich möglich ist.

Verständigung funktioniert hier über die M#'(!#.!#%+%3#*O)+#0"0#+2+%-) in-+'M/-2H')%<'0')2H/3/').')%A'<)/44'%W6<H"%A*@032?-%!OO#2\%$$$c\%+/'%/5%`')H2,4%

der Sozialisation in Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Institutionen im Sinne eines verfügbaren Repertoires entwickelt wurden und insofern eine allgemeine Gültigkeit haben.

3.2.2 Konjunktive Verständigung

Der kommunikativ-vermittelnden Verständigung stellt Mannheim (1980) eine zweite grundlegend differente Form der Verständigung gegenüber. Zur Er-läuterung derselben sollen in der Folge Mannheims erkenntnistheoretischen Überlegungen dargelegt werden. Das menschliche Erkennen ist demnach durch drei grundlegende Prinzipien strukturiert. Erstens können Menschen 2HH'3%2,33')@2HN%/@)')%'/<'0'0%RM/3.'0=%H/'<'0+'%0,)%"#0!"#9+%:%!'( aufgrund ihres jeweiligen Standpunktes oder ihrer bisherigen Erfahrungen erfassen (vgl.

212). Zweitens ist E#.6!+#09#))+)%!%0,)%TN')%+/'%'M/3.'0=/'HH'%A'=/'@,0<%=,%20-deren möglich. Im sozialen Austausch mit anE#.6!+#09#))+)%!%0,)%TN')%+/'%'M/3.'0=/'HH'%A'=/'@,0<%=,%20-deren werden eigene Annahmen und Erkenntnisse ausgetauscht, geprüft oder verworfen und Gemeinsamkeiten erkannt (vgl. 213). Der sich derart entwickelnde gemeinsame (konjunktive) Erfahrungsraum dient wiederum als eine Art Perspektive auf weitere Dinge und Themen (vgl. 214). Insofern stellt der konjunktive Erfahrungsraum für diejenigen, die an ihm teilhaben, den Hintergrund dar, vor dem Informatio-nen und alltägliche Herausforderungen bearbeitet werden und woraus sich zu-gleich Betrachtungsweisen und gemeinsame Orientierungen entwickeln.

Die Verständigung funktioniert hier über !#.6!+:#0!+H)5.%'(#!*D#0!+#(#).

Die Akteurinnen und Akteure der gemeinsamen Erfahrungsgemeinschaft ver-stehen sich ohne weitere Erklärungen und wechselseitige Interpretation. So entwickeln sie beispielsweise eigenständige nur ihnen bekannte Begriffe (vgl.

218) oder metaphorische Wendungen. Die Gruppe kann über eine Erzählung, Beschreibung oder einen Begriff lachen und sich amüsieren, was einer aus-senstehenden Person nicht nachvollziehbar scheint. Der Gültigkeitsbereich solcher Verständigung ist auf die „Eingeweihten“ beschränkt (vgl. 213). Über '/0'%-*0./0,/')H/?@'%<'5'/0325'%I20+H,0<3()2M/3%'0.;/?-'H0%a),(('0%/03*-fern eine (26%+,#..#*_6#0#%)!+%@@,)322, als sie Begebenheiten, Informationen und Situationen stets in Orientierung auf die gemeinsame Geschichte aufgrei-fen, verorten und bearbeiten. Nebst einer selbstverständlichen sprachlichen Verständigung entwickelt die Gruppe im Hinblick auf die eigene Handlungs-()2M/3% /@0'0% 3'HN3.6')3.J0+H/?@% ')3?@'/0'0+'* 0%+,2.%!%#0+#* `2)5.,)3!"02=#).

a')2+'%2,4<),0+%+'3%@2N/.,2H/3/').'0%j@2)2-.')3%/3.%+/'%3()2?@H/?@'%RM(H/-2Q tion derselben für die Beteiligten kaum möglich. Zur Veranschaulichung solch

@2N/.,2H/3/').')% N'<)/4E/?@% -2,5% =,% 'M(H/=/')'0+'0% I20+H,0<3()2M'0% 4T@).%

22 Bohnsack (2008) versteht Habitusformen durch die Seinsverbundenheit von Wissen konstitu-iert und grenzt sich insofern von Bourdieus Habituskonzept ab, das massgeblich mit „Kapital--*0S<,)2./*0'0i%W9Cc%')-HJ).%;/)+"

Mannheim den Handlungsvollzug des Bindens eines Knotens an (vgl. 73).

g*HH.'%520%+/'3'0%@2N/.,2H/3/').'0%`*)<20<%N'<)/4E/?@Q.@'*)'./3?@%'M(H/=/')'0\%

müsste man dafür eine akribische Darstellung der aufeinander aufbauenden Handlungsschritte vornehmen. Über die Imitation eines solchen Vorgangs hin-gegen oder durch das Befolgen eines zeitlich verzögerten Handlungsvollzugs lässt sich das Knoten-Binden als Abfolge von Fingerfertigkeit #0.#6)%!@H!!%3*

)2'(:-..$%#(#) und dadurch A:#0!+#(#)C, sodass sie im Alltag in routinierte selbstverständliche Handlungen übergehen. Das Knotenbinden, Begrüssungs- und Verabschiedungsrituale oder die Gestaltung von Übergängen in Schulen (vgl. Wagner-Willi 2005) stehen als Beispiele für im Rahmen gemeinsamer R)H'N0/3=,3255'0@J0<'% '0.;/?-'H.'% I20+H,0<3()2M'0"% m200@'/5% N'='/?@-nete dieses %)9-0"-0%#0+#* `2)5.,)3!M%!!#) als 2+(#-0#+%!'(, gerade weil es +'0%L-.',)/00'0%,0+%L-.',)'0%3'HN3.%0/?@.%)'E'M/6%=,<J0<H/?@%/3.%W6<H"%A*@0-sack/Gesemann/Nohl, 2001, 11). Diesem „stillschweigenden“ Wissen oder A%@".%$%+#)C*J%!!#) (Polany 1985, 14, zit. in Bohnsack 2008, 191) darüber,

;/'%'.;23%<'52?@.%;/)+\%5,33%<')2+'%4T)%+/'%N'),E/?@'%7*=/2H/32./*0%,0+%/@)'%

Wissenstradition eine massgebende Rolle zugedacht werden.

3.3 Kollektive Orientierungen in Gruppendiskussionen

Bei Interviewgesprächen, in denen mehrere Personen beteiligt sind, stellt sich die Frage, wie das Zusammenspiel zwischen /%)$#.@#%),)3#)*,)5*9-..#9+%:#)*

U0%#)+%#0,)3#) theoretisch-methodisch zu fassen ist. Bohnsack (2008) ver-weist in diesem Zusammenhang auf eine diesbezügliche Auseinandersetzung in der empirischen Sozialforschung, wovon in der Folge einige zentrale As-pekte aufgegriffen werden. Mit Verweis auf Pollock, der sich gegen eine De--*0.'M.,2H/3/'),0<%6*0%R/0='H2,332<'0%2,3%a),(('0<'3()J?@'0%+')%+252H/<'0%

Forschungstradition wendete, bilanziert Bohnsack, dass sich die Einzeläusse-rungen in Gruppengesprächen erst „in Kenntnis der Dramaturgie und Organi-sation des Gesamtdiskurses adäquat interpretieren“ lassen (Bohnsack 2008, 106). Umgekehrt sind 9-..#9+%:#*U0%#)+%#0,)3#) auch nicht auf die Summe von Einzelmeinungen reduzierbar, sondern „lassen sich nur aus der Totalität der verbalen wie nicht-verbalen Stellungnahmen herauskristallisieren“ (Mangold, 1960, 49, zit. in Bohnsack 2008, 107). Dieser Befund geht auf Mangolds kri-tische Analysen bereits durchgeführter Auswertungsverfahren zu Gruppendis-kussionen des Frankfurter Instituts für Sozialforschung zurück. Er zog daraus den Schluss, dass sich zwar die Gruppendiskussion zur Erforschung von Ein-zelmeinungen nicht eigne, sich darin aber durchaus 9-..#9+%:#*N6#0*5%#*#11#9+%-:#*B0,""#)@%+3.%#5#0%@/02,3<'@'0+'%p)/'0./'),0<'0%S0+'0%W6<H"%'N+"\%#O94c"%

Dem Einwand von Volmerg (1977), wonach sich Gruppen ihre vermeintliche

„Meinungen“ erst MH(0#)5 des Gesprächs #)+M%'9#.+#) oder das Gespräch

mit Auffassungen verlassen, worüber sie vorgängig nicht verfügten (zit. in Bohnsack 2008, 110) hält Bohnsack entgegen, dass sich Sozialität immer über kommunikative Diskursprozesse konstituiere (vgl. 111). Insofern lässt sich die Kommunikationssituation einer Gruppendiskussion tatsächlich nicht zwei-mal gleich reproduzieren. Es wäre jedoch falsch – so Bohnsack – daraus den Schluss zu ziehen, dass (%)+#0 dieser situativ und kommunikativ hergestellten Wirklichkeit keine Strukturen zu erkennen wären. Auf der Grundlage der me-thodologischen Leitdifferenz Mannheims zwischen kommunikativer und kon-junktiver Verständigung (vgl. Kap. 3.2.1 und 3.2.2) lässt sich folgern, dass die konjunktiven Erfahrungen nicht erst im Diskurs (#03#!+#..+, sondern innerhalb desselben A29+,2.%!%#0+C resp. aus Beschreibungen und Erzählungen rekonst-ruiert werden können (ebd., 63, 111). Damit verdeutlicht sich auch, dass sich konjunktive Orientierungen oder gemeinsames Handlungswissen auch an un-terschiedlichen Stellen des Gesprächs rekonstruieren lassen, was das sequenz-analytische Vorgehen begründet (vgl. Kap. 4.3.1). Bohnsack folgert aus dieser methodologischen Auseinandersetzung, dass ein rekonstruktives Interpretati-onsverfahren sowohl dem ;0-$#!!'(2029+#0 des situativen Gesprächsverlaufs als auch der Analyse des sich darin aktualisierenden 9-)\,)9+%:#*`2)5.,)3!-wissens Rechnung tragen sollte (vgl. ebd., 110).

Was sich an konjunktiven Erfahrung in der Gruppendiskussion rekonstru-ieren lässt, ist jedoch nicht auf den !%+,2+%-)!<*,)5*%)+#029+%-)!3#6,)5#)#)*Er-fahrungsraum der interviewten Gruppe beschränkt. Vielmehr aktualisieren die an der Gruppendiskussion Beteiligten im Rahmen des kommunikativen Set-tings auch 30,""#)N6#030#%1#)5# 9-..#9+%:* 3#+#%.+#*Erlebniszusammenhänge, die Bohnsack auch mit dem Begriff des ]%.%#,! gleichsetzt (vgl. ebd., 107ff.).

So konnte beispielsweise auch in der vorliegenden Studie festgestellt werden, dass bei einer zweiten Durchführung der Gruppendiskussion nach zwei oder drei Jahren selbst bei personellem Wechsel im Klassenteam, sich zwar situ-2+%-)!!"#$%&!'(#%m*+/S-2./*0'0%/0%+'0%A')/?@.'0%TN')%+/'%I20+H,0<3()2M/3%

abzeichneten, die rekonstruierten kollektiven Handlungsorientierungen jedoch über diesen Zeitraum stabil blieben.