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Logopädie: Domänenübergänge gestalten

5 Empirischer Teil I: Individualisierte Förderung etablieren

5.3 Domänen verbinden (Basistypus II)

5.3.3 Logopädie: Domänenübergänge gestalten

Wie logopädische Domänen in separierender Weise etabliert werden können, so dass weitgehend autonome Handlungsspielräume aufrechterhalten und vom Unterrichtsgeschehen entkoppelt funktionieren, wurde bereits dargestellt (vgl.

Kap. 5.2.3). In der Folge sollen anhand von Beispielen aus C- und D-Dorf dazu kontrastierende Handlungsorientierungen vorgestellt werden. Sie zeich-nen sich dadurch aus, dass zwar ebenfalls abgrenzbare fachliche Domäzeich-nen er-kennbar sind, diese jedoch in Abstimmung mit konkreten Herausforderungen untereinander !%+,2+%:*:#09)N"1+ werden.

In D-Dorf arbeitet die Logopädin im gleichen Schulhaus auf einer Etage weiter oben. Sie hat dort ein kleines Zimmer, das auch Orlando, ein Junge mit massiven Artikulationsschwierigkeiten während dem Unterricht aufsucht. Im Gesprächsverlauf erwähnt die Logopädin (S2) zwei verschiedene Hefte, die sie jeweils mit Orlando in ihrer Logopädie-Lektion führt. Eines der beiden Hefte ist dabei jeweils für das weitere Üben zu Hause, das andere für die Schule vorgesehen. Gerade dieses zweite Heft erachtet die Logopädin als Möglichkeit („gutes Mittel“), therapeutische Anliegen auch im Unterricht weiter verfol-gen zu können. Die Lehrerin (L) berichtete aber von einer „Blockade“ bei Orlando, diese Übungen im Beisein seiner Schulkolleginnen und – kollegen zu repetieren und spricht dabei das E+%3@2+%!%#0,)3!"-+#)$%2. an, das mit solch

#=9.,!%:#)*Q9+%:%+H+#)*%@*>)+#00%'(+ verbunden sein könnte (vgl. Kap. 5.5.3):

D-Dorf; Orlando: Blockade

S2: I dengh das isch ä no e guets Mittel zom d Sahhe irgendwo driibringe

L: Das isch äfach immer no halt en rächti Blocka-de vom Orlando uus nomol wenn anBlocka-deri ume sind ond zuelose so Üebige z’mache woner bi dir gmacht hät. Aber inzwüsche chunnt er S2: !jo

L: wenigschtens abe ond verzellt was er gmacht hät, aso, mir wenigschtens oder vellecht ä dir, das weiss i nöd. Aber aso ich gläb vor den=andere Chind

das isch immer no [...] schwirig [...], hi ond da goots und meischtens macht er immer so S2: !jo

K: ( ) do die Gsichtli won er vo dir kännt ond bi eus eigetlich normal sind aso nüd Bsundrigs jezt eigetlich of d Logo hi do macht er super mit, aso dänn freuts=en, dass er das chan ond scho güebt hät.

(Orlando G I: 4.7; 1-21)

S2: Ich denke, das ist auch ein gutes Mittel, um die Sachen irgendwie einzubringen.

L: Das ist halt einfach immer noch eine richtige Blockade bei Orlando, nochmals, wenn andere da sind und zuhören, Übungen zu machen, die er bei dir gemacht hat. Aber inzwischen kommt er S2: !ja

L: wenigstens runter und erzählt, was er gemacht hat, also mir wenigstens, oder vielleicht auch dir, das weiss ich nicht. Aber also ich glaube vor den andern Kindern, das ist immer noch [...]

schwierig [...], hie und da geht es und meistens macht er immer so |

S2: !ja

K: ( ) da die Gesichtchen, die er von dir kennt und bei uns eigentlich normal sind, also nichts Besonderes eigentlich jetzt, auf die Logo hin, da macht er super mit, also dann freut es ihn, dass er das kann und schon geübt hat.

(Orlando G I: 4.7; 1-21)

Auch wenn sich eine Vermittlung nicht über das Logopädie-Heft realisieren liess, bearbeitet die Gruppe die Thematik der „Vermittlung“ zwischen Logopä-die und Klassenunterricht weiter. Die Lehrerin wertet es positiv, dass Orlando

– in Kontrast zu früheren Erfahrungen – vom Logopädie-Unterricht berich-tet. Auch die Kindergärtnerin (K) ergänzt die Thematik im gleichen Orientie-rungsrahmen, wenn sie die Wiedererkennungseffekte für Orlando thematisiert, die sich bei ihm durch die Verwendung der gleichen Lernkarten einstellen, bei denen „Gesichter“ zu erkennen sind. Es ist anzunehmen, dass es sich dabei um Lernkarten des Leseunterrichts handelt, auf denen die Mundstellungen bei der Artikulation zu sehen sind. Der Gebrauch dieser Karten wird im Klassenun-terricht als „normal“ betrachtet, womit sich für Orlando keine stigmatisierende Wirkung verbindet, im Gegenteil wird die D#0M#)5,)3*3.#%'(#0*5%529+%!'(#0*

]2+#0%2.%#) sowohl im Logopädie- als auch im Klassenunterricht als geeignete Möglichkeit für die Lernmotivation betrachtet.

Die Orientierung dieses Klassenteams zwischen den beiden pädagogi-schen Domänen eine Verbindung herzustellen geht über didaktische Materi-alien hinaus. Die als Einzelförderung vorgesehene logopädische Förderung wurde aufgrund einer Anregung von Orlando sozial erweitert. Anlass zu dieser Veränderung gab – laut Darstellung der Lehrerin (L) – ein (szenisches) Spiel, dessen Durchführung mit der Logopädin von Orlando als wenig spannend be-zeichnet wurde. In dieser Situation wurde einem weiteren Kind ermöglicht, Orlando im Logopädie-Unterricht zu begleiten. Daraus schien sich eine ritua-H/3/').'%U)2M/3%=,%'0.;/?-'H0"%

D-Dorf; Orlando: Logopädie zu zweit L: Ond dänn [...] isch gläb emol es Spiili de Alass

gsii [...] won er gläb gfonde hätt s’isch nöd spannend das z’ zwäite spile ond dänn isch ergendwie no öpper dezue K: !das Theater oder so

L: cho ond dänn isch es emol so hi und da gsi ond nochher isch’s fasch all Tag gsi dä hätt er fasch immer öpper mitgna

K: Si sind dänn ä Fan gsi oder si händ wöle mitgaa oder [...]

S2: Was döt ano wichtig isch [...] s’isch nid e Gruppeterapii gsi sondern s andere Kind hed vellecht au öppis gha aber in de Regel isch’s eigentlich keis Kind mit Sproochstörig gsi won i kei Uftrag han [...] als Logopädin gha, eifach als Partner oder als Üebig.

L: Jo ond das esch dänn [...] halt so d’ Verbindig gsi oder vom Einzelunterricht über de gschützti Raame z’ zwäite dänn dohii wie wänn dänn au öppis zrugg cho isch hätt jo s ander Chind immer g’hulfe will das isch jo debii gsi das hätt gwüsst was was gloffe isch

(Orlando G II: 2.7; 85-108)

L: Und dann [...] war, glaube ich, einmal ein Spiel der Anlass, bei [...] dem er, glaube ich, fand, es sei nicht spannend, das zu zweien zu spielen und dann ist irgendwie jemand dazugekommen und dann war es K: !das Theater oder so

L: einfach so hie und da mal und nachher war es fast alle Tage, da hat er fast immer jemanden mitgenommen.

K: Sie waren dann auch Fans, oder, sie wollten mitgehen, oder [...]

S2: Was dort auch noch wichtig ist, es war nicht eine Gruppentherapie, sondern das andere Kind hatte vielleicht auch etwas, aber in der Regel war es eigentlich kein Kind mit Sprachstörungen, ich hatte dort keinen Auftrag [...] als Logopädin, einfach als Partner oder als Übung(.)

L: Ja, und das war dann [...] halt so die Verbindung oder vom Einzelunterricht über den geschütz-ten Rahmen zu zweit dann dahin, wie wenn dann auch etwas zurück gekommen ist, hat ja das andere Kind immer geholfen, weil das war ja dabei, das wusste, was lief.

(Orlando G II: 2.7; 85-108)

In der Darstellung der Lehrerin wird deutlich, dass der Logopädie-Unterricht für die anderen Kinder attraktiv war: Sie wurden „Fans“ dieses Settings. Der

Logopädin ist in der Folge an der Differenzierung gelegen, dass sie dieses För-derarrangement nicht als „Gruppentherapie“ versteht: Selbst wenn die anderen Kinder ebenfalls zusätzliche Unterstützung benötigten („auch etwas hatten“) so lag diese nicht im Bereich der Sprachstörungen wie bei Orlando. Die Kinder werden als Kommunikationspartner und als Modelle bei den Sprachübungen verstanden. Ein weiterer Vorteil dieses sozialen Arrangements sieht das Klas-senteam bei der Rückkehr vom Logopädie- in den Klassenunterricht: Orlan-do wird von einem anderen Kind unterstützt, davon zu berichten, was sie im Logopädie-Unterricht erfahren haben. Insofern unterstützt das weitere Kind Orlando darin, eine Art !-$%2.#*40N'9#*zwischen zwei parallel laufenden Un-terrichts-Arrangements zu schlagen. Die Begleitung durch Peers sorgt somit einerseits für eine qualitative Steigerung des sprachlichen Interaktionsgesche-hens sowie für die Geschmeidigkeit der Übergänge zwischen dem Klassen- und dem separierten Logopädie-Unterricht. Die "0-29+%:#* B#!+2.+,)3* 5%#!#0*

_6#03H)3# wird auch von der Logopädin selbst unterstützt, indem sie jeweils an einem bestimmten Nachmittag, an dem nur die Kinder im dritten Grundstu-fenjahr anwesend sind, das im Logopädie-Unterricht Erarbeitete gemeinsam mit Orlando seinen Mitschülerinnen und Mitschülern präsentiert.

D-Dorf; Orlando: Vom Kleinen ins Grössere S2: . Ond was im au no guet tue hed die

Dunsch-tignomitag won er bi mir gsi isch wo nur die Drittgrondstufeghinder gsi sind bi dir. Ond det hett sich öppe ergee dass i denn abegho bi mit im, er öppis villicht in de Kliigruppe hed ghönne zeige oder das hed mi dunggt das isch für iin ganz gebig gsi döte

K: !mhm sind ä sini Fründe gsi oder am S2: !ja K: Namitag aso es isch automatisch e gschützti

Ru- e Raame Donnerstag-Nachmittage, an denen er bei mir war, wo nur die Drittgrundstufenkinder bei dir waren. Und dort hatte sich ab und zu ergeben, dass ich dann mit ihm runtergekommen bin, er vielleicht etwas in der Kleingruppe hat zeigen können, oder, das dünkte mich, das war für ihn ganz günstig.

K: !mhm, das waren auch seine Freunde, oder, am S2: !ja K: Nachmittag, also es war automatisch ein

ge-schützter Rau-, Rahmen und eine Kleingruppe S2: !ja

Ja, und dass er dann vom Kleinen langsam ins Grössere hat gehen können.

(Orlando G II: 2.7, 60-72)

Es ist dieses Zusammenspiel zwischen dem 3#!'(N+$+#)*E#++%)3*%@*A8.#%)#)C und die Begleitung dieser Übergänge in die „30T!!#0#C*!-$%2.#*B#@#%)!'(21+*

unter Nutzung der Peerbeziehungen, die das Klassenteam für den Lernprozess von Orlando als gewinnbringend beurteilen. So führte beispielsweise auch eine Anregung der Logopädin dazu, dass im Klassenunterricht bezüglich der mündlichen Beiträge der Schülerinnen und Schüler verbindliche Regeln ein-geführt wurden: Das Klassenteam führte aufgrund der Beobachtung, dass sich Orlando in der Standardsprache deutlich besser verständlich machen konnte, ein Handzeichen ein, mittels dessen die Lehrpersonen und die Schülerinnen und Schüler den Wechsel vom Schweizerdeutschen Dialekt in

Standardspra-che einfordern konnten (vgl. Orlando G II: 2.7, 41-52). So wurde die 12'(.%'(#*

Q)0#3,)3*der Logopädin dazu 3#),+$+, durch die Einführung einer für alle geltende Regel ein förderliches sprachliches Umfeld für Orlando zu schaffen.

Das Klassenteam betont überdies an einer späteren Stelle der Gruppendiskus-sion, dass gerade die regelmässige Präsenz der Logopädin in der gemeinsam im Zimmer verbrachten Vesper sowie ihre Mitarbeit bei grösseren Schulpro-jekten deren soziale Integration der Logopädin im kollektiven Bewusstsein der Kinder, aber auch zu einem intensiven fachlichen Austausch zwischen den Pädagoginnen beigetragen haben (vgl. Orlando G II: 18.8, 80ff.).

Dass eine gezielte Verknüpfung logopädischer Anliegen mit dem Klassen-unterricht eher dann gelingt, wenn auch die Professionellen in einen spontanen ,)5*%)+#)!%:#)*12'(.%'(#)*Q,!+2,!'( geraten, lässt sich an der Neuausrichtung der logopädischen Unterstützung in E-Stadt nachvollziehen. Die in dieser Ge-meinde sehr lose Koppelung zwischen dem Logopädie-Unterricht und dem Unterrichtsgeschehen wurde bereits dargelegt (vgl. Kap. 5.2.3.1, Passage E2,-bere Grenze, S. 153). Um den für alle Beteiligten unbefriedigenden sehr lan-gen Wartezeiten für die logopädische Förderung begegnen zu können, wurde in der Schulgemeinde in Ergänzung zum Einzelförderunterricht ein Projekt zur

"0H:#)+%:#)*E"02'(1T05#0,)3 eingeführt. Im Rahmen von zehn Lektionen be-suchen die Logopädinnen den Unterricht. Bilanzierend hält die im Programm involvierte Logopädin fest (S2), dass die fachlichen Aspekte einer präventiven Sprachförderung einerseits allen Kindern zuteilwerden, aber auch den Lehre-rinnen weitergegeben werden können:

E-Stadt; Diana: Rein- und weitergeben S2: Me cha sicher gwüssi, eifach Inputs und

Aregige [...] und ä, Sache uf was mier halt au no lueget, chamer sicher ine gee und denn, au witer gee nöd nur a d’Chind sondern au a d’

Chindergärtnerinne und Leerpersone. Vo dem her isch sicher au e gueti Sach.

(Diana G II: 57.33, 195-200)

S2: Man kann sicherlich gewisse einfache Inputs und Anregungen [...] und auch Sachen, worauf wir halt auch noch achten, das kann man sicherlich reingeben und dann auch weiterge-ben, nicht nur den Kindern, sondern auch den Kindergärtnerinnen und Lehrpersonen. Von daher ist das sicher auch eine gute Sache.

(Diana G II: 57.33, 195-200)

Dass gerade diese örtliche Nähe bei der Verbindung der logopädischen För-derdomäne mit dem Grundstufenunterricht eine förderliche oder geradezu verhindernde Rolle zu spielen vermag, lässt sich abschliessend am Beispiel von C-Dorf zeigen. Dieses Klassenteam hebt sich von anderen Grundstuf-'0.'253% <')2+'% +2+,)?@% 2N\% +233% '3% '/0'0% E'M/NH'0% 3/.,2./6'0% >5<20<% 5/.%

-*0-)'.'0%I')2,34*)+'),0<'0%(E'<.%,0+%+/'%L)N'/.3.'/H,0<%*@0'%N'.*0.'%LN-grenzung eindeutiger Zuständigkeiten oder Förderbereiche vornimmt. Diese Handlungsorientierung scheint sich jedoch nicht auf die Zusammenarbeit mit der Logopädin auszuweiten. Wie diejenigen Schulischen Heilpädagogen und Logopäden, die bei der Bestimmung ihrer Arbeitsbereiche bemüht sind, För-

+')+*5J0'0%6*0'/020+')%2N=,<)'0='0\%S0+'.%3/?@%+/'3'%p)/'0./'),0<%2032.=-weise auch hier (vgl. Kap 5.2.3.1). Es ist allerdings hinzufügen, dass in der folgenden Passage, in der diese Domänendifferenzierung erläutert wird, sich keine%`');'/3'%2,4%kV')0N')'/?@'%+')%[*<*(J+/'i%S0+'0\%;/'%+/'3%N'/%20+')'0%

Logopädinnen und Logopäden deutlich wurde, die Domänengrenzen aus einer deutlichen disziplinären Warte vornehmen (vgl. Passagen _6#0!'()#%5,)3#), 7"%#DGY%E2,6#0# Grenze, S. 153).

C-Dorf; Barbara: Örtlich weg S2: Susch vo de Spraach her chan ich no

säge ebe dass sich das chli

überlappt hät mit de Heilpädagogin, da S1: !ja ja, mhm,

S2: hämmier zum Bispiil für das Jaar ja [...] abmacht dass [...] si dänn mee am Schriftspraacherwerb schafft und ich mee a de andere Spraachbe-reich. Da hämier eus e bitzli ufteilt Y: Dass si en gwüsse Bereich ä gwüsst hät S2: !genau [...] das

ich mee am Wortschatz bliibe und ebe a de Grammatik und am Satzbou und so und ich han dänn eigentlich relativ wenig am Läse und am Schriibe gmacht °will sich das

überlappt° |

Y: !Ja. (..) Und händ si au irgend es Gfääs gha oder wie [...] muss i mier das vorstelle oder [...] gseent si sich so oder so ab und zue will si sind ja usserhalb

S2: Nei also, das isch das wo ich chli ungünstig find a de Zämäarbet, dass ich halt örtlich weg bin, oder, ich bi i=me andere Schuelhuus, me gseet sich nöd äfach so automatisch schnäll i de Pause oder e so, me muss wüklich alüüte wänn öpis isch.

(Barbara G II: 38.30, 103-114)

S2: Sonst von der Sprache her kann ich noch sagen, eben, dass sich das ein wenig überlappt hat mit der Heilpädagogin, da haben S1: !ja ja, mhm,

S2: wir zum Beispiel für dieses Jahr ja [...] abge-macht, dass [...] sie dann mehr am Schriftspra-cherwerb arbeitet und ich mehr in anderen Sprachbereichen. Da haben wir uns ein wenig aufgeteilt

Y: Damit sie einen gewissen Bereich auch wussten S2: !genau, dass

ich, dass ich mehr am Wortschatz bleibe und eben an der Grammatik und am Satzbau und so und ich habe dann eigentlich relativ wenig beim Lesen und beim Schreiben ge-macht °weil sich das überlappt°

Y: !Ja. (..) Und haben sie auch irgend ein Gefäss gehabt oder [...] wie, muss ich mir das vorstellen oder [...] sehen sie sich so oder so ab und zu, weil sie sind ja ausserhalb

S2: Nein, also das ist das, was ich etwas ungünstig finde an der Zusammenarbeit, dass ich halt örtlich weg bin, oder, ich bin in einem ande-ren Schulhaus, man sieht sich nicht einfach so automatisch schnell in der Pause, oder so, man muss wirklich telefonieren, wenn etwas ist.

(Barbara G II: 38.30, 103-114)

Die beiden Sonderpädagoginnen erwähnen Überlappungsgebiete und Förder-domänen, wonach sich die Logopädin vorwiegend auf den Aufbau von Wort-schatz, Satzbau und die Grammatik beschränke, die Schulische Heilpädagogin mehr am Schriftspracherwerb, was mit Lesen und Schreiben verbunden wird.

Auf die propositionale Nachfrage des Gesprächsleiters, ob sie für diese Ab-sprachen ein zeitliches „Gefäss“ zur Verfügung hatten und auf seine Deutung, +233%3/?@%+/'%[*<*(J+/0%d2%k2,33')@2HNi%N'S0+'\%N';').'.%+/'%[*<*(J+/0%<'-rade die örtliche Distanz als ungünstige Arbeitsbedingung hinsichtlich der Ab-sprachen.

Ergänzungen Unterstufe

Orlandos sprachlichen Schwierigkeiten bleiben auch nach dessen Über-tritt in die jahrgangsgemischte Unterstufenabteilung ein Thema. Die beiden Klassenlehrerinnen thematisieren Orlandos Artikulationsschwierigkeiten im Zusammenhang mit der Notensetzung beim Lesen oder bezüglich eines be-vorstehenden Vortrages vor der ganzen Klasse. Das Klassenteam sucht dabei gemeinsam nach Lösungen, wie es Orlandos Teilleistungsschwäche durch un-terrichtliche Massnahmen adaptiv begegnen könnte. Beispielsweise diskutie-ren sie, ob die Benotung der Leseleistung im Setting vor der Klasse oder in der Einzelsituation erfolgen sollte oder inwiefern die Artikulationskompetenz beim Vortrag überhaupt in die Benotung einbezogen werden kann (vgl. auch p)H20+*% >K% !C"BY% #44"c"%L,4<),0+% +')% R/03?@J.=,0<\% +233% +/'%L)./-,H2./*03-schwierigkeiten im Unterricht für das Klassenteam und die Logopädin keine besondere Schwierigkeit darstellt, entwickelt die Gruppe ein Szenario, wie im Falle eines rückfälligen Stotterns vorzugehen sei.

D-Dorf; Orlando (Unterstufe): Intensivieren S1: Aso müesstisch höchschtens du säge wänn [...]

wänn jetzt das Stottere ergendwo hartnäckiger wör oder so, [...] öpp mir dänn ergend öppis müessted

S2: Denn müesst mer’s ebe intensiviere, Therapie zum wiiter dra schaffe ( ) wär eigetlich u guet of das S1: !jo

S2: losisch (lockere Stottere) bi de Froschwörter ( ) dass das eifach mee müesti drii gho. Do sind auch d’ Eltere scho instruiert worde, wo’s dehei zum Teil gmacht hend. Jetzt im Moment machen=sis weniger. Das mer so wider müessti denn efach dragoo.

(Orlando, U: 28.5, 61-70)

S1: Also du müsstest höchstens sagen, wenn [...]

jetzt das Stottern irgendwie hartnäckiger würde oder so, [...] ob wir dann irgend etwas müssten

S2: Dann müsste man es eben intensivieren, die Therapie, um weiter daran zu arbeiten ( ) wäre eigentlich sehr S1: !ja

S2: gut, darauf hörst (lockeres Stottern) bei den Froschwörtern ( ), dass das einfach mehr hinein kommen müsste. Da sind auch schon die Eltern instruiert worden, was sie zu Hause teilweise gemacht haben. Jetzt im Moment machen sie es weniger. Dass man so wieder einfach drangehen müsste.

(Orlando, U: 28.5, 61-70)

Mit der Aufforderung, die Logopädin (S2) müsse bei zunehmendem Stottern das Klassenteam informieren, bringt der Schulische Heilpädagogen (S1) einer-seits die fachliche Zuständigkeit seiner Kollegin zum Ausdruck. Anderereiner-seits schliesst die Fragestellung die Mitverantwortung aller Pädagoginnen und Pä-dagogen mit ein („ob wir dann irgendetwas müssten“). Nebst einer Intensi-vierung ihrer Therapie schlägt sie dem Schulischen Heilpädagogen vor, auf die aktuell im Unterricht verwendeten „Froschwörter“ genau hinzuhören und Orlando zu einem bewussten Umgang mit seinen eigenen Stottersymptomen (Lockeres Stottern) im Unterricht anzuleiten. Auch die Eltern wurden zu ei-nem früheren Zeitpunkt über diesen fachlichen Zugang instruiert. Damit wird eine allfällige Intensivierung einer gezielten therapeutischen Arbeit nicht aus-schliesslich auf die logopädische Therapie beschränkt, sondern unter Beizug

des Schulischen Heilpädagogen und der Eltern auch im Unterricht und zu Hau-se vorgeHau-sehen.

Zwischenfazit

Die Beispiele in diesem Kapitel verdeutlichen die Differenz zu denjenigen Klassenteams, die eine logopädische Förderung als vom Klassenunterricht abgekoppelte Arrangements etablieren (vgl. Kap. 5.2.3). An den dargelegten empirischen Materialien dokumentiert sich die Handlungsorientierung, die logopädische Förderung mit dem Klassenunterricht über den Einsatz

didakti-!'(#0*K#(0@%++#. und !-$%2.#0*40N'9#)*zu verknüpfen. Damit werden Stigmati-sierungspotenziale, die sich als Konsequenz einer Separierung pädagogischer Domänen für die Schülerinnen und Schüler ergeben können, gezielt entgegen gewirkt. Q)0#3,)3#)*2,!*5#0*K-3-"H5%#*werden dabei*%@*8.2!!#),)+#00%'(+*

%)+#30%#0+, womit das sprachliche Lernumfeld der betroffenen Kinder über die sprachtherapeutischen Angebote hinaus angereichert oder optimiert wird.

E%+,2+%:#*`#02,!1-05#0,)3#) werden dabei als Anlass verstanden, die eigene I20+H,0<3()2M/3%=,%5*+/S=/')'0"%Z/'%A'/3(/'H'%6')+',.H/?@'0%TN')+/'3\%+233%

die örtliche Nähe im Hinblick auf eine engere Verknüpfung zwischen der logo-pädischen Therapie und dem Klassenunterricht für alle Beteiligten als begüns-tigend erfahren wird. Dies zeigt insbesondere die dazu in Kontrast stehende Erfahrung eines Klassenteams, dessen Logopädin ausserhalb des Schulhau-ses arbeitet. Obwohl das Klassenteam die grundsätzliche Orientierung zeigt, pädagogische Domänen möglichst miteinander zu verbinden, beurteilt es die örtliche Distanz des Logopädie-Unterrichts zum Klassenunterricht für die Re-alisation als erschwerend.

5.3.4 Institutionelle Erfahrungen zur Arbeitssituation

Diese Klassenteams zeichnen sich massgeblich durch die Orientierung aus, (J+2<*</3?@'% Z*5J0'0% 5/.'/020+')% =,% 6')N/0+'0% ,0+% E'M/N'H% 2,4% 3/.,2./6'%

Herausforderungen zu reagieren. Im Folgenden wird der Frage nachgegangen, inwiefern diese rekonstruierten Handlungsorientierungen mit institutionellen Erfahrungen dieser Klassenteams einhergehen.

5.3.4.1 Grundstufenteam C-Dorf

Zwar erwähnt auch dieses Klassenteam bei Beginn des Schulversuchs Schwie-rigkeiten wie beispielsweise die Umgewöhnung an den engen zeitlichen Takt im Grundstufenalltag, der sich durch das Zusammenspiel abgespro-chener Sequenzen ergebe. Im Vergleich mit dem ehemaligen Kindergarten müssen dadurch beispielsweise laufende Aktivitäten zugunsten vereinbarter

Unterrichtssequenzen mehr unterbrochen werden. Auch die Organisation sys-tematischer Absprachen zwischen den beiden Grundstufenlehrerinnen und

Unterrichtssequenzen mehr unterbrochen werden. Auch die Organisation sys-tematischer Absprachen zwischen den beiden Grundstufenlehrerinnen und