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7.2 Stellenanzeigenanalyse

7.2.1 Methodik der Stellenanzeigenanalyse

Die Stellenanzeigenanalyse stellt einen empirischen Forschungsansatz dar, welcher in der Qualifikationsforschung beziehungsweise der Berufsbildungsforschung zu verordnen ist. Im Rahmen eines quantitativ-empirischen Forschungsansatzes kön-nen im Zuge einer Stellenanzeigenanalyse Qualifikationsprofile entsprechend indi-vidueller Bildungsverläufe, Zutrittsbedingungen in den Arbeitsmarkt, als auch Er-wartungen von Unternehmen an zukünftige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ana-lysiert werden (vgl. SAILER, 2009, S. 21f.). LautSAILER (2009,S.36) trägt die Ana-lyse von Stellenanzeigen eine hohe arbeitsmarktrelevante Bedeutung.

Eine Stellenanzeige dient zur Rekrutierung von zukünftigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern (vgl. WILDGRUBE, 2018, S. 85). Sie zeigt freie Arbeitsstellen in Un-ternehmen und Institutionen auf (vgl. MOSER, 2018, S. 20) und eignet sich dazu, potenzielle Bewerberinnen und Bewerber auf offene Arbeitsplätze aufmerksam zu machen (vgl. SAILER, 2009, S. 41). Des Weiteren gibt eine Stellenanzeige Auskunft zum Aufgabenbereich der vakanten Stelle, dem entsprechenden Anforderungsprofil (vgl. MOSER, 2018, S. 20) und stellt Informationen zum ausschreibenden Unterneh-men zur Verfügung (vgl. NEUMANN, 2014, S. 7). Eine Stellenanzeige zeigt einen relativ durchstrukturierten Aufbau. Sie besteht aus mehreren Abschnitten, welche unterschiedliche Inhalte enthalten (vgl. HERMES &SCHANDOCK, 2016, S. 5). Eine Stellenanzeige beinhaltet zumeist den Titel und die Beschreibung der ausgeschrie-benen freien Stelle, die Qualifikationsanforderungen, die Beschreibung der Aufga-ben und der Tätigkeiten, die Vorstellung des Unternehmens, etwaige Anreize und Angebote zur Bindung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, das Gehalt sowie die Kontaktadresse zur Übermittlung der Bewerbung (vgl. GSTETTENHOFER, 2017, S. 41; HERMES & SCHANDOCK, 2016, S. 6ff.; MEHRA & DIEZ, 2014, S. 5;

NEUMANN, 2014, S. 7). Diese inhaltsspezifische Unterteilung kann gleichzeitig als Vorstrukturierung angesehen werden und erleichtert die Analyse (vgl. HERMES &

SCHANDOCK, 2016, S. 8).

Den personen- als auch den tätigkeitsbezogenen Stellenprofilen wird eine beson-dere Bedeutung beigemessen. Denn die Stellenanzeigen gelten als wichtige Infor-mationsquellen, um die Struktur, den Umfang als auch etwaige Veränderungen am Arbeitsmarkt zu beobachten und zu interpretieren. Mithilfe der Stellenanzeigenana-lyse soll neben der Beschreibung des aktuellen Arbeitsmarktes auch ein zukünftiger Arbeitsmarkt und Qualifikationsbedarf vorhergesagt werden (vgl. SAILER, 2009, S. 36).

Die Forscherinnen und Forscher werden auf diesem Gebiet dadurch angetrieben, dass den Veränderungen der Arbeitswelt nur mit einer präventiven Bildungspolitik begegnet werden kann, die frühzeitig auf aktuelle Herausforderungen reagiert und die Ergebnisse systematisch und schnell verschiedenen Nutzergruppen zur Verfü-gung stellt.(BULLINGER, 2006, S. 5 zit. n. SAILER, 2009, S. 37)

Das bedeutet, dass die Analyse von Stellenanzeigen dazu durchgeführt wird, um personenbezogene und berufliche Anforderungen deskriptiv zu erheben, um Infor-mationen zu neuen Berufsbildern als auch zu neuen Qualifikationsanforderungen zu erhalten (vgl. BENSBERG &BUSCHER, 2016, S. 2) und somit den Qualifikations-bedarf aufzuzeigen (vgl. WILDGRUBE, 2018, S. 85).

Die Stellenanzeigenanalyse weist folgende Vorteile auf:

• Bei der Analyse von Stellenanzeigen wird auf bestehende Daten zurückgegrif-fen. Das bedeutet, dass diese Daten in Form von veröffentlichten Stellenanzei-gen gesammelt und ausgewertet werden und somit nicht neu erhoben werden müssen. Folglich bedarf es keiner (zeitlichen) Beanspruchung von weiteren Personen, beispielsweise von Interviewpartnerinnen und -partnern. Die Stellen-anzeigenanalyse weist daher einen non-reaktiven Charakter auf. Das bedeutet, dass eine individuelle Beeinflussung auf die Datenerhebung sowie auf das Er-gebnis nahezu ausgeschlossen ist (vgl. MEHRA & DIEZ, 2014, S. 2; SAILER, 2009, S. 37f.).

• Die Stellenanzeigen sind grundsätzlich öffentlich zugänglich. Sind Stellenan-zeigen in Printmedien oder im Internet veröffentlicht, können sie zumeist un-eingeschränkt gelesen werden (vgl. SAILER, 2009, S. 39). Besonders Stellenan-zeigen in digitaler Form bieten kaum Zugangsprobleme. Denn diese können je-den Tag, zu jeder Uhrzeit und von jedem beliebigen Ort mit Internetzugang eingesehen werden (vgl. BÜRGE, 2016, S. 45f.).

• Daneben charakterisiert sich die Analyse von Stellenanzeigen auch durch ge-ringe bis keine Kosten (vgl. SCHUCHERT-GÜLER, 2009, S. 25). Da auf beste-hende Daten zurückgegriffen wird, fallen keine Kosten für beispielsweise den Ausdruck von Fragebögen und das Porto, Telefongebühren oder Kosten im Zu-sammenhang mit Interviews an (vgl. SAILER, 2009, S. 39).

• Die Stellenanzeigenanalyse dient zudem als Prognoseinstrument. Die Unter-nehmen beschreiben in den Stellenanzeigen die aktuellen als auch die zukünf-tigen Anforderungen an potenzielle neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (vgl.

MEHRA &DIEZ, 2014, S. 2). Findet die Stellenanzeigenanalyse in Form einer Längsschnittuntersuchung statt, so lassen sich etwaige Veränderungen in den Aufgaben und Qualifikationsanforderungen von gewissen Berufen beziehungs-weise Berufsfeldern aufzeigen (vgl. SCHUCHERT-GÜLER, 2009, S. 25).

Den Vorteilen stehen allerdings auch mit der Stellenanzeigenanalyse verbundene Nachteile gegenüber:

• Da Stellenanzeigen in einer hohen Anzahl und auf den verschiedensten Medien täglich publiziert werden, ist es unmöglich, jede Stellenanzeige zu analysieren.

Daher gilt es, einen Fokus zu setzen und daraus resultierend nur eine Stichprobe in die Analyse aufzunehmen. Zwar entsteht durch das Setzen von Auswahlkri-terien eine Beeinflussung des Ergebnisses, allerdings führt dies zu einer begrün-deten und repräsentativen Auswahl der Stichprobe, entsprechend dem beabsich-tigten Ziel der Stellenanzeigenanalyse (vgl. MEHRA &DIEZ, 2014, S. 2).

• Die für die Stichprobe notwendige Anzahl an Stellenanzeigen ist abhängig von der aktuellen konjunkturellen Lage. Besteht im Zeitraum der Sammlung der Stellenanzeigen eine positive Konjunkturentwicklung, so zeigt sich eine An-häufung der Stellenanzeigen. Im Gegensatz dazu reduziert sich die Anzahl der Stellenanzeigen in Zeiten einer weniger positiven Wirtschaftslage (vgl. EBD. 2014,S.2; PREIS, 2012, S. 45).

• Ebenso ist der Inhalt der Stellenanzeigen kritisch zu betrachten. Die Arbeitge-berinnen und Arbeitgeber beschreiben in den Stellenanzeigen ihre Wunschbil-der Wunschbil-der zukünftigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Es besteht keine Gewähr-leistung, dass die Bewerberin/der Bewerber bei der Einstellung die gen erfüllt hat. Auch ist keine Aussage darüber machbar, dass die Anforderun-gen in den StellenanzeiAnforderun-gen für die Aufgabenausführung zum Erfolg führen (vgl.

SIEBER, 2003, S. 12).

• Des Weiteren lassen die Bezeichnungen der Anforderungen auch unterschied-liche Interpretationen zu. So kann es dazu führen, dass das ausschreibende Un-ternehmen und die Bewerberin/der Bewerber verschiedene Vorstellungen von

den genannten Anforderungen haben (vgl. PREIS, 2012, S. 45; SIEBER, 2003, S. 12). Vorwiegend werden diese Anforderungen stichwortartig angeführt, wie zum Beispiel Kontaktfreudigkeit, ohne Beschreibung, was Kontaktfreudigkeit für die Arbeitgeberin/den Arbeitgeber bedeutet (vgl. SIEBER, 2003, S. 12).

• Ein weiterer Punkt ist die selektive Wirkung. Zumeist werden in den Stellenan-zeigen sozial erwünschte Eigenschaften genannt, die die Bewerberin/der Be-werber mitbringen soll. Für viele kann es schwer sein, zuzugeben, gewisse Ei-genschaften nicht zu besitzen. Folglich wird dabei die selektive Wirkung er-schwert (vgl. PREIS, 2012, S. 45). Ebenso kann die selektive Wirkung umso ge-ringer sein, je mehr Anforderungen in einer Stellenanzeige formuliert sind und fehlende Anforderungen durch die eigene Zuschreibung von positiven Eigen-schaften kompensiert werden (vgl. EBD., 2012, S. 45; GRUBER, 2015, S. 40).

• Anzumerken ist, dass die Stellenanzeigenanalyse eine Momentaufnahme der Qualifikationsanforderungen des entsprechenden Zeitpunkts beziehungsweise Zeitraums der Datenerhebung darstellt. Um Veränderungen aufzuzeigen, sind eine längere Betrachtungsdauer und/oder eine regelmäßige Überprüfung und gegebenenfalls Anpassungen von Nöten, um aktuelle Ergebnisse gewährleisten zu können (vgl. MENDES PASSOS &REWIN, 2016, S. 8).

• Darüber hinaus wird der Stellenanzeigenanalyse eine zeitintensive und aufwän-dige wissenschaftliche Aufbereitung und Auswertung der Daten zugeschrieben (vgl. SAILER, 2009, S. 39).

Überdies kann die Stellenanzeigenanalyse als Dokumentenanalyse angesehen wer-den. Denn MAYRING (2002,S.47) definiert die Dokumentenanalyse, dass sie

Material erschließen [will, d. Verf.], das nicht erst vom Forscher durch die Datener-hebung geschaffen werden muss. [Die, d. Verf.] Dokumentenanalyse zeichnet sich durch die Vielfalt ihres Materials aus. Die qualitative Interpretation des Dokuments hat einen entscheidenden Stellenwert.

Dementsprechend wird bereits vorhandenes Datenmaterial verarbeitet. Jegliches non-numerisches Material wie beispielsweise Webseiten, Briefe, Protokolle, Fotos – also verbale, visuelle, auditive oder multimediale Dokumente – wird gesammelt

und anschließend mittels qualitativen, aber auch quantitativen Analysemethoden weiterverarbeitet. Bei einer qualitativen Dokumentenanalyse bedarf es einer inter-pretierenden qualitativen Auswertung. Hier kommt die qualitative Inhaltsanalyse zum Einsatz (vgl. DÖRING &BORTZ, 2016, S. 533ff.).