• Keine Ergebnisse gefunden

Mark richtete sich auf und sah eine Zeit lange auf das Wasser raus. Ein paar Blätter trieben auf der jetzt wieder spiegelglatten Fläche; der Bodennebel hatte sich fast vollständig aufgelöst und so wie es aussah, würde es ein ziemlich heißer Tag werden. Plötzlich hatte er das unbändige Bedürfnis, etwas zu tun. Etwas ganz bestimmtes. Er wollte und konnte es nicht in Worte fassen, also ließ er seinen Körper selbst entscheiden und sagte der Vernunft, sie könne ihn mal am Arsch lecken. Mit einer fließenden Bewegung, deren Eleganz ihn selbst überraschte, stand er auf und hockte sich über Johan. Er setzte sich sachte auf seinen Schoß, die Knie links und rechts der Hüften. Mark war so nervös, dass ihm der erotische Gehalt dieses Augenblicks fast gänzlich entging. Er rechnete halb damit, dass Johan hochfahren würde und ihn wegstoßen würde. Aber Johan blinzelte nur überrascht und öffnete die Augen.

„Mark? Was wird das, wenn es fertig ist?“

Mark leckte sich nervös über die Lippen. „Keine Ahnung, Mann. Echt nicht. Lass dich, lass dich einfach überraschen. Hey: Die Stimme,“ fügte er grinsend hinzu, „sagte gestern zu mir, Du bist im Leo. Es ist gut so.“

„Und deshalb?“

„Ja, und deshalb…“

Er beugte sich langsam zu Johans Gesicht. Ihm wurde immer stärker bewusst, wie schön dieses Gesicht war. Und jetzt fielen ihm zum ersten Mal diese Goldsplitter in den sonst makellos dunkelblauen Augen auf.

Dann berührten sich ihre Lippen. Geschlossen. Es hätte ein Bruderkuss sein können. Oder ein Freundschaftskuss. Mark rieb ganz sachte seine Lippen auf Johans Lippen und versuchte sich darüber klar zu werden, was das bedeutete. Dass sie es taten, dass er es tat … Aber wie schon erwähnt: Hier gab es keine moralischen Verkehrstafeln. Keine unange-nehm berührten Passanten oder bibelschwingende Hassprediger, oder eigene Bedenken, was das angeht. Hier gab es nur sie und den Wald.

Und den See und ihre feuchte Haut. Und ihre Lippen, die sich berühr-ten. Und es war gut. Die Berührung zauberte Schauder über seine Haut;

es machte ihn durch und durch wuschelig. Langsam löste sich Mark von Johan und sah kerzengrad in die Ferne. Johan drehte den Kopf seitwärts und spielte mit den Fingern im Moos. Sie hatten sich angese-hen. Mark hatte noch nie bei einem Kuss die Augen offen gehabt.

Nicht, dass er wüsste. Aber, oh Mann: Das war ein Heuler von einem Kuss. Er glaubte sogar gesehen zu haben, wie Johans gesprenkelte Pupillen zoomten. Mark rollte sich von Johan und starrte den Himmel an. Er lauschte auf seinen Atem und das Zirpen der Kleintiere. „Das hat mich jetzt ziemlich nervös gemacht. Schau mal.“ Mark hielt seine Hände ausgestreckt von sich. Sie zitterten.

„Na was denkst du, wie es mir geht?“, murrte Johan und grinste dabei.

Mark merkte, dass Johan absolut süß grinsen konnte. Schelmisch und niedlich zugleich. Dass soll dem mal wer nachmachen. Und er hatte zwei hektisch rote Flecken im Gesicht. Mark streichelte Johans Wange;

eine kurze Geste der Nähe, dann sank er in sich zusammen und spielte wieder an seinen Zehen rum. Johan dachte über den Kuss nach. Er hatte ihn zugelassen, weil Marks Augen offen waren. Vielleicht hätte er ihn sogar zugelassen, wenn Marks Augen geschlossen gewesen wären.

Aber hätte er etwas anderes in Marks Augen gesehen als diese freundli-che Nervosität, hätte er den Kopf abgewandt und versucht, die Szene nicht ins peinliche abgleiten zu lassen.

Leicht weggetreten zogen sie sich ihre Sachen an und machten sich auf

den Rückweg zum Haus. Und die Blätter, die ganz sachte raschelten, klangen wie ferner Applaus. Die Erregung verging bei Johan so schnell, wie sie gekommen war. Er wandte sich einmal zu Mark um und musterte ihn. In diesem Licht erschien es Johan, als wäre dieser Bursche aus der Stadt die fleischgewordene Antwort auf all die wichti-gen Frawichti-gen des Lebens. Nichts war ihm jetzt ferner, als die moralischen Bedenken einer von Institutionen gelenkten Gesellschaft. Mark hatte wahrscheinlich wirklich recht: Hier und jetzt waren sie im Leo, in einer Art „Twilight Zone“ der Gefühle. Hier galten andere Regeln. Seine zitternden Hände konnten das nur bestätigen. Aber wie auch immer, Johan musste jetzt mal kurz ihre Twilight Zone verlassen und die große Maschine der breiten Masse um ein paar Gefälligkeiten und Hilfe bitten. Mit diesem Ziel vor Augen fühlte sich Johan weniger verwirrt, ein Zustand, der eigentlich nicht unangenehm war. Aber doch auch so fremd. Die Mädchen, mit denen er Zärtlichkeiten ausgetauscht hatte (Fingerspiele, nannte man das damals in der High School; Finger befeuchten), hatten das nicht geschafft. Johan war sich sicher, dass dies nichts mit schwul oder nicht schwul zu tun hatte. Sondern einfach damit, wie sehr er Mark mochte. Und er mochte Mark so gerne, dass Berührungen einfach nicht mehr zu vermeiden waren. Vielleicht hatte er einfach die Menschen nie richtig an sich rangelassen. Und Mark war halt einfach plötzlich da und nahm wie selbstverständlich seinen Platz in Johans Leben ein.

Plötzlich ging ihm Thoreaus Satz durch den Kopf: Das Mark des Lebens aufsaugen. Aber diesmal hatte der von ihm so geliebte Satz unmissver-ständlich erotische Untertöne.

Später, im Haus zogen sich beide frische Sachen an und Johan bügelte sich sogar eine schwarze Stoffhose und ein dunkelblaues Hemd mit dem Reisebügeleisen. Mark hatte in der Zwischenzeit die Schmutzwä-sche in seinem Rucksack von der sauberen WäSchmutzwä-sche getrennt und brachte die verschwitzten Sachen in den Waschraum. Den Großteil hatte Johan ja schon gewaschen, aber da waren noch Socken, die echte Stinkbomben waren.

Johan kam in den Wäscheraum und erklärte Mark kurz die Funktion der Waschmaschine und des Trockners. Dann fragte er: „Ich werde etwa 3 bis 4 Stunden weg sein. Was wirst du machen?“

„Na ja. Mal die Wäsche waschen und dann vielleicht im Wald spazie-rengehen. Ich muss mal den Verstand auslüften, glaub ich.“

Johan lachte. „Das ist okay. Aber pass auf die Markierungen auf. Mein Großvater hatte sie mal angebracht. Die Markierungen führen dich zu einem Felsen im Wald. Und wenn man den Felsen raufklettert, hat man einen tollen Blick auf die Waldoberfläche. Man kommt sich vor, als würde man in einem grünen Meer schwimmen. Das wird dir bestimmt gut gefallen. Versuch aber erst gar nicht, über die rechte Flanke oder die Hinterseite raufzusteigen. Ist zu gefährlich. Ich mach mich halt mal auf die Socken. Der Bürgermeister steht an und der Sheriff in Winterset.

Und weiß der Geier, wohin mich die schicken, um die nötigen Formu-lare zu holen. Und übrigens, pass auf. Die Markierungen an den Bäumen sind weiß gelb und nur auf einer Seite des Baumes angebracht.

Wahrscheinlich war Opa zu faul, sie rundum anzubringen.“

Mark nickte und sie berührten sich beiläufig, Johan streichelte Marks Rücken und umfasste einen Atemzug lang Marks Oberarm. Dann verabschiedete sich Johan noch einmal und als Mark draußen den Wagen anspringen hörte, lud er gerade die Wäsche in die Trommel.

Er stellte die Maschine ein und beschloss, sich gleich auf den Weg zu machen. Nach dem, was Johan gesagt hatte, war die erste Markierung direkt hinter dem Haus. Er steckte sich eine volle Schachtel Zigaretten ein und machte die Tür hinter sich zu. Er hatte sich eines von Johans T-Shirts ausgeborgt, da seine alle jetzt in der Waschmaschine waren.

Dazu hatte er sich die weniger verwaschene Jeans angezogen und die schwarzen Doc Martens. Er war sicher, dass die im Wald vielleicht besser geeignet waren als die Nikes. Das war aber auch schon die letzte, logische Überlegung. Er war zu durcheinander. Einerseits war es ein gutes Gefühl, wenn man sich außerhalb des Rahmens bewegte.

Möglicherweise war es auch ein wenig schick, ein Jungen zu küssen.

Verwirrend war allerdings die Tiefe der Zuneigung. Mark hatte aber irgendwie keine Lust, sich darüber jetzt einen Kopf zu machen.

Verwirrend hin oder her, als er sich auf Johans Schoß gesetzt hatte, war dies sicherlich einer der erotischsten Momente in seinem Leben. Nicht, weil es abgefahren war oder steil oder wie auch immer. Sondern weil es so echt war. Der Kuss hatte nach Seewasser geschmeckt und nach Wald. Natürlich.

Mark fand die erste Markierung auf einem Baum, der neben einem recht gut erkennbaren Wanderweg stand. Man konnte sehen, dass Büsche und Stauden zurückgeschnitten waren. Aber das schien länger her zu sein. Sicher hatte das noch Johans Großvater getan. Möglicher-weise im letzten Sommer seines Lebens. Johan hatte in den letzten zwei Jahren sicherlich anderes zu tun, als sich um die Begehbarkeit dieses Waldweges Sorgen zu machen. Mark ging etwa eine halbe Stunde in den Wald hinein und merkte, dass auch nun der letzte Rest von Zivilisationsrauschen vergangen war. Er blieb stehen und lauschte angestrengt: Nichts. Der Wald war ein Mischwald. In den Ästen der Nussbäume saßen Sperlinge und Spatzen, die alten Fichten knarrten im kaum spürbaren Wind. Der Boden war bedeckt von Büschen; Erdbee-ren, Brombeeren und Immergrün, Sandkirsche, Goldstab und Buschei-chen. Während er ging, hörte er irgendwo das Plätschern eines Baches, das Singen der Vögel und Froschgequake. Und irgendwie ein niederfre-quentes Brummen. Ohne sich darauf zu konzentrieren, folgte er der Markierung. Und ohne es zu merken hatte er begonnen, laut zu denken.

Als er es mitkriegte, dachte er: Na klasse. Ich werd hier noch kirre. Anderer-seits gefiel ihm sein heiseres Flüstern, denn es schien im Wald nicht wie ein fremdes Geräusch sondern wie eine lang nicht gehörte, natürliche Melodie.

„Gibt’s hier Außerirdische? Dämonen, Staubhexen, die böse alte Schachtel aus Blairwitch Projekt? Gibt es hier irgendwas, wovor man sich fürchten muss? Außer der Wahrheit? Ich hab hier ’ne Wahrheit für euch, ich hab hier eine Wahrheit für mich. Ich bin total aus dem Häuschen, weil ich einen Mann geküsst habe. Na, ist das was? Ich hab Angst, schwul zu sein, weil das mit meinem bisherigen Leben nicht zusammenpasst. Na, ist das was? Ich krieg ’nen Harten, wenn ich an ihn denke, und meine Hände zittern und mir läuft der Schweiß runter, wenn ich an ihn denke! Ist das was? Ich bin nicht nur triebgesteuert. Und ich bin nicht nur so ein

neurotischer Großstadt Junkie, der immer nach dem neuesten Kick sucht. Na, ist das was? Und ich bin froh, dass ich so nervös bin und so zappelig wie ein Erst-klässler. Ich bin echt froh, dass mich das so erschüttert. Weil es zeigt, weil es mir zeigt, dass ich lebe. Und Scheiße noch mal, wie ich lebe. He Wald, hörst du mich?

Gibt es da ein Urteil? Mal schauen, ob wir hier in der hundertjährigen Geschichte der bewaldeten Rechtssprechung einen Präzedenzfall finden können. Oh nein. Alles verschlammt? Tut mir aufrichtig leid. Ich kann nicht mehr.“

Mark keuchte die letzten Worte aus und ließ sich auf einen bemoosten Stein nieder und schlug die Hände vors Gesicht. Er weinte und das Weinen schüttelte ihn und sein Gesicht war nass von Tränen. Aber das Weinen war gut. Voller Waschgang für die Seele; oder etwa nicht? Mark blinzelte durch die Tränen und flüsterte:

„Ich will ihn berühren. Ich will in ihn hineinwachsen. Ich will ihn ausgreifen, angreifen und so umarmen, dass wir uns nie wieder trennen. Willst du es hören? Soll ich es laut sagen? Soll ich klaren Tisch machen? Ich liebe ihn. Mehr kann ich dazu nicht sagen. Es gibt kein Wort, nichts, dass das noch überbieten kann. Ich will ihm einen blasen. Ich will, dass er das bei mir macht. Ich will sein Freund sein.

Ich will nie wieder aus dem Leo raus.

Ich will nie wieder in ein anderes Leben gehen müssen.

Ich will hier bleiben.“

Der Wald schwieg. Nun, nicht ganz. Mark stand auf und ging die Markierung entlang weiter. Er wischte sich mit dem Unterarm die Tränen ab und lächelte. Es war raus. Es war kein Pfarrer da, der ihm die Absolution geben konnte. Aber irgendwie schien etwas Besseres zu passieren. Mark hatte das Gefühl, als würde der Wald tief in ihn hineingreifen; die Zweifel aus ihm raussaugen. Nur die Teile der Verwirrung, die wie Steine im Herzen lagen. Die Bitternis sank in den Waldboden ein und wurde assimiliert. Widerstand ist zwecklos. Das andere ließ er drin. Die heitere Verwirrung, so, als ob man zum ersten Mal in seinem Leben ein paradiesisch schönes Land betritt und sich blinzelnd umschaut: Kann es so was geben? Na klar. Siehste doch.

Etwa 50 Meter weiter sah er den Felsen, graugrün aus dem weichen Boden wachsen. Die rechte Flanke erschien zu steil, um da irgendwie

raufzukommen, da hatte Johan völlig recht; links aber schwang sich ein sanfter Bogen nach oben. Mark steuerte also nach links und übersprang einen kleinen Bach. Am Fuß des moosbewachsenen Felsens fand er Zivilisationsspuren der üblichen Sorte: rostige Coladosen, Pausenbrot-papier, Zeitungen von weiß Gott wann, Papierservietten und Taschen-tücher, alles ziemlich verrottet, was Mark sagte, dass dies wahrschein-lich seit Frühling hier lag. Oft kommen nicht Leute hierher. Mark sprang auf die erste Erhöhung und war froh, dass er die Doc Martens angezogen hatte. Sie gaben guten Halt. Stellenweise musste er krabbeln, aber großteils ging es auf zwei Beinen, wenn er nur schön vorsichtig war. Kurz darauf war er auf dem höchsten Punkt des Felsens angelangt und der Anblick war, wie es Johan gesagt hatte, atemberaubend.

„Also Ladies and Gentlemen, wenn es hier im Wald ein UFO gäbe, dann müsste man es von hier aus sehen. Da stimmen sie mir doch zu, oder?“

Eigentlich glaubte Mark nicht an UFOs, aber es war eins, solche Filme wie Tommyknockers zu sehen und etwas ganz anderes, hier allein in einem tiefen Wald auf einem Felsen zu stehen, mit nichts als Natur um sich rum. Einer Natur übrigens, die Irritationen aus den Seelen saugte und Heiterkeit abgab. Mark dachte: Es ist wahr. Der Wald umfasst mich wie ein lebendes Wesen. Whitman musste das gewusst haben. Er umfasst mich und lässt nicht ab von mir und läutert mich. Das ist besser als Kokain, mein Wort drauf.

Er setzte sich auf den Felsen nieder und die Sitzhöhe suggerierte wirklich den Eindruck, in einem grünen Meer zu schwimmen. Er drehte sich im Kreis und kam sich dabei vor wie auf dem Boden eines gigantischen, grünen Suppentellers. Der Felsen markierte in seiner Lage so was wie den tiefsten Punkt. Der Höhenunterschied von seinem Punkt zum höchsten Kamm war nicht berauschend: Maximal 200 Höhenmeter. Der Wald wogte sachte, die Bäume knarrten. Er blieb einfach eine Weile so sitzen und versuchte, nichts zu denken. Das gelang ihm eine Zeit lang, aber dann kamen diese Variationen wieder aus den Tiefen. Ist es Musik? Ein Gesang? Mark hörte es fast, er war aber nicht sicher. Es klang wie eine Frauenstimme, die sich extrem gut auf Jazz versteht. Auf Mitternachtsjazz. Da ist Gesang, mehr mit dem Herzen zu hören als mit dem Verstand oder den Ohren. Stell dir die

Wirkung eines wunderschönen Liedes vor, ohne das Lied zu hören, nur die Schwingungen zu spüren. Wo auch immer der Gesang herkam, er entspannte ihn. Und er erlaubte ihm, die Fragen, die tief in seinem Herzen darauf warteten, gestellt zu werden, heraufzusteigen und ihr Recht einzufordern.

Oh diese Stimme, als ob der Wald selbst singt, ein dionysisches Wesen aus vielen Wesen, kein BORG Kollektiv, sondern ein harmonisches Ineinandergreifen von allem, was hier lebt. Denn alles was hier lebt, ist schlussendlich Wald.

Fragen über Fragen: Wie soll das weitergehen? Willst du wirklich Sex mit Johan? Wird er das auch wollen? Könnt ihr euch nachher noch in die Augen schauen? Werdet ihr euch nachher nicht so verhalten, wie du es oft genug bei One-Night-Stands erlebt hast? He, war toll mit dir. Ich ruf mal an. Mhm. Freilich.

Und wenn schon Sex; hast du schon mal über die Art und Weise nachgedacht, was du wirklich willst?

Mark schüttelte den Kopf. Will auch nicht drüber nachdenken. Nicht über das, ja? Aber ich werde ihm erzählen, warum ich abgehauen bin. Und warum ich jetzt hier bin und warum ich hier so glücklich bin. Und warum ich mir wünsche, von ihm berührt zu werden.

Weißt du, warum du von ihm berührt werden willst? Hör dir mal ’ne Minute selbst zu und quatsch da nicht die Bäume voll.

Ich will ihn berühren, weil es keine Worte mehr gibt. Ich bin am Ende von dem, was man mit Worten und Blicken ausdrücken kann. Finito.

Als Mark vom Boden aufsah, hatte er den Eindruck, dass die Sonne falsch stand. Das war ein irrer Gedanke, gewiss. Die Sonne hüpft ja nicht so irgendwie rum. Außer in einem Zauberwald.

Aber als er den Blick von dem wogenden Meer des Walddaches senkte und seine Schuhe betrachtete und sich diese Fragen stellte, da war die Sonne noch da. Und jetzt ist sie dort. Er sah auf die Uhr und hatte das Gefühl, in einem Steven Spielberg Film zu sein. 17:25 Uhr. Oh du heilige Scheiße zum Quadrat! Wie gibt’s denn so was? Ich habe hier Stunden verpennt.

Kann das sein? Beaumont, die abgefuckter Penner!!! Vorsichtig und doch so schnell es ging, machte er sich auf den Weg nach unten. Er rutschte zweimal fast aus und musste höllisch aufpassen, keinen bösen Sturz

hinzulegen. Heil unten angekommen und leicht außer Atem, versuchte er, sich zu orientieren. Der Wald wirkte jetzt weniger freundlich als vielmehr dunkel und tief.

Die Markierungen. Wo zum Teufel sind die Scheiß Markierungen?

Mark erinnerte sich, dass er einen kleinen Bach überquert hatte und dann, jooo, wäre schön, wenn man das noch wüsste, du Schlauberger.

„Ja ja ja, okay, ich gebs zu. Ich hab ne Scheißangst! Und ich will jetzt hier raus, ja?“ Er überquerte den Bach und versuchte wieder, sich zu orientieren.

Der Wald schien plötzlich voller Geräusche, die nicht so leicht zuzu-ordnen waren wie die, die er auf dem Herweg gehört hatte. Da war ein Brummen und Summen, gellende Vogelschreie, die unnatürlich lange nachhallten. Ferne Schritte durch uraltes Laub. Ungewissheit allerorts.

Und trotzdem. Wirklich feindselig wirkte hier nichts. Nur von dunklem Leben erfüllt. Das natürliche Äquivalent von Skatern um Mitternacht?

Boys´n´Girls mit dunklem Lachen in der mitternächtlichen Stadt auf

Boys´n´Girls mit dunklem Lachen in der mitternächtlichen Stadt auf

Im Dokument Peter Nathschläger. Mark singt Roman (Seite 89-107)