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Unten brutzelte Speck. Mark konnte es nicht nur riechen, sondern auch

hören. Er schlug die Decke zurück und setzte sich auf. Warum konnte er es hören? Ladies and Gentlemen! Eine Zehnerfrage! Na, weil die Tür nicht zu, sondern nur angelehnt war. Mark war aber überzeugt, dass er sie zugemacht hatte. Er rieb sich den Schlaf aus den Augen und sah sich im Zimmer um. Neben dem kleinen Schreibtisch unter dem Fenster stand sein Rucksack und auf dem Sessel lagen ordentlich gefaltet die Sachen, die er gestern angehabt hatte. Nur. Hm. Er stand auf und grinste über seinen wippenden Halbsteifen. Dann legte er die Hand auf die Boxershorts und konnte sich einen verblüfften Pfiff nicht verknei-fen. Gewaschen und noch warm vom Trockner. Besser wie bei Muttern. Mark grinste und zog sich die Shorts an. Dann wartete er noch eine Weile und ging, als sich sein kleiner Freund etwas beruhigt hatte, auf die Toilette zum morgendlichen Wasserlassen.

Als er runterging und bei der Treppe rechts abbog, kam ihm gerade Johan entgegen, der ein Tablett balancierte.

„Guten Morgen. Gut geschlafen?“

Mark rieb sich demonstrativ die Augen und lächelte dabei.

„Oh ja. Bestens. Mann, das duftet. Wie das duftet. Ich wusste gar nicht, dass man morgens solchen Hunger haben kann.“

Sein Magen knurrte wie ein Wolf und Johan grinste. Er tätschelte mit dem Fingerrücken Marks Bauch und lachte: „Kriegst gleich was.“ Johan ging an Mark vorbei und sagte: „Draußen, okay? Heute ist ein wunder-schöner Tag. Übrigens: Cooles Piercing da im Nabel.“

Mark folgte Johan auf die Veranda und sah dabei auf die große Küchenuhr, die so hing, dass man sie gerade noch vom Vorraum aus sehen konnte. 7:45 Uhr. Heiliger Strohsack. So früh war er ja noch nie auf, wenn er frei hatte. Er erinnerte sich, dass es Partys gab, die ihn erst um halb Acht Uhr Morgens nach Hause spülten. Und wie lange mochte Johan schon wach sein? Wäsche waschen, trocknen, Frühstück machen

… Und wie sollte er sich je dafür revanchieren können? Das war ja wohl nicht selbstverständlich.

Mark kam ein böser, kleiner Gedanke, den er ärgerlich weg schob.

Nein. Das war es wohl doch nicht, oder?

Mark hatte schon das Gefühl, dass er dieses Thema anschneiden

musste, ehe der Karren vielleicht zu verfahren war. Aber nichts sprach dafür das es dass war, außer Johans Höflichkeit und seine Hilfsbereit-schaft, die alles übertraf, was Mark je erlebt hatte. Er setzte sich auf den gleichen Platz wie gestern und schaufelte das Frühstück in sich rein.

Dennoch arbeitete dieser lästige Gedanke in ihm und er wusste, dass er Johan fragen musste. Aber wie? Er trank Kaffee. Wie fragt man so was?

Er schmierte sich noch einen Toast mit Butter und arbeitete den Rest Speck und Spiegelei auf. Verschlungen, grad heraus?

„Johan?“

„Ja?“

Mark spürte, dass sich das verhasste Stottern wieder im Rachen staute.

„Du bist echt ein Klasse Typ. Ich meine, du lässt mich hier pennen und wäschst meine Sachen und dieses Frühstück. Aber weißt du, ich weiß nicht, wie ich mich revanchieren könnte. Mir fällt da echt nichts ein.

Nichts. Echt nichts.“

Das war mal genug fürs erste.

Johan sah ihn kauend an und begann zu grinsen.

„Du glaubst, ich mach das, weil ich auf ne Revanche aus bin? Ja? Hast du noch nie wem geholfen, einfach so, weil es dir richtig erschien?“

„Naja, ich ähhh …“

Mark spürte wie er rot wurde.

„Ich d d d dachte, d d du willst was vielleicht v v v von mir. W w w was ich dir nicht g g g eben kann…“

Mark brachte die Frage einfach nicht raus.

Aber Johan brachte es auf den Punkt:

„Du meinst, ich bin schwul und mach das alles nur als ausgetüfteltes Manöver, um mir dir zu ficken? Ist es das?“

Jetzt war Schluss mit lustig. Mark spürte, dass er gleich vor Scham zu heulen beginnen würde. Aber Johan beugte sich über den Tisch, klopfte ihm auf den Arm und seufzte:

„Mark, ich bin nicht schwul. Und wenn ich es wäre, wäre es mir auch egal. Ich hab da keine Vorbehalte, ja? Ich mag dich. Irgendwie habe ich den Eindruck, dass du ein außergewöhnlicher Mensch bist. Jemand, den man mögen muss. Obwohl du da deine Großstadtfassade hast und

alles. Und ich hab hier die Möglichkeit zu helfen. Meine Güte, Mark!

Das Haus ist groß und ich bin für 5 Tage hier. Vielleicht auch sechs Tage, was weiß ich. Und da kommst du angerauscht. Ich halte mich normalerweise zurück, wenn fremde Leute meine Wege kreuzen. Aber es schien mir okay so. Nein, mehr. Es schien mir richtig so. Und du brauchst dich gar nicht mit so idiotischen Gedanken befassen, von wegen revanchieren. Es ist gut, dass du da bist. Es ist alles okay so. Es ist ganz und gar okay so. Ich sitz hier nicht so allein rum und du hast die Chance, die Dinge zu ordnen, die vielleicht ein bisschen durchein-ander gekommen sind. Ich finde das nur fair.“

Mark schniefte ärgerlich eine Träne weg. Nicht ärgerlich, weil er Wasser in den Augen hatte, sondern dass er so… so verflixt städtisch dachte.

Johan war nicht außer sich, weil Mark ihm indirekt unterstellt hatte, mit ihm ficken zu wollen. Er war ganz einfach entrüstet, dass jemand denken konnte, er würde berechnend handeln oder sein Handeln nach einem möglichen Lohn ausrichten. Söldnerdenken. Johan lehnte sich zurück und zündete sich eine Zigarette an. Und für einen Wimpern-schlag lang spürte Mark das unbändige Bedürfnis, zu Johan zu gehen, um den Tisch zu gehen und ihn in die Arme zu nehmen. Schwul hin oder her. Aber der Moment verging und Mark trank langsam den Kaffee. Dann zündete er sich auch eine Zigarette an und sah zu, wie die Landschaft munter wurde.

Später half er Johan, das Geschirr in die Küche zu tragen und händisch abzuwaschen. Die Spannung, die sich kurzzeitig aufgebaut hatte, verflog mit der steigenden Sonne. Später, so gegen halb Zehn, setzten sie sich wieder raus auf die Veranda. Mark hatte Johan geholfen, nach Witterungsschäden zu schauen. Er hatte zwar nur eine sehr ungefähre Vorstellung davon, wonach er Ausschau halten musste, aber zweimal lag er richtig. Die Scharniere der Sturmkellertür waren heillos verrostet und der Rahmen eines rückwärtigen Kellerfensters war morsch.

Sie tranken Eistee und rauchten, als ein Wagen in die Auffahrt rollte.

„Oh Scheiße. Das fette Arschloch rollt an.“

Mark sah zu, wie der Wagen um den Brunnen rollte. Der District Sheriff. Und was sich da aus dem Wagen quälte, war tatsächlich fett.

Monströs.

„Egal was der Typ sagt,“ raunte Johan, „es hört sich immer wie ne Unterstellung an.“ Dann hob er sich ein Lächeln ins Gesicht und rief:

„Hallo, Sheriff Pinter. Schön Sie wieder zu sehen!“

Mark musste sich zusammenreißen, um nicht lauthals zu lachen.

Der Sheriff watschelte um den Wagen und kämpfte sich die Veranda-treppe hoch. Schnaufend blieb er stehen und Johan nutzte die Zeit, um dem Sheriff ein Glas Eistee einzuschenken. Sheriff Pinter nahm Johan das Glas mit einem Haifischlächeln und einem blitzartigen Blick auf Mark aus der Hand und trank es zur Hälfte leer.

„Johan, mein Junge. Machst du ne Sommerkontrolle oder was? Alles in Schuss hier? Wann bist du angekommen? Ich hab gestern Abend Licht gesehen und da dachte ich mir, ich dachte, schau mal rauf zum kleinen Johan …“

Er holte sich ein reichlich versautes Taschentuch aus der Hose und wischte sich die Stirn ab.

„Und wer ist dein kleiner Freund da?“

„Ein Brieffreund aus New York. Mark heißt er. Mark, das ist der Sheriff Richard Pinter.“

Mark nickte und winkte zwanglos.

Der Sheriff bedachte ihn mit einem kurzen, kalten Blick und wandte sich wieder Johan zu: „Und was macht ihr beiden Jungs so den ganzen Tag? Viel zu reparieren gibt es ja wohl nicht, oder?“ Der Blick wurde lauernder.

„Den Großteil hätten wir mal angeschaut. Mark macht für ein Magazin Fotos von den Brücken. Wir fahren wahrscheinlich heute Mittag zur ersten und schauen dann weiter.“

„Fotos? Wie dieser Typ in dem Schnulzenroman? Die Brücken am Fluss? Ja? Na ich hoffe, die Bilder werden besser als dieses Buch, so wahr ich hier stehe.“

„Ich werde mein Bestes geben, Sheriff“, sagte Mark leichthin.

Der Sheriff wandte sich abrupt ab, so, als ob die Audienz beendet wäre und schwabbelte die Treppen runter und zum Wagen rüber. Als er drin saß, ließ er das Beifahrerfenster runter und rief: „Bleibt sauber, Jungs“,

und rauschte ab.

Mark sah Johan verblüfft an. „Was meint der mit: Bleibt sauber Jungs?

Spinnt der?“

Johan lachte. „Ich hab dir doch gesagt, was der für einer ist. Alles was der sagt, klingt wie ne Unterstellung. Der kommt sich wahrscheinlich wahnsinnig schlau dabei vor …“

„Na ja. Aber das kann einen echt nerven, oder?“

Johan nickte und stand auf. „Aber die Idee ist nicht schlecht. Wir könnten wirklich zu den Brücken fahren. Wir müssen ja nicht den ganzen Tag hier herumhängen, oder?“

„Dort, wo Clint Eastwood Meryl Streep geküsst hat? Au ja. Das ist okay. Live vor Ort. Den heiligen Boden betreten, auf dem Clint wandelte. Au Mann. Das machen wir.“

Johan lachte und schlug Mark auf den Rücken. „Unterwegs besorgen wir dann noch ein paar Sachen zum Knabbern, Bier und son Zeugs halt.“ Mark nickte.

„Jetzt gleich?“

„Na sicher. Auf was sollen wir warten?“

Mark nickte wieder und sie gingen zu dem alten Ford. „Fährt der noch?“

Johan warf ein Verschwörerlächeln über das Stoffverdeck des Ford und imitierte Harrison Ford in Krieg der Sterne: „Schrottmühle? Sagten Sie Schrottmühle? Ich will Ihnen was sagen, mein Junge: Dieser Frachter hier hat das Quasalrennen in 55 Parsec gewonnen. Und ich hab noch ein paar Überraschungen eingebaut. Die imperialen Streitmächte sind ja wohl nicht gerade die Freunde des Schmugglers, will sagen, des freien Händlers.“

Mark stieg kichernd ein und Johan ließ das Dach aufgehen. „Sonnen-brille wäre auch nicht schlecht. Da hauts einen echt die Augen ein.“

Johan nickte. „Das besorgen wir alles in Winterset. Oder bei einer Tankstelle auf der Strecke. Die sind zwar dort alle wegen der Blumen-woche völlig durch den Wind, aber ich denke schon, dass wir gute Chancen haben, die Sachen zu kriegen.“

Sie fuhren die Zufahrtsstraße runter und dann gemächlich auf der

Waldstraße Richtung Winterset. Licht und Schatten wechselten sich flirrend ab, das Haar wurde vom Wind gekämmt und Mark wurde sich bewusst, dass er zum ersten Mal in seinem Leben in einem Cabriolet saß. Cool. Johan war das, was man in New York einen stinklangweili-gen Fahrer nennen würde. Er fuhr langsam und souverän, sehr vorausschauend und bewusst. Kurz, er fuhr gut.

„Es gibt 19 dieser Brücken in Madison County. Sie alle sind im Nationalen Register für Historische Plätze eingetragen. Üblicherweise wurden die Brücken nach den Familien benannt, die am nächsten wohnten. Wir fahren erstmal zur Roseman Bridge. Die ist recht schön und die Landschaft ist toll. Und zu der Brücke gibt es auch eine Legende. Urbane Legenden, kennst das ja. 1892 wurde ein Ausbrecher umstellt, wenn man das so sagen kann. Er war in der Mitte der Brücke und beide Ausgänge waren versperrt. Also ließ er einen verzweifelten Schrei los und sprang durch das Dach der Brücke nach oben. Und obwohl ihn die Polizei und deren Helfer noch stundenlang suchten, konnten sie ihn nie finden.“ Johan unterbrach seine Erzählung und fuhr den Wagen bei einer Tankstelle von der Straße runter und auf den Kiesparkplatz. Er stellte den Ford auf einem Parkplatz ab und fragte Mark: „Kommst du mit rein? Hier gibt es so gut wie alles für kleine verwirrte Tramper.“ Mark knuffte Johan sachte in die Rippen und stieg lachend aus.

„Klar!“

Der Verkaufsraum war übermäßig klimatisiert und der junge Verkäufer saß mit einer Strickweste hinter dem Tresen. Johan grüßte ihn: „Hi Ronny. Alles senkrecht?“

Ronny ließ seine Lektüre, ein Clever & Smart Heft, auf den Tresen fallen und lächelte ein Zahnlückenlächeln. „Johan. Schön, dich zu sehen. Wie lange bleibst du diesmal? Wieder nur ein paar Tage?“

Mark spürte einen kleinen, merkwürdigen Stich im Herz. Ein paar Tage

… Er wusste nicht, warum ihm diese Frage des Verkäufers so nahe ging, aber sie tat es. Zweifellos.

„Das ist mein Freund Mark aus New York. Er wird ein paar Bilder von den Brücken schießen. Sei nett zu ihm. Er ist Reporter“, log Johan

munter drauf los. Irgendeine Geschichte muss man den Leuten einfach erzählen. Sonst fangen sie an, neugierig zu werden. Oder selbst Geschichten zu spinnen. Da ist es schon besser, man kommt ihnen zuvor. Ronny nickte lässig in Marks Richtung.

„Braucht ihr Proviant? Alles da. Das Hackfleisch kam heute Morgen, Schinken ist frisch und Gemüse auch.“

Johan überlegte kurz und ging seine Einkaufsliste im Kopf durch. Dann holte er die Sachen zusammen und stellte sie am Tresen neben der Kassa ab: Abgepackten Schinken, Schinken im Stück, Eier, Weißbrot, Brötchen, Mayonnaise, Senf, Grillwürstchen und Rindsbraten, 3 Sechserpackungen Bier, Mineralwasser in der Plastikflasche, 5 Liter Orangensaft und Milch.

Mark gab noch eine Baseballmütze und zwei Sonnenbrillen neutraler Machart dazu. Schwarzgrünes Glas und schwarzer Rahmen. Sahen aus wie Ray Ban Wayfarer, waren aber um einiges billiger.

Johan überlegte kurz und nahm dann aus der Reihe für Autozubehör noch eine Kühltasche dazu. „Damit die Sachen frisch bleiben, bis wir wieder zu Hause sind.“

Das gefiel Mark. Bis wir wieder zu Hause sind. Er war sicher, dass Johan diesen Satz rein informativ gemeint hatte. Aber Mark spürte darunter eine tiefere Bedeutung. Es war schwer in Worte zu fassen. Er fühlte sich wie ein Halbwüchsiger auf einem Campinglager, dessen Zeltgenos-se auch Zeltgenos-sein bester Kumpel ist: Wenn wir wieder in unZeltgenos-serem Zelt sind, wenn die anderen schlafen … Kartenspielen, dann rauchen wir eine … ich habe Kiff dabei … Raunen, flüstern. Geteilte Geheimnisse. Es waren gute Gefühle, die Johan so unbewusst durch solche Sätze vermitteln konnte.

Als sie alles beisammen hatten, packten sie die Sachen, die gekühlt gehörten, in die Kühltasche und Ronny spendete noch zwei tiefgefro-rene Kühlbatterien.

„Das hält schon so“, warf Johan ein und bezahlte.

Mark wollte ebenfalls das Portemonnaie zücken, kam aber zu spät. Er nahm sich vor, die Rechnung bei nächster Gelegenheit zu bezahlen.

Zumindest die Hälfte. Sie fuhren eine Weile auf einer kerzengeraden Straße dahin, bis Mark rechter Hand die Brücke sah. Er bekam eine

Gänsehaut und wilde Erregung packte ihn. Eine spöttische Stimme fragte hinter seinem Ohr: Mann, Mann, Mann… Was machst du für nen Tango wegen einer wurmstichigen Brücke? Was ist da dran? Komm wieder runter.

Aber Mark wollte nicht wieder runterkommen. Im Gegenteil. Ihm gefiel, dass etwas so gewöhnliches wie eine Brücke ihn so in Aufregung versetzen konnte. Johan lenkte den Wagen halb in den Straßengraben und schwang sich, ohne die Fahrertür zu öffnen, aus dem Auto.

„Komm schon, Mark. Und nimm die Kamera mit, die auf dem Rücksitz liegt.“

Mark griff hinter sich und fand tatsächlich eine Kamera auf dem Rücksitz. Sogar eine ziemlich teure Digitalkamera, die es ermöglichte, über ein USB Kabel die geknipsten Bilder direkt auf einen PC zu überspielen. Er griff sich die Kamera und stieg aus.

Nach dem beständigen Brausen des Fahrtwindes war es hier fast drückend still. Und heiß. Mark ging zu Johan und schaute durch die überdachte Brücke. Drinnen wirkte es schattig und kühl. Tauben gurrten und die Holzwände des Kastenbaus waren übersät mit Kritze-leien und eingeritzten Liebesschwüren. Am anderen Ende der Brücke stand eine Gruppe von Leuten, vermutlich Touristen. Er konnte nur ihre Umrisse sehen, die sich gegen das helle Licht abzeichneten. Auf ihrer Fahrt hatte Mark mitgekriegt, dass die Tatsache, dass hier ein Film mit Clint Eastwood gedreht worden war, von Madison County ordentlich vermarktet wurde. Am Straßenrand hatte er während der Fahrt verschiedene Schilder gesehen, die auf Sehenswürdigkeiten hinwiesen, die auch im Film vorkamen: Francescas Haus, Das Northside Cafe in Winterset, die Stone Bridge im Winterset City Park und so weiter und so fort. Die Texaco Tankstelle aus dem Film wurde nun Memorial genannt und Touristen würden sich auch vermut-lich davor abvermut-lichten lassen. Mark machte die Kamera bereit und hielt sich den Sucher ans Auge. Johan drehte sich halb um und zeigte Mark den Finger. Mark drückte ab. Johan spazierte zu einem der weiß gestrichenen Holzgeländer der Brücke und setzte sich auf den obersten Träger. Er spreizte die Beine etwas und Mark stellte verwirrt fest, dass er länger durch den Sucher starrte, als es notwendig gewesen wäre, um

ein gutes Bild zu schießen. Johan hatte ein schwarzes Tanktop an und frische, dunkelblaue Jeans. Er war von der Sonne schon recht schön braun, was einen hübschen Kontrast zu seinen hellblonden Haaren und den tiefblauen Augen bildete. Mark schallt sich einen Narren, als ihm diese Beobachtungen durch den Kopf gingen. Und nicht nur das.

Sondern dass sie ihn auch an einem Punkt tief drin berührten.

„Wird’s bald was?“

„Ja, Moment noch!“

Mark stellte noch verwirrter fest, dass seine Hände zitterten. Ganz leicht und nur aus nächster Nähe zu sehen. Aber es war nichts daran zu deuteln: Er war nervös.

„Noch eines?“

„Sicher.“

Mark ging etwas zur Seite, um Johan und einen Teil der Überdachung der Brücke auf das Bild zu kriegen. Und währenddessen freute er sich schon darauf, hier von Johan fotografiert zu werden. Als er den richtigen Winkel hatte und abdrücken wollte, hörte er das Getrappel der Reisegruppe von der anderen Seite, die über die Brücke auf diese Seite kamen. Stimmen wurden lauter und Mark hatte das Gefühl, dass ein weihevoller Moment zunichte gemacht wurde. Durch die Trivialität einer heiteren Gruppe von Leuten. Er drückte ab und Johan schwang sich vom Geländer. Eine ebenso fließende wie schöne Bewegung. Mark fiel einmal mehr auf, dass sich Johan so ungezwungen bewegte. Er bewegte sich grazil, aber nie darauf bedacht, wie es für andere aus-schaute, wenn er sich bewegte. Johan wirkte auf Mark wie jemand, der tief in sich eine Balance gefunden hatte, nach der andere Menschen (und oh ja: Auch er selbst) vielleicht ihr Leben lange suchen.

Und noch etwas machte Mark zu schaffen: Als er Johan die Kamera übergab und sich für einen kurzen Moment ihre Hüften berührten, ging

Und noch etwas machte Mark zu schaffen: Als er Johan die Kamera übergab und sich für einen kurzen Moment ihre Hüften berührten, ging

Im Dokument Peter Nathschläger. Mark singt Roman (Seite 65-89)