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Möglichkeiten der Weiterentwicklung bestehender

7. Handlungsansätze für die Weiterentwicklung

7.2 Möglichkeiten der Weiterentwicklung bestehender

oder „Leitstellen Älterwerden”) sollten daher zielgerichtet intensiviert werden, indem sie Öffentlichkeitsarbeit betreiben, Schulung und Fortbildung organisie-ren und Sponsoorganisie-ren der Wirtschaft zu gewinnen suchen.

7.2 Möglichkeiten der Weiterentwicklung bestehender

mit sämtlichen Vereinigungen der Träger der ambulanten Pflegeeinrichtungen überarbeitet und ergänzt wird, damit dies auch als Handlungsempfehlung in den Vergütungsverhandlungen vor Ort zum Tragen kommt.

7.2.1 Leistungsmodule

Module für pflegerische Hilfen sollten daher regelhaft einen Ansatz für die in den indirekten Pflegeleistungen enthaltenen kommunikativen Anteile auswei-sen, da sie für die Kooperation des Pflegebedürftigen bei der Dienstleistungs-erbringung wesentlich sind (vgl. auch Kapitel 6.4.1). Wie bereits die Diskussion zu den handlungsorientierten Besonderheiten der Pflegedienstleistung in Kapi-tel 4 gezeigt hat, ist diese potenziell konfliktträchtig, da eine gelingende Kopro-duktion nicht automatisch unterstellt werden kann.

Dies kann sich z.B. darin äußern, dass der Pflegebedürftige und die Angehöri-gen nicht das gleiche Ziel bei der Dienstleistungserbringung verfolAngehöri-gen wie die Pflegekraft. Erst wenn durch einfühlsame und intensive Kommunikation so etwas wie eine gemeinsame Handlungsbasis und damit auch Vertrauen gefun-den wergefun-den kann, führt dies dazu, dass die Dienstleistung angenommen wird und eine Form der Kooperation entsteht, bei der die am Pflegearrangement Beteiligten aktiv mitwirken.

Die zeitliche Bemessung dieser indirekten Pflegeleistungen – als Vorausset-zung für gelingende Koproduktion – sollte prozentual gleichmäßig für sämtliche Module erfolgen. Hinsichtlich der Bemessung dieses Prozentsatzes könnte auf Erhebungen zum Zeitbedarf des Pflege- und Betreuungsbedarfs, wie sie nach PLAISIR in einigen Bundesländern bereits für den stationären Bereich erhoben worden sind, zurückgegriffen werden.458 Derartige Erhebungen haben am Bei-spiel des Bundeslandes Hamburg unter anderem zu dem Ergebnis geführt, dass der erforderliche Zeitaufwand für Kommunikation pro Tag und Heimbe-wohner durchschnittlich 22 Minuten beträgt.459

Zwar beziehen sich solche Anhaltswerte auf den stationären Bereich und sind daher mit der in der häuslichen Lebenssituation erforderlichen Kommunikation nicht gleichzusetzen, weil hier i.d.R. noch pflegende Angehörige beteiligt sind.

Solange jedoch durch Verfahren wie z.B. PLAISIR nicht auch für den ambulan-ten Bereich vergleichbare Informationen für notwendige Pflege- und

458 PLAISIR erfasst den notwendigen Pflege- und Betreuungsbedarf von pflegebedürftigen Menschen, es handelt sich um ein Verfahren das ursprünglich aus Kanada stammt und seit einigen Jahren in der Schweiz umgesetzt wird. Auch in Bremen, Schleswig-Holstein, Hessen und Baden-Württemberg wurde dieses Verfahren in stationären Einrichtungen mit dem Ziel eingesetzt, auf aktueller Datenbasis zu erfassen, welche Pflegeleistungen Menschen benöti-gen.

459 Vgl. Hamburger Pflegegesellschaft (2003): Dieser Erhebung lagen 18 stationäre Einrichtun-gen mit 200 Bewohnern zugrunde.

ungsleistungen vorliegen, könnten diese zunächst als Orientierungswerte für eine prozentuale Bemessung dienen. So wäre es denkbar, einen Wert zwi-schen 2% und 5% der jeweiligen Gesamtbewertung eines jeden Moduls für kommunikative Anteile auszuweisen. In der Pflegedokumentation müssten die auf den Pflegeprozess bezogenen kommunikativen Ziele und Inhalte dabei nachvollziehbar dargestellt werden.

Ein weiterer Handlungsansatz für die Weiterentwicklung des Leistungsmodul-systems bezieht sich auf die Art und Weise, wie die Gesamtbewertung eines Moduls für die Pflegehaushalte verständlicher dargestellt werden kann. Die Gesamtbewertung eines jeden Moduls ergibt sich aus der Multiplikation von Punktzahl und Punktwert. Dies ist für die meisten Pflegebedürftigen und Ange-hörigen nur schwer zu verstehen. Dies hat zur Folge, dass die Pflegedienste als

„Übersetzer” auftreten müssen, um zu erklären, was sie im Rahmen ihrer Pfle-gestufe an Leistungen bekommen können und welche zeitliche Entlastung das für sie ausmacht.

Diese kommunikativen Ressourcen könnten sehr viel sinnvoller für den Pflege-prozess selbst anstelle für diese administrativen Aufgaben genutzt werden.

Anstelle des derzeitigen Punktesystems sollte daher mit konkreten Preisen und Zeiten agiert werden, denn Zeit gibt den Betroffenen eher einen Orientierungs-rahmen als eine abstrakte Punktzahl. So wäre ein Dienstleistungsangebot wie beispielsweise die „kleine Morgentoilette” (ca. 35–45 Minuten) zum Preis von 23 leichter verständlich als die derzeitige Information „kleine Morgentoilette”:

mit einer (beispielhaft zugrunde gelegten) Punktzahl von 350 (= 35 Minuten) und einem Punktwert von 0,065 (entspricht einem Stundensatz von 39 ). Der Preis von 23 bei einer Dauer von ca. 35–45 Minuten ist in der Alltagswelt der Betroffenen leicht kommunizierbar, was für den Erfahrungsaustausch unterein-ander bzw. für die Herausbildung von Vergleichs- und Kontrollkriterien von grundlegender Bedeutung ist.

Eine weitere Möglichkeit zur Verbesserung des Leistungsmodulsystems kann in der Notwendigkeit zu einer flexibleren Handhabung gesehen werden. Die reits in Kapitel 3.6 geäußerte Grundkritik am System der Leistungsmodule be-zieht sich darauf, dass die pauschalen Module nicht immer der individuellen Situation des häuslichen Pflegearrangements entsprechen. So sagt z.B. das Modul „kleine Morgentoilette” aus, dass eine Pflegedienstleistung am Morgen erbracht wird. Es sagt auch aus, welche Leistungen im Einzelnen dazu gehö-ren, also im Rahmen des Moduls finanziert werden (z.B. An- und Auskleiden, Teilwaschen, Mund- und Zahnpflege). Damit ist zwar eine Orientierung für den Pflegebedürftigen und den Angehörigen gegeben. Es muss aber soviel Flexibili-tät möglich sein, dass jemand beispielsweise auf das Kämmen durch den Pfle-gedienst verzichtet und dafür lieber etwas mehr Unterstützung für andere

Leis-tungen dieses Moduls in Anspruch nimmt. Es muss auch möglich sein, an Stelle einer Leistung im Rahmen des Moduls, die vom Pflegebedürftigen nicht benö-tigt wird, eine andere gleichwertige wählen zu können, also beispielsweise an Stelle einer Hilfestellung beim Aufstehen eine Unterstützung bei der Darm- und Blasenentleerung. Auch deshalb ist es wichtig, dass Leistungspakete mit einem Zeitrahmen hinterlegt sind, so dass der Pflegebedürftige und der Angehörige wissen, wie lange beispielsweise das Modul Morgentoilette dauert.

Des Weiteren sollten die hauswirtschaftlichen Leistungen nicht mehr nach Leis-tungsmodulen (wie z.B. Beheizen der Wohnung, Reinigung der Wohnung, Wa-schen/ Pflege der Wäsche und Kleidung) abgerechnet werden. Die Praxis hat besonders in diesem Bereich zahlreiche Mängel des Modulsystems offenbart.

Es hat sich häufig gezeigt, dass gerade die pauschale Bemessung für hauswirt-schaftlichen Tätigkeiten mit der Realität der individuellen Lebens- und Wohnsi-tuation nicht übereinstimmt.460

Die aufgezeigten Weiterentwicklungsmöglichkeiten des Leistungsmodulsystems können dazu beitragen, die grundsätzliche Kritik am pauschalierten Vergü-tungssystem wenigstens teilweise zu entkräften. Diese bezieht sich auf die starre Struktur der Modulpakete und den Vorwurf, dass dadurch eine flexible, dialogische Dienstleistungserbringung mit dem Pflegebedürftigen und den An-gehörigen erschwert wird, da Aushandlungen lediglich hinsichtlich der Zusam-menstellung der pflege- und hauswirtschaftsbezogenen Leistungsmodule in Abstimmung mit dem Pflegedienst erfolgen können (vgl. Kapitel 3.6).

Die dargelegten Ansätze zur Flexibilisierung des Modulsystems tragen dazu bei, dass Interaktion, Kommunikation und Koproduktion als Voraussetzung für die Pflegedienstleistungserbringung gewürdigt und damit ein individuelles Ein-gehen auf die Bedürfnisse des Pflegebedürftigen und auch der Angehörigen eher ermöglicht wird. Die Ablösung des Punktesystems durch Zeitansätze und Preise kann zudem die Kundensouveränität der Betroffenen stärken, da sie leichter nachvollziehen können, ob die Leistungen eines Moduls in der in der Rechnung des Pflegedienstes angegebenen Menge auch erbracht wurden und ob sich der Pflegedienst etwa in dem Zeitaufwand eines Moduls bewegt hat.

Auch sind Vergleiche mit anderen Pflegediensten sehr viel leichter möglich, was die Wahlfreiheit des Pflegebedürftigen unterstützt.

Die darüber hinaus diskutierte Flexibilisierungsmöglichkeit des Modulsystems im Bereich der Hauswirtschaft kann zudem zum Abbau von Verwaltungsauf-wand führen. Denn wenn hauswirtschaftliche Leistungen nach der tatsächlich erbrachten Zeit und nicht nach standardisierten Leistungspaketen (die häufig nicht mit den Gegebenheiten der häuslichen Situation übereinstimmen)

460 Vgl. „Das Capital“, (1995): „Suppe für 80 Mark“

rechnet werden, ist eine flexiblere individuelle Dienstleistungserbringung mög-lich.

Mit der gesonderten Ausweisung der kommunikativen Anteile innerhalb der Module kommt der Dokumentation der Leistungen und dem Qualitätsverständ-nis der Kostenträger eine wichtige Rolle zu: Pflegedokumentationen müssten einen anderen inhaltlichen Stellenwert erlangen, da nicht die personenbezoge-ne Kontrolle pflegeorientierter Leistungen im Mittelpunkt stünde, sondern die Frage nach der Qualitätssteigerung häuslicher Pflege durch eine beziehungs- und pflegeorientierte Dienstleistung.

Für das Qualitätsverständnis der Kostenträger, die die Dokumentation vorrangig als Kontrollinstrument zur Überprüfung abgerechneter Leistungen sowie des eingesetzten Personals benutzen, bedeutet dies eine Umorientierung auf die Prozess- und Ergebnisqualität. Ein Dokumentationssystem, das sich am Hand-lungsmodell des Pflegeprozesses orientiert, vermeidet zudem Mehrfachdoku-mentationen, ermöglicht eine übersichtliche Verlaufsdarstellung der Pflege und vermeidet damit Bürokratie.461

7.2.2 Zeitabrechnung

Im Vergleich zum Vergütungssystem der Leistungsmodule erweist sich das Zeitabrechnungssystem zunächst von seiner Struktur her als flexibler, da nicht pauschalierte Module, sondern tatsächlich erbrachte Leistungen zur Abrech-nung gelangen (vgl. Kapitel 3.6).

Im Zeitabrechnungssystem stellt sich zunächst die Problematik der indirekten Pflegeleistungen nicht in gleicher Weise wie beim System der Leistungsmodule, da hier keine starren Komplexpauschalen für die Abrechnung zugrunde gelegt werden, sondern die tatsächlich erbrachte Pflegezeit. Die in dieser Zeit erbrach-ten unterstützenden, anleierbrach-tenden und beraerbrach-tenden Hilfestellungen können somit flexibel und am individuellen Bedarf orientiert abgerechnet werden.

Damit der Leistungsbezug der kommunikativen und beratenden Handlungen im Rahmen einer Zeitabrechnung ausreichend gewürdigt wird, ist es wie bei der Weiterentwicklung des Modulsystems erforderlich, dass beratende und kom-munikative Anteile sowie sämtliche genannten indirekten Pflegeleistungen in der Pflegedokumentation zum Ausdruck kommen.

Die Erfahrungen im Umgang mit dem Zeitsystem zeigen, dass Angehörige während eines Pflegeeinsatzes kritisch das Arbeitstempo und damit die Höhe der Abrechnung kontrollieren; ähnliche Effekte wären bei der gesonderten Be-rücksichtung von Kommunikation und Interaktion nicht auszuschließen, da sich

461 Vgl. BMFSFJ (2005): S. 13

die Abrechnung im Zeitsystem an den tatsächlich erbrachten Leistungen orien-tiert.

Wenn es im Rahmen der Kommunikation gelänge, den Pflegebedürftigen und pflegenden Angehörigen den Nutzen der Interaktion zu verdeutlichen, könnte dieser Effekt gelindert werden. Im Ergebnis kann dies sozusagen als ein Kom-munikationsproblem betrachtet werden: wenn die Kommunikation gelingt, d.h.

z.B. auch zu greifbaren Ergebnissen führt (z.B. zu einer Anpassung des Pflege-arrangements), dann wird sie von den Beteiligten auch als sinnvoll und notwen-dig angesehen.

Seitens der Pflegebedürftigen und der pflegenden Angehörigen besteht ein großes Bedürfnis nach einer vertrauensvollen Zusammenarbeit mit den Pflege-diensten (vgl. Kapitel 6.3.1). Vertrauen kann nur durch Kommunikation und Beziehungsarbeit entstehen. Dass diese wichtige Arbeit angemessen vergütet wird, wäre eine wesentliche Voraussetzung seitens der Familienhaushalte für eine gelingende „flexibilisierte” Zeitabrechnung.

7.3 Case Management als Handlungsansatz zur Unterstützung