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2.3 Nanotechnologien

2.3.5 Lipidnanokapseln

Bei den in dieser Arbeit verwendeten Lipidnanokapseln (LNC) handelt es sich um Nanopartikel mit einem flüssigen Kern auf der Basis von Triglyceriden (Labrafac®), welcher von einer Phasengrenzschicht aus oberflächenaktiven Tensiden (Lipoïd® und Solutol®) umgeben ist. Um den Partikel gegenüber metabolischen Einflüssen im Körper zu schützen,

wurde die Partikeloberfläche zusätzlich mit Polyethylenglycol (PEG) modifiziert, wodurch die Opsonisierung über das Komplementsystem des Körpers erschwert wird. Hierüber kann eine wirkungsvolle Maskierung des Partikels gegenüber dem Immunsystem erwirkt werden (KIM et al. 2010; VONARBOURG et al. 2009), was zu einer längeren Halbwertszeit im Blut und damit zu einer längeren Zirkulation im Körper führt (ABDEL-MOTTALEB et al. 2010;

PERRIER et al. 2010). Des Weiteren wurde der Nanopartikel über eine Bindung zum PEG mit dem Fluoreszenzmarker Fluoreszein-5-isothiocyanat (FITC) markiert, um eine Lokalisation der Partikel in vitro und in vivo zu ermöglichen.

In den vorliegenden Versuchen wurde der Einfluss des Phosphodiesterase-Hemmers Rolipram auf den Erhalt von Spiralganglienzellen untersucht. So konnten WHITAKER et al.

(2008) bereits einen neuroprotektiven Effekt für Rolipram nachweisen. Da Rolipram im Intrazellularraum wirkt, wurde neben einer direkten Behandlung der Effekt über eine Applikation mittels LNC als Drug-Delivery-System untersucht. So wäre eine verlängerte Freisetzung des Arzneimittels aus dem Nanopartikel denkbar, worüber ein gesteigerter Effekt erzielt werden kann.

So konnten im Hinblick auf die Therapie von Tumoren bereits eine große Vielzahl von unterschiedlichen Medikamenten in das Innere der Lipidnanokapseln eingefügt werden, wobei Doxorubicin, Paclitaxel, Docetaxel und Hydroxytamoxifen als Beispiele genannt seien sollen (HUYNH et al. 2009). Allen Arzneimitteln ist eine hohe Lipophilität gemeinsam, die es vergleichsweise einfach macht, sie in den lipophilen Kern des Nanopartikels einzuschließen.

Aber auch hydrophile DNA Abschnitte konnten über eine besondere Methode in Lipidnanokapseln eingeschlossen werden. So bediente man sich eines Lipoplexnanopartikels in welchem die DNA eingeschlossen wurde und somit in die LNC eingeschleust werden konnte. Im Tierversuch zeigte sich nach der intravenösen Applikation der Partikel in die Schwanzvene von Mäusen, dass eine wesentlich längere Verweildauer der LNCs im Organismus erreicht werden konnte, was auf eine signifikant verbesserte Stabilität der LNC im Vergleich zu solitär injizierten Lipoplexen hinweist. So wurden nach 60 Minuten noch etwa 40 % der fluoreszenzmarkierten LNCs im Blut der Mäuse nachgewiesen (VONARBOURG et al. 2009), während die Konzentration der Lipoplexe nach fünf Minuten bereits einen Wert von unter 1 % erreicht hatte (BARRON et al. 1998). Diese Stabilität zeigt entscheidende Vorteile der Lipidnanokapseln im Hinblick auf eine verlängerte Abgabe von

Arzneimitteln. So konnten LAMPRECHT et al. (2002) in früheren Studien mittels High-performance liquid chromatography (HPLC) nachweisen, dass die LNCs bei einem physiologischen pH-Wert von 7,4 und 37 °C die Hälfte ihres Ladungsgutes erst nach etwa einer Woche freigegeben haben. Ein initialer Burst-Effekt, d. h. die Freisetzung des vollständigen Ladungsgutes nach etwa einer Minute, wie er sich bei solid lipid nanocapsules gezeigt hatte (ZUR MÜHLEN et al. 1998), konnte nicht beobachtet werden. So können die hergestellten Nanopartikellösungen bei einer Temperatur von 4 °C über Monate gelagert werden, ohne dass sie ihr Ladungsgut freisetzen (HUYNH et al. 2009). Eine weitere interessante Studie zeigte, dass mit PEGylierten DNA-Lipidnanokapseln eine erheblich erhöhte Transfektionsrate in neoplastischem Gewebe erzielt werden konnte (MORILLE et al.

2010). Hierbei wurde die Genexpression der in den Partikeln inkorporierten Luciferase nach intravenöser Injektion in Tumorgewebe, Lungen, Nieren, Leber und Milz der Versuchstiere evaluiert. Durch die Synergie von der erhöhten Zirkulationsdauer der mit PEG oberflächenmodifizierten Nanopartikel und dem EPR-Effekt (enhanced permeability and retention) konnte eine 84-fach höhere Luciferaseexpression im Tumorgewebe im Vergleich zu den anderen Organen erzielt werden. Hierbei kommt es durch den EPR-Effekt zu einer Anreicherung der Nanopartikel im Gewebe des Tumors, was im Wesentlichen durch die höhere Vaskularisation des tumorösen Gewebes, insbesondere aber auch durch die erhöhte Permeabilität dieser Gefäße bedingt ist und zum Übertritt der Partikel in das Gewebe führt.

Durch die erheblichen Mängel des lymphatischen Systems im neoplastischen Gewebe werden Fremdstoffe über die Lymphe nur unzureichend abgeführt. Folglich kommt es zur Retention der Nanopartikel im Tumorgewebe (MATSUMURA und MAEDA 1986).

Neben der Tumormedizin bieten sich Lipidnanokapseln aber auch in vielen anderen Gebieten der Medizin als vielversprechendes Drug-Carrier-System an. Als Beispiel sei die Möglichkeit einer effektiveren Vakzination genannt. Über die Oberflächenmodifikation mit Mannosederivaten wird eine Aufnahme der Partikel über Mannoserezeptoren von antigenpräsentierenden Zellen erleichtert (HEURTAULT et al. 2010). Weiterhin konnten erfolgreiche Studien mit antikörperbeschichteten LNCs hinsichtlich der Überwindung der Blut-Hirn-Schranke durchgeführt werden. So zeigten mit monoklonalen OX-26 Antikörpern beschichtete Nanopartikel eine nach intravenöser Injektion um 100 % erhöhte Konzentration im Gehirn im Vergleich zu nichtkonjugierten Nanokapseln. Über den OX-26 Antikörper wird

eine zielgerichtete Verbindung zum Transferrinrezeptor des zerebralen Endotheliums ermöglicht, wodurch eine verbesserte Überwindung der Blut-Hirn-Schranke erzielt wird (BEDUNEAU et al. 2008).

Die Überwindung von Barrieren spielt auch in der Behandlung von Innenohrerkrankungen eine große Rolle. So sind die Strukturen der Cochlea durch die Blut-Cochlea-Schranke vor Fremdstoffen aus dem Blut weitgehend geschützt, was eine systemische Behandlung von Innenohrerkrankungen sehr schwierig macht (SWAN et al. 2008). Erste Studien zielten darauf ab, die Verteilung von Lipidnanokapseln im Inneren der Cochlea zu untersuchen, nachdem sie über eine Eröffnung des Mittelohres auf die Rundfenstermembran von Ratten appliziert wurden. ZOU et al. (2008) zeigten, dass die fluoreszenzmarkierten Lipidnanokapseln bereits 30 Minuten post applicationem die Rundfenstermembran auf parazellulärem Weg durchdrungen hatten und in den zellulären Strukturen der Cochlea aufgenommen wurden. Die Verteilung zeigte sogar eine intranukleare Aufnahme der Partikel in Spiralganglienzellen, deren Behandlung bei Patienten mit sensorineuralem Hörverlust von besonderem Interesse ist.

Weitere Studien mit Meerschweinchen wiesen eine homogene Verteilung in den Zellen des Innenohres nach intracochleärer Applikation via Cochleostomie auf. Hierbei wurde die Fragestellung nach einer etwaigen spezifischen Verteilung sowie nach toxischen Effekten bearbeitet. Die Ergebnisse zeigten eine hervorragende Aufnahme der ebenfalls fluoreszenzmarkierten Partikel in die unterschiedlichen Zellpopulationen, wobei die Auswertung von Zytocochleogrammen keine toxischen Effekte an den Haarzellen erkennen ließ. SCHEPER et al. (2009b) konnten mit dieser Studie grundlegende Resultate hinsichtlich dieses auch für die Otologie sehr vielversprechenden Drug-Carrier-Systems erzielen.