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2.2 Hörminderung und Ertaubung

2.2.3 Kompensation des sensorischen Hörverlusts durch Cochlea-Implantate

Nach Verlust der Haarzellen ist es heute mittels eines Cochlea- Implantats möglich, ertaubten Patienten die Wiedererlangung eines Höreindrucks zu vermitteln. Hierdurch kann betroffenen Personen ein erneutes Sprachverständnis ermöglicht werden, was in einer erheblichen Steigerung der Lebensqualität resultiert (MATSCHKE u. PLATH 1988). Um jedoch eine Therapie mit Cochlea-Implantaten gewährleisten zu können, muss nach der Schädigung der sensorischen Strukturen die vollständige Funktionalität der den reizweiterleitenden Anteile der Hörbahn gegeben sein (BOENNINGHAUS u. LENARZ 2007).

Cochlea-Implantate bestehen aus mehreren externen sowie internen, implantierten Anteilen.

Zu den äußeren Anteilen zählt der im Außenohrbereich getragene Sprachprozessor, welcher über ein Mikrophon empfangene Schallschwingungen nach Filterung, Entrauschung und Komprimierung in elektrische Signale umwandelt. Das erzeugte Signalmuster wird an die ebenfalls externe, an der Kopfhaut getragene Sendespule weitergeleitet. Durch elektromagnetische Induktion wird die Information transkutan an die im Bereich des Mastoids implantierte Sendespule übermittelt. Letztlich gelangen die Signale über die mit der Sendespule verbundene Elektrode zum Hörnerv (LEHNHARDT et al. 1986). Die über eine Cochleostomie oder über die Rundfenstermembran in die Scala tympani eingeführte und möglichst modiolus- und damit spiralganglienzellnah positionierte Mehrkanalelektrode, ermöglicht durch die bis zu 22 Elektrodenkontakte eine frequenzabhängige elektrische Reizung der Spiralganglienzellen. Diese generieren daraufhin Aktionspotentiale, welche über

die zentrale Hörbahn zum auditorischen Cortex weitergeleitet werden, wo sie einen Höreindruck evozieren (LENARZ 1997).

In den letzten Jahren konnte unter anderem durch die Weiterentwicklungen der Elektroden ein immer besseres Hörempfinden und damit auch ein erheblich gesteigertes Sprachverständnis erzielt werden (HELMS u. MÜLLER 1999; BRADLEY et al. 2010). Dennoch ist der durch das Implantat erreichte Höreindruck nicht mit den physiologischen Leistungen zu vergleichen. Des Weiteren treten zuweilen beträchtliche Unterschiede zwischen behandelten Personen auf, welche in den individuellen Voraussetzungen begründet liegen (GANTZ et al.

1993). Zusätzlich wird die Funktionalität des Cochlea-Implantats durch zwei wesentliche Faktoren beeinträchtigt. Zum einen muss die Anzahl der durch die Hörprothese angeregten Spiralganglienzellen auf einem möglichst hohen Niveau erhalten werden (INCESULU u.

NADOL 1998), zum anderen kommt es durch postoperative Gewebsreaktionen zu Bindegewebsproliferationen und somit zu einer verschlechterten Nerv-Elektroden Interaktion, welche eine suboptimale Signalübertragung zwischen Elektrode und Spiralganglienzellen bedingt (NEWBOLD et al. 2004; PAASCHE et al. 2009).

2.2.4 Ansätze zur Verbesserung der (erv-Elektroden-Interaktion

Durch den Verlust der Haarzellen im Zuge der sensorischen Hörminderung kommt es aufgrund fehlender Haarzell-vermittelter elektrischer Stimulation, sowie der ausbleibenden Produktion von neurotrophen Faktoren zu einer progressiven Degeneration der Spiralganglienzellen (DODSON 1997; KANZAKI et al. 2002). Diesen sekundär eintretenden Zellverlust gilt es aufzuhalten, da eine Therapie mittels Cochlea-Implantat ohne eine ausreichende Dichte dieser Nervenzellen nicht optimal genutzt werden kann.

Durch intensive Forschung konnten eine Vielzahl von neuroprotektiven Substanzen ermittelt werden, welche einen positiven Einfluss auf das Spiralganglienzellüberleben in vitro, sowie auch im Tierversuch nach erfolgter Ertaubung, zeigten (GILLESPIE u. SHEPHERD 2005).

In Zellkulturexperimenten wurde ein protektiver Effekt auf das Spiralganglienzellüberleben unter anderem für brain-derived neurotrophic factor (BDNF), neurotrophin-3 (NT-3) sowie neurotrophin-4/5 (NT-4/5) nachgewiesen. Diese zu den Neurotrophinen gehörenden

Substanzen stellen körpereigene Signalstoffe dar, welche über die Bindung an membranständige Rezeptoren die Interaktionen zwischen Neuronen modulieren und einen Einfluss auf das Überleben (HEMPSTEAD et al. 2006) und die Funktion der Neurone haben (REICHHARDT et al. 2006). Es werden zwei Arten von Rezeptoren unterschieden. Zum einen können Neurotrophine über den p75NT-Rezeptor binden, welcher zu den Rezeptoren der Tumor-Nekrose-Faktor (TNF)-Familie gehört und alle Neurotrophine binden kann und dadurch einen programmierten Zelltod auslöst. Im Vergleich zu den Rezeptoren der Tyrosinkinase-Rezeptor-Familie (TrkA, TrkB, TrkC) ist seine Affinität zu Neurotrophinen aber vergleichsweise gering. Diese hingegen binden nur spezifische Neurotrophine, wobei nach erfolgreicher Bindung eine Kaskade antiapoptotischer Vorgänge ausgelöst wird. Der für BDNF spezifische Rezeptor wird als TrkB bezeichnet (HUANG u. REICHARDT 2001). So erwiesen sich BDNF und NT-4/5 als sehr potente Substanzen, um das Überleben von kultivierten Spiralganglienzellen neonataler Ratten im Vergleich zu unbehandelten Kontrollgruppen zu sichern, während der Effekt von NT-3 zwar schwächer ist, aber dennoch eine signifikante Protektion zeigte (ZHENG et al. 1995; MALGRANGE et al. 1996;

MARZELLA et al. 1999). Durch BDNF konnte des Weiteren eine Stimulation des Neuritenwachstums bei neonatal gewonnenen Spiralganglienzellen beobachtet werden (HARTNICK et al. 1996; MALGRANGE et al. 1996; GILLESPIE et al. 2001). Aber nicht nur Versuche mit neonatal gewonnenen, auch Studien mit Spiralganglienzellen adulter Ratten zeigten einen positiven Einfluss von BDNF auf die Überlebensrate (LEFEBVRE et al. 1994).

So scheint der trophische Support der Spiralganglienzellen durch neurotrophe Faktoren auch im ausgewachsenen Organismus eine entscheidende Rolle zu spielen (GILLESPIE u.

SHEPHERD 2005), dennoch konnte bei Studien mit Spiralganglienzellen adulter Ratten kein vermehrtes Neuritenauswachsverhalten gezeigt werden (LEFEBVRE et al. 1994).

Auch im Tierversuch konnten die in den Zellkulturexperimenten gewonnen Erkenntnisse reproduziert werden. So wurden in zahlreichen Studien die Effekte unterschiedlicher neurotropher Faktoren an experimentell ertaubten Versuchstieren evaluiert. Besonders BDNF stellte sich in Versuchen mit mittels Kanamycin und Furosemid ertaubten Meerschweinchen als stark protektiv heraus. So wurde die Applikation von 0,25 µl/h BDNF in einer Konzentration von 62,5 µg/ml über einen Zeitraum von 28 Tagen ab dem fünften Tag nach der Ertaubung über eine osmotische Pumpe reguliert und bewirkte eine signifikant erhöhte

Spiralganglienzellüberlebensrate (SHEPHERD et al. 2005). GILLESPIE et al. (2004) konnten des Weiteren auch protektive Effekte für NT-3, NT-4/5 in einer Konzentration von 62,5 µl/ml bei einer Verabreichung von 0,25 µl/h nachweisen. Hierbei wurden die Tiere erst nach 14 Tagen mittels osmotischer Pumpen für 4 Wochen versorgt.

Aber auch ein nicht zu den Neurotrophinen gehörender neurotropher Faktor stellte sich im Tiermodell als vielversprechend heraus. Der zur Transforming Growth Factor-β-(TGF-β)-Superfamilie gehörende glial cell-line derived neurotrophic factor (GDNF) bewirkte bei durch Lärmexposition ertaubten Meerschweinchen ein signifikant gesteigertes Spiralganglienzellüberleben. Die Applikation des GDNF erfolgte dabei über einen Zeitraum von 3 Wochen mittels osmotischer Pumpe. Die Behandlung wurde 4 Tage nach der Ertaubung begonnen wobei zunächst eine Applikation von 72 ng/h GDNF über einen Zeitraum von 7 Tagen erfolgte. Die darauf folgenden 14 Tage wurde die Menge jedoch auf 50 ng/h GDNF reduziert (YLIKOSKI et al. 1998).

Neben der Applikation von neuroprotektiv wirkenden Substanzen wurden auch Studien zur Ermittlung eines spiralganglienzellprotektiven Effekts durch elektrische Stimulierung durchgeführt. Die Ergebnisse der Studien durch HEGARTY et al. (1997) zeigten einen positiven Effekt auf die Vitalität von isoliert angezüchteten Spiralganglienzellen durch Wechselstrom. WEFSTAEDT (2006) konnte dahingegen in einem ähnlichen Versuchsaufbau keine signifikant gesteigerten Überlebensraten im Vergleich zu unstimulierten Zellgruppen feststellen. Die Anwendung von elektrischer Stimulation zeigte im Tiermodell in Kombination mit Neurotrophen Faktoren vielversprechende Ergebnisse (KANZAKI et al.

2002; GILLESPIE u. SHEPHERD 2005; SHEPHERD et al. 2005). Aber auch der alleinige Einfluss der elektrischen Stimulation auf die Spiralganglienzelldichte ertaubter Meerschweinchen wurde von LOUSTEAU (1987) als signifikant erhöht beschrieben.

Weiterhin zeigte SCHEPER (2007) im Versuch mit Kanamycin/Ethacrynsäure ertaubten Meerschweinchen, dass durch die Kombination von GDNF und elektrischer Stimulation eine noch höhere Spiralganglienzelldichte erreicht werden kann als durch die einzeln verabreichten Faktoren. Hierbei wurde mit der Behandlung über die elektrischen Stimuli, sowie auch die Applikation der entsprechenden neurotrophen Faktoren, drei Wochen nach der Ertaubung begonnen.

Neben dem Erhalt der noch verbleibenden Spiralganglienzellen ist für die Therapie mittels eines Cochlea-Implantats eine möglichst optimale Nerv-Elektroden-Interaktion anzustreben.

Daher ist während der Insertion der Elektrode auf eine modiolusnahe Positionierung zu achten (SHEPHERD et al. 1993). So wurden mittlerweile Cochlea-Implantate entwickelt, deren spiralförmig hergestellte Elektrode zunächst über ein Stilett in gerader Position gehalten wird.

Während der Insertion der Elektrode wird das Stilett entfernt und die Elektrode kehrt in ihre Ausgangsformation zurück und kann sich so in Modiolusnähe positionieren (RAU et al.

2010). Durch die spiralganglienzellnähere Position wird so ein wesentlicher Einfluss auf die Hörschwelle genommen (SHEPHERD et al. 1993).

Ein weiterer wichtiger Einflussfaktor bezüglich der Nerv-Elektroden-Interaktion ist die Gewebsmanipulation im Rahmen der Operation. So kommt es durch die Insertion des Implantats zu einer Fremdkörperreaktion, in deren Verlauf der Organismus die Elektrode durch Bildung von Bindegewebe vom Körper abkapselt (TYKOCINSKI et al. 2001;

PAASCHE et al. 2006). Dadurch kommt es zu einer Erhöhung der Impedanzen zwischen Nerv und Elektrode, was zum einen zu einer Erhöhung der Hörschwelle, zum anderen aber auch zu einem erhöhten Energieverbrauch des Implantats führt. So richtet sich ein Schwerpunkt der Forschungen auf eine Verminderung der postoperativen Bindegewebsbildung.

Als möglichen Ansatz für die Hemmung des Bindegewebswachstums eignen sich antiinflammatorisch wirkende Substanzen, wie zum Beispiel Glukokortikoide. Vertreter dieser Arzneimittelgruppe zeichnen sich durch ihre hohe antiinflammatorische und immunsuppressive Wirkung aus. In einer humanen Versuchsreihe konnte durch die einmalige intraoperative Applikation des Glukokortikoids Triamcinolon eine signifikante Verringerung der Impedanz von Patienten mit Cochlea-Implantaten im Vergleich zur Kontrollgruppe erreicht werden. Hierbei wurde das Glukokortikoid in Form einer Kristall-Suspension verabreicht, was die Freisetzung des Arzneimittels über einen verlängerten Zeitraum von mehreren Wochen sicherstellte (PAASCHE et al. 2006). Auch HUANG und Kollegen (2000) konnten zeigen, dass durch Glukokortikoidtherapie posttraumatische Gewebsreaktionen und die darauffolgende Fibrosierung verringert werden kann. Weiterhin konnte WEFSTAEDT (2006) belegen, dass eine Applikation des Glukokortikoids Dexamethason in einer Konzentration von 100 ng/ml keinen Einfluss auf das Überleben von in Zellkultur

angezüchteten Spiralganglienzellen hat. In einer weiteren Studie am Meerschweinchenmodell zeigte sich jedoch durch die Applikation von 0,5 µl Dexamethason in einer Konzentration von 100 ng/ml über einen Zeitraum von 4 Wochen nach Insertion eines Elektrodenträgers, keine signifikante Verringerung des postoperativen Bindegewebswachstums (SCHEPER 2007).

Ein weiterer Ansatz zur verbesserten Nerv-Elektroden-Interaktion besteht in der Modifizierung der Implantatoberflächen. Hierdurch soll die Adhärenz von entstehendem Bindegewebe verhindert werden, was in einer verringerten Impedanz resultieren würde.

In-vitro-Studien zeigten, dass auf mittels Lasertechnik mikrostrukturierten Modelloberflächen aus Silikon bzw. Platin das Fibroblastenwachstum signifikant gehemmt werden kann (REICH et al. 2008). Somit ist anzunehmen, dass durch die speziell strukturierte Elektrodenoberfläche eine weitere Optimierung der Leistung von Cochlea-Implantaten ermöglicht werden könnte.

2.2.5 Applikationswege zur medikamentösen Therapie des Innenohres

Die systemische Behandlung von Erkrankungen des Innenohres wird durch das Vorhandensein der Blut-Cochlea-Schranke erschwert. Nur durch die Applikation von Arzneimitteln in sehr hohen Dosierungen kann ein ausreichender Wirkstoffspiegel im Innenohr erreicht werden, was zu einem hohen Risiko von Nebenwirkungen führt (SWAN et al. 2008). Somit stellen lokale Therapien meist die einzige Möglichkeit dar, eine gezielte Behandlung von Innenohrerkrankungen durchzuführen.

Hierzu eignet sich zunächst die Applikation von Wirkstoffen über die Rundfenstermembran.

Im Gegensatz zur direkten intracochleären Verabreichung von Arzneimitteln wird eine genaue Dosierung durch erhebliche individuelle Unterschiede in der Dicke der Membran und der daraus variablen Diffusionsgeschwindigkeit erschwert (BANERJEE u. PARNES 2004).

Vorteile hinsichtlich der intracochleären Applikation ergeben sich aber durch ein geringeres Infektionsrisiko sowie einem geringeren Operationstrauma. Neben der Applikation von lipophilen Arzneimitteln, wie Glukokortikoiden, zeigten Studien auch den Übertritt von adenoviralen Vektoren durch die Rundfenstermembran in das Innere der Cochlea. So konnte mit Hilfe von Gensequenzen, welche in diesem viralen Drug-Carrier transportiert wurden, die erfolgreiche Transfektion von Zellen der Cochlea nachgewiesen werden, obgleich sie

wesentlich geringer war, als es in Studien mit intracochleärer Applikation gezeigt werden konnte (STÖVER et al. 1999). Aber auch die Applikation von Nanopartikeln, als mögliches Drug-Carrier-System, zeigte gute Penetrationseigenschaften durch die Rundfenstermembran (ZHANG et al. 2011).

Trotz des höheren Infektionsrisikos haben intracochleäre Applikationswege aufgrund der genaueren Dosierungsmöglichkeiten und der besseren intracochleären Verteilung erhebliche Vorteile gegenüber der Behandlung über die Rundfenstermembran. So können Arzneimittel durch die einmalige Applikation per Mikroliterspritze und angeschlossenem Injektionskatheter in die Scala tympani gebracht werden (LEGOUIX u. PIERSON 1977;

PAASCHE et al. 2006; SCHEPER et al. 2009b). Eine weitere Möglichkeit bieten osmotische Pumpen, welche über einen Mikrokatheter die entsprechenden Wirkstoffe kontinuierlich über einen längeren Zeitraum in die Cochlea bringen können, wobei sich aber das Risiko einer Fibrosierung durch den im Innenohr positionierten Katheter ergibt (BROWN et al. 1993).

Das Einschleusen von Gensequenzen stellt eine weitere Möglichkeit dar, erhebliche Erfolge in der Behandlung von Innenohrerkrankungen zu erzielen. Durch die Verwendung von Gensequenzen neurotropher Faktoren könnten die intracochleär transfizierten Zellen die Produktion dieser Substanzen selbst übernehmen (YAGI et. al. 2000; REJALI et. al. 2007).

Aber auch Gensequenzen zur Transdifferenzierung von Stützzellen des Cortischen Organs könnten eine hoffnungsvolle Therapiemöglichkeit ergeben. So konnten Stützzellen durch die Transfektion mit dem Math1 bzw. Atoh1-Gen in funktionelle Haarzellen umgewandelt werden (KAWAMOTO et al. 2003; IZUMIKAWA et al. 2005).

Der Transport dieser Gensequenzen ist über Drug-Delivery-Systeme, wie zum Beispiel virale Vektoren, durchführbar. Trotz vielversprechender Ergebnisse hinsichtlich der Expression und daraus erzielten protektiven Wirkungen auf die Zellen des Innenohres (DUAN et al. 2004;

YAGI et. al. 2000), weisen virale Vektoren erhebliche Nachteile auf. So zeigen sie meist sehr niedrige Transfektionsraten von geringer Dauer und sind gegenüber den unterschiedlichen Zelltypen sehr unspezifisch. Darüber hinaus zeigte sich ein hohes Potential für entzündliche und immunologische Reaktionen. Zudem weisen die Vektoren die Fähigkeit zur Migration in das kontralaterale Innenohr auf (KHO et al. 2000; STÖVER et al. 2000). Letztlich stellt die potentielle Infektiosität ein weiteres Risiko bei der Behandlung von Menschen dar, welches zudem ethische Bedenken begründet.

Eine weitere Behandlungsmöglichkeit besteht darin, über die zellbasierte Therapie neurotrophe Faktoren in der Cochlea freizusetzen. So können genmodifizierte Fibroblasten das Neurotrophin brain derived neurotrophic factor (BDNF) produzieren und über eine modifizierte Elektrode in die Cochlea gebracht werden (REJALI et al. 2007). Jedoch sind noch keine Daten über die Dauer der BDNF-Produktion sowie andere etwaige Einflüsse auf die Cochlea durch Abwanderung und einer dadurch möglichen Fibrosierung durch die eingebrachten Zellen bekannt.

Begründet durch die noch nicht absehbaren Gefahren der zellbasierten Therapie, sowie den Nachteilen der viralen Vektoren, besteht die Notwendigkeit, neue Therapiemöglichkeiten zu entwickeln, wobei ein viel versprechender Ansatz in der Entwicklung nonviraler Vektoren liegt. So bieten synthetisch hergestellte Nanopartikel eine aussichtsreiche Möglichkeit zum Transport von Arzneimitteln oder Gensequenzen und zeigen dabei nicht die erheblichen Nachteile viraler Vektoren auf. Die Vorteile der nanopartikelbasierten Therapie liegen in der nicht vorhandenen Infektiosität sowie in der Produktion von biodegradablen Grundgerüsten, welche eine möglichst geringe Reaktion des Körpers erwarten lassen. Weiterhin ist eine kostengünstige Herstellung realisierbar, wobei durch die Möglichkeit der Oberflächenmodifikation des Partikels mit spezifischen Rezeptoren eine Zellselektivität erreicht werden soll, sodass ganz bestimmte Gewebe oder Zellpopulationen angesteuert werden können. Durch den Einsatz von Nanopartikeln ist demnach eine gezielte Behandlung von verändertem Gewebe denkbar, was entscheidende Vorteile gegenüber den herkömmlichen Therapieformen hinsichtlich der Minderung von Nebenwirkungen bewirken kann (PAUTLER u. BRENNER 2010).

2.3 (anotechnologien

2.3.1 Definition, Eigenschaften von (anostrukturen und deren Anwendung

Eine präzise Definition des Terminus “Nanotechnologie” stellt sich als Herausforderung dar.

So ist in der Literatur keine einheitliche Beschreibung über die Größe der hergestellten Strukturen zu finden. Die Angaben geben dennoch einen Rahmen von 0,1 bis 500 nm an (WOLF 2009; PHILPOTT 2011 et al.), wobei sich der Großteil der Quellen auf einen Größenbereich von 1 bis 100 nm beschränkt (NARDUCCI 2007; RIVIERE 2007; SCOTT 2007; KIM et al. 2010). In diesem Maßstab zeigen sich aufgrund der physikalischen, chemischen und biologischen Eigenschaften von Materialen häufig abweichende Eigenschaften im Vergleich zum makroskopischen Level (RIVIERE 2007; SCOTT 2007). So wird die chemische Reaktivität durch die extrem große Oberfläche im Verhältnis zum Volumen immens gesteigert, wodurch Nanostrukturen eine katalytische Wirkung zugeschrieben werden kann (SCOTT 2007; LIU u. GU 2009; KIM et al. 2010)

Die Grundgerüste der Nanostrukturen sind vielgestaltig, so ist es möglich, je nach gewünschtem Einsatzgebiet organische wie auch anorganische Strukturen zu synthetisieren, welche die unterschiedlichsten Formen aufweisen können. Neben den aus Kohlenstoffatomen bestehenden sphärischen Fullerenen sind auch sogenannte "anotubes herstellbar, bei denen die Kohlenstoffatome in Form einer Röhre angeordnet sind. Die beachtliche mechanische Belastbarkeit dieser Nanostrukturen (ZHANG et al. 2005) macht den Einsatz zur Stabilisierung der unterschiedlichsten Materialien denkbar. So reichen die Visionen über die Verbesserung der Belastbarkeit von Alltagsgegenständen bis hin zur Optimierung von schusssicherer Kleidung (COLLINS 2000). Des Weiteren werden im Bereich der Medizinforschung liposomale Partikel als Arzneimitteltransporter eingesetzt. Aber auch sogenannte Dendrimere, welche sich durch eine verzweigte Grundstruktur auszeichnen, sind für die Ankopplung von Arzneimitteln geeignet und werden in diesem Gebiet eingesetzt.

(KIM et al. 2010).

Aufgrund der besonderen Eigenschaften findet Nanotechnologie heute in den unterschiedlichsten Bereichen Anwendung, wobei Nanostrukturen allein oder im Hinblick auf die Modifikation von Oberflächen anderer Materialen genutzt werden. Diese vielfältige

Anwendbarkeit fördert Weiterentwicklungen insbesondere in den Bereichen der Medizin (Diagnose, Monitoring, Behandlung) und Elektronik (z.B. Mikrochips). Aber auch in den Materialwissenschaften werden vermehrt Nanostrukturen angewendet, wobei beispielsweise mit „Manufactured Nanomaterials“ beschichtetes Glas einen Lotuseffekt aufweist, was in der Solarzellindustrie einen entscheidenden Beitrag zu einer langfristig hohen Energiegewinnung führt (LEE et al. 2010). Zudem konnten in den letzten Jahren Erfolge zur Verlängerung der Haltbarkeit von Lebensmitteln durch speziell mit Nanotechnolgie optimierten Verpackungsstoffen erreicht werden. Durch antibakteriell wirksame Nanobeschichtungen kann so ein frühzeitiges Verderben der Nahrung verhindert werden (IMRAN et al. 2010).

2.3.2 (anotechnologie in der Medizin

Nanotechnologien finden bereits heute ein breites Anwendungsspektrum in der Medizin. So werden nanoskalige Strukturen in Diagnose und Therapie von Krankheiten eingesetzt, wobei der Wirkstofftransport via Nanopartikel zur Entwicklung wirkungsvoller Drug-Delivery-Systeme das größte Anwendungsfeld darstellt (VENUGOPAL et al. 2008).

Besonders in der Diagnose und Behandlung von Tumoren werden Nanomaterialien vermehrt verwendet (KIM et al. 2010). Mit speziell designten Nanopartikeln ist es bereits möglich, Tumorgewebe aufzuspüren, wobei die Partikel zum einen als Arzneimittel-Carrier wirken können aber auch als Kontrastmittel für diagnostische Zwecke dienen. So reichern sich Nanostrukturen, bedingt durch eine größere Permeabilität der Gefäße und einem gleichzeitig gestörtem Lymphsystem (MORILLE et al. 2010), im tumorös veränderten Gewebe an (HOBBS et al. 1998). Dadurch können an Nanopartikel gekoppelte antineoplastische Arzneimittel im Vergleich zu herkömmlich applizierten Medikamenten eine höhere Wirkstoffkonzentration im Zielgewebe erreichen. Weiterhin kann durch Modifikation der Polymerzusammensetzung des Carriersystems eine kontrollierte Abgabe der Arzneimittel erzielt werden. Dadurch wird die Dauer der Degradation des Partikels und damit die Freisetzungsgeschwindigkeit des Ladungsgutes verändert. Durch die Beschichtung der Partikeloberfläche mit Polyethylenglycol (PEG) kann zudem die Halbwertszeit im Blutstrom verlängert werden, da auf diese Weise eine wirkungsvolle Opsonisierung dieser

körperfremden Stoffe verhindert wird und somit dem Immunsystem gegenüber maskiert werden (PRENCIPE et al. 2009). Weiterhin zeigt sich ein entscheidender Vorteil der Nanomedizin in verringerten Nebenwirkungen, da eine unspezifische Aufnahme von Arzneimitteln in gesundes Gewebe verhindert werden soll (ALEXIS et al. 2008; PRENCIPE et al. 2009). So zeigten VISARIA et al. (2006) eine Anreicherung von mit TNF-α-beschichteten Goldnanopartikeln in Tumorgewebe von betroffenen Personen, welche auf eine herkömmliche Therapie nicht mehr responsiv waren. Über dieses Drug-Delivery-Systgem war es möglich, den Patienten ohne Nebenwirkungen eine 20-mal höhere Dosis von TNF-α zu applizieren. Weitere Therapiemöglichkeiten bieten sich durch die Injektion von speziellen Nanopartikeln, sogenannten Nanoshells. Hierbei handelt es sich um einen Nanopartikel mit einem dielektrischen Kern (bspw. Silicium) welcher mit einer ultradünnen Metalloberfläche beschichtet ist (bspw. Gold) (SCOTT 2007). Durch die Anregung mit Licht im Nah-Infrarotbereich (700-800 nm), werden die Elektronen des Metalls angeregt und zerstören durch eine lokalisierte Erwärmung das sie umgebene Tumorgewebe (HIRSCH et al. 2003).

Aber nicht nur in der Therapie, auch in der Diagnose von Neoplasien werden Nanotechnologien eingesetzt. So werden „superparamagnetic iron oxide nanoparticles“

(SPION) verwendet, welche in der Bildgebung der Magnetresonanztomographie einen hohen Kontrast zu nanopartikelfreiem Gewebe aufzeigt (HARISINGHANI et al. 2003). Durch die Beschichtung mit krankheitsspezifischen Liganden, welche durch spezifische Antikörper gestellt werden könnten, wäre es möglich bestimmte Krankheiten vor einer klinischen Symptomatik zu erkennen oder aber den Erfolg einer Therapie zu evaluieren (MULDOON et al. 2006; SUMER u. GAO 2008).

Weiterhin findet die Nanotechnologie auch im Bereich der Implantatforschung Anwendung.

Durch den Einsatz von Diamantbeschichtungen kann eine Erhöhung der Stabilität von Implantaten erreicht werden. Des Weiteren finden Oberflächenmodifikationen mit Silbernanopartikeln als antibakterielle Beschichtungen erfolgreich Verwendung (SCHIERHOLZ et al. 1998).

Neben den Anwendungen im lebenden Organismus bieten Nanopartikel zudem auch Vorteile im Bereich der In-vitro-Diagnostik. Hier liegt der Fokus auf der Früherkennung von diagnostisch relevanten Proteinen, Nukleinsäuren oder Genen. Als besonders geeignet haben sich Goldnanopartikel herausgestellt, welche durch eine Beschichtung mit speziellen

DNA-Sequenzen als hochspezifisches Suchinstrument für unterschiedlichste Krankheiten verwendet werden kann (NAM et al. 2003).

2.3.3 Anwendung von (anomedizin in der Otologie

Systemische Behandlungen von Erkrankungen des Innenohres sind aufgrund der anatomischen Gegebenheiten in ihrer Effizienz limitiert. So ist die Blut-Cochlea-Schranke,

Systemische Behandlungen von Erkrankungen des Innenohres sind aufgrund der anatomischen Gegebenheiten in ihrer Effizienz limitiert. So ist die Blut-Cochlea-Schranke,