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Laboranalyse – Urinuntersuchung und Hämatologie

2 Literaturübersicht

2.3 Diagnostische Möglichkeiten

2.3.2 Laboranalyse – Urinuntersuchung und Hämatologie

Die Urinuntersuchung dient bei Exoten ebenso wie beim Säuger der Evaluation des Harntraktes, ist aber weit weniger aussagekräftig (u.a. HERNANDEZ-DIVERS 2003;

ACHILLES u. SALOMON 2008; MADER 2013). Bei Reptilien ist der Urin, anders als beim Säuger, nicht steril, da er nach Verlassen der Ureteren zunächst die Kloake passiert bevor er abgesetzt oder in der Blase bzw. im distalem Kolon gespeichert wird (u.a. SELLERI u. HERNANDEZ-DIVERS 2006; MADER 2013; WYNEKEN 2013). Dieser Umstand ändert sich auch nicht bei Durchführung einer Zystozentese (DIVERS 1997; DIVERS 1999) welche stets unter Ultraschallkontrolle durchgeführt werden sollte (MADER 2013). Da den Reptilien die Henlesche Schleife fehlt, wird der Urin in den Nieren nicht konzentriert so dass das spezifische Gewicht für gewöhnlich niedrig und die Osmolarität in Bezug auf die Nierenfunktion nicht aussagekräftig ist (u.a. SELLERI u. HERNANDEZ-DIVERS 2006; ACHILLES u. SALOMON 2008; MA-DER 2013). Durch die postrenale Modifikation in Blase und Kolon ändern sich die osmotischen Verhältnisse und die Elektrolytzusammensetzung im dort gespeicherten Urin (u.a. DIVERS 1999; SELLERI u. HERNANDEZ-DIVERS 2006; MADER 2013).

Ein deutlicher Nutzen der Urinanalyse besteht jedoch in der Mikroskopie bei der Ent-zündungsindikatoren wie Erythrozyten und Leukozyten sowie Nierenzylinder, Parasi-ten und Pilzhyphen identifiziert werden können (u.a. KEUNECKE 1999; SELLERI u.

HERNANDEZ-DIVERS 2006; MADER 2013). Eine mikrobiologische Untersuchung des Urins kann bei eindeutiger Erregerverteilung hilfreich sein, sollte aber stets kri-tisch und unter Vorbehalt bewertet werden (DIVERS 1997; DIVERS 1999). Nach DI-VERS (1997) ist die Zystozentese die sinnvollste Art der Probengewinnung. DANTZ-LER (1976) und MADER (2013) hingegen bevorzugen die direkte Kathetherisierung

der Ureteren; auch wenn dies nach MADER (2013) eine gewisse Herausforderung für den Praktiker darstellt.

Hämatologie

Ein weiteres wesentliches Diagnostikum in der Exotenmedizin, insbesondere in Hin-blick auf den Urogenitaltrakt, stellt die Blutanalyse dar. Die Probenentnahme erfolgt bei Echsen bevorzugt aus der ventralen Schwanzvene (V. coccygea ventralis) (SEL-LERI u. HERNANDEZ-DIVERS 2006; ACHILLES u. SALOMON 2008). Bei Reptilien unterliegen hämatologische Parameter der Beeinflussung diverser Faktoren und müssen daher immer in Zusammenhang mit der Anamnese und dem klinischen Bild bewertet werden (O´MALLEY 2005a; MADER 2013). Einfluss nehmen u.a. Ge-schlecht, Alter, Größe, Jahreszeit, Reproduktionsstatus, Untersuchungslabor, Art der Probenentnahme, Ort der Probenentnahme, Art der Analyse (DIVERS 1999; MADER 2013) sowie die Umgebung bzw. Umwelt (O´MALLEY 2005a) und die Nahrungsauf-nahme (u.a. FRYE 1991; CAMPBELL 1998; O´MALLEY 2005a). Erschwerend kommt hinzu, dass insgesamt nur wenige Referenzwerte für Reptilien vorliegen und diese teils deutlich variieren (CUADRADO et al. 2002).

Von klinischer Relevanz für den Harntrakt sind laut KÖLLE (2013) vorrangig Kalzium, Phosphat und Harnsäure. Des weiteren Harnstoff, Ammoniak, Gesamteiweiß, Aspar-tat-Aminotransferase (AST), Magnesium und Chlorid. Ergänzend dienen das Kalzi-um-Phosphat-Verhältnis sowie der Löslichkeitsindex dieser beiden Stoffe als Ein-schätzungskriterien in Bezug auf Nephropathien. Einen Überblick über ausgewählte Referenzwerte mit klinischer Relevanz für den Harntrakt bietet Tabelle 2.6.

Tabelle 2.6 Referenzwerte für Laborparameter

Parameter (Einheit) Chamäleon Leguan Bartagame Echse allg.

Harnstoff (mg/dl) - - 3-48 0,1-1211, 6

Ca-P-Index (Säuger) < 9 / 9-12 = metastatische Verkalkung / > 12 = dystropische Verkalkung 4,3,9 AST (U/l) 122-2712/ 0-311 2-1001 < 928 / 0-771, 12 < 10011,6

9 SELLERI u. HERNANDEZ-DIVERS 2006

10 STAHL 2003

11 ZWART u. SASSENBURG 2007b

12ELLMAN 1997

Harnstoff und Kreatinin sind bei Reptilien sehr variabel in ihrer Produktion und Exkre-tion und somit in Bezug auf die Diagnostik von Nephropathien nur bedingt aussage-kräftig (DIVERS 1999; KÖLLE 2013; MADER 2013). In Bezug auf die Nierengesund-heit ist Harnsäure laut MADER (2013) der beste Einzelparameter. MILLER (1998), SELLERI u. HERNANDEZ-DIVERS (2006) sowie NEVAREZ (2009) weisen aller-dings darauf hin, dass ein signifikanter Harnsäureanstieg erst bei massivem Nieren-schaden oder bei chronischer Erkrankung und Nephropathien im Endstadium

vor-liegt, was die Früherkennung von Nephropathien verhindert und dadurch einem The-rapieversuch Grenzen setzt (MADER 2013). Erhöhte Harnsäureplasmaspiegel kom-men nicht nur in Verbindung mit Nephritiden und Gicht (CAMPBELL 1998), sondern auch bei Dehydratation (MILLER 1998; SELLERI u. HERNANDEZ-DIVERS 2006) und postprandial vor (u.a. O´MALLEY 2005a; NEVAREZ 2009; MADER 2013). Da Harnsäure hauptsächlich durch tubuläre Sekretion ausgeschieden wird (u.a. ZWART 2006; MADER 2007; DANTZLER u. BRADSHAW 2009), liegen bei reinen glome-rulären Erkrankungen meist normale Harnsäurewerte vor (HEARD et al. 2002). Um die Ursachen für einen Harnsäureanstieg zu ergründen beziehungsweise zur Thera-piekontrolle, sollten Serienproben mit kurzem zeitlichen Abstand durchgeführt wer-den; postprandialer oder dehydratationsbedingter Anstieg können somit bestätigt oder ausgeschlossen werden (SELLERI u. HERNANDEZ-DIVERS 2006).

Sensiblere Parameter für die Nierengesundheit sind Kalzium und Phosphat bzw. das Kalzium-Phosphat-Verhältnis sowie ihr Löslichkeitsprodukt (u.a. KNOTEK et al.

2003; NEVAREZ 2009; MADER 2013). Das Löslichkeitsprodukt wird als Produkt der beiden Werte berechnet [(Ca mmol/l o. mg/dl) x PO4 (mmol/l o. mg/dl)] (DIVERS 1997; DIVERS 1999; SELLERI u. HERNANDEZ-DIVERS 2006), wurde aber bislang noch nicht für Reptilien evaluiert (SELLERI u. HERNANDEZ-DIVERS 2006). Das Kalzium-Phosphat-Verhältnis wird als Quotient der beiden Werte angegeben (DI-VERS 1997; DI(DI-VERS 1999). Liegt ein Nierenschaden vor, wird Kalzium in der Niere in geringerem Maße rückresorbiert während die aktive Ausscheidung von Phosphat behindert ist (NEVAREZ 2009). Folge, und oftmals das erste Anzeichen einer Ne-phropathie (DIVERS 1997; DIVERS 1999; SELLERI u. HERNANDEZ-DIVERS 2006), ist ein verringertes oder inverses Kalzium-Phosphat-Verhältnis (HEARD et al.

2002; NEVAREZ 2009). Auch hierbei dürfen tierartliche Besonderheiten nicht außer Acht gelassen werden (z.B. bei Meeresschildkröten inverses Ca-P-Verhältnis physio-logisch) (MADER 2013). Neben Harnsäure, Kalzium und Phosphat werden in der Literatur gelegentlich weitere bei Nephropathien auffällige Parameter genannt, diese sind aber meist wenig spezifisch (DIVERS 1999; NEVAREZ 2009). Dazu zählen er-höhte Creatinkinase (CK), Laktatdehydrogenase (LDH) und Aspartat-Aminotransferase (AST) (DIVERS 1999; NEVAREZ 2009), erhöhte Alkalische

Phos-phatase (AP) (KÖLLE 2013), erniedrigtes Albumin und nichtregenerative Anämie (DIVERS 1999; SELLERI u. HERNANDEZ-DIVERS 2006; MADER 2013), erniedrig-tes Kalium (HEARD et al. 2002; GIBBONS 2007) bzw. erhöherniedrig-tes Kalium (DIVERS 1999) sowie eine leichte Azidose (HEARD et al. 2002). Insbesondere bei akuten Ne-phropathien finden sich Veränderungen im roten und weißen Blutbild (DIVERS 1999;

SELLERI u. HERNANDEZ-DIVERS 2006; MADER 2013). Dazu gehören durch Hete-rophilie bedingte Leukozytose (DIVERS 1999; SELLERI u. HERNANDEZ-DIVERS 2006) und parasitär (Trematoden und Hexamiten) bedingte Eosinophilie (DIVERS 1999; SELLERI u. HERNANDEZ-DIVERS 2006). Chronische Fälle zeichnen sich gelegentlich durch eine moderate Monozytose aus (DIVERS 1999; SELLERI u.

HERNANDEZ-DIVERS 2006).

Eine Möglichkeit zur Bestimmung der glomerulären Filtrationsrate (GFR) und damit ein Indikator für die Nierenfunktion wurde beim Grünen Leguan (Iguana iguana) be-schrieben (HERNANDEZ-DIVERS et. al. 2005; MADER 2013). Dazu wird „Iohexol“,   ein gering osmotisches, nicht ionisches radiologisches Kontrastmedium, welches ausschließlich über glomeruläre Filtration eliminiert wird, intravenös verabreicht und der Plasmaspiegel anschließend im zeitlichen Verlauf ermittelt.