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1.2 Raum- und Siedlungsstruktur

1.2.5 Ländlicher Raum

Der Landesentwicklungsplan des Landes Sachsen-Anhalt (LEP) definiert als ländlichen Raum das gesamte Landesgebiet außerhalb der Verdichtungsräume Halle und Magdeburg.18

Verdichtungsräume im Land Sachsen-Anhalt sind die engeren Stadt-Umland-Bereiche der Städte Magdeburg und Halle (Saale). Der Verdichtungsraum Halle wird konstituiert durch die kreisfreie Stadt Halle (Saale) sowie Bad Dürrenberg, Leuna, Merseburg und Schkopau; der Verdichtungsraum Mag-deburg durch die kreisfreie Stadt MagMag-deburg sowie Schönebeck (Elbe), Barleben und Wolmirstedt.

Die Abgrenzung in Sachsen-Anhalt erfolgte entlang der Gemeindegrenzen von 1993; an dieser Ab-grenzung soll weiter festgehalten werden.19

Rahmenbedingungen

Im ländlichen Raum Sachsen-Anhalts leben gegenwärtig knapp 1,8 Mio. Menschen. In der Vergan-genheit war der ländliche Raum deutlich stärker vom Bevölkerungsrückgang betroffen als die Kern-städte Magdeburg und Halle.

Der Bevölkerungsverlust beruhte zuletzt – im Jahr 2011 – im ländlichen Raum zu 62 % auf einem Geburtendefizit und zu 38 % auf Abwanderung. Vor allem junge Familien und Menschen im arbeitsfä-higen Alter prägen die Abwanderung aus dem ländlichen Raum.

Als Hauptursache der Abwanderung gilt die Arbeitsmarktlage. Insbesondere der Mangel an attraktiven Arbeits- und Ausbildungsplätzen sowie unsichere Beschäftigungsperspektiven erzeugen Abwande-rungsdruck, von dem vor allem die jüngere Generation betroffen ist. In der Folge weisen die ländlichen Gebiete in Sachsen-Anhalt eine zunehmende Überalterung auf. Der Anteil der ‚Altersgruppe 65 Jahre und älter’ lag nach letztverfügbaren Angaben bei rd. 24 % - der Bundesdurchschnitt dieser Altersgrup-pe liegt bei 20 %.

Der Bevölkerungsrückgang wird sich auch langfristig weiter fortsetzen. Nach der Prognose wird der Bevölkerungsverlust vorwiegend den ländlichen Raum betreffen, wobei für die Landkreise Salzland-kreis, Wittenberg und Mansfeld-Südharz der stärkste Rückgang - um mehr als 23 Prozent - vorherge-sagt wird. Gemäß der aktuellen Bevölkerungsprognose ist davon auszugehen, dass die Altersgruppe der über 60-jährigen in Sachsen-Anhalt demnächst ein Drittel der Bevölkerung des ländlichen Raumes umfassen wird.

Gleichwohl ist festzuhalten, dass der ländliche Raum Sachsen-Anhalts in den zurückliegenden Jahren vielfältige positive Entwicklungen erfahren hat. Den landesweit massiven Betriebsstilllegungen und Arbeitsplatzverlusten insbesondere in der ersten Hälfte der 1990er Jahre, die im Wesentlichen durch den wirtschaftlichen Transformationsprozess bedingt waren, folgte ein erfolgreicher Wiederaufbau von Unternehmen und Infrastrukturen. Hieran partizipierten sowohl die städtischen als auch die ländlichen Gebiete.

18 Landesentwicklungsplan 2010 des Landes Sachsen-Anhalt, Abschnitt 1.4.

19 Landesentwicklungsplan 2010 des Landes Sachsen-Anhalt, Abschnitt 1.3.

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Das BIP je Einwohner - ein zentraler Indikator des wirtschaftlichen und sozialen Wohlstands - ist in den zurückliegenden Jahren im Trend gestiegen. Auch dies gilt für die städtischen und die ländlichen Gebiete Sachsen-Anhalts etwa gleichermaßen. Unabhängig davon weist das Land als Ganzes in wichtigen Bereichen (wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, Innovationskraft, Arbeitsplatzpotenzial) noch immer erhebliche Entwicklungsdefizite im Vergleich zu den wirtschaftsstarken Regionen in Deutsch-land und Europa auf.

Langfristig wird die Bevölkerungsentwicklung in den ländlichen Gebieten Sachsen-Anhalts vor allem durch das ausgeprägte Geburtendefizit determiniert sein. Auch bei Stabilisierung der Wanderungsbi-lanz ist daher ein weiterer erheblicher Rückgang der Einwohnerzahlen in den meisten Orten zu erwar-ten. Dies und die zunehmende Alterung der Bevölkerung zwingen zu vielfältigen Anpassungen sowohl in Groß- und Mittelstädten wie auch in Kleinstädten und Dörfern.

Zum 1. Juli 2007 wurde die Zahl der Landkreise in Sachsen-Anhalt von 21 auf 11 reduziert. Anfang 2011 trat die Gemeindegebietsreform in Kraft: Die Zahl der Gemeinden reduzierte sich damit von über 1.000 auf gut 200. Beide Gebietsreformen sollen zu zukunftsfähigen Siedlungs- und Verwaltungs-strukturen führen. Für die Umsetzung von Fördermaßnahmen zur Entwicklung der ländlichen Gebiete in Sachsen-Anhalt stellen sie wichtige Rahmenbedingungen dar.

Die ländlichen Gebiete Sachsen-Anhalts sehen sich nach wie vor großen Herausforderungen gegen-über. Für die ländlichen Gebiete in Sachsen-Anhalt ist die Landwirtschaft zwar nicht der maßgebliche, aber ein nach wie vor wichtiger Entwicklungsfaktor. Nach wie vor gibt es viele Orte, in denen die Landwirtschaft eine bedeutende Rolle spielt – als Quelle von Arbeit und Einkommen ebenso wie für die Erhaltung der Kulturlandschaft. Langfristig besteht die wichtigste Herausforderung für die ländli-chen Gebiete und Orte in Sachsen-Anhalt darin, den Rückgang und die zunehmende Alterung der Bevölkerung zu bewältigen.

Dies erfordert erhebliche strukturelle Anpassungen in praktisch allen Lebensbereichen. Insbesondere gilt dies für die kommunale Infrastruktur und die Einrichtungen der Daseinsvorsorge. Auf lange Sicht sind vor allem kleine Siedlungen in peripheren ländlichen Gebieten in ihrer Entwicklungsfähigkeit stark negativ betroffen.

Aspekte der Lebensqualität im ländlichen Raum

Im Zuge der Halbzeitbewertung des EPLR Sachsen-Anhalt wurde im Jahr 2010 ein umfassendes Bild zur Wahrnehmung der Lebensqualität durch die Einwohner in den ländlichen Gebieten Sachsen-Anhalts erhoben. Dies erfolgte durch eine repräsentative Bevölkerungsbefragung in ausgewählten Referenzorten. Kernelemente der Befragung waren

a) die Bewertung der Bedeutung (Wichtigkeit) aus der Sicht der Befragten in Bezug auf ein brei-tes Spektrum von Aspekten der Lebensqualität und

b) die Bewertung der Zufriedenheit mit der konkreten Ausstattung/ Verfügbarkeit der entspre-chenden Angebote bzw. Einrichtungen vor Ort.

Mit der Befragung wurden Aspekte der Lebensqualität in verschiedenen Lebensbereichen erfasst. Die Auswertung der Befragungsergebnisse erfolgte u.a. differenziert nach Frauen und Männern,

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denen Altersgruppen, der familialen Situation der Befragten und unterschiedlicher Ortsgrößenklassen (Einwohnerzahl).20

In der aggregierten Zusammenschau der Erhebungsergebnisse über die verschiedenen Lebensberei-che wird deutlich, dass der Verkehrsinfrastruktur und -anbindung sowie der Umweltsituation die größte Bedeutung für die individuelle Wahrnehmung von Lebensqualität zugewiesen werden. Angebote in den Bereichen Bürgerschaftliches Engagement/ soziale Teilhabe sowie Kultur/ Soziales haben dem-gegenüber die geringste Priorität. Die Präferenzmuster von Frauen und Männern fallen hier insgesamt sehr ähnlich aus.

Im Hinblick auf die Zufriedenheit ergibt sich über die unterschiedlichen Lebensbereiche hinweg ein relativ homogenes Bild - sowohl bei Frauen als auch bei Männern. Erst beim Blick auf einzelne Teil-aspekte fallen die Bewertungen deutlich differenzierter aus.

Darüber hinaus ist festzustellen, dass in jenen Lebensbereichen, die aus Sicht der Befragten für ihre individuelle Lebensqualität am wichtigsten sind (Verkehr, Umwelt), die Zufriedenheit mit der konkreten Situation am geringsten ausfällt.

Abb. 4 Bewertung verschiedener Bereiche der Lebensqualität im Hinblick auf ihre Wichtigkeit für die Bevölkerung in den ländlichen Gebieten - Frauen und Männer

1,00 männlich (wi chtig) weibli ch (wichtig)

Legende: 1 - sehr wichtig/ sehr zufrieden; 2- wichtig/ zufrieden, 3- nicht wichtig/ nicht zufrieden Quelle: Bevölkerungsbefragung isw 2010 (N=503)

20 vgl. dazu ausführlicher: isw: Bericht zur Halbzeitbewertung des Programms zur Entwicklung des ländlichen Raums in Sachsen-Anhalt (EPLR) 2007 bis 2013, Abschnitt 8.3.9.2. Halle (S.), Dezember 2010.

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Abb. 5 Bewertung der Zufriedenheit der Bevölkerung in den ländlichen Gebieten mit verschiedenen Bereichen der Lebensqualität - Frauen und Männer

1,00 1,20 1,40 1,60 1,80 2,00 2,20 2,40 2,60 2,80 3,00

Bil dung, Ausbil dung, Kinderbetreuung

Bürgerschaftl iches Engagement / sozi ale Teil habe

Nahversorgung, Wi rtschaft und

Arbei t

Gesundheit Sozi ales und Kul tur

Umwelt Verkehr und

Infrastruktur männli ch (zufrieden) weibl ich (zufri eden)

Legende: 1 - sehr zufrieden; 2- zufrieden, 3- nicht zufrieden Quelle: Bevölkerungsbefragung isw 2010 (N=503)

Differenziert man die Untersuchungsergebnisse nach der Größe der Orte, in denen die befragten Ein-wohner leben, dann zeigt sich tendenziell ein höheres Maß an Zufriedenheit mit den hier betrachteten Lebensumständen in größeren Orten (im Sample konkret: 2 bis 10 Tsd. Einwohner). In der Gruppe der kleinsten Orte (bis 600 Einwohner) fällt die Zufriedenheit der Bevölkerung mit den erhobenen As-pekten der Lebensqualität am geringsten aus.

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Abb. 6 Bewertung der Zufriedenheit der Bevölkerung in den ländlichen Gebieten mit verschiedenen Bereichen der Lebensqualität - differenziert nach

Gemeindegrößenklassen kleine Gemeinden (zufrieden) mittlere Gemeinden (zufrieden) große Gemei nden (zufrieden)

Legende: 1 - sehr zufrieden; 2- zufrieden, 3- nicht zufrieden Quelle: Bevölkerungsbefragung isw 2010 (N=503)

Eine spezifische Untersuchung zur Bewertung der Nahversorgungssituation in ländlichen Gebieten Sachsen-Anhalts weist darüber hinaus darauf hin, dass Fragen des Zugangs zu medizinischer Ver-sorgung sowie zu Einrichtungen der sozialen Infrastruktur (Kindertagesstätten und Schulen) aus der Sicht der ländlichen Bevölkerung einen hohen Stellenwert haben und in der Tendenz als problema-tisch eingeschätzt werden.21

21 IWD market reserch: Evaluierung der Nahversorgungssituation in ausgewählten Landkreisen Anhalts. Studie im Auftrag des Ministeriums für Landesentwicklung und Verkehr des Landes Sachsen-Anhalt. Oktober 2010

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