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3 Theoretische Grundlagen

3.7 Kooperation

Um die bestehende Kooperation zwischen den in dem für diese Masterarbeit gewählten Forschungsfeld tätigen Organisationen erheben und in weiterer Folge Veränderungsvorschläge für eine verbesserte Zusammenarbeit präsentieren zu können, wird im folgenden Kapitel erläutert, was mit Kooperation gemeint ist und welche Faktoren zu einer gelingenden und wirkungsvollen Zusammenarbeit beitragen können.

3.7.1 Definition Kooperation

„Eine problembezogene, zeitlich und sachlich abgegrenzte Form der gleichberechtigten, arbeitsteilig organisierten und intendierten Zusammenarbeitsform am gleichen Gegenstand, die bewusst gewählt sowie fachlich und professionsethisch begründet ist, deren Ziele und Zielkriterien und Strukturen der Arbeitsteilung Prozessen gegenseitiger Abstimmung, und Aushandlung und Einigung bestimmt werden, und bei der die Haltungen und Handlungen der Kooperationspartner nach den Prinzipien der Gleichwertigkeit, der Reziprozität, der Partizipation und der Multiperspektivität ausgerichtet sind und in deren Zielerarbeitungsprozessen aktiv thematisiert werden. (Merten in Merten, Kaegi, 2015: 61) Kooperation ist die Erfüllung einer gemeinschaftlichen Aufgabe durch bewusst gewählte Zusammenarbeit als ein Prozess wechselseitigen Austausches. Kooperation kann die Zusammenarbeit unterschiedlicher Personen entweder innerhalb eines Teams, zwischen Klient*in und Sozialarbeiter*in oder zwischen unterschiedlichen Organisationen mit entweder Professionist*innen der gleichen oder auch unterschiedlicher Profession bedeuten.

In der vorliegenden Masterarbeit soll die Kooperation zwischen unterschiedlichen Organisationen betrachtet werden. In dem Fachbuch Kooperation kompakt. Kooperation als Strukturmerkmal und Handlungsprinzip der Sozialen Arbeit (2015) von Merten und Kaegi wird diese Form der Kooperation als interprofessionelle oder auch interorganisationale Kooperation bezeichnet. Die beteiligten Personen haben unterschiedliche Berufsausbildungen und arbeiten in verschiedenen Organisationen mit derselben Zielgruppe, allerdings aus unterschiedlichen Blickwinkeln und mit unterschiedlichem Fokus.

3.7.2 Kooperation in der Sozialwirtschaft und der Sozialen Arbeit

In der Sozialwirtschaft ist Kooperation zwischen den unterschiedlichen Organisationen eine Notwendigkeit, die aus der Arbeit der Institutionen nicht mehr wegzudenken ist. Im Rahmen der Sozialen Arbeit wird Kooperation genau dann unausweichlich, wenn Zielgruppen diverse Angebote nutzen und es für eine gelungene Unterstützung der Menschen notwendig ist, Informationen auszutauschen und gemeinsame Strategien zwischen verschiedenen Anbietern zu erarbeiten. Weiters ist es meist so, dass die Betreuung und Versorgung von Klient*innen verschiedenste komplexe Problemstellungen beinhaltet und in der österreichischen Soziallandschaft eine fachliche Fokussierung der einzelnen Organisationen auf bestimmte Themenbereiche vorliegt. Um die verschiedenen Problemlagen der Klient*innen bearbeiten zu können, und ferner eine ganzheitliche Sicht auf die Lebenslagen der Klient*innen zu haben und diese in schwierigen Situationen unterstützen zu können, braucht es eine intensive Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Anbietern.

Kooperation zwischen Organisationen kann nur gelingen, wenn alle Beteiligten einerseits wissen, auf welches gemeinsame Ziel hingearbeitet wird, und andererseits auch alle Parteien einen offensichtlichen Nutzen aus der Zusammenarbeit ziehen. Die gemeinsamen Ziele müssen festgeschrieben sein, damit darauf hingearbeitet werden kann.

„Denn Kooperation setzt voraus, dass die Kooperationspartner aufgrund einer anerkannten Problemanalyse gemeinsame Ziele verfolgen und vorausbestimmte Wirkungen anstreben.“

(Frietze und Uebelhart in Merten, Kaegi 2015: 122)

Um Kooperation erfolgreich zu gestalten, ist es notwendig, dass alle Kooperationspartner*innen gleichwertig sind. Es soll ein Arbeiten auf Augenhöhe gegeben sein, bei dem jede*r Partner*in seine/ihre Fachexpertise einbringen kann. Gegenseitiges Vertrauen sowohl in Systeme als auch in die einzelnen Personen, welche als Kooperationspartner*innen fungieren, ist Voraussetzung, damit es nicht zu einer hierarchischen Schieflage kommt. (vgl. Freund in Merten, Kaegi 2015: 143)

Bei Kooperationen geht es immer um die Zusammenarbeit von Menschen, wobei neben formalen Vorgaben auch informelle Strukturen zum Tragen kommen. Gerade bei der Sozialen Arbeit, bei welcher häufig nicht standardisierbare Situationen behandelt werden müssen (vgl. Kaegi in Merten, Kaegi 2015: 240), nimmt das Informelle einen großen Stellenwert ein. Hier geht es darum, innerhalb der Organisation wie auch zwischen den

miteinander kooperierenden Institutionen einen Ausgleich zwischen den formalen Vorgaben und der Möglichkeit informellen Austausches zu schaffen. Denn „Kooperation ist zwar von Personen abhängig, braucht aber Strukturen und Verfahren, die Personen schützen“

(Freund in Merten, Kaegi 2015: 143)

Im Rahmen der vorliegenden Masterarbeit soll eruiert werden, inwieweit diese Voraussetzungen für eine gelungene Kooperation zwischen den unterschiedlichen Stakeholdern im Rahmen des Winterpakets bereits erfüllt werden, welche Erfahrungen und Einschätzungen die Interviewpartner*innen in Bezug auf diese Themen mitbringen und was in weiterer Folge verändert werden könnte, um mittels der bestehenden Kooperation die angestrebten Ziele und Wirkungen zu erreichen.

3.7.3 Kooperation im Rahmen des Winterpakets

Um die Situation von Kindern in der Wohnungslosigkeit zu entschärfen, braucht es eine gute und professionelle Zusammenarbeit zwischen den unterschiedlichen Organisationen, die mit diesen Kindern arbeiten. Da die Kinder- und Jugendhilfe lediglich einschreiten und unterstützen kann, wenn sie von gefährdeten Kindern erfährt, ist es essentiell, dass Mitarbeiter*innen der unterschiedlichen Organisationen ein besonderes Augenmerk auf die Situation der Kinder haben und gegebenenfalls mit der Kinder- und Jugendhilfe in Kontakt treten.

Die Studie von Halpenny Ann Marie zu wohnungslosen Kindern in Irland aus dem Jahr 2002 hebt hervor, dass es enorm wichtig sei, bei der Unterstützung wohnungsloser Familien einen ganzheitlichen Zugang zu wählen, der einen starken Fokus auf die Kooperation unterschiedlicher Akteure und Stakeholder miteinschließt. Notunterkünfte für wohnungslose Familien sollten nicht lediglich ein Dach über dem Kopf bieten, sondern auch die Unterstützung und Begleitung der Familien als wichtigen Arbeitsbereich beinhalten. (vgl.

Halpenny et.al 2002: 75)

“Unsurprisingly, the complexity of factors which underpin the reality of homelessness among children – vividly reinforced by the testimonies of the interviewees – recall the urgency for an effective and true multi-level coordination (…)” (Baptista 2018: 14)

Über die Wintermonate gibt es bereits seit einigen Jahren eine verstärkte Kooperation zwischen der Wiener Kinder- und Jugendhilfe, im speziellen der Regionalstelle 6/7/8/9 und

den Notquartieren der Wiener Wohnungslosenhilfe. Der Fokus der Arbeit der Organisationen ist sehr unterschiedlich, die Überschneidung betrifft Kinder, die mit ihren Eltern in der Wohnungslosigkeit leben. Bei einer vermuteten Gefährdung dieser Kinder, sei dies auf Grund von körperlicher oder psychischer Gewalt, Vernachlässigung oder auch sexuellem Missbrauch durch Angehörige gibt es über die letzten Jahre bereits eine gut funktionierende Zusammenarbeit.

Wenn Mitarbeiter*innen der Notquartiere Schwierigkeiten und Probleme mit den Kindern auffallen, so melden sie dies der Kinder- und Jugendhilfe. Aufgabe der Kinder- und Jugendhilfe ist es dann, gemeinsam mit den Familien sowie mit den Kolleg*innen der Notquartiere zu erarbeiten, was sich innerhalb der Familie oder an den Rahmenbedingungen ändern müsste, damit die Kinder bei ihren Eltern nicht mehr gefährdet sind. Dies kann im Rahmen von Erziehungsberatung für die Eltern geschehen, in der Organisation von Schul- oder Kindergartenplätzen für die Kinder oder in Form intensiverer Intervention und Kontrolle, der sogenannten „Unterstützung zur Erziehung“, bei der Eltern verpflichtet werden Auflagen zu erfüllen, um das Kindeswohl zu sichern. In manchen Fällen kommt es auch zu Fremdunterbringungen, wenn die Gefährdung der Kinder zu massiv ist und die Wahrung des Kindeswohls innerhalb der Familie nicht mehr gegeben scheint.

Die Kinder- und Jugendhilfe kann aber nur dann intervenieren, wenn sie von einer möglichen Gefährdung des Kindeswohls erfährt. Sie ist somit auf die Expertise und Einschätzung der Kolleg*innen der Wohnungslosenhilfe angewiesen. Die Aufgabe Informationen weiterzugeben liegt bei den Mitarbeiter*innen der Notquartiere des Winterpakets, welche in den meisten Fällen die Lebenswelten der Kinder, die bei ihnen vorübergehend wohnen, sehr gut kennen.

Für eine Einschätzung, ob beim Schutz wohnungslosen Kinder vor jeglicher Form von Gewalt, aber auch bei der Wahrung ihrer Rechte in gleicher Weise vorgegangen wird wie bei allen anderen Kindern in Wien, sind folgende Aspekte von großem Interesse. Ist die jeweils andere Arbeitsweise ausreichend bekannt, und sind die Indikatoren für eine Kindeswohlgefährdung für Mitarbeiter*innen der Notquartiere ähnliche wie für Sozialarbeiter*innen der Kinder- und Jugendhilfe?

Speziell geht es hier darum zu erheben, ob in der Kooperation Hindernisse bestehen, die mit intensiverer Kommunikation, besserem Kennenlernen der Arbeitsweise sowie klaren Leitfäden für die Zusammenarbeit zwischen den Institutionen behoben werden könnten,