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5.1 Kooperation aktuell

In diesem Kapitel wird die Auseinandersetzung der Expert*innen mit der bestehenden Zusammenarbeit und deren diesbezüglicher Einschätzung beschrieben. Dazu wurde im Rahmen der Interviews einerseits die Zufriedenheit mit der aktuellen Situation erhoben, andererseits Informationen dazu eingeholt, in welcher Form die Kooperation zwischen der Wiener Kinder- und Jugendhilfe und den Anbietern von Unterstützungsleistungen im Rahmen des Winterpakets aktuell abläuft und welche Veränderungen sich die Expert* innen für die Zusammenarbeit wünschen.

5.1.1 Zufriedenheit mit der bestehenden Kooperation

Im Rahmen der Interviews zeigte sich eine hohe persönliche Zufriedenheit mit der aktuellen Kooperation zwischen den Anbietern des Winterpakets und der Wiener Kinder- und Jugendhilfe. Alle Interviewpartner*innen artikulierten, dass die Zusammenarbeit gut sei. Die

Kompetenz der jeweils anderen Seite fest. Es wurde betont, dass es sehr stark um die persönlichen Aspekte der/des jeweils kooperierenden Mitarbeiter*in gehe.

„Kooperation bedeutet Austauschbeziehungen, deswegen wird die Beziehungsqualität von der Qualität und vom Umgang der Kommunikation unter den Kooperationspartnern beeinflusst. Träger der Kooperationsbeziehungen sind Menschen. Austauschbeziehungen beinhalten daher Werte, Normen, Gefühle und Unvernünftiges.“ (Merten in Merten, Kaegi 2015: 26, zit. N. Sacharowa 2003:7)

Da Zusammenarbeit zwar mittels formaler Kriterien vorgegeben werden kann, es sich bei der direkten Kooperation aber immer auch um zwischenmenschliche Beziehungen handelt, ist es sehr wichtig, dass sich die beteiligten Personen in ihrer gegenseitigen professionellen Haltung schätzen; dies speziell dann, wenn nur wenig formale Vorgaben vorhanden sind, wie dies bei der Kooperation zwischen den Organisationen des Winterpakets und der Wiener Kinder- und Jugendhilfe der Fall ist. Auf diesen Fakt wird in den folgenden Kapiteln noch näher eingegangen.

Die Hälfte der Expert*innen sprach davon, wie wichtig es sei, die jeweils anderen Personen und deren Arbeitsweise zu kennen sowie Vertrauen in die Kompetenz des Gegenübers zu haben. In der Fachliteratur wird dabei zwischen Personal- und Systemvertrauen unterschieden. Das Vertrauen in die Professionalität von Personen beruht auf Erfahrungen, die in der Zusammenarbeit bereits gemacht wurden. Bei Vertrauen in Systeme hingegen kann dies auch von einer generalisierten Meinung zu einem bestimmten System, zum Beispiel der Wiener Kinder- und Jugendhilfe beruhen oder aber auch darauf, dass gute Erfahrungen mit einzelnen Personen gemacht wurden, die in diesem System arbeiten, beziehungsweise dieses vertreten. (vgl. Kaegi in Merten, Kaegi 2015: 237)

In dem speziellen Fall steht das Vertrauen der Interviewpartner*innen des Winterpakets in die Kompetenz und Arbeitsweise der Mitarbeiter*innen der Wiener Kinder- und Jugendhilfe in einem starken Kontrast zum mangelhaften Vertrauen in die Arbeitsweise der Wiener Kinder- und Jugendhilfe allgemein. Dieses Thema wird im Kapitel 5.2.1 Spezielles Thema

„Angst vor dem Jugendamt“ noch genauer beleuchtet.

Die Mehrheit der Expert*innen thematisierten im Rahmen der Interviews, jeweils in einem unterschiedlichen Kontext, dass sich die Angst vor dem Einschreiten und den Maßnahmen der Wiener Kinder- und Jugendhilfe unter den Beteiligten deutlich verringert habe, seit man sich gegenseitig kenne und der Professionalität und Einschätzung der einzelnen

Mitarbeiter*innen vertraue. Dieses Vertrauen sei durch regelmäßigen Austausch und offene Kommunikation entstanden.

Insgesamt hielten alle Interviewpartner*innen Kommunikation und regelmäßigen Austausch für die wichtigsten Faktoren des Gelingens der Kooperation.

In der Fachliteratur wird Kommunikation als einer der wichtigen Punkte für eine funktionierende Zusammenarbeit angeführt.

„Für den Prozess der Kooperation sind Koordination und Kommunikation notwendig, alle Bereiche beeinflussen einander. „Für diesen Prozess sind folgende Komponenten notwendig: abgestimmte Ziele; zur Verfügung stehende Daten und Informationen;

vereinbarte Aktivitäten, Handlungen und Interventionen; Klärung der Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten, Beziehungen und klare Kommunikationsstrukturen.“ (Merten in Merten, Kaegi 2015: 28, zit. N. Müller/Riedel 2005: 14)

Insgesamt beschreiben die Expert*innen eine hohe Zufriedenheit mit der aktuellen Kooperation, innerhalb der Zusammenarbeit wird hier kaum Verbesserungsbedarf von Seiten der Interviewpartner*innen gesehen.

5.1.2 Ablauf der bestehenden Kooperation

Zum Entstehen und Ablauf der aktuellen Kooperation fällt auf, dass der Großteil der Interviewpartner*innen angab, dass die Zusammenarbeit informell gewachsen sei. Ein/e Interviewpartner*in gab an, erst die zweite Saison in diesem Bereich tätig zu sein und somit keine Angaben zur Entstehung der Kooperation machen zu können.

Als einzige Formalität wird angeben, dass es regelmäßige Vernetzungstreffen zu Beginn und am Ende des Winterpakets gebe. Hier wurde von eine/r Expert*in der Wunsch geäußert, auch in der Mitte ein Austauschtreffen zu installieren.

Bei den Gefährdungsmeldungen, die immer den Ausgangspunkt einer neu startenden Zusammenarbeit bezüglich einer bestimmten Familie darstellen, ist es etwa so, dass in einem der Notquartiere diese Meldungen an die Wiener Kinder- und Jugendhilfe von der Leitung selbst gemacht werden. Im anderen Notquartier beschreiben die Mitarbeiter*innen die Situationen von Kindern, die ihnen Sorgen bereiten, der Beratungsstelle welche dann in

Ein/e Expert*in berichtet, dass Familien, bei denen Mitarbeiter*innen unsicher sind, ob die Kinder in ihrem Wohl gefährdet sind, in die Elternberatung eines der Familienzentren der Wiener Kinder- und Jugendhilfe geschickt werden, damit dort noch ein zweiter Blick auf die Situation geworfen wird.

Die Familienzentren der Wiener Kinder- und Jugendhilfe bieten an mehreren Tagen in der Woche die sogenannte Elternberatung an, wo eine Kinderärztin und eine Sozialpädagogin Kinder kostenlos untersuchen, und die Interaktion zwischen Eltern und Kindern beobachten.

Diese Beschreibungen zeigen, dass es keine klaren Leitlinien oder Leitfäden für die Entscheidung wann es zu einer Gefährdungsmeldung kommen soll und wie dieser Ablauf zu gestalten ist, gibt.

Vier Interviewpartner*innen gaben an, dass sie solche Leitfäden nicht für sinnvoll halten würden, in einem Interview wurde der Wunsch nach Leitfäden beziehungsweise der Plan, solche gemeinsam zu erstellen, geäußert.

Auch die Kommunikation mit den unterschiedlichen Mitarbeiter*innen der beteiligten Organisationen läuft sehr informell ab. An und für sich gibt es in der Regionalstelle Soziale Arbeit mit Familien, Bezirke 6/7/8/9 täglich eine/n andere/n Sozialarbeiter*in, die im Krisendienst Ansprechperson für eingehende Gefährdungsmeldungen ist. Dies soll sicherstellen, dass die telefonische Erreichbarkeit sowie die zeitlichen Ressourcen für eine eventuell notwendige sofortige Intervention immer gegeben sind. Dieses Setting ist aber offenbar bei den Kooperationspartner*innen der Wiener Kinder- und Jugendhilfe nicht in diesem Ausmaß bekannt, zwei Expert*innen gaben im Rahmen der Interviews an, dass sie immer mit der gleichen Person telefonieren würden. Dies heißt im Rückkehrschluss, dass bei nicht-erreichbarkeit der/des betreffenden Kolleg*in die Gefährdungsmeldung warten muss, was in manchen Fällen zu einer Erhöhung der Gefährdung der Kinder führen kann.

Ein/e Interviewpartner*in führte an, dass er/sie sich quasi selbst ausgesucht hätte, mit wem er/sie besonders gut zusammenarbeite, und seither hauptsächlich mit dieser Person kommuniziere. Auch ein/e andere Interviewpartner*in beschrieb, dass die Zusammenarbeit gut funktioniere, seit er/sie hauptsächlich mit einer Person kommuniziere, der er/sie vertraue.

Dies verdeutlicht, wie wenig formell hier die aktuelle Zusammenarbeit funktioniert.

„(…) Also für mich ist es angenehm einen Ansprechpartner zu haben, den habe ich mir halt quasi gewählt. Und so hat das funktioniert bis jetzt“ (I5 Z 424 - 426)

„(…) Aber ich rufe jetzt halt immer die gleiche Person an, weil ich weiß da funktioniert es gut, die kennt mich, ich kenne sie, und…da geht’s gut“ (I4 Z 440 - 442)

Als problematisch oder erschwerend im Rahmen der Kooperation wurde von mehr als der Hälfte der Expert*innen angemerkt, dass die Mitarbeiter*innen des Winterpakets keine kinderspezifische Ausbildung hätten. In diesem Zusammenhang wurde erläutert, dass der Fokus der Mitarbeitenden beim Winterpaket eher auf der Arbeit mit den Eltern liege, bei der Wiener Kinder- und Jugendhilfe das Hauptaugenmerk am Wohl der Kinder.

Es scheint wichtig, in weitere Überlegungen die unterschiedlichen Denk- und Handlungslogiken (vgl. Merten in Merten, Kaegi 2015: 38) der verschiedenen Kooperationspartner einzubeziehen, um die Kooperation wirkungsorientierter zu gestalten.

Im Rahmen von Kooperation zwischen unterschiedlichen Institutionen muss immer beachtet werden, dass jede/r Kooperationspartner*in immer der eigenen Organisation und deren Leitbild verpflichtet ist und es wichtig ist, dass die kooperierenden Mitarbeiter*innen diesen Fakt im Kopf haben.

Die Arbeitsaufteilung in Bezug auf einzelne Familien funktioniere meist sehr gut, könnte aber laut zwei Expert*innen noch weiter ausgebaut werden, im Sinne von Absprachen wer was erledigt, um einerseits die Arbeitsbelastung zu verringern und andererseits die Stärken der jeweiligen Expertise besser zu nutzen.

5.1.3 Spezialisierung Schwerpunkt

„Ich glaube der Schwerpunkt bringt mit sich, dass man den Schrecken verliert, oder die Idee Oh Gott was mache ich jetzt mit denen? (…) ich glaube, die Erfahrung und diese Spezialisierung bringt halt auch, dass sich jede Familie darauf verlassen kann, dass sie da die gleichen Möglichkeiten hat.“ (I3 Z 494 - 501)

Die Frage, ob es positiv ist, dass sich unterschiedliche Stellen in Bezug auf die Arbeit mit obdach- und wohnungslosen Familien spezialisieren, wie es beispielsweise bei der Wiener Kinder- und Jugendhilfe der Fall ist, wurde im Rahmen der Interviews einerseits von der Forscherin aktiv befragt, und andererseits auch von den Expert*innen selbst in verschiedensten Bereichen eingebracht.

So wird von der Mehrheit der Interviewpartner*innen bemerkt, dass ein Unterschied im Umgang mit obdach- und wohnungslosen Familien innerhalb der Wiener Kinder- und Jugendhilfe, das heißt bei den unterschiedlichen Regionalstellen, auffällt. Es wird gleichzeitig betont, dass sich die Expertise, das Wissen und die wertschätzende Haltung der Schwerpunkt-Regionalstelle positiv sowohl auf die Kooperation als auch auf die Situation der betroffenen Familien auswirkt.

„Und was mir persönlich sehr am Herzen liegt, ist bei den Familien, dass nicht sofort irgendwie abgestempelt wird, die Familie ist nicht in der Lage sich um die Kinder zu kümmern, die Gefährdung ist da, weil sie obdachlos sind, weil sie wohnungslos sind, weil sie von einem anderen EU-Land hierhergezogen sind, sondern, dass man sich das sehr individuell auch bei der Regionalstelle 6-9 anschaut. Und Kindesabnahmen nicht einfach so passieren.“ (I1 Z 360 – 366)

Die Unsicherheit bei den Mitarbeiter*innen der Notquartiere und der Beratungsstelle bezüglich der Reaktion und Art der Intervention durch die Wiener Kinder- und Jugendhilfe speziell auch im Unterschied zwischen verschiedenen Regionalstellen, wurde von allen Interviewpartner*innen erwähnt. Es gibt hier keine klaren Handlungsanweisungen und Leitfäden wie mit Familien in der Wohnungslosenhilfe umgegangen werden soll, und ob hier – beispielsweise bei der Wohnsituation – andere Maßstäbe zu setzen sind, als bei Familien mit festem Wohnsitz.

„Ich glaube, dass wir einfach in den letzten Jahren eine Haltung erarbeitet haben in Hinblick auf die Obdachlosigkeit, auf die Bedürfnisse der obdachlosen Familien, einen anderen Zugang mittlerweile haben, und das ist auch gewachsen in den letzten Jahren, und ich bin mir nicht sicher (…) ob man das in einen Leitfaden verpacken kann.“ (I3 Z 327 – 332)

Überlegungen wurden angestellt, ob dies auch für andere Organisationen anzuregen wäre.

Andererseits wurde aber auch klargestellt, dass die Gefahr bei einer Ungleichbehandlung der Kinder nur weil sie wohnungslos sind zu einer Stigmatisierung führen könnte.

Hier gilt es genau zu erheben, was die Vorteile des Schwerpunkts ausmacht, und worin die positiven Aspekte gegeben sind.