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Konzeptioneller Bezugsrahmen der Wanderungsanalyse

Im Dokument Steuerung von Markenportfolios (Seite 170-176)

C. Identifikation des Controllingbedarfs und Ableitung einer

2. Strategisches Mehrmarkencontrolling:

2.21 Konzeptioneller Bezugsrahmen der Wanderungsanalyse

MASON/MILNE gehen zweckmäßig von einer festen Position jeder Marke im Wahr-nehmungsraum der Konsumenten aus. Dies verdeutlicht die Abb. 29 anhand eines fiktiven Marktes mit drei Marken, wobei die Marken A und B von dem gleichen Hersteller produziert werden und somit dem gleichen Markenportfolio angehören.

Die Kleinbuchstaben (Idealpunkte) kennzeichnen einzelne Konsumenten und ver-deutlichen, welche Marke erworben wurde. Je zentrierter sich ein Konsument in einem bestimmten Markenbereich befindet, desto eher entspricht dieser der Ziel-gruppe der Marke bzw. kann dieser als ,,typisch" für die Marke bezeichnet werden.

So kaufen etwa die meisten der im Markenbereich A vorzufindenden Konsumen-ten die Marke A, andere jedoch die Marken B und C. Die tatsächlichen Marken-käufer einer Marke innerhalb der zugehörigen Markengrenze können als

Kern-360 Vgl. im Folgenden Mason, Ch. H., Milne, G. R., An Approach for ldentifying Cannibalization within Product Une Extensions and Multi-Brand Strategies, a.a.O., S. 163ft. Vgl. allg. auch Moorthy, K. S., Png, 1. P. L., Marke! Segmentation, Cannibalization and the Timing of Pro-duct lntroPro-duction, in: Management Science, 38. Jg., Heft 3, 1992, S. 345ft.

konsumenten bezeichnet werden, die Gesamtzahl der Konsumenten innerhalb der Markengrenze als Markenpotenzial, so dass der Quotient aus tatsächlichen Käufern und dem Potenzial als Nischenanteil (Anteil im Markenraum) definiert werden kann. Die Buchstaben außerhalb der einzelnen Markenbereiche beschrei-ben schließlich Konsumenten, die zwar eine Marke kaufen, sich allerdings nicht im Zielmarkt der Marke entsprechend der gewünschten Positionierung befinden und somit als Randkonsumenten bezeichnet werden können.

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Abb. 29: Grundmodell der Substitution und Partizipation

(Quelle: In Anlehnung Mason, Ch. H., Milne, G. R., An Approach for ldentifying Cannibalization within Product Line Extensions and Multi-Brand Strategies, a.a.O., S. 165)

Alle Konsumenten, die in Abb. 29 im Bereich der Marke A liegen, diese aber nicht gekauft haben, sind entweder durch die portfolioeigene Marke B substituiert wor-den oder zur Konkurrenzmarke C gewandert (Partizipation der Konkurrenz).361

361 Der Begriff der Substitution wird in der Praxis aktivisch und passivisch verwendet. Passive Interpretation der Substitution: Zwei potenzielle Käufer der Marke A werden von der Marke B substituiert (die Käufer befinden sich zwar im Grenzbereich der Marke A, kaufen diese aber nicht); aktive Interpretation wie in Tabelle: Die Marke A substituiert einen Käufer der Marke B, da der Konsument, der Marke A kauft, potenziell auch die Marke B gekauft hätte, da er sich auch im Grenzbereich der Marke B befindet und diese somit erwogen hat.

Marke A hat somit einen Konsumenten von Marke B substituiert (ein „a" liegt im Überschneidungsbereich zur Marke B) und zwei Konsumenten von Marke C ab-gezogen (Partizipation: zwei „c" liegen im Überschneidungsbereich mit der Marke C). Die Ergebnisse der Substitution und Partizipation des fiktiven Beispiels lassen sich der Tabelle entnehmen.

Bei Einführung einer neuen Marke B sind letztlich neben dem in realiter vorherr-schenden gleichzeitigen Substitutions- und Partizipationseffekt theoretisch sämtli-che Szenarios

• von vollständiger Substitution (sämtliche Käufer der neuen Marke B gehen zu Lasten der portfolioeigenen Marke A),

• über teilweiser Substitution (ein Teil der Käufer geht zu Lasten der Marke A, ansonsten zieht die Marke B neue Konsumenten an und erweitert damit das Marktvolumen),

• und teilweiser Partizipation (ein Teil der Käufer geht zu Lasten der Marke C, ansonsten erweitert die Marke B das Marktvolumen},

• bis hin zur vollständigen Partizipation (z. B. sämtliche Käufer der Marke B gehen zu Lasten der Fremdmarke C) etc.

denkbar (vgl. Abb. 29).362 Hohe Substitutionsraten deuten dabei auf eine starke portfoliointerne Konkurrenz zwischen den Portfoliomarken, hohe positive Partizi-pationsraten auf eine hohe Wettbewerbsstärke hin. Ein wesentlicher Grund hoher Substitutionsraten kann in der mangelnden Differenzierung und der damit einher-gehenden hohen Austauschbarkeit der Portfoliomarken in der Wahrnehmung der Konsumenten liegen. Verdeutlicht an Abb. 29 bedeutet dies, dass sich letztlich zu viele Konsumenten im Überschneidungsbereich der Marken befinden. Das Aus-maß der Substitution hängt dabei wesentlich von der Stellung der Marken im Preis- und Qualitätsfeld des Marktes ab. Der Substitutionseffekt wird letztlich um so geringer (größer) sein, je größer (geringer) der Preis- und Qualitätsunterschied zwischen den Marken ist.

Bei gleicher Qualität wird es ceteris paribus nur schwer möglich sein, höhere Prei-se durchzuPrei-setzen. Vor dem Hintergrund der Verwendung von Gleichteilen, Platt-formen etc. lässt sich jedoch gerade in der Automobilindustrie eine Qualitäts-angleichung feststellen. Falls die charakteristischen Unterschiede zwischen den Marken nicht mehr differenziert wahrgenommen werden bzw. der Marktauftritt der Marken zunehmend homogenisiert wird, steigt die Gefahr einer Bearbeitung der

362 Vgl. Traylor, M. B., Cannibalism in Multibrand Firms, in: Journal of Consumer Marketing. Vol.

3, No. 2. Spring 1986, S. 72.

gleichen Nachfragersegmente. Die dennoch vorgenommene Preisdifferenzierung bei den auf die gleichen Kundensegmente ausgerichteten Modellen im Rahmen eines Markenportfolios (vgl. Tab. 7) lässt entsprechend stärkere Substitutionsef-fekte zugunsten von Preismarken und zu Lasten von Premiummarken erwarten363, denn „mit dem Argument „AUDI-Technik zu SKODA Preisen" lässt sich besser Ge-schäfte machen als gegen den Vorwurf„SKODA-Technik zu Auoi-Preisen".364

Preise IUPEl in DM Differenz Min.-Max.in DM Kompaktklasse Kurzheck

Tab. 7: Preisdifferenzierung strategischer Wettbewerbsmodelle im Volkswagen-Konzern

Nach PORTER ersetzt ein Produkt ein anderes, wenn es dem Abnehmer unter Be-rücksichtigung seiner Substitutionsneigung einen Substitutionsanreiz bietet, der stärker ist als die Substitutionskosten. Eine Ersatzmarke bietet dabei einen Sub-stitutionsanreiz, wenn sie im Vergleich zu ihrem Preis dem Abnehmer einen

hö-363 Grundsätzlich gilt: je unelastischer die Nachfrage reagiert, desto vorteilhafter erscheint ein hoher Preis für den Anbieter. In der Regel reagiert die Nachfrage aber nur dann unelastisch, wenn es nur wenige oder überhaupt keine Substitutionsprodukte gibt. Dies ist offensichtlich in der Automobilindustrie nicht der Fall.

364 Diez, W., Plattform-Strategien: Irrweg oder Königsweg in der Modellpolitik, a.a O , S. 32. So musste der im Juni 1996 auf der A-Plattform des Volkswagen Konzerns in den Markt einge-führte AUDI A3 im Jahr 1998 einen Absatzrückgang um 7,7 Prozent hinnehmen, wobei er ins-besondere gegenüber seinem auf der gleichen Plattform beruhenden konzerninternen Wett-bewerber GOLF IV verloren hat, der bei einer gleichen Motorisierung um 4.150 DM niedriger eingepreist ist. Auch beim AUDI A4 waren die Zulassungszahlen im ersten Halbjahr 1999 rückläufig, während in der gleichen Klasse andererseits der SKODA OCTAVIA ein Zulassungs-plus von 78,3 Prozent und der SEAT TOLEDO von 117,9 Prozent verzeichneten. Die positive Entwicklung von AUDI in 1999 wird letztlich allein vom AUDI A6 mit einem Zulassungsplus von 9,4 Prozent und dem neu eingeführten AUDI TT getragen. Bemerkenswerter Weise handelt es sich bei beiden Fahrzeugen um Modelle ohne konzerninternen Wettbewerber.

heren Wert als die bislang bezogene Marke bietet. Die Substitutionskosten sind hingegen eine Analogie zu den Kosten, die beim Wechsel von einer Marke zu ei-ner anderen entstehen. Im beschriebenen Falle liegt der die Substitutionskosten überwiegende Substitutionsanreiz darin, dass die vergleichbare Qualität einer Marke zu niedrigeren Preisen erworben werden kann. 365

Mikroökonomisch kennzeichnet die Wirtschaftswissenschaft den Begriff „enge Substitutionsprodukte" auch als Produkte mit hoher Kreuzpreiselastizität366 der Nachfrage. Analog kann von engen Substitutionsmarken gesprochen werden.

Wenn bei Unveränderlichkeit aller übrigen Einflussfaktoren der Nachfrage, z.B. der Kommunikationspolitik, der Preis einer Marke steigt und dies zu einer Erhöhung der Nachfrage für eine andere Marke führt, sind die beiden Marken enge Substitu-tionsmarken.367 Steigt somit der Preis für die Modelle der Marke AUDI und werden die Konsumenten dadurch veranlasst, vermehrt Modelle der Marke VW nachzu-fragen, sind dies enge Substitutionsmarken.

Allerdings ist in Markenportfolios durchaus eine gewisse Substitution erwünscht:

Unter der Prämisse ansteigender Einzeldeckungsbeiträge sowohl entlang der Portfoliomarken (z. B. von SKODA zu AUDI im VOLKSWAGEN-KONZERN) als auch der Modelle innerhalb einer Marke (vom Kleinwagen zur Oberklasse) ergibt sich als Konsequenz eine gewünschte Substitution entlang der ansteigenden Einzel-deckungsbeiträge, da sich hierdurch letztlich der Portfoliogesamtgewinn erhöhen lässt. Folglich ist TRAYLOR zuzustimmen, wenn er sagt: ,, The real task of manage-ment, then, is not to avoid cannibalism [Hervorhebung d. Verf.], but to know when and where it happens, be aware of its like/y competitive and profitability ef-fects, and take the appropriate marketing action that serves the best strategic

inte-365 PORTER spricht entsprechend von Substitutionsökonomie. Vgl. Porter, M. E., Wettbewerbs-vorteile: Spitzenleistungen erreichen und behaupten, a.a.O., S. 361.

366 Bei der Kreuzpreiselastizität T werden die relative Preisänderung des Anbieters A und die daraus resultierende Absatzänderung des Anbieters B zueinander in Beziehung gesetzt. Die Konkurrenzintensität lässt sich dabei mittels des sogenannten Triffinischen Koeffizienten be-stimmen: T=(dx8/x8 ) / (dpA/PA), mit x = Nachfragemenge und p = Preis. Anhand des Vorzei-chens der Kreuzpreiselastizität lässt sich feststellen, ob zwischen Gütern eine Substitutions-oder Komplementaritätsbeziehung besteht.

367 Vgl. auch Kotler, Ph., Bliemel, F., Marketing-Management: Analyse, Planung, Umsetzung und Steuerung, a.a.O., S. 392. Vgl. zu den „Cross-elasticities" im Rahmen der Kannibalisie-rungsanalyse auch Bultez. A. et al., Asymmetrie Cannibalism in Retail Assortements, in:

Journal of Retailing, Vol. 65, Nr. 2, Summer 1989, S. 155.

rests of the enterprise. "368 Abb. 30 verdeutlicht das Grundschema der im Folgen-den zu behandelnFolgen-den Wanderungsanalyse. Hierauf aufbauend folgt in einem zweiten Schritt die Bestimmung des markenspezifischen Absatzpotenzials.

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Loyalitäts-gewinn

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Abb. 30: Grundschema der Wanderungsanalyse

Während im Rahmen der Partizipationsanalyse sowohl die Nachfrage der durch die Marken A-D neu hinzugewonnenen Käufer (Zuwanderungen), die bislang Kon-kurrenzmarken erworben haben, als auch die Abwanderungen aktueller Käufer zu den Wettbewerbern untersucht wird, kommt der Substitutionanalyse369 die Auf-gabe zu, Wechsel der Kunden von einer Marke des Portfolios zu einer anderen aufzudecken und mithin eine mögliche „interne Konkurrenz" der Marken innerhalb

368 Traylor, M. B., Cannibalism in Multibrand Firms, a.a.O., S. 74.

369 BROCKH0FF nimmt eine andere Systematisierung vor, indem er unter der Substitution die Par-tizipation und Kannibalisierung subsumiert. Denn grundsätzlich wird bei der Substitution be-obachtet, dass eine vermehrte Nachfrage nach einer Marke A mit einer venminderten Nach-frage nach Marke B einhergeht, ohne dass diese Beziehung durch andere Einflüsse zu erklä-ren ist. Ergebnisse einer Substitution innerhalb eines Portfolios können dann als Kannibalisie-rungseffekt, diejenigen zwischen den Portfolios verschiedener Hersteller als Partizipationsef-fekt bezeichnet werden. Vgl. Brockhoff, K. Produktpolitik, a.a.O., S. 85. Dieser durchaus sinnvollen tenminologischen Trennung soll allerdings im Folgenden nicht gefolgt werden, da der Begriff Substitution noch eine nähere Konkretisierung erfahren wird, die entsprechend als Kannibalisierung bezeichnet werden soll.

des Markenportfolios zu analysieren. Hierbei ist zwischen „echter'' Kannibalisie-rung einerseits sowie Loyalitätsgewinnen des Gesamtportfolios andererseits zu unterscheiden. Wanderungsbewegungen innerhalb einer Marke, also die Be-trachtung möglicher Auf- und Absteiger, sind nicht der Wanderungsanalyse des Portfolios, sondern der Wanderungsanalyse einer Marke zuzurechnen. Die Ergeb-nisse der Partizipations- und Substitutionsanalyse lassen sich schließlich in einer Wanderungsmatrix bzw. -bilanz zusammenfassen.

Im Dokument Steuerung von Markenportfolios (Seite 170-176)