• Keine Ergebnisse gefunden

Das GAP-Modell der Markenidentität als konzeptioneller

Im Dokument Steuerung von Markenportfolios (Seite 194-200)

C. Identifikation des Controllingbedarfs und Ableitung einer

2. Strategisches Mehrmarkencontrolling:

2.41 Das GAP-Modell der Markenidentität als konzeptioneller

Wie aufgezeigt, bedarf es zur Schaffung einer starken Markenidentität einer hohen Übereinstimmung zwischen dem internen Selbstbild und dem externen Fremdbild einer Marke. Für eine Analyse möglicher Positionierungsdefizite ist es daher zweckmäßig, sowohl das Selbstbild als auch das Fremdbild einer Marke in eine jeweilige Soll- und Ist-Komponente zu zerlegen:

• Das Soll-Selbstbild basiert auf der strategischen Rolle der Marke und be-schreibt den Kern der anzustrebenden „Zielidentität".

• Das Ist-Selbstbild hingegen repräsentiert die tatsächliche Umsetzung der vor-gegebenen Inhalte einer Marke in eine marktfähige Leistung.

390 Markenpositionierung beinhaltet somit grundsätzlich zwei Sichtweisen: Zum einen die für das Markenmanagement notwendige Abbildung des im Wettbewerb verbundenen Markensystems auf Basis subjektiver Wahrnehmungsurteile (Akzeptanzkonzeption, Positionierungsanalyse), zum anderen die Strategien und Maßnahmen des Markenmanagement, die zur gezielten Ver-änderung dieses Systems führen (Aussagekonzeption, Positionierungsstrategie). Grundlage hierfür ist die Informationsbasis der analytischen Komponente. Unter Positionierung kann folg-lich sowohl eine Analyse als auch eine Strategie verstanden werden. Im Zuge der Ausgestal-tung der Mehrmarkenstrategie wurde Positionierung demnach als Strategiekonzept aufge-fasst, im Folgenden steht im Rahmen des Mehrmarkencontrolling spiegelbildlich das Analyse-konzept im Vordergrund.

391 Vgl. Parasuram, A., Zeithaml, V., Berry, L.L., A Conceptual Model of Service Quality and its lmplications for Future Research, in: Journal of Marketing, Vol. 49, 1985, S. 41ft. Zum Grund-gedanken der Übertragung auf Marken vgl. Meffert, H., Burmann, Ch., ldentitätsorientierte Markenführung - Grundlagen für das Management von Markenportfolios, a.a.O., S. 62.

• Während das Ist-Fremdbild schließlich die externe Wahrnehmung der tat-sächlichen Marktleistung als Realimage umfasst,

• beinhaltet das Soll-Fremdbild das von den externen Anspruchsgruppen als ideal empfundene Image einer Marke.

langfristig ist eine hohe Kongruenz zwischen dem Selbstbild und dem Soll-Fremdbild anzustreben. Für das hier zur Analyse möglicher Positionierungsdefizite betrachtete GAP-Modell ergibt sich damit der in Abb. 36 dargestellte Aufbau, wel-cher eine Modifikation des bisher in der Literatur bestehenden GAP-Modells der Markenidentität vornimmt, indem das Soll-Selbstbild im Modell explizit ausgewie-sen wird. 392

Aussagenkonzept Selb5tblld der Marl<enldenlität

GAP 1

Multlpllkator z.B. Handel

GAP3

Verkluf•r, S.rvleo, lmporteu~

Abb. 36: GAP-Modell der Markenführung

Akzeptanzkonzept Fremdbild der Marl<enldenlität

GAP 1 kennzeichnet als Wahrnehmungsgap die Abweichung zwischen den Er-wartungen der Konsumenten gegenüber einer Marke (Ideal-Image) und der

Wahr-392 Vgl. Meffert, H., Bunnann, Ch., ldentitätsorientierte Markenführung - Grundlagen für das Management von Markenportfolios, a.a.O., S. 60ff. Vgl. zu weiteren Anwendungen des GAP-Modells etwa Corsten, H., Stuhlmann, St., Das GAP-Modell als Orientierungsrahmen für ein Kapazitätsmanagement in Dienstleistungsunternehmungen, in: Kapazitätsmanagement in Dienstleistungsunternehmungen: Grundlagen und Gestaltungsmöglichkeiten, Corsten, H., Stuhlmann, St. (Hrsg.), Wiesbaden 1997, S. 11ff.; Bieger, Th., Dienstleistungsmanagement:

Einführung in Strategien und Prozesse bei persönlichen Dienstleitungen, Bern, Stuttgart, Wien, 1998, S. 172ff.

nehmung dieser Erwartung auf Seiten des Markenmanagement als Grundlage zur Formulierung des Markenselbstbildes.393 Vielfach wird diese Abweichung als Aus-gangspunkt der GAP-Analyse betrachtet. Ob allerdings das Idealimage der Kon-sumenten tatsächlich Ausgangspunkt der Betrachtung ist, hängt letztlich von der Art und Weise der Formulierung des Selbstbildes ab, d.h. in wie weit sich die For-mulierung des Selbstbildes tatsächlich an den artikulierten Konsumentenwü n-schen orientiert oder aber primär von eigenen Erfahrungen, herstellerspezifin-schen Ressourcen bzw. Know-how dominiert wird.394 Hier stellt sich somit die Frage, ob zur Erlangung eines KKV

• eine reaktive Positionierung verfolgt wird, bei der sich die Positionierungen insbesondere an den artikulierten Wünschen der Konsumenten orientieren (primär Outside-In-Betrachtung), oder

• eine aktive Positionierung vorgenommen wird, indem dem Kunden bisher unbekannte, für seine Kaufentscheidung aber wichtige Eigenschaftsdimensio-nen besetzt werden (primär Inside-Out-Betrachtung).

Wie aufgezeigt entsteht die Markenidentität erst durch eine wechselseitige Bezie-hung zwischen internen und externen Zielgruppen der Marke, so dass sie nicht isoliert aus der Perspektive des Marktes oder des Unternehmens betrachtet wer-den darf, sondern im Spannungsfeld zwischen dem Unternehmen und seiner Um-welt steht. Zur Sicherstellung einer starken Markenidentität besteht ungeachtet reaktiver oder aktiver Positionierung langfristig das Ziel einer Übereinstimmung zwischen dem Idealimage der Konsumenten und dem formulierten Selbstbild des Unternehmens und damit - wie bei allen GAPs - eine Schließung der Lücke. Vor diesem Hintergrund liefert die Identifikation der Ideal-Images sowohl für eine

reak-393 In Anlehnung an das „consumer expectation - management perception gap" bei Parasuram, A., Zeithaml, V., Berry, L.L., A Conceptual Model of Service Quality and its lmplications for Future Research, a.a.O., S. 44.

394 In diesem Zusammenhang ist die Äußerung eines TOP-Managers eines großen, weltweit täti-gen Automobilkonzerns zu verstehen: ,.Grundsätzlich gilt, dass die Manager und besonders die Top-Manager der einzelnen Marken noch am besten über die wünschbare und mögliche Zukunft der Marke Bescheid wissen und daher ein Soll-Image (verstanden als Soll-Selbstbild, Anm. d. Verf.) viel klarer und deutlicher festlegen können als dies auch gut informierten Kun-den möglich wäre. [. . .] Es hätte zum Beispiel nie einen [das Modell X, Anm. d. Verf.) gegeben, wenn das Soll-Image vom Markt her bestimmt worden wäre." Und weiter: ,.Die Menschen sind eben nicht in der Lage zu artikulieren, was sie wirklich fasziniert. [. .. ] Es gilt festzuhalten, dass große wirtschaftliche Erfolge häufig gegen große Widerstände durchgesetzt werden mussten und dass sie trotz eines großen Fehlschlag-Risikos zustande kamen. Hier gilt nach wie vor die Auffassung des österreichischen Nationalökonomen Schumpeter: ,.Der Markt ist immer schon voll, was neu hinzukommt, muss sich gegen die Logik des Marktes durchsetzen."

tive als auch aktive Positionierung wichtige Anhaltspunkte zur Formulierung des Selbstbildes. Maßnahmen, die zur Schließung der Divergenz zwischen den von den Nachfragern artikulierten und vom Anbieter wahrgenommenen Erwartungen beitragen, konzentrieren sich dabei insbesondere auf die Marktforschung, um dem Markenhersteller die Wünsche und Bedürfnisse der Nachfrager transparent zu machen.

Eine Diskrepanz zwischen dem unter Beachtung der Kundenerwartung formulier-ten Selbstbild durch das Porlfoliomanagement und seiner tatsächlichen Realisie-rung zeigt ein Umsetzungsgap (GAP 2).395 Dabei lassen sich im Grunde zwei getrennte Problembereiche identifizieren:

• Diskrepanz zwischen dem zentral formulierten Markenselbstbild (Planung) und seiner Spezifikation hinsichtlich bestimmter Markenmerkmale durch das de-zentrale Markenmanagement (strategische Ebene). Beispielsweise ist die Spezifikation der im Selbstbild formulierten Merkmale „Sportlichkeit und Dyna-mik" in konkrete Markeneigenschaften hinsichtlich Höchstgeschwindigkeit, Be-schleunigung, Fahrwerksabstimmung oder Innenausstattung etc. mit entspre-chenden Schwierigkeiten verbunden.

• Diskrepanz zwischen den geplanten Markenmerkmalen und der tatsächlich erbrachten Markenleistungen auf operativer Ebene der jeweiligen Marken. So kann es trotz spezifizierter Markenmerkmale im Lastenheft eines Automobil-herstellers in Bezug auf die Markenqualität zu Fahrzeugmängeln bei der Aus-lieferung kommen.

Bei den hier aufgeführten Abweichungen handelt es sich somit um unterneh-mensinterne Gaps. Ursachen für die aufgeführten GAPs sind insbesondere unzu-reichende Potenzialfaktoren, die in Form mangelnder Mitarbeiterqualifikation oder einer ungeeigneten unternehmensinternen Infrastruktur verhindern, dass formu-lierte Markenmerkmale eingehalten werden können. Zur erfolgreichen Umsetzung des formulierten Selbstbildes in eine tatsächliche Marktleistung sind neben der Sicherstellung einer geeigneten Infrastruktur bestimmte Voraussetzungen bei den Mitarbeitern der jeweiligen Markenorganisationen zu erfüllen. So ist die Kenntnis (,,Kennen") und das „Verstehen" des Soll-Selbstbildes zu gewährleisten und die Betroffenen sind mit der entsprechenden Kompetenz (,,Können") auszustatten.

überdies ist mit der Akzeptanz (,,Wollen") des Selbstbildes bei den internen

An-395 In Anlehnung an das "management perception - service quality specification gap" und .service quality specification - service de/ivery gap" bei Parasuram, A., Zeithaml, V., Berry, L.L., A Conceptual Model of Service Quality and its lmplications for Future Research, a.a.O., S. 45.

spruchsgruppen die Voraussetzung für die Leistungs- und Einsatzbereitschaft der Mitarbeiter zu erreichen.396

GAP 3 des Modells bezieht sich auf die Abweichung zwischen der tatsächlich er-stellten und der in der marktgerichteten Kommunikation versprochenen Leistung des Herstellers.397 So kann beispielsweise die besondere Wirtschaftlichkeit als wesentliches Kennzeichen der Marke herausgestellt werden, ohne dass der Kun-de dies bei seinem tatsächlichen Benzinverbrauch oKun-der Kun-den Ersatzteilpreisen nachvollziehen kann. Ein Kommunikationsgap tritt somit im Rahmen des exter-nen Marketing dann auf, wenn Erwartungen bei dem Kunden aufgebaut werden, die später vom Markenprodukt aus Sicht des Konsumenten nicht erfüllt werden.

Das letzte GAP kennzeichnet schließlich eine Abweichung zwischen dem Ideal-Markenimage und dem tatsächlichen Ideal-Markenimage und entsteht aus der subjekti-ven Bewertung der Marke aus Sicht der externen Anspruchsgruppen. Ursache für ein ldentifikationsgap sind entweder die GAPS 1-3 , also GAP 4 = f(Gap1, Gap2, Gap3), oder der Nachfrager ist nicht in der Lage, die tatsächliche Eignung der Marke zu beurteilen.398 Existiert eine solches GAP, wobei auch eine positive Lük-ke möglich ist, d.h. die Erwartungen des Nachfragers werden übertroffen, so ist zu unterscheiden, ob die Abweichung noch im Toleranzbereich des Nachfragers liegt oder ob er diese Diskrepanz als unakzeptabel einstuft. Ein GAP zwischen Ist- und Soll-Image führt letztlich wiederum zu einer Anpassung der zukünftigen Erwartun-gen der Nachfrager, wodurch der dynamische Charakter des GAP-Modells ver-deutlicht werden kann.

Neben sonstigen Elementen der Prozesskette zwischen Hersteller und Kunden kann insbesondere der Automobilhandel als „Multiplikator" möglicher GAPs zwi-schen dem Selbstbild des Herstellers und dem Fremdbild externer Anspruchs-gruppen interpretiert werden (mangelnde Realisierung des Markenleitbildes über

396 Vgl. hier auch Kolks, V., Strategieimplementierung: Ein anwendungsorientiertes Konzept, Wiesbaden 1990, S. 110ft.

397 In Anlehnung an das „expected service - perceived service gap" bei Parasuram, A., Zeit-haml, V., Berry, L.L., A Conceptual Model of Service Quality and its lmplications for Future Research, a.a.O., S. 46; vgl. hier auch Meffert, H., Burmann, Ch., ldentitätsorientierte Mar-kenführung - Grundlagen für das Management von Markenportfolios, a.a.O., S. 64.

398 Vgl. Parasuram, A., Zeithaml, V., Berry, L.L., A Conceptual Model of Service Quality and its lmplications for Future Research, a.a.O., S. 45.

die gesamte Prozesskette).399 Zum einen können unterschiedliche Auffassungen von Hersteller und Händler über die Ausprägung der die Markenidentität beein-flussenden Produkt- und POS-Merkmale existieren, worin sich letztlich eine man-gelhafte Verankerung der Markenidentität nach innen ausdrückt. Zum anderen beeinflussen die Vertragshändler aufgrund ihrer hohen Bedeutung in der Automo-bilbranche unmittelbar das Fremdbild der externen Anspruchsgruppen durch kon-krete POS-Standards, erbrachte Serviceleistungen vor und nach dem Kauf oder aber die handelseigene Markenkommunikation.

Wie bereits bei der Ermittlung des Controllingbedarfs aufgezeigt, besteht in Mehr-markenstrategien die Herausforderung nicht nur darin, das Spannungsfeld zwi-schen dem Selbst- und Fremdbild der Identität jeder Marke zu überbrücken, son-dern darüber hinaus auch die verschiedenen Markenidentitäten im Portfolio unter-einander im nationalen und internationalen Kontext abzustimmen. Zur innen- und außengerichteten Festigung der Markenidentität und damit zur Schließung mögli-cher Gaps nehmen Markenleitbilder eine zentrale Bedeutung im Rahmen des in-ternen und exin-ternen Marketing ein. Markenleitbilder mögen in ihrer Charakterisie-rung jedoch noch so eindeutig sein, für den weiteren Fortgang ist ein Mess- und Kontrollinstrumentarium erforderlich, mit dem geprüft werden kann, wie weit die Realimages von der ihnen zugewiesenen Soll-Position entfernt sind und ob die Bewegung in die gewünschte Richtung verläuft. Das GAP-Modell erscheint dabei zum einen für eine Identifikation und Strukturierung möglicher Leistungsfähigkeits-defizite und zum anderen als Ansatzpunkt zur Formulierung konkreter Gestal-tungsempfehlungen geeignet. Hierzu sei im Folgenden auf Basis des vorgestellten Bezugsrahmens in folgenden Schritten vorgegangen:

• In einem ersten Schritt gilt es zunächst, die Fremdbilder der einzelnen Portfo-liomarken als realisierte Ist-Positionierungen zu analysieren. Denn um das Ausmaß der Substitution in einem Markenportfolio abschätzen zu können, empfiehlt auch FRETER, die von den Nachfragern wahrgenommene Ähnlichkeit der unternehmenseigenen Marken zu prüfen, welche sich graphisch mit Hilfe eines auf Konsumentenurteilen basierenden Positionierungsmodells verdeutli-chen lässt. 400

399 Da der Handel zum einen als innerorganisationale Institution des Herstellers interpretiert wer-den kann, zum anderen als "Kunde" des Herstellers zu sehen ist, kann der Handel auch als Bindeglied zwischen Aussage- und Akzeptanzkonzept zwischen Hersteller und Endkunde ver-standen werden.

400 Vgl. Freter, H., Marktsegmentierung, a.a.O., S 122.

• Darauf aufbauend sind in einem zweiten Schritt die Selbstbilder der Marken im Sinne der angestrebten Soll-Positionierung in die Analyse zu integrieren, um etwaige GAPs zwischen den einzelnen Selbst- und Fremdbildern zu identi-fizieren. Dabei lassen sich Gesamtabweichungen wiederum mit Hilfe von Posi-tionierungsmodellen verdeutlichen. Zur Identifikation möglicher Abweichungs-ursachen gilt es sodann, mögliche interne und externe GAPs weiter aufzu-spalten.

2.42 Analyse der marktseitigen Markenwahrnehmung:

Im Dokument Steuerung von Markenportfolios (Seite 194-200)