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Das Balanced Scorecard Konzept

Im Dokument Steuerung von Markenportfolios (Seite 145-150)

C. Identifikation des Controllingbedarfs und Ableitung einer

2. Controllingkonzeption zur Deckung und Reduktion des

2.3 Das Balanced Scorecard Konzept

Hintergrund der Balanced Scorecard (BSC) ist die Kritik in Literatur und Praxis an der einseitigen Finanz- und Vergangenheitsorientierung gängiger Kennzahlensy-steme in Unternehmen.308 Zentrale Idee der BSC ist die Berücksichtigung unter-schiedlicher Perspektiven bei der Leistungsbeurteilung eines Unternehmens oder Geschäftsbereichs als Grundlage zu deren Steuerung, unter Beachtung der per-spektivenübergreifenden zusammenhänge und unter Hinzuziehung perspektiven-spezifischer Maßgrößenbündel.309 „Balanced" indiziert dabei eine integrierte und

306 Vgl. Köhler, R., Beiträge zum Marketing-Management. Planung, Organisation, Controlling, a a.O, S. 102ff.

307 Der Balanced Scorecard ist aus einem von l<APLAN/NORTON durchgeführten Forschungspro-jekt entstanden, bei dem die Performancemessung in einer Auswahl amerikanischer Großun-ternehmen untersucht worden ist. Vgl. Hoffmann, 0., Performance Management, Systeme und Implementierungsansätze, Bern, Stuttgart, Wien 1999, S. 49.

308 So beklagt DRUCKER, dass in der Informationsversorgung der Führung noch immer eine buch-halterische Vergangenheitsorientierung dominiert. Vgl. Drucker, P., Umbruch im Manage-ment, Düsseldorf 1996, S. 113. Zur Produktion von Zahlenfriedhöfen vgl. Homburg, Ch. et al., Interne Kundenorientierung der Kostenrechnung - Ergebnisse der Koblenzer Studie, Band 7 der Reihe Advanced Controlling, Koblenz 1998, S. 19f. Der Bedarf zusätzlicher nicht-monetärer Informationen lässt sich empirisch belegen. Vgl. hierzu Eccles, R. G., Mavrlnac, S., lmproving the Corporate Disclosure Process, in: Sloan Management Review, Vol. 36, Heft 4, S 20. Vgl. auch Neely, A., Gregory, M., Platts, K., Performance Measurement System Design, in: International Journal cf Operations & Production Management, Heft 4, 1995, S.

106.

309 Vgl. Kaplan, R. S., Norton, D. P., In Search of Excellence - der Maßstab muss neu definiert werden, in: Harvard manager, Heft 4, 1992, S. 37ff.

DIE VON l<APLAN/NORTON propagierte Idee ist letztlich nicht neu, sondern wurde schon in den fünfziger Jahren gefordert. Vgl. hierzu die Ausführungen bei Weber, J., Schäffer, U., Balan-ced Scorecard - Gedanken zur Einordnung des Konzeptes in das bisherige Controlling-Instrumentarium, a.a.O., S. 4f. und die dort genannte Literatur. So zeigen ECCLES/NORIAH In-halte eines Kennzahlenprojektes bei General Electric im Jahre 1951, in dem verschiedene Kennzahlentypen vorgeschlagen werden. Eccles, R. G., Noriah, N., Beyond the Hype - Re-discovering the Essence of Management, Boston 1992, S. 156ff. Das bekannte, von lAUZELiCILBERT 1959 konzipierte Tableau de Bord stellt ein System finanzieller und nicht-finanzieller Kennzahlen dar. Vgl. hierzu Epstein, M., Manzoni, J.-F., lmplementing Corporate Strategy: From Tableaux de Bord to Balanced Scorecard, in: European Management Journal, Vol. 16, No. 2, 1997, S. 191. Schott strukturiert bereits 1951 ein Kennzahlensystem nach (Fortsetzung der Fußnote auf der nächsten Seite)

ausgewogene Darstellung sowohl qualitativer als auch quantitativer vergangen-heits- wie zukunftsbezogener Informationen unternehmensinterner (z. B. Mitar-beitermotivation) und -externer Natur (Kundenzufriedenheit) und damit die expli-zite Berücksichtigung von Ergebniskennzahlen und Leistungstreibern. 310 KAPLAN/NORTON beleuchten in ihrem Konzept der BSC vier miteinander verkettete Perspektiven, welche die Wünsche der drei wichtigsten Stakeholder11 (Sharehol-der, Kunden und Mitarbeiter) berücksichtigen (vgl. Abb. 24):312

• Die finanzielle Perspektive verdeutlicht, inwiefern die Implementierung der verfolgten Strategie zur Ergebnisverbesserung beiträgt. Dabei definieren finan-zielle Kennzahlen einerseits die von der Strategie zu erwartende finanfinan-zielle Leistung, anderseits fungieren sie als Endziele für andere Perspektiven, deren Kennzahlen grundsätzlich über Ursache-Wirkungsbeziehungen mit den finan-ziellen Zielen verbunden sein sollten.313

• Fokus der Kundenperspektive ist eine spezifische Zusammenstellung von Größen, die für den Erwerb einer Leistung entscheidend sind (Zeit, Qualität, Produktwert aus Kundensicht, Preiseinschätzung etc.). Als Ergebnisgrößen werden etwa die Kundenzufriedenheit, Kundenbindung, Kundenprofitabilität etc. genannt.314

Struktur-, Leistungs-, Ergebnis- und Entwicklungskennzahlen. Vgl. Schott, G., Kennzahlen -Instrument der Unternehmensführung, 4. Aufl., Wiesbaden 1991, S. 294ff. Auch das von WEBER entwickelte System selektiver Kennzahlen setzt an dem Problem der ungenutzten Zahlenfriedhöfe an. Vgl. Weber, J. Einführung in das Controlling, a.a.O., S. 201ff.

310 Zunehmend wird auch von den Eignern eines Unternehmens ein Anspruch auf eine Veröffent-lichung - meist nicht monetärer - Größen erhoben, mit denen eine verbesserte Beurteilung der zukünftigen Unternehmensentwicklung ermöglicht wird. Vgl. hier etwa den vom Special Committee on Finacial Report veröffentlichten Compehensive Report, dessen Muster-Unternehmensbericht eine deutlich erweiterte Aufnahme von nicht-monetären Unternehmen-sinformationen zeigt. Vgl. Klingenbiel, N., Performance Measurement: Grundlagen - Ansätze - Fallstudien, a.a.O., S. 2 und 8.

311 Zum Stakeholder-Konzept vgl. auch Wagner, H., Marktorientierte Unternehmensführung ver-sus Orientierung an Mitarbeiterinteressen, Shareholder-Value und Gemeinwohlverpflichtung, in: Marktorientierte Unternehmensführung: Reflexionen-Denkanstöße-Perspektiven, Bruhn, M., Steffenhagen, H. (Hrsg.}, Wiesbaden 1997, S. 87ff.

312 Vgl. Kaplan, R. S., Norton, D. P., Balanced Scorecard: Strategien erfolgreich umsetzen, a.a.O., S. 8.

313 Beim Scorecard-Ansatz besteht keine zwingende Voraussetzung, die finanziellen Größen aufeinander abzustimmen, wie dies bei klassischen finanziellen Kennzahlensystemen wie et-wa dem Du-Pont-Schema der Fall ist. Von größerer Bedeutung ist ein bestehender logischer Zusammenhang zwischen den Messgrößen der Perspektiven bezüglich der Strategieumset-zung.

314 Vgl. Kaplan, R. S., Norton, D. P., Strategieumsetzung mit Hilfe der Balanced Scorecard, a.a.O., S. 321.

• Zur Befriedigung der Kundenansprüche sind intern die hierfür notwendigen Prozesse zu beherrschen. infolgedessen richtet die interne Prozessperspek-tive den Fokus auf jene Abläufe und deren spezifische Massgrößen, die maß-geblich zur Befriedigung der Kundenwünsche beitragen (Fertigkeit der Mitar-beiter, Qualitätstandards etc. ).315

• Zur Befriedigung auch zukünftiger Kundenbedürfnisse sowie zur lnduzierung langfristiger Verbesserungen von Wachstum und Wertsteigerungen bedarf es der ständigen Weiterentwicklung der Produkte und Verfahren. Im Rahmen der Lern- und Wachstumsperspektive sind hierzu schließlich Maßstäbe für die Verbesserung der existierenden Fähigkeiten der Mitarbeiter, der Systeme und Abläufe zu generieren.

-Abb. 24: Perspektiven und Managementprozess der Balanced Scorecard

(Quelle: Kaplan, R., Norton, D., Using the Balanced Scorecard as a Strategie Management System, in: HBR, Jan.-Feb. 1996, S. 76.

Die Perspektiven der BSC sind auf die Unternehmensziele abzustimmen, deren Erreichen über definierte Leistungsmaßstäbe überprüft wird. Ausgangspunkt stellt die Vision des Unternehmens dar, auf welche die Strategie- und Zielformulierung sowie die Leistungsplanung und -messung ausgerichtet ist. Die BSC bildet die Strategie des Unternehmens durch die Verknüpfung von Zielen über die

Perspek-315 Zur Förderung der Leistungsorientierung wird auch ein Benchmarking der Messgrößen der internen Prozessperspektive mit vergleichbaren Organisationen empfohlen.

tiven sowie deren Ergebnis- und Leistungstreiber mittels der zu Grunde liegenden Ursache-Wirkungs-Beziehungen ab.316

Die Gestaltung der BSC nach l<APLAN/NORTON mit vier Scorecards (Ergebnista-feln) ist dabei lediglich als Vorschlag zu verstehen, um strategierelevante Informa-tionen zu strukturieren. Die BSC-Konzeption ist grundsätzlich auf die Informati-onsbedürfnisse der Unternehmung auszurichten, welche wiederum durch die ver-folgten strategischen Ziele, Organisationsform etc. determiniert werden, so dass die Perspektiven der BSC je nach Informationsbedarf eine Kürzung bzw. Ergän-zung erfahren.317 überdies ist bei der Scorecardgestaltung die Hierarchiestufe ih-rer Anwender zu berücksichtigen. So gehen die in den Perspektiven dargestellten Kennzahlen auf Unternehmensebene vielfach aus einer Verdichtung von Kenn-zahlen unterer Ebenen mittels Indizes hervor. Auf tieferen Hierarchiestufen kann sich mithin der Aufbau von Scorecards deutlich von einer Top-Management Sco-recard unterscheiden, da nur eine Teilsicht von operationalisierbaren Indikatoren relevant sein kann. Letztlich handelt es sich somit beim Ansatz von l<APLAN/NORTON somit um einen Gestaltungsrahmen, der einer organisationsspe-zifischen Anpassung bedarf.318

316 Problematisch stellt sich die Verknüpfung von Messgrößen dar, wenn eine sehr lange Feed-back-Dauer zwischen einzelnen Kennzahlen besteht. In diesem Fall ist eine eindeutige Zuord-nung von Ursache-Wirkungs-Zusammenhängen nur schwer zu realisieren, da vielfältige Stör-faktoren kompensierende Wirkungen entfalten können. Entsprechend kann der Nutzen einer BSC in Frage gestellt werden, wenn keine finanziellen Auswirkungen innerhalb einer über-schaubaren Zeit feststellbar sind. Vgl. Hoffmann, 0., Performance Management, Systeme und Implementierungsansätze, a.a.O., S. 55.

317 WEBER/SCHÄFER weisen entsprechend explizit darauf hin, dass eine zu enge Orientierung im Prozess der individuellen Gestaltung der BSC am Basisbeispiel von Kaplan/Norton keine ei-genständige Lösungen erwarten lässt. Vgl. Weber, J., Schäffer, U., Balanced Scorecard -Gedanken zur Einordnung des Konzeptes in das bisherige Controlling-Instrumentarium, a.a.O., S. 17. Beispielsweise ergänzte die Firma FISCHERWERKE ihre Balanced Scorecard um eine explizite Mitarbeiterperspektive und die Kundenperspektive wurde zur Marktperspektive erweitert. Vgl. zu den Gründen Fink, C.A., Grundler, Ch., Strategieimplementierung im tur-bulenten Umfeld - Steuerung der Firma fischerwerke mit der Balanced Scorecard, in: Control-ling, Heft 4, 1998, S. 228f. Ausführliche Informationen zur Gestaltung der BSC bietet ABB (Schweden). Vgl. Ewlng, P., Lundahl, L. The Balanced Scorecards at ABB Sweden - The EVITA Project, o.O., 1996.

318 So existieren in Literatur und Praxis zahlreiche weitere Ansätze mit ähnlichem Fokus bzw. die auf der Struktur der BSC aufbauen. Vgl. z.B. die „Performance Pyramid" bei Lynch, R. L., Cross, K. F., Measure Up! Yardsticks for Continuous lmprovement, Cornwall 1995, S. 65; das ,,Quantum Performance Measurement Modell" bei Hronec, S. M., Vital Signs, New York u.a.

1993, S. 25. Vgl. zu weiteren Beratermodellen Klingebiel, N., Performance Measurement:

Grundlagen -Ansätze - Fallstudien, Wiesbaden 1999, S. 63ft.

KAPLAN/NoRTON zur Folge fungiert die BSC dabei nicht nur als Kennzahlensystem, sondern stellt als umfassendes Managementsystem das Bindeglied zwischen der Entwicklung einer Strategie und ihrer Umsetzung dar, so dass die BSC offensicht-lich einen Beitrag zur Schließung der Implementierungslücke in Mehrmarkenstra-tegien leisten kann: 319

• Schon der Entwicklungsprozess einer BSC soll gemäß KAPLAN/N0RTON zur Klärung sowie zum Konsens im Hinblick auf die strategischen Ziele führen.

• Die BSC soll zur einheitlichen Zielausrichtung der Handlungsträger im Unter-nehmen beitragen.

• Durch die Anwendung der BSC soll die strategieförderlichste Allokation von Ressourcen sichergestellt werden.

• Nach KAPLAN/NORTON ist der traditionell hierachische Prozess zur Strategie-formulierung und -implementierung durch einen mangelhaften Feedback-Prozess gekennzeichnet. Die Rückkopplung erfolgt nur auf der operativen Ebene als „Single-Loop-Lernen". Durch die BSC soll dagegen die Rückkopp-lung auf die Strategie bezogen werden und einen durch „Double-Loop-Lernen"320 charakterisierten strategischen Lernprozess fördern.

Für das Controlling von Mehrmarkenstrategien liefert das Konzept der BSC somit wertvolle Hinweise, da auch hier gilt, aus der Vielzahl der in der Literatur existierenden Kennzahlen und Instrumente ein leistungsfähiges System zu kon-struieren. Das Controllingsystem soll den Managern von Markenportfolios in Ana-logie zur Portfolioperformance im Aktienmanagement ein umfassendes Bild über die Markenperformance vermitteln und als ein integratives dimensions- und be-reichsübergreifendes Planungs- und Steuerungskonzept zur Optimierung des Marktauftritts der Portfoliomarken beitragen, um so den Wert des Gesamtportfolios zu erhöhen. Ausschlaggebend für den Markenerfolg ist dabei sowohl die

Berück-319 Vgl. Kaplan, R. S., Norton, D. P., Using the Balanced Scorecard as a Strategie Management System, in: Harvard Business Review, No. 1, 1996, S. 77. Siehe auch Schmidt, U., Balanced Scorecard - Von Kennzahlen zur Handlungssteuerung, in: Organisationsentwicklung, Heft 2, 1998, S. 30ft.

320 Die Unterscheidung zwischen Single-Loop-Lemen (Einkreislernen oder Anpassungslernen), durch das einzelne Personen oder Gruppen ihr Verhalten an feststehende Ziele, Normen oder Annahmen anpassen, und Double-Loop-Lernen (Zweikreislernen oder Veränderungslernen), in dem sowohl die Ziele, Normen und Annahmen als auch das Anpassungsverhalten selbst offen für Adaption sind, hat ihre Wurzeln bei ARGYRIS/ScHON. Zweikreislernen bedeutet da-nach das Sichtbarmachen (,,surfacing") und Hinterfragen tiefsitzender Überzeugungen und Normen einer Organisation, die bisher nicht zugänglich waren, entweder weil sie unbekannt oder tabuisiert waren. Vgl. Argyris, C., Schön, 0., Organizational Learning: A Theory of Ac-tion Perspective, Mass. 1978, S. 4ff.

sichtigung unternehmensinterner als auch -externer lnformationen.321 Ebenso sind neben monetären Ziel- bzw. Ergebnisgrößen auch solche nicht-monetärer Art (z.

B. psychographische Größen wie Bekanntheitsgrad, Image) zu berücksichtigen. 322 Auch fördert die BSC durch die Berücksichtigung unterschiedlicher Perspektiven die verlangte Fokussierung einer Inside-Out-Perspektive und mithin einer Ergän-zung der dominierenden Outside-In-Perspektive der Markenführung,323 so dass die BSC eine Vielzahl der oben genannten Anforderungen an ein Mehrmarken-controlling zu erfüllen vermag.

Schließlich kann ein zentraler Nutzen des Scorecard-Ansatzes in seiner Eignung als Kommunikationsinstrument bei der Operationalisierung von Unternehmens-strategien gesehen werden.324 Denn eine solche Operationalisierung bedingt ne-ben klaren Zielsetzungen ein Verständnis über das Zusammenwirken portfolioin-terner Prozesse und einen Konsens divergierender Interessen. Gerade vor diesem Hintergrund liefert die BSC einen entscheidenden Beitrag dazu, strategisches Denken und Handeln auf allen Ebenen eines Markenportfolios zu fördern und da-mit den strategischen Führungsprozess im Rahmen von Mehrmarkenstrategien zu unterstützen bzw. als Handlungsrahmen für diesen Prozess zu dienen.325

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