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Komplexität von Markenportfolios

Im Dokument Steuerung von Markenportfolios (Seite 112-115)

C. Identifikation des Controllingbedarfs und Ableitung einer

1.21 Komplexität von Markenportfolios

Der spezielle Charakter des Markenportfoliomanagement lässt sich durch den Übergang der Führung einer Marke hin zur Steuerung einer Vielzahl von Marken-einheiten begründen. Betrachtet man das Markenportfolio als System und die je-weiligen Marken als Elemente, so kann das Portfolio auch als eine geordnete Menge von miteinander verbundenen Elementen bezeichnet werden. Der Portfo-lioleitung kommt hier die Aufgabe zu, die jeweiligen Markeneinheiten in einem ausgewogenen System zu führen. Das Grundproblem kann dabei in der „Einheit des Mannigfaltigen"232 gesehen werden, wie das Phänomen der Komplexität in einem ersten Ansatz von LUHMANN bezeichnet wird.

231 Allerdings zeigt sich, dass eine genaue Abgrenzung von unternehmensexternen und -internen Auslösern des Controllingbedarfs nicht immer möglich, aber auch nicht notwendig ist, da ein solches Abgrenzungsproblem die Zuordnung von Bedarfsfaktoren in keiner Weise beeinträch-tigt.

232 Vgl. Luhmann, N., Komplexität, in: Handwörterbuch der Organisation, Grochla, E. (Hrsg.), 2.

Aufl., Stuttgart 1980, Sp. 1064.

Die Portfoliokomplexität umschreibt dabei die immanente Vielschichtigkeit sowie dynamische Veränderlichkeit des Portfolios (vgl. Abb. 13).233 Die Vielschichtigkeit eines Markenportfolios resultiert aus der Anzahl und Heterogenität der Marken (sog. Elementekomplexität) und deren Verknüpfung untereinander (sog. Relatio-nenkomplexität). So erschwert eine große Anzahl und Hierarchie von Marken und Submarken (etwa Dachmarken mit entsprechenden Produktmarken) mit ihren Relationen die Erfassung und Steuerung der Systemgesamtheit des Markenport-folios. Die Vielschichtigkeit des Portfolios ergibt sich dabei vor allem aus der Tat-sache, dass sich die Identität der Marken und Submarken immer aus einer wider-spruchsfreien Summe von essentiellen und akzidentiellen Merkmalen einer Marke ergibt, die es sowohl innerhalb einer Marke (lntramarkenkomplexität) als auch zwischen den Marken (lntermarkenkomplexität) abzustimmen gilt (vgl. Abb. 13).

Verlnderlichkeit

..

.,,

Vlelschlchtlgkelt

Bedarf an

Komplexltlts-handhabung

Relevantes Wissen

Abb. 13: Relative Komplexität der Portfolioführung

kognitive und kapazitive Restriktionen

Vieldeutig-keit

Neben einer solchen statischen Portfoliokomplexität unterliegen Markenportfolios zudem einer dynamischen Komplexität, da Marken realiter durch Veränderun-gen im Zeitablauf in eine veränderliche Beziehung zueinander gesetzt werden. Je häufiger, stärker und weniger regelmäßig Veränderungen des Zustands von Mar-ken und Relationen in einem Portfolio auftreten, desto dynamischer und infolge-dessen komplexer ist ein solches Markenportfolio zu bewerten.234

Je vielschichtiger und dynamischer das Markenportfolio, desto höher ist der Con-tro/lingbedarf.

233 Vgl. Meffert, H., Marketing: Grundlagen marktorientierter Unternehmensführung: Konzepte -Instrumente - Praxisbeispiele, a.a.O., S. 954ff.; Bliss, Ch., Management von Komplexität: Ein integrierter, systemtheoretischer Ansatz zur Komplexitätsreduktion, Wiesbaden 2000, S. 91ft.

234 Vgl. auch Roters, M., Komplexität und Dynamik als Einflußgrößen der Effizienz von Organisa-tionen. Eine empirische Untersuchung, Frankfurt a. M., 1989, S 23.

Die zentrale Herausforderung hinsichtlich der Führung eines Markenportfolios be-steht in der Reduktion der Komplexität sowohl innerhalb als auch zwischen den Marken. Dabei stellt sich ein solches Portfolio je nach dem Wissen, das die Portfo-lioleitung über die systemkonstituierenden Elemente und Relationen des Marken-portfolios besitzt, in unterschiedlichen Graden von Komplexität dar. Schon MARCH/SIMON definierten die Komplexität einer Aufgabe als relativ zu den individu-ellen Fähigkeiten des mit der Aufgabe betrauten lndividuums.235 Die Komplexität der Führung eines Markenportfolios hängt somit neben der Vieldeutigkeit des Sy-stems von den unterschiedlichen kognitiven und kapazitiven Restriktionen236 ab, welche die Erfassung und Beherrschung der objektiven Komplexität des zu steu-ernden Markenportfolios begrenzen.237 Mit WEBER ET AL kann die Menge der Daten als Repräsentanten von Elementen und Beziehungen, welche eine vollständige Beschreibung und Steuerung des Portfolios erlauben, auch als relevantes Wissen bezeichnet werden (vgl. Abb. 13).238 Der Mangel eines solchen Wissens führt zu Wissensdefiziten und mithin zu einer Begrenzung der Handhabung der Portfolio-komplexität.

Je geringer das relevante Wissen bei der Portfolioleitung, als desto höher kann der Controllingbedarf in Mehrmarkenstrategien bezeichnet werden.

Wie aufgezeigt, erfolgt im Markenportfolio zur Komplexitätsbewältigung eine strukturelle Differenzierung des Gesamtsystems.239 So kommt es zum Aufbau von

235 Vgl. March, J., G., Simon, H. A., Organizations, New York, London, Sydney, 1958, S. 55. Vgl.

auch Bleicher, der die Handhabung von Komplexität als Kern der Managementaufgabe be-schreibt und auf die Schwierigkeit seiner Erfassung und Beherrschung verweist. Vgl. Blei-cher, K., Das Konzept integriertes Management, a.a 0., S. 31.

236 Zu berücksichtigen sind die Erkenntnisse der Kognitionswissenschaft, wonach die Daten-transformationsfähigkeit des Menschen begrenzt und seine Rationalität beschränkt ist. MILLER zeigt, dass die Kapazität für die bewusste Unterscheidung, Aufnahme und Verarbeitung gleichzeitig eintreffender Daten auf ca. sieben Einheiten begrenzt ist. ,, ... mit derart vielen Kennzahlen [ ... ) werden die kognitiven Grenzen der Akteure überschritten und die Energie und Aufmerksamkeit des Managements „in alle Winde" zerstreut". Weber, J., Schäffer, U., Ent-wicklung von Kennzahlensystemen, WHU- Forschungspapier Nr. 62, Koblenz 1998, S. 14.

237 Entsprechend argumentiert HAMPRECHT für die relative Komplexität der Konzernführungsauf-gabe. Vgl. Hamprecht, M., Controlling von Konzernplanungssystemen: theoretische Ableitung und betriebliche Realität führungsstrukturabhängiger Ausprägungsmuster, a.a.O., S. 58ff.

238 Vgl. Weber, J. et al, Grundgedanken zur Entwicklung einer Theorie der Unternehmensfüh-rung, WHU-Forschungspapier Nr. 30, Koblenz 1995, S. 10.

239 Vgl. die Ausführungen zum organisatorischen Rahmen der Mehrmarkenstrategie. Vgl. auch Bircher, B., langfristige Unternehmensplanung. Konzepte, Erkenntnisse und Modell auf sy-stemtheoretischer Grundlage, Bern, Stuttgart, 1976, S. 49.

hierarchischen Ebenen, die sich auf unterschiedliche Aufgaben beziehen und da-mit zu einer Reduktion der Gesamtaufgabe beitragen.240 Aufgrund der Aufgaben-teilung zwischen Portfolioleitung und den organisatorisch getrennten Markenein-heiten nimmt die Entfernung zwischen dezentraler Informationsentstehung und zentraler Informationsverarbeitung zu. Diese Entfernung reduziert das entschei-dungsrelevante Wissen zur Handhabung der Portfoliokomplexität, so dass die strategische Rahmenplanung durch die Portfolioleitung trotz hoher Anforderungen an Informations-Input große Informationslücken besitzt. Gemessen an den stren-gen Maßstäben der traditionellen Entscheidungslogik stellt die Steuerung von Mehrmarkenstrategien durch die Portfolioleitung somit auch ein schlecht-strukturiertes Entscheidungsproblem dar.241

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