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Ausstrahlungseffekte

Im Dokument Steuerung von Markenportfolios (Seite 123-129)

C. Identifikation des Controllingbedarfs und Ableitung einer

1.32 Ausstrahlungseffekte

Die Markenportfolios von Automobilherstellern sind überwiegend dadurch gekenn-zeichnet, dass sie mehrere Firmen- bzw. Dachmarken beinhalten, unter denen wiederum einzelne, unterschiedlich markierte Produktlinien geführt werden. Ent-sprechend werden die Vorstellungsbilder externer Anspruchsgruppen von einer konkreten Produktmarke (z. B. VW Golf) maßgeblich durch die Einstellungen genüber der Dachmarke (Volkswagen) sowie den sonstigen Produktmarken ge-prägt. Gleichzeitig kann aber auch die betrachtete Produktmarke zum Image der anderen Modelle sowie zum gesamten Dachmarkenimage beitragen. Falls die Zu-gehörigkeit der Dachmarken zum gleichen Unternehmen gegenüber dem Endver-braucher nicht verborgen oder besonders hervorgehoben wird, ist überdies davon auszugehen, dass sich die Images der Dachmarken gegenseitig beeinflussen und schließlich sämtliche Dachmarken einen Beitrag zum Image des Gesamtunter-nehmens leisten. Die skizzierten Ausstrahlungseffekte sind in Abb. 16 systemati-siert.

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Ausstrah/un11se,rekte zwischen 1 2. Ausstrahlungsatrelct• zwischen 1 3. Ausstrahlungs•ff•kte zwischen Oachmarlcen und dem Konzern den einzelnen Dachmarlcen Dach- und Produlctm11rlcen 1 4. Ausstrah/ungsetfekte zwischen

den einzelnen Produktmarken 15. Ausstrahlungseffekte zwischen Produktmarlcen und Hersteller 1

Abb. 16: Ausstrahlungseffekte zwischen Produkt- und Dachmarken

Wichtig ist in diesem Zusammenhang vor allem

• die Richtung der Ausstrahlungseffekte, d. h. in welche Richtung dominie-rende Beziehungen verlaufen,

• die Stärke der Ausstrahlungseffekte, d. h. in welchem Maße die Images der jeweiligen Marken tatsächlich durch andere Vorstellungsbilder geprägt werden sowie

• die Qualität der Ausstrahlungseffekte, d. h. welche Eigenschaftsdimensio-nen in positiver oder negativer Weise von den Verbundwirkungen betroffen sind.256

Die Identifikation positiver (Goodwill-Transfer) oder negativer (Badwill-Transfer) Ausstrahlungseffekte im Rahmen von Mehrmarkenstrategien ist mit Schwierigkei-ten behaftet, da sie nur schwer meßbar sind und vielfach erst langfristig in späte-ren Perioden auftreten.257 Ein zentrales Problem besteht in der lsolierbarkeit der einzelnen Effekte, da sowohl direkte als auch indirekte Ausstrahlungseffekte zu berücksichtigen sind. So kann das externe Vorstellungsbild gegenüber einer Pro-duktmarke 1 direkt durch das Dachmarkenimage A determiniert sein, welches wiederum wesentlich durch eine andere Produktmarke 2 geprägt wird, so dass 2 eine indirekte Wirkung auf 1 ausübt.258 Ebenso kann im Portfolioverbund das Dachmarkenimage A direkten Einfluss auf das Herstellerimage ausüben, welches wiederum positiv auf sonstige Dachmarken im Portfolio abstrahlt (z. B. VW-Skoda).

256 Vgl. auch Waltennann, B., Internationale Markenpolitik und Produktpositionierung: marken-politische Entscheidungen im europäischen Automobilmarkt, Wien 1989, S. 174ff.

257 SULLIVAN wies beispielsweise einen Badwill-Transfer in einer empirischen Studie nach, in de-ren Zentrum ein von einzelnen Fahrern eines AUDI 5000 in den USA bemängelter Defekt stand. Amerikanische Medien zweifelten daraufhin die Sicherheit des AUDI 5000 an. Berichten von Unfallopfern begegnete man seitens AUDI mit Widerruf. Statt des vorgeworfenen techni-schen Defekts beim Leerlauf des Motors sahen die Verantwortlichen die Verwechslung von Gaspedal und Bremse als Ursache des Problems an. Als Konsequenz sanken die Absatz-zahlen von AUDI auf dem amerikanischen Markt rapide. Der Rückgang beschränkte sich je-doch keineswegs auf das in die Kritik geratene Modell, sondern auch die Modell AUDI 4000 und AUDI OUATTRO verloren nachhaltig Marktanteile. Obwohl der beschriebene Defekt nur bei der Automatikversion des AUDI 5000 lag, strahlte der Badwill somit auch auf Fahrzeuge mit Schaltgetriebe aus. Vgl. Sullivan, M., Measuring Image Spillovers in Umbrella-branded Pro-ducts. in: Journal of Business, 63. Jg., Heft 3, 1990, S. 309ff.

258 So wird die Dachmarke Volkswagen maßgeblich durch das Image des VW-Golf geprägt, da Konsumenten die Dachmarke Volkswagen unmittelbar mit dem Golf in Verbindung bringen.

Der Golf kann mithin auch als Träger des Volkswagen-Images bezeichnet werden.

Die Stärke der Ausstrahlungseffekte ist typischerweise zwischen den Dachmarken und ihren jeweiligen Produktmarken am größten. Zum einen ist zu erwarten, dass Erfahrungen mit den Produkten positive oder negative Vorstellungsbilder über die entsprechende Dachmarke beim Konsumenten festigen, zum anderen werden Einstellungen aufgrund des aus der Psychologie bekannten Generalisationsprin-zips von einem Produkt auf ein anderes Produkt der gleichen Dachmarke übertra-gen, da beide Produkte aufgrund des gemeinsamen Dachs eine wahrnehmbare Gemeinsamkeit aufweisen.259 Eine solche Gemeinsamkeit zwischen den Dachmarken eines Portfolios liegt nur dann vor, wenn die Zugehörigkeit der Mar-ken zum Portfolio und mithin zum gleichen Hersteller den externen Anspruchs-gruppen nicht verborgen bleibt. Die Dachmarke schränkt die Freiheitsgrade bei der Produktpositionierung somit ein, da die Dachmarke auf das Image der Einzel-produkte ausstrahlt. Je stärker die Dachmarke dabei in den Vordergrund rückt, desto ähnlicher wird die Wahrnehmung der Produkte ausfallen.260

Aus einer dynamischen Perspektive dienen Erfahrungen mit einer Produktmarke auch als Indikator für die zukünftige Qualität der gleichen oder anderer Produkt-marken der gleichen Dachmarke. Die Informationsinhalte über ein Produkt bzw.

eine Marke können sowohl aus eigenen Erfahrungen als auch aus fremden Erfah-rungen (Informationen Dritter) wie auch aus Aussagen stammen, die vom Anbieter mit Hilfe von Marketinginstrumenten übermittelt werden. So erhöht die Werbung für eine bestimmte Produktmarke den Bekanntheitsgrad der Dachmarke, so dass im laufe der Zeit sämtliche unter dem Dach der Marke zusammengefassten Pro-dukte von der Werbemaßnahme profitieren.

Analoge Beziehungen bestehen auch im Portfolioverbund zwischen den Dachmarken. Preiserhöhungen einer Portfoliomarke beeinflussen nicht nur den Absatz dieser Marke, sondern können - insbesondere unter dem Bewusstsein technischer Homogenität der Marken im Portfolio - den heutigen oder zukünftigen Absatz anderer Marken des Portfolios maßgeblich beeinflussen. In Abb. 17 sind

259 Beispielsweise schließt die Markenpolitik von PROCTER & GAMBLE einen Transfer auf Konsu-mentenebene weitgehend aus, da die Zugehörigkeit der Marken zum Firmennamen und die-ser selbst kaum bekannt sind. Vgl. Simon, H., Goodwill und Marketingstrategie, Wiesbaden 1985, S. 25ft.

260 Eine Schlussfolgerung könnte hier lauten, dass eine Einzelmarkenstrategie um so eher ange-zeigt scheint, je stärker sich die Präferenzstrukturen der von den Produkten anzusprechenden Marktsegmente unterscheiden.

für den einfachsten Fall zweier Produktmarken a und b einer Dachmarke A sämtli-che Wirkungseffekte einer auf Produktmarke a bezogenen Marketingmaßnahme veranschaulicht. Die Wirkungen lassen sich anhand der Überschreitung der Linien Y und Z wie folgt klassifizieren:261

Zeit t .-- - - , t+1

Dachmarke~

y

M.,: Marl<etingmaßnahme bezogen auf Produktmarl<e a und Periode t

x., : Absatz der Produktmarl<e a in Periode t

weder Y noch Z wird überschritten)

Direkt Indirekt

0 namlsche: nur Z wird überschritten 3

Statlsch-markenübergreifende: nur Y wird überschritten 2,4 0 namlsch-markenüber reifende: Y und Z werden überschritten 5 Abb. 17: Dynamische und markenübergreifende Ausstrahlungseffekte

7, 8 6, 11, 12, 14 15 17 9, 10, 13, 16

(Quelle: Aufbauend auf den Überlegungen von Simon, H., Goodwill und Marke-tingstrategie, a.a.O., S. 21.)

Neben der unmittelbaren Auswirkung [1]262 auf die Produktmarke a in der gleichen Periode (kein Ausstrahlungseffekt) kann die Maßnahme auch erst in einer näch-sten Periode wirken [3, dynamisch] bzw. direkte Ausstrahlungseffekte auf die

261 Vgl. zur Strukturierung des Goodwill-Transfers auch Simon, H., Goodwill und Marketingstra-tegie, a.a.O., S. 19ft.

262 Die in Klammern stehenden Zahlen ordnen die Pfeile den verschiedenen Wirkungseffekten zu.

Dachmarke A bzw. Produktmarke b in der gleichen [2, 4, statisch-marken-übergreifend] bzw. der nächsten Periode [5, 6, dynamisch-markenübergreifend) nach sich ziehen.263 überdies ergeben sich statische und dynamische indirekte Wirkungen aufgrund von Erfahrungen mit den Produktmarken a und b sowohl zwischen den Produktmarken [7-12) als auch mit Bezug auf die Dachmarke A [13-18).

Die Abbildung verdeutlicht letztlich prägnant die zahlreichen markenübergreifen-den und dynamischen Interdepenmarkenübergreifen-denzen, die im Markenportfolio selbst im ein-fachsten Fall zweier Produkte einer Dachmarke zu berücksichtigen sind. idealty-pisch gilt es, positive Ausstrahlungseffekte zu stärken bzw. negative Effekte zu vermeiden.

Je höher die Ausstrahlungseffekte zwischen den Portfoliomarken, desto größer ist der Controllingbedarf in Mehrmarkenstrategien.

Wie aufgezeigt, steht das Image der Marken als Fremdbild der Markenidentität in einer wechselseitigen Beziehung zu den aktiven, marktorientierten Handlungen des Unternehmens selbst (Selbstbild der Markenidentität). Ursachen von Aus-strahlungseffekten zwischen den Marken sind somit - neben wenig beeinflussba-ren unternehmensexternen Gründen - primär in der Art der Formulierung bzw.

Umsetzung und Abstimmung der Selbstbilder der Portfoliomarken zu vermuten.

Da nur das Selbstbild vom Management direkt gesteuert werden kann, stellt es auch den Ausgangspunkt einer Steuerung markenspezifischer Merkmalsausprä-gungen zur Verstärkung oder Schwächung von Ausstrahlungseffekten zwischen den Portfoliomarken dar. Bei der Führung von Markenportfolios ergibt sich dabei grundsätzlich die Notwendigkeit, die Identitäten der Portfoliomarken wie folgt ab-zustimmen (vgl. Abb. 18):264

263 Während bei Carry-over-Effekten Wirkungen von Markenaktivitäten nicht nur in der Periode ihres Einsatzes, sondern auch in späteren Perioden auftreten, wirken bei Time-lag-Effekten Markenaktivitäten nicht in der Periode ihres Einsatzes, sondern treten erst in späteren Peri-oden auf. Vgl. Sander, M., Die Bestimmung und Steuerung des Wertes von Marken. Eine Analyse aus Sicht des Markeninhabers, a.a.O., S. 247.

264 Vgl. hierzu Meffert, H., Burmann, Ch., ldentitätsorientierte Markenführung - Grundlagen für das Management von Markenportfolios, a.a.O., S. 48f.

ldentitllt Identität Produkt- Produkt-marke b marke c

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Inland

Identität ldentitat Identität Produkt- Produkt- Produkt-marke a mari(e b marke c

Ausland

(z.B. EURO 5)

Abb. 18: Spannungsfelder der Markenidentitäten

1. Abstimmung des Selbst- und Fremdbildes der Identität jeder Marke.

2. Ebenenspezifische wechselseitige Abstimmung der Identitäten zwischen den Marken des Portfolios, d.h. zwischen

- 2a) den Dachmarken untereinander, wobei mit zunehmender Heterogenität der Dachmarkenidentitäten im internen Markenverbund die notwendige Diffe-renzierungsfähigkeit zwischen den Dachmarken steigt.

- 2b) den Produktmarken untereinander, wobei mit zunehmender Homogenität der Produktmarkenidentitäten die Prägnanz der jeweiligen Dachmarke steigt, denn „entspricht die Substanz der Produkte [bzw. der Produktmarken, Anm.

d. V.] nicht den Ansprüchen der [Dach-, Anm. d. V.]Marke, fehlt die „Erdung"

und die Marke wird unglaubwürdig". 265

3. Ebenenübergreifende Abstimmung der einzelnen Markenidentitäten.

4. Abstimmung der unterschiedlichen Identitätswahrnehmungen in verschiede-nen Ländermärkten.

265 Krüger, B, Die Mehrmarkenstrategie des Volkswagen-Konzerns, a.a.O., S. 17.

Da in Mehrmarkenstrategien vor allem die Dachmarken im Fokus der Betrachtung stehen, bilden diese auch den zentralen Ansatzpunkt der ldentitätssteuerung.266 Weicht das formulierte Selbstbild vom wahrgenommenen Fremdbild der Dachmar-ken ab, gilt es, die Ursachen hierfür zu identifizieren und entsprechende Anpas-sungen zu initiieren, um ungewollte Ausstrahlungseffekte zwischen den Marken zu vermeiden.

Je größer die Diskrepanz zwischen Selbstbild und Fremdbild der Portfoliomarken, desto größer ist der Controllingbedarf in Mehrmarkenstrategien.

Im Dokument Steuerung von Markenportfolios (Seite 123-129)