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6.4 Bewertung der Untersuchungsergebnisse

6.4.4 Konsequenzen für Nutzungen

Vor allem aus zwei Eigenschaften der untersuchten Parasiten ergibt sich bei ihrem Nachweis im Gewässer die Notwendigkeit, Konsequenzen für bestimmte Nutzungen zu erwägen: Zum Einen sind sie gegenüber Umwelt-einflüssen weitaus resistenter als Bakterien, und zum Anderen zeichnen sie sich durch deutlich niedrigere In-fektionsdosen aus. Für eine Nutzung des ggf. kontaminierten Oberflächenwassers als Trinkwasser ist darüber hinaus auch noch ihre hohe Resistenz gegen Desinfektionsverfahren mit Chlor von Bedeutung.

Ferner zeigen mittlerweile einige Arbeiten, daß eine Infektion mit den beiden untersuchten Parasiten beim Ba-den (auch in Schwimmbädern) durchaus möglich ist [13, 43, 50, 97, 111, 131].

In den zur Zeit gültigen Verordnungen existieren keine Grenz- oder Richtwerte für in Oberflächenwasser ent-haltene Parasitendauerformen. [97] beschreiben allerdings für die Aufnahme einer einzigen Giardia-Cyste be-reits eine Infektionswahrscheinlichkeit von 2%. Die Aufnahme einer einzigen Oocyste von Cryptosporidium zieht nach diesen Angaben eine Infektion mit einer Wahrscheinlichkeit von 0,4% nach sich. Einen weiteren Anhaltspunkt für eine gesundheitliche Bewertung der Parasitenkonzentrationen ist außerdem der von [58] vor-geschlagene "Action-level" für Cryptosporidium von 10-30 Oocysten/100L. im Trinkwasser und der analog von [139] formulierte "Action-level" für Giardia lamblia von 3 - 5 Cysten /100 L. Trinkwasser. Die Autoren gehen davon aus, daß bei Erreichen oder Überschreiten dieser Level wasserbedingte Ausbrüche in der Bevöl-kerung deutlich erkennbar werden. Bei niedrigeren Konzentrationen können unter Umständen auch Ausbrüche auftreten; diese werden aber in der Regel nicht erkannt. Um von für Trinkwasser aufgestellten Levels zu einer Einschätzung der Gefährdung Badender oder im Gewässer spielender Kinder in den untersuchten Fließgewäs-sern zu kommen, muß Folgendes berücksichtigt werden: Allgemein wird davon ausgegangen, daß pro Person und Tag zwischen einem und zwei Litern Trinkwasser konsumiert werden, beim Baden wird nur von einer

"unfreiwilligen" Aufnahme von 50 [27] bis 100 ml Wasser ausgegangen [93]. Angesichts dieser Vorüberle-gungen zur unabsichtlich aufgenommenen Wassermenge beim Baden, und der in den Gewässern festgestellten Konzentrationen erscheint das Risiko einer Cryptosporidien-Erkrankung für einen Badenden an fast allen

un-tersuchten Stellen in den Gewässern begrenzt; Ein erhöhtes Erkrankungsrisiko ist jedoch vor allem nach Stark-regenereignissen und bei Auftreten von Cryptosporidiosen in der Bevölkerung nicht auszuschließen. Ab dem Bereich der Probenahmestelle P20 (unterhalb Kläranlage Miel) erscheint die Nutzung der Swist für Bade- und Spielzwecke und für die Bewässerung von Obstkulturen aus hygienisch-medizinischer Sicht aber zumindest zeitweise bedenklich.

In den Einzugsgebieten von Nauholzbach, Wahnbach und Kall ergibt sich nach dem "Action-Level" für Giar-dia ein ähnlich geringes Risiko wie für Cryptosporidium; An der Swist jedoch besteht spätestens ab dem Mit-tellauf ein erhöhtes Risiko, an einer badebedingten Giardiasis zu erkranken. Obwohl bei Starkregenfällen an Wahnbach und Kall die Giardia-Konzentrationen ebenfalls steigen, wurden ähnlich hohe Risiken dort nie er-reicht.

Im Rahmen der Untersuchungen an der Swist waren die Parasiten vor allem wegen der vielfältigen möglichen infektionsrelevanten Nutzungen von Bedeutung, denen ein solches Gewässer dienen kann, wie z.B. Baden, spielende Kinder und Bewässerung von Sonderkulturen. Viele dieser Nutzungen finden ohne eine offizielle Ausweisung der Gewässerabschnitte für diesen Zweck statt. Trotzdem konnten entsprechende Aktivitäten oder ihre Spuren bei Begehungen des Gewässers vor Ort festgestellt werden, und spielen somit für die Bewertung der Wasserqualität eine Rolle.

Ebenso wie andere Partikel unterliegen auch die Parasitendauerformen im Gewässer einer Verdünnung und -vor allem in lenitischen Bereichen- der Sedimentation. Genauso läßt sich aber bei Hochwasserereignissen auch eine Remobilisierung der Dauerformen aus dem Sediment feststellen. Da die Parasitendauerformen bei den im Gewässersediment gegebenen Temperaturen darüber hinaus bis zu über einem Jahr lebensfähig bleiben kön-nen [97, 134], besteht durchaus die Gefahr, daß ein großer Teil der aus der Landwirtschaft bzw. aus Kläranla-gen ständig in das Gewässer eingetraKläranla-genen Oocysten und Cysten zeitversetzt, dafür aber in konzentrierten Schüben, weiter bachabwärts gelegene Bereiche erreicht und sich in lenitischen Arealen (Swist) oder am Tal-sperrenboden (Wahnbach, Kall) wieder absetzt. Bedeutsam ist in diesem Zusammenhang auch, daß der Kon-takt mit Fäzes offenbar die Überlebensfähigkeit der sporadisch eingetragenen Cryptosporidien erhöht [119], und die gemeinsame Einleitung mit Partikeln aus Kläranlagen die Sedimentationsgeschwindigkeit sowohl der Oocysten wie auch der Cysten erhöht, da sie sich leicht an organische Partikel binden [98]. An der Swist stel-len andererseits aber gerade stel-lenitische, also ruhigere Bereiche am Bach, nach Feldbeobachtungen sowohl be-vorzugte Spielplätze für Kinder dar, als auch gerne genutzte Möglichkeiten für Landwirte, Tankwagen mit Be-regnungswasser zu füllen.

Hinsichtlich der Nutzung des Swist-Wassers als Beregnungswasser für Obstkulturen erscheint angesichts der regelmäßigen Parasiten-Nachweise Vorsicht geboten. Zum Risk-Assessment von Parasitendauerstadien auf Obst und Gemüse liegen bisher allerdings kaum Daten vor [66]. Hinsichtlich der Gefährdung durch kontami-niertes Oberflächenwasser zur Beregnung hilft aber die folgende Rechnung weiter: Bei einer Konzentration von 10 Oocysten pro Liter (=1.000 pro 100 Liter), und der realistischen Annahme, das etwa 10 ml Wasser auf einem Kilo Obst hängen bleiben, ergibt sich eine Belastung von 0,1 (Oo-) Cysten pro Kilo Obst [66], was der Konzentration des Action-Levels für Cryptosporidien nach [58] umgerechnet pro Liter entspricht. Die für

die-se Rechnung angenommene Konzentration im Oberflächenwasdie-ser wurde aber weder für Cryptosporidium spp.

noch für Giardia lamblia in den für die vorliegende Arbeit untersuchten Oberflächenwasserproben erreicht.

Ein akutes, hohes Risiko besteht demnach auch an der Swist nicht. Daß aber vitale Dauerstadien der Parasiten gleichwohl auf Obst und Gemüse vorkommen können, konnte [118] nachweisen. Aus dem Wissen um eine regelmäßige Kontamination des Bachwassers mit Parasitendauerstadien ergibt sich demnach die Notwendig-keit einer regelmäßigen Kontrolle der Qualität des Beregnungswassers, auch vor dem Hintergrund, daß für Oberflächenwasser zur Beregnung bakteriologische Richtwerte in den "Allgemeinen Güteanforderungen an Fließgewässer, Hauptnutzungsart: Entnahme für die Landwirtschaft - Güteanforderungen an „Beregnungswas-ser für Freilandkulturen“" [2] oder bei [145] vorhanden sind. Es ist grundsätzlich zu fordern, daß für die Be-regnung von Feldfrüchten sauberes, d.h. nicht kontaminiertes Wasser verwendet wird [66]. Die bedenkenlose Nutzung von abwasserkontaminiertem Bachwasser zur Beregnung von Obst, das womöglich ungewaschen verzehrt wird, wird dadurch in Frage stellt.

Eine zentrale Frage bei der Untersuchung der drei Fließgewässer im Zulauf von Trinkwassertalsperren war, ob die von den Zuläufen eingetragenen Parasitenkonzentrationen problematisch für die Trinkwasserversorgung werden können. Für eine parasitologische Bewertung der Nutzung von Oberflächengewässern zur Trinkwas-sergewinnung muß dazu neben der gemessenen Parasitenkonzentration auch die mögliche Reinigungswirkung im Gewässerlauf bis zur Talsperre, im Talsperrenkörper, und schließlich in der Aufbereitung berücksichtigt werden (Multi-Barrieren-Prinzip). Die von [108] beschriebene Eliminationsleistung einer Trinkwasseraufbe-reitung von vier log-Stufen für Giardia-Cysten findet sich in der Literatur selten; in der Regel werden Werte um drei Log-Stufen für Aufbereitungen mit einer Flockungsfiltration angegeben, wobei Giardia meist besser zurückgehalten wird, als Cryptospordium. Dabei ist weiter zu berücksichtigen, daß die Leistung einer Aufbe-reitung in Abhängigkeit von der Rohwasserqualität schwanken kann: Kommt es bei Starkregenereignissen o-der Schneeschmelze z.B. zu hohen Trübungen im Rohwasser, so kann die Filterleistung durch Überlastung gemindert sein. Im schlimmsten Fall kann es dann zu einem Durchbrechen von Trübstoffen und damit auch Bakterien und Parasiten auf die Reinwasserseite kommen. Eine Trinkwasseraufbereitung muß also nicht auf die "normalen" Verhältnisse mit Trockenwetterabfluß und geringen Trübungswerten ausgelegt sein, sondern für den "worst-case" nach Regenfällen, bei dem große Wassermengen mit hohen Trübstofffrachten in den Tal-sperrenkörper gelangen, und es unter Umständen je nach Schichtung des Wasserkörpers zu Kurzschlußströ-mungen dieses Wassers durch den Talsperrenkörper direkt bis hin zur Entnahmestelle kommen kann. Übertra-gen auf die Ergebnisse der vorlieÜbertra-genden Untersuchung würde das bedeuten, daß die jeweiliÜbertra-gen Aufbereitungs-anlagen an Obernau-, Kall- und Wahnbachtalsperre in der Lage sein müßten,

Cryptosporidium-Konzentrationen von bis zu 150 Oocysten / 100 L soweit aus dem Wasser zu filtern, daß sie Trinkwasser mit weniger als 10 Oocysten / 100 L (Action-Level) abgeben könnten. Dies entspricht einer Eliminationsrate von ein bis zwei log-Stufen. Bei einer Soll-Reinigungsleistung von drei log-Stufen der Aufbereitungsanlage und einer Soll-Eliminationsleistung durch die Talsperrenkörper von mindestens einer weiteren log-Stufe ist also eine ausreichende Sicherheit für die parasitologische Qualität des Trinkwassers gegeben.

7 Schlußfolgerungen