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5.2 Keynes Weltanschauung

5.2.4 Keynes sozialphilosophische Ausführung in der „General Theory“

Im letzten Kapitel seiner „General Theory“, den „Concluding Notes on the Social Philosophy towards which the General Theory might lead“, führt er sein diesbezügliches Denken aus.

Anders als Hayek, Eucken oder Friedman sieht Keynes keinen Mangel an wirtschaftlicher Freiheit. Zur Frage, was das größte ökonomische Problem seiner Zeit sei, schreibt er zu Beginn des erwähnten Kapitels:

„The outstanding faults of the economic society in which we live are its failures to provide for full employment and its arbitrary and inequitable distribution of wealth and incomes.“702

Das ist überaus bedeutsam: Keynes konzentriert seine Analyse auf die Frage der Vollbeschäftigung und der Verteilung von Einkommen und Vermögen. Die Umverteilung begründet er dabei vor allem ökonomisch. Umverteilung von Einkommen erhöhe den Konsum (die aggregierte Nachfrage), und das wieder begünstige die Bildung von Kapitalgütern und steigere so das Wachstum, was wiederum positiv für die Entstehung von Arbeitsplätzen und den Rückbau von Arbeitslosigkeit sei. Keynes hebt hervor, dass er damit auch das Argument entkräftige, dass höhere Steuern für Reiche negativ auf die Kapitalbildung wirkten, eine Argument, das Eucken gegen eine zu starke Progression bei der Einkommensteuer anführt.703 Keynes wendet sich nicht grundsätzlich gegen eine ungleiche Einkommens- und Vermögensverteilung. Dafür gebe es durchaus soziale und psychologische Rechtfertigungen, etwa jene, dass die Kanalisierung des menschlichen Wettbewerbs auf die Gewinnung von Reichtum zum Beispiel den Trieb mindere, Macht über andere Menschen zu gewinnen. Allerdings lehnt Keynes die zu seiner Zeit bestehende Höhe der Ungleichheit als zu groß ab.704 Im Gegensatz zu den Marxisten will Keynes nicht versuchen, den Menschen an sich zu ändern. Er schreibt:

„The task of transmuting human nature must not be confused with the task of managing it.“705

Wie bereits wiederholt erwähnt wurde, zeigen sich hier Parallelen zu Schumpeter. Das gilt auch für Keynes Feststellung, dass die Phase des „funktionslosen Investors“ eine Übergangsphase sei. Der Nachteil dieses Investors kann in der Keynesschen Welt vor allem sein, dass er spart, aber nicht investiert, was wiederum schlecht für die aggregierte Nachfrage und damit negativ für das Ziel der Vollbeschäftigung ist. Das führt Keynes zu dem Schluss:

702 Keynes, J.: The General Theory of Employment, Interest, and Money, New York: 1997, S. 372

703 Vgl. Keynes, General Theory, S. 372f

704 Vgl. Keynes, General Theory, S. 374

705 Keynes, General Theory, S. 374

„I conceive, therefore, that a somewhat comprehensive socialisation of investment will prove the only means of securing an approximation to full employment; though this need not exclude all manner of compromises and of devices by which public authority co-operate with private initiative.“706

Doch über diese Maßnahme hinaus zeigt sich Keynes in der „General Theory“ skeptisch in Bezug auf eine staatliche Steuerung der Wirtschaft. Er schreibt:

„To put the point concretely, I see no reason to suppose that the existing system seriously misemploys the factors of production which are in use. There are, of course, errors of foresight; but these would not be avoided by centralising decisions. When 9,000,000 men are employed out of 10,000,000 willing and able to work, there is no evidence that the labour of these 9,000,000 men is misdirected. The complaint against the present system is not that theses 9,000,000 men ought to be employed on different tasks, but that tasks should be available for the remaining 1,000,000 men. It is in determining the volume, not the direction, of actual employment that the existing system has broken down.“707

Auch wenn diese Worte wie von Keynesianern oft dargestellt die liberal-marktwirtschaftliche Ausrichtung Keynes belegen, bedeutet dies nicht, dass Keynes den Staat deshalb auf die Setzung von Zinssätzen und Ausgaben beschränken wollte. Im Gegenteil, wie folgendes Zitat zeigt, das sich auf der selben Seite wie obige Worte findet:

„The central controls necessary to ensure full employment will, of course, involve a large extension of the traditional functions of government.“708

Dennoch zeigt sich in der „General Theory“ eine gewisse Konzilianz bei Keynes: Während Keynes in “Das Ende des Laissez-Faire” noch scharfzüngig gegen den Liberalismus des 19.

Jahrhunderts schrieb, bezeichnet er die durch dezentrale Entscheidungen und individuelle Verantwortlichkeit gesteigerte Effizienz als größer, als von den Liberalen im 19. Jahrhundert angenommen.709 Den Staatssozialismus lehnt er ab:

„The authoritarian state system of to-day seem to solve the problem of unemployment at the expense of efficiency and of freedom. It is certain that the world will not much longer tolerate the unemployment which, apart from brief intervals of excitement, is associated – and, in my opinion, inevitably associated – with present-day capitalistic individualism. But it may be possible by a right

706 Keynes, General Theory, S. 378

707 Keynes, General Theory, S. 379

708 Keynes, General Theory, S. 379

709 Vgl. Keynes, General Theory, S. 380

analysis of the problem to cure the disease whilst preserving efficiency and freedom.“710

Es ist dies eine der wenigen Stellen, an denen Keynes auch das Argument der Freiheit vorträgt. Aber er bleibt dabei widersprüchlich: Einerseits wünscht er sich eine wesentlich größere Staatstätigkeit, andererseits soll der Marktmechanismus weiter wie gehabt funktionieren.

Schon Schumpeter hat Keynes vorgeworfen, in seiner „General Theory“ unter dem Deckmantel einer „rein theoretischen Erörertung“ lediglich eine Theorie aufgebaut zu haben, die die vom Autor ohnehin präferierte Politik einfach untermauere, wie McCraw betont.

Schumpeter warf Keyens demnach vor, ein verzerrtes Bild vom Wesen des Kapitalismus zu zeichnen. Er habe die Bedeutung der Innovation heruntergespielt. McCraw weist auf den fundamentalen Unterschied in der Keynesschen Betrachtung und der Schumpeterschen hin:

Keynes dachte in Aggregaten, sein Blick richtete sich fast ausschließlich auf die politische und volkswirtschaftliche Ebene, während Schumpeter vom einzelnen Unternehmer her argumentierte.711

710 Keynes, General Theory, S. 381

711 vgl. McCraw, S. 324 – 326

5.3 Keynes Weltanschauung im Vergleich zu Hayek, Friedman,

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