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Wie bereits dargestellt wurde, war Friedman Anhänger eines staatlichen Geldwesens. Er verfolgte damit in Fragen der Geldpolitik einen kollektivistischeren Ansatz als Hayek. Anders als Schumpeter war Friedman aber kein Anhänger der Kreditschöpfung. Zur Erinnerung:

Schumpeter betrachtete die Kreditschöpfung „als das monetäre Ergänzungsstück zur Einführung einer Innovation“637. Schumpeter vergleicht die sozialistische mit der kapitalistischen Ordnung. In beiden müsse es eine Neuallokation der Produktionsmittel geben, um den Innovationsmechanismus in Gang zu setzen.638 Schumpeter schreibt:

„Die Ausgabe neuer hierfür geschaffener Zahlungsmittel entspricht, da unsere Unternehmer keine eigenen Mittel haben und – bisher – keine Ersparnisse vorhanden sind, in der kapitalistischen Gesellschaft den vom Zentralbüro des sozialistischen Staates gegebenen Befehl.“639

Wiederholt werden soll auch ein weiteres Zitat Schumpeters über die Politik John Laws, das bereits im vorangegangenen Hauptkapitel erschienen ist. Schumpeter schreibt:

„Der quantitätstheoretische Gesichtspunkt ist völlig sekundär. Verkehrt an John Law war nicht, daß er Zahlungsmittel in vacuo schuf, sondern daß er sie für Zwecke verwandte, die scheiterten. “640

Dies steht in diametralem Widerspruch zu Friedman, der ja gerade den quantitätstheoretischen Aspekt betonte. Während Friedman keinesfalls wollte, dass sich der Staat, also die Regierung oder eine Währungsbehörde, in die Kreditvergabe der Banken einmischen, sondern lediglich dafür plädierte, dass die Geldmenge mit der Wirtschaft konstant mitwächst, damit das Preisniveau stabil bleibt, sah Schumpeter in der diskretionären Geldausweitung an sich offenbar kein Problem, eher eine Notwendigkeit. Er gestand zu, dass Geldschöpfung durch die Währungsbehörde, aber auch die privaten Banken, sinnvoll sein könnte, wenn die Gelder richtig eingesetzt würden. Schon dieser Gedanke zeigt, dass Friedman eindeutig für eine kontraktivere Geldpolitik stand als Schumpeter und damit im Vergleich zu diesem einen deutlich individualistischeren Ansatz verfolgt hat. Die Umorganisation der Wirtschaftsstruktur durch Kreditschöpfung, die von wenigen Banken betrieben wird oder gar durch eine zentrale Behörde gesteuert wird, steht eindeutig im Widerspruch zu Friedmans liberalem und individualistischem Menschen- und Gesellschaftsbild.

637 Schumpeter, J.: Konjunkurzyklen, Göttingen: 2008, S. 119

638 vgl. Schumpeter (Konjunkurzyklen), S. 119

639 Schumpeter, J.: Konjunkurzyklen, Göttingen: 2008, S. 119

640 Schumpeter (Konjunkurzyklen), S. 122

Sicher, anders als Friedman ist Schumpeter skeptisch, ob die Zentralbank in Phasen der wirtschaftlichen Rezession oder Depression wirksam gegensteuern könne. Auf den ersten Blick traut er hier dem Staat weniger zu als Friedman. Für Schumpeter besteht „im Verlauf der Depression kein großer Wirkungsbereich für die Initiative der Zentralbank.“641 Anders in Zeiten wirtschaftlicher Erholung: Hier hätten die Zentralbanken vor allem im 19. Jahrhundert mehr tun können, um bremsend zu wirken.642 Allerdings habe dies die öffentliche Meinung, wie Schumpeter schreibt, verhindert.643

Mit seiner Sicht auf die Rolle der Zentralbank im Aufschwung, wenn Inflation entstehen kann, ist Schumpeter relativ nah bei Friedman. Doch ein wesentlicher Teil der Arbeit Friedmans war der Depression der 1930er Jahre gewidmet, und hier gab er der Fed eine wesentliche Mitschuld an der Tiefe der Rezession. Man könnte also annehmen, dass Friedman der staatlichen Geldpolitik mehr zutraut als Schumpeter. Allerdings muss dabei beachtet werden, dass auch Friedman nicht der Ansicht war, dass die Geldpolitik ein Allheilmittel ist. Er hat nicht behauptet, dass es ohne die aus seiner Sicht falsche Geldpolitik der Fed keine Rezession gegeben hätte. Und hier sind dann bei genauerem Hinsehen Schumpeter und Friedman auch nicht weit von einander entfernt. Schumpeter gesteht schließlich auch zu, dass die Zentralbanken durch ihre Maßnahmen zu einer zeitlichen Verkürzung von wirtschaftlichen Einbrüchen beitragen können und dies in der Vergangenheit auch getan haben.644

Man könnte bei der Frage, welche Rolle die Geldpolitik bei der Konjunktursteuerung einnehmen soll, zu dem Schluss kommen, dass Friedman hier leicht expansiver agieren will als Schumpeter. Doch man kann es auch anders sehen. Schließlich plädierte Friedman für eine feste Regelbindung. Es ging ihm nicht darum, dass die Zentralbank antizyklisch agiert.

Sie sollte für ein konstantes Wachstum der Geldmenge sorgen, das ist alles. Schumpeter immerhin gesteht der Zentralbank einen diskretionären Eingriffsspielraum zu, wenn er auf die Vergangenheit verweist.

Auch mit seinen Vorschlägen für die Regulierung des Bankensektors rückt Schumpeter auf Friedmans linke Seite, etwa wenn er schreibt:

„Innerhalb eines abgeschlossenen Bereichs ist das Verhältnis der Zentralbanken zu dem von uns so genannten leichtsinnigen Bankgeschäft, zu spekulativen Auswüchsen, betrügerischer oder verantwortungsloser Geschäftstätigkeit – besonders finanzieller Art – einer der beiden wichtigen Punkte und die Behandlung von Krisen und Paniken der andere.

641 Schumpeter (Konjunkurzyklen), S. 677

642 Schumpeter (Konjunkurzyklen), S. 678

643 Schumpeter (Konjunkurzyklen), S. 678

644 Schumpeter (Konjunkurzyklen), S. 680

Eine wirklich wirkungsvolle Bekämpfung des erstgenannten würde eine Aufsichtsgewalt erfordern, die den Zentralbanken bis heute noch nicht zu Gebote stand. Diese Unfähigkeit des Kapitalismus, sich selbst zu beaufsichtigen, ist ebenso auffällig wie sein Unvermögen, sich selbst zu schützen – er braucht immer einen Polizisten und einen Protektor nicht-bürgerlicher Färbung, der ihn reguliert, schützt und ausbeutet. […] gerade dieses Unvermögen erzeugt Krisen zum Unterschied von bloßen Depressionen.“645

Die Geldschöpfung, die Friedman im Idealfall mittels eines hundertprozentigen Mindestreservesatzes allein der Zentralbank unterstellen will, bleibt bei Schumpeter bei den Banken.

Zusammenfassend gelten folgende Unterschiede zwischen den geldpolitischen Vorstellungen Schumpeters und Friedmans:

• Schumpeter sieht die Schöpfung von Kreditmitteln als nötig an, um den Innovationsprozess voranzutreiben, während Friedman diesen ablehnt und durch ein 100-Prozent-Mindestreserve-System verhindern will

• Schumpeter sieht die Geschäftsbanken und die Zentralbank als nötige zentrale Planer im kapitalistischen Prozess an, während Friedman in Bezug auf solche mächtigen Institutionen auch in der Geldpolitik skeptisch ist und zur Vorsicht rät

• Schumpeter ist skeptisch, ob Zentralbanken deflationäre Phasen bekämpfen können, während Friedman ihnen das zutraut

• Entscheidend ist aber bei beiden Protagonisten: Die Zentralbank sollte eher im Boom bremsend wirken

• Friedman wendet sich gegen diskretionäre Eingriffe der Zentralbank in den Markt, fordert sogar die Abschaffung der Zentralbank, während Schumpeter hier durchaus diskretionären Spielraum sieht

Da Schumpeter Geld- und Kreditschöpfung durch die privaten Banken als nötig erachtet und der Zentralbank diskretionären Entscheidungsspielraum zubilligt, während Friedman beides ablehnt und sogar die Abschaffung der Notenbank fordert, lässt sich festhalten, dass Schumpeter in Fragen der Geldpolitik dem staatlichen Monopol einen größeren Entscheidungsspielraum zubilligt als Friedman dies tut. Schumpeter verfolgt also in der Geldpolitik einen kollektivistischeren Ansatz, der staatlichen Behörden eine größere Rolle zubilligt.

Der Vergleich der geldpolitischen Vorstellungen Friedmans und Hayeks ist relativ leicht, geht man von Hayeks Vorstellung des Währungswettbewerbs aus. Während also Hayek das

645 Schumpeter (Konjunkurzyklen), S. 679

Geldsystem privatwirtschaftlich organisieren wollte, plädierte Friedman eindeutig – dies wurde dargestellt – dafür, das Geldsystem staatlich zu organisieren. Friedman gewährt dem Staat in dieser Frage also eine große Rolle und setzt weniger auf das Individuum. Er lehnt nicht wie Hayek die makroökonomischen Wirkungen der Geldpolitik völlig ab und sieht sogar explizit die Aufgabe der Zentralbank darin, Deflation zu bekämpfen.

Bei den geldpolitischen Vorstellungen Friedmans und Euckens gibt es eine Reihe von Parallelen, schon weil beide den Chicago-Plan befürworten. Beide traten für den 100-Prozent-Reservesatz ein. Aber für Eucken war dies ein Muss, für Friedman ein sinnvolles, aber kein zwingendes Mittel. So gesehen war Friedman zwar auch dafür, die Geldschöpfung der Banken zu begrenzen oder am besten zu beenden. Er war sich aber nicht sicher, ob das durch staatliche Vorschriften wirklich zu erreichen sei. Ganz generell traute er dem Staat wenig zu und forderte deshalb die Abschaffung der Zentralbank. Statt dessen sollte eine strikte Regel vom Parlament festgelegt werden. Damit lässt sich nach Schumpeter auch Eucken in der Geldpolitik im Vergleich zu Friedman als staatsorientierter einordnen, wenngleich zugegeben werden muss, dass dieser Punkt durchaus auch anders interpretiert werden kann, einfach weil Friedman die Geldmenge eben anders als Eucken kontinuierlich ausweiten wollte. Doch die anderen, vor allem die Fragen der Geldordnung, sollen in dieser Arbeit überwiegen.

Friedman ist also wie Eucken im Sinne Andereggs Vertreter einer gesellschaftsvertraglichen Geldordnung. Bei Schumpeter finden sich dagegen durch seine Betonung der Kreditschöpfung der Banken und der Forderung nach Regulierung, um die spekulative Tätigkeit des Bankwesens einzudämmen, starke künstliche Elemente in der Geldordnung.

Geld hat hier nicht mehr die klassischen Funktionen – Tauschmittel, Recheneinheit und Wertaufbewahrungsmittel – sondern wird eben auch zur Steuerung der Wirtschaft und des Innovationsprozesses geschöpft.

Nachdem damit auch für Friedman die Ausgangsfrage dieser Arbeit bejaht werden kann, soll nun noch das Gedankengebäude von John Maynard Keynes untersucht werden.

5 John Maynard Keynes

Keynes, Anhänger eines diskretionären staatlichen Interventionismus, darf in keiner Analyse der Geldpolitik fehlen, nicht nur weil er seit Ausbruch der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise eine Renaissance erlebt. Vielmehr zeigt sich in seinen Arbeiten ein fundamentaler Unterschied etwa zur Österreichischen Schule der Nationalökonomie: Seine Fokussierung auf die Makroebene.646 Dazu kommt eine andere Interpretation des Zinses:

Während die Österreicher den Zins als Prämie für Konsumverzicht in der Gegenwart begreifen, fließt der Zins in den keynesianischen Modellen in die Nachfrage nach Geld ein, ist also unter anderem als Prämie für den Verzicht auf die kurzfristige Zahlungsfähigkeit zu verstehen. Freilich hat der Keynesianismus genau dies mit dem Friedmanschen Monetarismus und Teilen der Neoklassik gemeinsam. Um Hayeks Werk und die Sonderstellung der Österreicher zu verstehen, ist eine Gegenüberstellung dieser beiden Sichtweisen nötig.

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