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2.2 Die Österreichische Schule der Nationalökonomie

2.2.2 Die geistig-philosophischen Ursprünge der Österreichischen Schule der

2.2.2.1 Die geistigen Wurzeln der Österreichischen Schule in der Katholischen

Schule: Obwohl ein breiter Konsens darüber bestehe, dass die Geburtsstunde der Österreichischen Schule im Jahr 1871 liege – also dem Jahr, in dem die Grundsätze der Volkswirtschaftslehre von Carl Menger erschienen sind – bestehe der größte Verdienst dieses Autors allerdings darin, eine Denktradition katholischen und kontinental-europäischen Ursprungs wieder aufgenommen und vorangetrieben zu haben, die sich bis zu den Anfängen des philosophischen Denkens in Griechenland und – noch deutlicher – bis zur Tradition des juristischen, philosophischen und politischen Denkens des alten Roms zurückverfolgen lasse.85

De Soto verweist unter anderem darauf, dass man bereits im antiken Rom erkannt habe, dass das Recht vor allem Gewohnheitsrecht sei, und dass die juristischen Institutionen ebenso wie die Sprache und das Wirtschaftssystem das Ergebnis eines langen evolutionären Prozesses gewesen seien.86 Er betont, dass die spanischen Scholastiker diese antike Denktradition wiederaufnahmen. Als ersten wichtigen Vorläufer der Österreichischen Schule sieht De Soto den spanischen Geistlichen Diego de Covarrubias, der im 16.

Jahrhundert Bischof von Segovia war und dem spanischen König Philipp II mehrere Jahre als Minister diente. Im Jahr 1555 habe Covarrubias die Grundlagen der subjektiven Werttheorie, auf der die Österreichische Schule beruhe, gelegt, indem er als Beispiel genannt habe, dass in Indien Weizen höher bewertet werde als in Spanien, obwohl der Weizen an beiden Orten natürlich objektiv gesehen gleich sei.87

Ein anderer Beitrag Covarrubias habe in einer Studie über die geschichtliche Entwicklung der Kaufkraftminderung des Maravedi, einer in Spanien und Portugal über mehrere Jahrhunderte gebräuchlichen Münze, bestanden; Covarrubias habe damit viele der theoretischen Schlussfolgerungen von Martin de Azpilcueta und Juan de Mariana über die Quantitätstheorie des Geldes vorweggenommen. Diese Denkgebäude seien für die

85 vgl. de Soto (2007), S. 43

86 vgl. de Soto (2007), S. 61

87 vgl. de Soto (2007), S. 43ff

Österreichische Schule sehr bedeutend, weil sie später auch von Carl Menger in seinem Werk „Gundsätze der Volkswirtschaftslehre” zitiert worden seien. Der bedeutende Scholastiker Luis Saravia de la Calle habe die von Covarrubias begonnene subjektivistische Tradition fortgesetzt und als erster eine Erklärung der Beziehung zwischen Kosten und Preisen geliefert, wonach tendenziell die Kosten den Preisen folgten, und nicht umgekehrt.

Damit widerlegte er laut de Soto bereits zu einem frühen Zeitpunkt „die Fehler der klassischen Schule Englands, die später als Fundament der Ausbeutungstheorie von Karl Marx und seinen sozialistischen Nachfolgern diente“88. Außerdem habe de la Calle besonders die Funktion des Unternehmers, den er Händler nenne, hervorgehoben. Ein weiterer bedeutender Beitrag der spanischen Scholastiker sei die Einführung des dynamischen Konzepts der Konkurrenz gewesen, die als unternehmerischer Prozess der Rivalität, der den Markt bewege und die Entwicklung der Gesellschaft vorantreibe, verstanden worden sei.89

„Diese Idee, die das Herzstück der Markttheorie der Österreichischen Schule sein wird, steht im schroffen Gegensatz zu den Gleichgewichts-Modellen der vollkommenen, monopolistischen Konkurrenz und der Monopoltheorie der Neoklassiker. Bereits die Scholastiker kamen zu dem Schluss, dass die Preise der Gleichgewichts-Modelle (die von ihnen 'mathematische Preise' genannt wurden) und welche die sozialistischen Theoretiker der neoklassischen Schule für die Rechtfertigung ihres Interventionismus gebrauchen, niemals bekannt sein können.”90

Die jesuitischen Kardinäle Juan de Lugo und Juan de Salas argumentierten de Soto zufolge im 17. Jahrhundert gegen Eingriffe in den Markt durch den Staat, um einen Gleichgewichtspreis zu setzen, da es aus menschlicher Sicht aufgrund der komplexen Preisfindungsprozesse unmöglich sei, diesen Gleichgewichtspreis zu kennen. Damit hätten sie die wichtigsten Beiträge der namhaftesten Denker der Österreichischen Schule, besonders von Mises und von Hayeks, mehr als 300 Jahre vorweggenommen. Bereits im Jahr 1285 habe Giles des Lessines, ein Schüler von Thomas von Aquin, die Zeitpräferenzrate erklärt, nach der unter sonst gleichen Umständen gegenwärtige Güter immer höher bewertet würden als spätere; damit sei also im Mittelalter bereits ein weiterer bedeutender Baustein des Österreichischen Theoriegebäudes vorhanden gewesen.91

Auch auf dem Gebiet der Banktheorie legten die spanischen Scholastiker laut de Soto einige Grundlagen für die moderne Sicht der Österreichischen Schule: De la Calle etwa habe den

88 de Soto (2007), S. 45

89 vgl. für diesen Absatz de Soto (2007), S. 45

90 de Soto (2007), S. 45

91 vgl. für diesen Absatz de Soto (2007), S. 46

Reserve-Kassenkoeffizienten der Banken kritisiert. Die Geldschöpfung der Banken durch die Vergabe von Krediten sei bereits im 16. Jahrhundert kritisiert worden, ein wesentlicher Kritikpunkt der Österreichischen Schule der Nationalökonomie. Zusammenfassend haben die spanischen Scholastiker laut de Soto bereits zehn grundsätzliche Prinzipien dessen formuliert, was Jahrhunderte später die Grundüberzeugungen der Österreichischen Schule der Nationalökonomie wurden:92

• Die subjektive Werttheorie (Diego de Covarrubias y Leya)

• Die Entdeckung der tatsächlichen Beziehung zwischen Preis und Kosten (Luis Saravia de la Calle)

• Die dynamische Natur des Marktes und die Unmöglichkeit, ein Gleichgewichts-Modell zu formulieren (Juan de Lugo und Juan de Salas)

• Das dynamische Konzept der Konkurrenz als ein Prozess der Rivalität zwischen Verkäufern (Castillo de Bovadilla und Luis de Moline)

• Die Entdeckung des Prinzips der Zeitpräferenzrate (Martin de Azpilcueta)

• Der stark verzerrende Charakter von Inflation in Bezug auf den realen Sektor einer Volkswirtschaft (Juan de Mariana, Diego de Covarrubias und Martin de Azpilcueta)

• Die kritische Analyse der Banken mit Teilkassenkoeffizienten (Luis Saravia de la Calle und Martin de Azpilcueta)

• Die Entdeckung, dass Bankdepositen Bestandteil des Geldangebots sind (Luis de Molina und Juan de Lugo)

• Die Unmöglichkeit, eine Gesellschaft mithilfe von Zwangsmandaten zu organisieren, weil notwendige Informationen für eine wirkungsvolle Koordinierung nicht vorhanden sind (Juan de Mariana)

• Die liberale Tradition, der zu Folge jede ungerechtfertigte Marktintervention das Naturrecht verletzt (Juan de Mariana)

De Soto verweist auch darauf, dass die enge Beziehung im Habsburger Reich des 16.

Jahrhunderts zwischen Österreich und Spanien mit Italien als intellektueller Brücke die Basis für eine enge kulturelle Beziehung über mehrere Jahrhunderte gelegt habe, was über die inhaltliche Analyse hinaus ein schlagkräftiges Argument dafür sei, dass die Österreichische Schule der Nationalökonomie in ihren Ursprüngen letztlich eine Schule spanischer Tradition sei. Insofern habe das Verdienst Mengers darin bestanden, diese katholisch-kontinentale Tradition, die in Folge des Triumphs der protestantischen Reformen im Niedergang gewesen sei, wiederzuentdecken und voranzutreiben. Stärker noch als die Erfolge des Protestantismus aber habe der Einfluss des schottischen Moralphilosophen Adam Smith, der

92 vgl. für diesen und den folgenden Absatz de Soto (2007), S. 46 bis 49

häufig als Begründer der modernen Nationalökonomie bezeichnet werde, gewirkt, so de Soto:93

„Murray N. Rothbard hat darauf hingewiesen, dass Adam Smith das Gebiet der vor ihm entwickelten Beiträge, in deren Mittelpunkt die subjektive Werttheorie, der Unternehmer und der Zins stand und mit deren Hilfe Preise in realen Märkten erklärt wurden, verließ. Stattdessen ersetzte Adam Smith diesen Ansatz durch seine Arbeitswerttheorie, auf deren Fundament und als natürliche Folge, Marx später seine sozialistische Ausbeutungstheorie aufbauen sollte. Außerdem konzentrierte sich Adam Smith ausschließlich auf die Erklärung des langfristigen 'natürlichen Gleichgewichtspreises', ein Gleichgewichts-Modell, in dem die Funktion des Unternehmers durch Abwesenheit glänzt und in welchem man davon ausgeht, dass sämtliche notwendigen Informationen schon gegeben sind.

Dieses Gleichgewichts-Modell sollte später von den Gleichgewichts-Theorien der neoklassischen Schule benutzt werden, um das angebliche 'Marktversagen' zu kritisieren und den Sozialismus und die Intervention des Staates in Ökonomie und Zivilgesellschaft zu rechtfertigen.”94

De Soto zufolge verschärfte sich der negative Einfluss der klassischen englischen Schule auf die Wirtschaftswissenschaft durch Smiths Nachfolger, besonders durch Jeremy Bentham und dessen eng verstandenen Utilitarismus.95

2.2.2.2 Die geistigen Wurzeln der Österreichischen Schule in der Schottischen Philosophie der

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