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2.2 Die Österreichische Schule der Nationalökonomie

2.2.2 Die geistig-philosophischen Ursprünge der Österreichischen Schule der

2.2.2.2 Die geistigen Wurzeln der Österreichischen Schule in der Schottischen

De Soto verweist darauf, dass auch für Hayek in seinem in den Jahren 1973 bis 1979 in drei Bänden in englischer Sprache erschienen Werk „Recht, Gesetz und Freiheit” die theoretischen Prinzipien der Marktwirtschaft nicht von Calvinisten und schottischen Protestanten geschaffen worden seien, sondern das Ergebnis der intellektuellen Anstrengungen von Dominikanern und Jesuiten seien, die beide Mitglieder der Schule von Salamanca gewesen seien.96 Tatsächlich lehnte Hayek die Arbeitswerttheorie der klassischen Schule ab.97 Allerdings bezog sich Hayek in seinen früheren Werken überaus stark auf die schottischen Denker. Für ihn stand im Vordergrund der Konflikt zwischen der schottischen und der französischen Aufklärung. In seinem zunächst 1960 in englischer

93 vgl. für diesen Absatz: de Soto (2007), S. 50

94 de Soto (2007), S. 50

95 vgl. de Soto (2007), S. 50

96 vgl. de Soto (2007), S. 44

97 vgl. Hayek, F.: Dankadresse, in: Hoppmann, E. (Hg): Vorträge und Ansparachen auf d. Festveranst. d. Freiburger

Wirtschaftswiss. Fak. zum 80. Geb. von. F. A. v. Hayek, Baden-Baden: 1980, S. 38, zitiert nach: Zöller: Ordnungen 2005, S.

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Sprache erschienen Werk „Die Verfassung der Freiheit” hebt Hayek die Entwicklung des Freiheitsgedankens im 18. Jahrhundert hervor und unterscheidet dabei vor allem zwischen einer empirischen und unsystematischen Theorie der Freiheit einerseits und einer spekulativ-rationalistischen andererseits, wobei er letztere vor allem der französischen Aufklärung zuordnet und erstere die britische Überlieferung nennt:98

„Es ist dieses Sich-fügen in nicht bewußt geschaffene Regeln und Konventionen, deren Sinn und Wichtigkeit wir zum Großteil nicht verstehen, es ist diese Ehrfurcht vor dem Traditionellen, die die rationalistische Denkungsart so fremd findet, obwohl sie für das Funktionieren einer freien Gesellschaft unentbehrlich ist. Sie hat ihre Begründung in der Einsicht, die David Hume betont, und die von entscheidender Bedeutung für die antirationalistische, evolutionäre Tradition ist, daß nämlich 'die Moralregeln nicht Schlüsse der Vernunft sind'.99100

Hayek kam zu dieser Erkenntnis als ein großer Kenner der antiken Denker. Er selbst führte den Widerspruch zwischen französischen Aufklärern und den Schotten auf die Antike zurück, genauer auf den Widerspruch zwischen Athen oder Rom einerseits und Sparta andererseits:

„In der Antike wurden die Bedingungen der Freiheit besser verstanden. Cicero erzählt, daß Cato die römische Verfassung besser nannte als die anderer Staaten, weil sie 'aus dem Verstand nicht nur eines, sondern vieler Männer hervorging, nicht in einem Menschenleben begründet wurde, sondern in mehreren Jahrhunderten und Menschenaltern'. Denn, sagte er, es hat niemals einen Mann von solchem Geist gegeben, daß ihm nichts hätte entgehen können, und auch die vereinten Kräfte aller Menschen einer Zeit könnten unmöglich alle notwendige Vorsorge für die Zukunft treffen ohne die Hilfe der Erfahrung und der Erprobung durch die Zeit. Weder das republikanische Rom noch Athen – die zwei freien Staaten der Antike – konnten daher den Rationalisten als Vorbild dienen. Für Descartes, den Urheber der rationalistischen Tradition, war hauptsächlich Sparta das Beispiel; denn seine Größe '{war} nicht die Folge der Güte jedes einzelnen seiner Gesetze …, sondern {davon}, daß sie, alle von einem Einzigen erfunden, auch alle demselben Ziele zustrebten'. Und es war Sparta, das das Freiheitsideal sowohl für Rousseau als auch für Robespierre und Saint-Just und für die meisten der späteren Vertreter einer 'sozialen' oder totalitären Demokratie wurde.”101

98 vgl. Hayek (2005), S. 68 - 71

99 Hume, D.: Treatise, Band II, Buch III, Teil I, Abschnitt I, S. 235, zitiert nach: Hayek, F.A.: Die Verfassung der Freiheit, 4.

Auflage, Tübingen: 2005, S. 84

100 Hayek (2005), S. 84

101 Hayek (2005), S. 74f

De Soto schreibt, dass Hayek später tatsächlich überzeugt worden sei, dass die Wurzeln der dynamischen und subjektiven Konzeption der Ökonomie in Kontinentaleuropa lägen und deshalb weniger in der Tradition der schottischen Philosophen des 18. Jahrhunderts und mehr im mediterranen Europa und in der Tradition des antiken Griechenlands, Roms und Thomas von Aquins zu suchen seien.102 Ob de Sotos Kritik an den Engländern (besser:

Schotten) tatsächlich gerechtfertigt ist, muss allerdings vor dem Hintergrund der starken Sympathie Hayeks für die schottischen Liberalen bezweifelt werden. So schreibt Hayek selbst:

„Es waren die Ideale der englischen Whigs, die die später in ganz Europa als liberale Bewegung bekannte Strömung angeregt haben und die Vorstellungen schufen, die von den amerikanischen Kolonisten mitgenommen wurden und sie in ihrem Kampf um die Unabhängigkeit und bei der Aufstellung ihrer Verfassung leiteten. Bis zu der Zeit, da der Charakter dieser Tradition durch die auf die Französische Revolution mit ihrer totalitären Demokratie und ihren sozialistischen Neigungen zurückgehenden Zusätze verändert wurde, war 'Whig' der Name, unter dem die Partei der Freiheit allgemein bekannt war.

[…]

Die Whig-Parteien des neunzehnten Jahrhunderts brachten schließlich den Namen sowohl in Großbritannien als auch in den Vereinigten Staaten bei den Radikalen in Mißkredit. Aber da der Liberalismus erst an die Stelle des Whiggismus trat, nachdem die Freiheitsbewegung den groben und militanten Rationalismus der Französischen Revolution in sich aufgenommen hatte, und da es unsere Aufgabe sein muß, jene Tradition von den in sie eingedrungenen allzu rationalistischen, nationalistischen und sozialistischen Einflüssen zu befreien, gilt es immer noch, daß 'Whig' der historisch richtige Name für die Ideen ist, die ich vertrete. Je mehr ich über die Ideengeschichte lerne, desto bewußter wird mir, daß ich einfach ein unverbesserlicher Old Whig bin – mit der Betonung auf 'old'.”103

Auch andere Autoren sehen die Österreichische Schule eindeutig in der Tradition des klassischen Liberalismus. So schreibt Hank:

„Für die dominierende Schule, den Historismus, hatten Mises und Hayek nur Verachtung übrig. Gegen den herrschenden Trend keimte bei den jungen österreichischen Ökonomen (auch Joseph Schumpeter zählte von Ferne dazu) eine Liebe zum als altmodisch geltenden klassischen Liberalismus wie er von

102 vgl. de Soto (2007), S. 44

103 Hayek (2005), S. 530f

Adam Smith bis John Stuart Mill im 18. und 19. Jahrhundert in Schottland und England erdacht wurde: Alle Wirtschaftswissenschaft muss beginnen beim Einzelnen und seinen in Freiheit getroffenen persönlichen und unvorhersagbaren Entscheidungen.” 104

Anders als De Soto nennt Recktenwald Anhaltspunkte dafür, dass die schottische Aufklärung sich durchaus der kontinentaleuropäischen Denktradition bewusst war. Recktenwald schreibt über Adam Smith, einen der bedeutendsten Schotten:

„Über die geistigen Wurzeln von Smiths Ideen ist viel geschrieben und auch viel gestritten worden. Als umfassend gebildeter und kultivierter Mann mit humanistischer Ausbildung wurde er von der Klassik der Antike und der nachfolgenden Scholastik wesentlich geprägt; das spürt man bei der Lektüre seines Werkes beinahe auf jeder Seite. […]

Von seinem philosophischen Weltbild her ist die Verwandtschaft zu Aristoteles und zu Thomas von Aquin, vermittelt durch Hutcheson, wohl die engste. So wie Thomas gleichsam die Kirche im Dorf läßt, indem er die falschen Gegensätze aufzuheben und den Menschen in seiner Gesamtheit zu begreifen sucht, so steht auch hinter Smiths Idee des Ausgleiches im Menschen selbst und in seinem sozialen Verhalten, also hinter der inneren und äußeren Selbststeuerung zu einem neuen Gleichgewicht hin, letztlich die Vorsehung, seine 'Unsichtbare Hand'.” 105

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