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Sowohl Eucken als auch Hayek führen am Beginn ihrer währungspolitischen Kapitel Zitate an, welche die Bedeutung der Währungspolitik belegen sollen. Bei Eucken ist folgendes Zitat Lenins zu lesen:

„Um die bürgerliche Gesellschaft zu zerstören, muß man ihr Geldwesen verwüsten.“262

Hayek scheut nicht davor zurück, ein Zitat seines großen Widersachers John Maynard Keynes anzuführen, das, wie Hayek in einer Fußnote anführt, durch obiges Zitat von Lenin veranlasst worden sei:

„Es gibt kein feineres und kein sicheres Mittel, die bestehenden Grundlagen der Gesellschaft umzustürzen, als die Vernichtung der Währung. Dieser Vorgang stellt alle geheimen Kräfte der Wirtschaftsgesetze in den Dienst der Zerstörung, und zwar in einer Weise, die nicht einer unter Millionen richtig zu erkennen imstande ist.“263

Hayek selbst hebt ebenfalls die gesellschaftspolitische Bedeutung der Bekämpfung von Inflation hervor:

„Jene, die die Freiheit erhalten wollen, sollten jedoch erkennen, dass die Inflation wahrscheinlich der wichtigste Einzelfaktor in einem circulus vitiosus ist, in dem jede Regierungsaktion immer mehr staatliche Lenkung notwendig macht. Aus diesem Grund sollten alle, die den Trend zu immer weitergehender staatlicher Lenkung aufhalten wollen, ihre Bemühungen auf die Währungspolitik konzentrieren. Es gibt vielleicht nichts Bedrückenderes, als daß es noch immer so viele gescheite und gut informierte Menschen gibt, die in den meisten anderen Belangen die Freiheit verteidigen, aber dann doch durch die unmittelbaren Vorteile einer expansionistischen Politik verleitet werden, etwas zu unterstützten, was mit der Zeit die Grundlagen einer freien Gesellschaft zerstören muß.“264

Die Politik der Wettbewerbsordnung fußt für Eucken auf der Herstellung eines funktionierenden Preissystems vollständiger Konkurrenz; dies sei das wirtschaftsverfassungsrechtliche Grundprinzip.265 Eucken stellt eine Vollbeschäftigungspolitik

262 Lenin, zitiert nach: Eucken, Wirtschaftspolitik, S. 256

263 Keynes, J.: Die wirtschaftlichen Folgen des Friedensvertrags, München und Leipzig: 1920, S. 192, in: Hayek, Verfassung, S. 437

264 Hayek, Verfassung, S. 454

265 vgl. Eucken, Wirtschaftspolitik, S. 254

durch eine lockere Geldpolitik auf die gleiche Stufe wie die Versuche einer zentralverwaltungswirtschaftlichen Politik.266 Er schreibt:

„Es geht nicht an, eine Konjunkturpolitik zu treiben, welche unter dem Eindruck eines momentanen Notstandes die Funktionsfähigkeit des Preissystems behindert oder stillegt: wie durch Devisenbewirtschaftung, Kreditexpansion und dergleichen.“267

Als erstes Grundprinzip der Wettbewerbsordnung nennt Eucken die Währungspolitik. Er schreibt vom „Primat der Währungspolitik“ und vom „währungspolitischen Stabilisator“.268 Eucken ist überzeugt, dass eine Wettbewerbsordnung nur so lange funktionieren kann, wie die Stabilität des Geldwertes gesichert ist.269 Genauso sieht es Hayek. Die Methode der Kostenrechnung, auf der alle geschäftlichen Entscheidungen beruhten, sei nur so lange sinnvoll, wie der Geldwert einigermaßen stabil sei.

Durch offene Inflation, wie nach dem Ersten Weltkrieg, verliere das Preissystem seine Lenkungsfähigkeit, da die Preise unterschiedlich stiegen.270 Mieten oder bestimmte Rohstoffpreise erhöhten sich langsamer als andere Preise.271 Eucken nennt damit ein Grundprinzip, dass bereits bei den Österreichern deutlich geworden ist, nämlich dass Inflation mehr ist als der Anstieg des Preisniveaus, sondern vor allem eine Verzerrung der relativen Preise bewirkt. Die selbe Sicht findet sich bei Hayek, der dies in der Denktradition von Knut Wicksell die „Neutralität des Geldes“ nennt.272 Anderegg betont, dass dieses Ziel der Neutralität des Geldes in krassem Gegensatz zum Ziel der Preisniveaustabilität stehen könne.273 Hayeks Konzept des neutralen Geldes geht also davon aus, dass wertstabiles Geld nur eine Vorbedingung für neutrales Geld ist, mit dem Ziel, eine Verzerrung der relativen Preise – Güterpreise, Löhne und Zinsen – weitestgehend zu verhindern.274 Inflation ist für Hayek vor allem auch ein ordnungspolitisches Problem, weil sie aus seiner Sicht ein Einfallstor für wachsende staatliche Eingriffe in das Wirtschaftssystem ist.275 Er schreibt:

„Es ist kein Zufall, daß eine inflationistische Politik immer von jenen befürwortet wird, die mehr staatliche Lenkung wünschen – wenn auch leider nicht nur von diesen.“276

266 vgl. Eucken, Wirtschaftspolitik, S. 254

267 Eucken, Wirtschaftspolitik, S. 254f

268 vgl. Eucken, Wirtschaftspolitik, S. 255

269 vgl. Eucken, Wirtschaftspolitik, S. 256

270 vgl. Eucken, Wirtschaftspolitik, S. 256

271 vgl. Eucken, Wirtschaftspolitik, S. 256

272 vgl. Anderegg, S. 282f

273 vgl. Anderegg, S. 284

274 vgl. Anderegg, S. 282f

275 vgl. Hayek, Verfassung, S. 453

276 Hayek, Verfassung, S. 454

Doch selbst wenn es diese Verzerrung der relativen Preise nicht geben sollte, sondern alle Preise proportional gleich stiegen, ergäbe sich Eucken zufolge bei einer anziehenden Inflation eine volkswirtschaftliche Verzerrung, denn die langfristigen Schulden der Betriebe blieben bei steigenden Preisen der Produkte und Produktionsmittel konstant, während die Vermögensseite der Bilanzen wachse.277 Somit entstehen Gewinne, die sich nicht aus betriebswirtschaftlichem Erfolg speisen, sondern aus der Inflation ergeben, wodurch wiederum Produktionsprozesse fortgesetzt werden, die bei richtiger „Wirtschaftsrechnung“

eingeschränkt oder beendet würden.278

Eucken sieht die Deflation, also das Sinken des Preisniveaus, als genauso schädlich an wie Inflation.279 Darin unterscheidet er sich von Hayek. Zwar wäre es falsch, zu behaupten, dass Hayek für die Deflation wirbt. Aber immerhin sieht er Deflation langfristig sogar als relativ positiv an:

„Der Unterschied ist, daß bei Inflation die angenehme Überraschung zuerst kommt und die Reaktion später, während bei der Deflation die erste Wirkung auf das Geschäftsleben depressiv ist. Die Wirkungen beider kehren sich jedoch von selbst um.“280

Hayek führt dieses Argument allerdings nicht an, um für Deflation zu werben. Vielmehr akzeptiert er, dass es nicht möglich sei, die Preise völlig stabil zu halten.281 Er verwirft aber die bis heute unter Ökonomen weit verbreitete These, dass Deflation weit schlimmer sei als Inflation und deshalb ein gewisses Maß an Inflation hinzunehmen sei, damit sicherheitshalber deflationäre Tendenzen vermieden werden.282 Insofern kann hier kein Unterschied zwischen Hayek und Eucken gefunden werden. Beide propagieren Preisstabilität. Eucken hoffte, durch eine stabile Währung gar die Konjunkturschwankungen zu vermeiden.283

277 vgl. Eucken, Wirtschaftspolitik, S. 256

278 vgl. Eucken, Wirtschaftspolitik, S. 256

279 vgl. Eucken, Wirtschaftspolitik, S. 257

280 Hayek, Verfassung, S. 445

281 vgl. Hayek, Verfassung, S. 444

282 vgl. Hayek, Verfassung, S. 444

283 vgl. Eucken, Wirtschaftspolitik, S. 257

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