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Anderegg beschreibt sechs verschiedene Geldordnungen, wobei in der Realität meist Mischformen zu finden seien:

• Das frühe archaische Geldwesen

• Die natürliche Geldordnung

• Die geldwirtschaftliche Anarchie

• Die gesellschaftsvertragliche Geldordnung

• Die spontane Geldordnung

• Die künstliche Geldordnung

Das frühe archaische Geldwesen entstand bereits vor der Antike. Hier wurden bestimmte kostbare Güter, die zum Beispiel kulturellen oder religiösen Zwecken dienten, als Maßeinheit für Tauschgeschäfte verwendet. Ein Beispiel dafür könnten Muscheln sein.

Eng verwandt mit dem archaischen Geldwesen ist das in der Antike entstandene System der natürlichen Geldordnung; hier bestand das Geld vor allem aus Metallmünzen. Später entstanden Goldwährungen. Basis der natürlichen Ordnung ist das Vertrauen der Menschen in die Wertstabilität des Goldes und anderer Metalle. In der reinen Form der natürlichen Ordnung sind keine Zentralbanken und auch keine Geschäftsbanken nötig, lediglich Institutionen, die das Prägen von Gold- und Silbermünzen übernehmen, in- und ausländische Währungen tauschen sowie die sichere Wertaufbewahrung übernehmen.

Folgerichtig gibt es keine Konjunkturpolitik. Den Höhepunkt erreichte diese Ordnung im 18.

Jahrhundert.

Eine gesellschaftsvertragliche Ordnung beruht grundsätzlich auf der Fiktion eines hypothetisch geschlossenen Gesellschaftsvertrages zwischen den Bürgern eines Landes, wobei der Vollzug des Vertrages dem Staat übertragen wird. Wie bereits in Kapitel 2.5 dargestellt wurde, geht diese Idee auf John Locke zurück. Die Geldordnung ist in diesem Sinn Teil der gesellschaftsvertraglichen Ordnung. Da Geld die Einheit sei, in der im Handel alles gemessen werde, müsse der Wert des Geldes stabil gehalten werden, forderte Locke.

Genauso sah es David Hume. Beide können als frühe Quantitätstheoretiker verstanden werden: Nach diesem Denkansatz führt eine Erhöhung der Geldmenge zu steigenden Preisen, wenn das Güterangebot konstant bleibt. Deshalb ist es nötig, die Geldmenge künstlich zu regulieren, entweder durch Koppelung an den Marktwert von Metallen oder die schlichte Verknappung des Angebots, wobei die erstere Variante wiederum stark an die natürliche Ordnung angelehnt ist. Generell kommt es zu einer Aufgabenteilung: Die Zentralbank stellt die monetäre Basis bereit, und die Geschäftsbanken schöpfen die Kredite.

Dabei soll die private Geldemission möglichst unterbunden werden. Um den Geldwert zu

stabilisieren, ist eine regelorientierte, restriktive Geldmengensteuerung nötig, in der Regel verbunden mit der Festlegung von Mindestreserven. Eine bedeutende Rolle spielt in der gesellschaftsvertraglichen Ordnung die Bankenaufsicht, es kommen also auch künstliche Ordnungselemente zur Anwendung. Eine antizyklische Zins- und Geldmengenpolitik wird abgelehnt. Jedoch soll eine Steuerung der Geldmenge, der Zinsen oder der Wechselkurse eine etwas größere Flexibilität zulassen als bei den früheren natürlichen Geldordnungen wie etwa dem Goldstandard.

Künstliche Elemente der Geldordnung sind nötig, um eine natürliche, gesellschaftsvertragliche oder auch spontane Geldordnung abzusichern. Beispiele hierfür sind die bereits erwähnte Bankenaufsicht, die Funktion der Zentralbank als zentraler Abwickler im Zahlungsverkehr, oder Maßnahmen zur Verhinderung von Betrug und Täuschung im Geldwesen. Mindestreservepflichten gehören ebenfalls zu den künstlichen Elementen, ebenso wie die anderen Mittel der Zentralbanken, die darauf zielen, mithilfe einer Steuerung der Liquidität der Banken die Inflationsrate zu begrenzen und gleichzeitig für möglichst gleichmäßiges Wachstum zu sorgen. Die konjunkturelle Steuerung mithilfe der Geldpolitik ist ebenfalls ein wichtiges künstliches Element. Auch die Funktion der Zentralbank als „lender of last resort“, die dann einspringt und Banken Liquidität (gegen Sicherheiten) zur Verfügung stellt, wenn aufgrund eines Schocks der Interbankenmarkt zusammenbricht, ist ein künstliches Element.342

Künstliche Geldordnungen können aber auch von Regierungen dazu genutzt werden, sich günstig und zu Lasten der Bürger zu finanzieren. Ein Beispiel dafür ist die Ausgabe minderwertigen Geldes zur Finanzierung von Kriegen.343

Bereits in der natürlichen Geldordnung zeigten sich künstliche Ordnungselemente, etwa die staatliche Regulierung der Münzprägung.344 Auch die Unterscheidung zwischen natürlichen und gesellschaftsvertraglichen Geldordnungen ist nicht immer ganz einfach. So sind bereits bei Platon und Aristoteles gesellschaftsvertragliche Erklärungen für die Entstehung des Geldes zu finden.345 Platon ging davon aus, dass Geld durch Menschenhand entstanden sei.346 Auch Aristoteles betont, dass das Geld nicht durch die Natur, sondern das Gesetz entstanden sei, vertritt also zumindest teilweise eine Konventionstheorie:347 Die Konventionstheorie besagt, dass das Geld durch die Rechtsordnung entsteht: Alle Mitglieder der Rechtsordnung sind verpflichtet, das vom Staat definierte Geld zu akzeptieren.348 In der

342 vgl. Kapitel bis hierher: Anderegg, S. 259 bis 276

343 vgl. Anderegg, S. 274

344 vgl. Anderegg, S. 259

345 vgl. Anderegg, S. 259

346 vgl. Anderegg, S. 259

347 vgl. Anderegg, S. 262

348 vgl. Meckenstock, G.: Wirtschaftsethik, Berlin / New York: 1997, S.265

Konventionstheorie sind sowohl gesellschaftsvertragliche als auch künstliche Ordnungselemente vorhanden. Anderegg weist jedoch darauf hin, dass in der Antike ein gesellschaftsvertragliches Verständnis kaum existierte.349 Die griechische Geldordnung sei deshalb als eine Mischung aus natürlicher und künstlicher Geldordnung zu verstehen.

Die Entwicklung einer natürlichen oder auch frühen archaischen Geldordnung ist sehr eng verwandt mit einer spontanen Ordnung. Es gibt keine staatliche Instanz, die regelt, was Geld ist und als Geld verwendet werden darf. Statt dessen entsteht Geld durch das selbstinteressierte Verhalten von Menschen, die Güter gegen primitive Formen von Geld tauschen.350 Das erleichtert die Arbeitsteilung.351 So ist die Entstehung des Geldes also als evolutorischer Prozess in der Zivilisation zu verstehen. Als eigentliche Geburtsstunde der neueren Theorie der spontanen Geldordnung bezeichnet Anderegg die Idee des Währungswettbewerbs von Friedrich August von Hayek aus dem Jahr 1976.352 Hayeks Vorschlag wurde bereits in Kapitel 2.7 dargestellt.

Anderegg weist darauf hin, dass spontane Elemente der Geldordnung nicht ausreichen, um eine voll funktionsfähige Geldordnung zu tragen; so habe die Emission von Papiergeld im 19.

Jahrhundert nicht so sehr eine sich selbst tragende spontane Geldordnung, sondern vielmehr ein anarchisches Geldwesen erzeugt.353 Anarchische Geldwesen entstehen vor allem dann, wenn künstliche Elemente der Ordnung und damit eine stabile binnenwirtschaftliche Währung fehlen.354 Es kommt zum Naturaltausch, zur Verwendung ausländischer Währungen oder zum Tausch von Gütern, welche die Funktion von Geld wahrnehmen können.355 Anderegg nennt als Beispiel Edelmetalle, womit wiederum Elemente einer natürlichen Geldordnung zum Tragen kämen.356 Allerdings kann sicher auch der Handel gegen Zigaretten am Schwarzmarkt in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg dazu gezählt werden. Generell gilt: Zu einer anarchischen Geldordnung kommt es insbesondere in und nach Kriegen und in Zeiten exzessiv steigender Staatsausgaben.

Eine etwas andere historische Entwicklung des Geldwesens zeigt Deutsche-Bank-Chefvolkswirt Thomas Mayer.357 Er verweist auf den Anthropologen David Graeber, wonach die Wirtschaftsbeziehungen in primitiven und antiken Gesellschaften nicht auf Tauschhandel, sonder auf Kredit aufbauten. Tauschhandel hat es demnach nur in feindlichem Umfeld gegeben, also etwa bei wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Mitgliedern verschiedener

349 vgl. Anderegg, S. 260

350 vgl. Anderegg, S. 267

351 vgl. Anderegg, S. 267

352 vgl. Anderegg, S. 267

353 vgl. Anderegg, S. 267

354 vgl. Anderegg, S. 262

355 vgl. Anderegg, S. 262

356 vgl. Anderegg, S. 262

357 vgl. Mayer, T.: Willkommen in der ZBG-Wirtschaft, DB Research, 21. März 2012

Stämme. Erst in einem späteren Entwicklungsstadium hätten Machthaber Geld etwa in Form von Goldmünzen zur Bezahlung ihrer Soldaten emittiert und von der Landbevölkerung verlangt, Steuern in Form dieser Münzen zu entrichten. Auf diese Weise sei die Finanzierung militärischer Macht systematischer erfolgt als durch die Zulassung von Plünderungen. Erst später sei Geld als Mittel genutzt worden, um mehrfachen Tauschhandel unter Individuen, die ihr jeweils eigenes Interesse verfolgen, zu vereinfachen.

Damit widersprechen Mayer und Graeber der Analyse Andereggs bezüglich der Entwicklung des Geldwesens. Der Akzent zur Entwicklung von Gold- und Silbermünzen liegt stärker auf gesellschaftsvertraglichen bzw. künstlichen Elementen als auf natürlichen. Mayer hebt hervor, dass diese Art des Geldwesens – also Gold- und Silbermünzen – der zentrale Punkt in Adam Smiths Analyse des Wohlstands der Nationen sei.

Doch seit Smiths Zeiten hat sich einiges verändert. Mayer schreibt:

„Durch die Informations- und Kommunikationstechnologie und durch Financial Engineering ist es gelungen, die Geldwirtschaft à la Smith zu überwinden und eine moderne Kreditwirtschaft aufzubauen: eine dialektische Synthese zwischen der vormodernen Kredit- und der jüngeren Geldwirtschaft. Das Vertrauen, das für den Aufbau von Wirtschaftsbeziehungen notwendig ist, wurde durch technokratische Zentralbanken und sorgfältig ausgearbeitete Produkte und nicht mehr durch zwischenmenschliche Beziehungen wie in den vormodernen Gesellschaften geschaffen. In letzteren traten Kreditblasen immer wieder auf, und nach ihrem Platzen wurden die Schulden regelmäßig erlassen. Laut Michael Hudson fand in Babylonien zwischen 1880 und 1636 v. Chr. im Durchschnitt alle 16 Jahre ein Schuldenerlass statt. Dies hätte in der Expansionsphase der modernen Kreditwirtschaft als Warnung dienen sollen. Das Vertrauen in das moderne Finanzwesen und die moderne Wirtschaftswissenschaft war jedoch so groß, dass kein Raum für Zweifel blieb.”358

Seit dem Jahr 2007 – dem Zusammenbruch der globalen Kreditwirtschaft – hat sich Mayer zufolge ein neues Regime („Regime 2“) entwickelt, Mayer nennt dies „Die Zentralbankgeld-Wirtschaft“. Demnach pumpten die Zentralbanken reichlich Zentralbankgeld in die Wirtschaft, um wirtschaftliche Beziehungen zu stützen, die in Gefahr geraten waren, weil durch den globalen Vertrauensverlust an den Interbankenmärkten wie dem Kapitalmarkt überhaupt keine Kredite mehr gewährt wurden. Dabei wurde der rechtliche Rahmen zumindest getestet, wenn nicht überschritten und damit der gesellschaftsvertragliche Moment des Geldwesens teils verlassen. Mayer schreibt:

358 Mayer, ZBG-Wirtschaft, S. 3f

„Obwohl ernsthafte Besorgnis wegen der Grenzen ihrer institutionellen Befugnisse bestand, stellte die EZB letztendlich reichlich finanzielle Unterstützung bereit, zunächst in Form begrenzter Käufe von Anleihen in Schwierigkeiten geratener Länder am Sekundärmarkt und danach in Form von Liquiditätsspritzen in Höhe von einer Billion Euro für das Bankensystem des Euroraums. Daher weiteten sich die Bilanzen aller Zentralbanken beträchtlich aus, und die Risikoprämien am Interbanken-Kreditmarkt gingen zurück. Durch die beträchtliche Ausweitung der Zentralbankbilanzen trat die „Zentralbankgeld-Wirtschaft“ an die Stelle der gescheiterten Kreditwirtschaft.”359

Mayer hinterfragt die grundsätzliche Nachhaltigkeit dieses Systems. Das soll in dieser Arbeit nicht erörtert werden. Klar ist, dass das Geldsystem in der Europäischen Union, wie es sich im Frühjahr 2012 zeigt, stark von künstlichen Elementen und einigen gesellschaftsvertraglichen Elementen geprägt ist, aber kaum von spontanen und natürlichen, unabhängig davon ob man „natürlich“ im Andereggschen Sinn versteht, also geprägt von Realwerten, oder im Mayerschen/Graeberschen, dass es auf das Vertrauen der Teilnehmer und deren Bereitschaft, untereinander Kredite zu vergeben, baut.

359 Mayer, ZBG-Wirtschaft, S. 5

2.9 Fazit: Beantwortung der Ausgangsfrage dieser Arbeit für den

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