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Induktion der ROS-Produktion porziner CD14-positiver Monozyten durch

4.3 Wachstumsphasenabhängige Wechselwirkung von S. suis mit porzinen

4.3.4 Induktion der ROS-Produktion porziner CD14-positiver Monozyten durch

In Kapitel 4.3.4 wurde ein großer Einfluss der Kapselmutante 10∆cps von S. suis-Stamm 10 auf die Morphologie und Vitalität der porzinen CD14-positiven Monozyten beschrieben. Allerdings wurde auch eine im Vergleich zu Stamm 10 (WT) geringere Menge an sezerniertem Suilysin ermittelt, wobei Stamm 10 im Vergleich zur Kapselmutante einen geringeren Einfluss auf die Morphologie und Vitalität der porzinen CD14-positiven Monozyten hatte. In einem weiteren Versuch wurde deshalb der Einfluss von S.suis-Stamm 10 und der Kapselmutante 10∆cps auf porzine CD14-positive Monozyten durch die Bestimmung der Produktion reaktiver Sauerstoff-Spezies (engl.: reactive oxygen species, ROS) näher untersucht. Bei phagozytierenden Zellen deutet die ROS-Produktion insbesondere auf antibakterielle Aktivität durch Phagozytose und das Abtöten internalisierter Bakterien (Hassett und Cohen, 1989). Im Falle einer ROS-Produktion wird der Indikator Dihydrorhodamin (DHR) 123 zu dem durchflusszytometrisch im FL1-Kanal detektierbaren grünfluoreszierenden Farbstoff Rhodamin 123 oxidiert. Um die ROS-Produktion der porzinen CD14-positiven Monozyten zu erfassen, wurden diese Zellen mit Kryokonservaten der stationären Wachstumsphase von S. suis-Stamm 10 und 10∆cps stimuliert und anschließend mit dem ROS-Indikator DHR 123 inkubiert. Als Kontrolle dienten MNCs und unstimulierte CD14-positive Monozyten zur Detektion der basalen ROS-Produktion.

In Abbildung 22A ist die ROS-Produktion unstimulierter, mit dem WT und mit der Kapselmutante 10∆cps stimulierter porziner MNCs bzw. CD14-positiver Monozyten graphisch dargestellt. Die ROS-Produktion durch die MNCs war allgemein deutlich

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geringer als die der CD14-positiven Monozyten. Dies war zu erwarten, da der Großteil der MNCs aus Lymphozyten besteht, die als nicht-phagozytierende Zellen zumindest eine Phagozytose-bedingte ROS-Produktion ausschließen lassen. Die ROS-Produktion unstimulierter CD14-positiver Monozyten war durchschnittlich etwa dreimal größer als die der MNCs. Nach Infektion mit Stamm 10 konnte keine Erhöhung der ROS-Produktion im Vergleich zur ROS-Produktion unstimulierter Monozyten festgestellt werden. Allerdings war die ROS-Produktion nach Stimulation mit der Kapselmutante 10∆cps ungefähr sechsfach höher als die basale Produktion unstimulierter CD14-positiver Monozyten. Die Induktion der ROS-Produktion porziner CD14-positiver Monozyten nur durch die Kapselmutante 10∆cps lässt vermuten, dass die Kapsel vor antibakterieller Aktivität der Monozyten schützt.

Die Histogramme in Abbildung 22B und 22C veranschaulichen zusätzlich die allgemeine geringe ROS-Produktion der porzinen MNCs und die durch die Kapselmutante 10∆cps induzierte ROS-Produktion von porzinen CD14-positiven Monozyten. Die im Vergleich zu den CD14-positiven Monozyten (Abbildung 22C) nach links verlagerten Kurven der MNCs (Abbildung 22B) bestätigen die geringere Fluoreszenzintensität durch eine allgemeine geringe ROS-Produktion. Der Kurvenverlauf unstimulierter und mit Stamm 10 stimulierter CD14-positiver Monozyten war in der Histogrammdarstellung annähernd identisch, wodurch bestätigt wurde, dass die CD14-positiven Monozyten nicht durch Stamm 10 zur ROS-Produktion angeregt wurden.

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B C

Abbildung 22: ROS-Produktion porziner MNCs und CD14-positiver Monozyten ohne Stimulation und nach Stimulation mit S. suis-Stamm 10 und 10∆cps.

Porzine MNCs bzw. CD14-positive Monozyten wurden mit Kryokonservaten der stationären Wachstumsphase von S. suis-Stamm 10 und 10∆cps (MOI 1:10) stimuliert und anschließend mit einem fluoreszierenden ROS-Indikator inkubiert. Die ROS-Produktion wurde mittels Fluoreszenzmessung durchflusszytometrisch am BD accuri™ C6 (BD, Heidelberg) erfasst und mit der BD accuri™ C6 Software ausgewertet.

A: Graphische Darstellung der ROS-Produktion unstimulierter, mit S. suis-Stamm 10 und mit der Kapselmutante 10∆cps stimulierter porziner MNCs bzw. CD14-positiver Monozyten. Dargestellt sind die Mittelwerte und Standardabweichungen aus drei unabhängigen Experimenten. Die Signifikanz ist angegeben mit * (Mann-Whitney-U-Test; p-Wert < 0,05; n. s.: nicht signifikant).

B und C: Histogrammdarstellung der quantitativen Verteilung porziner MNCs (B) bzw. CD14-positiver Monozyten (C) unterschiedlicher Fluoreszenzintensitäten im FL1-Kanal mit Darstellung der Zellen ohne Stimulation (grüne Linie), nach Stimulation mit 10 (rote Linie) und nach Stimulation mit 10∆cps (blaue Linie). Erfasst wurden jeweils 10000 Zellen. Aufgetragen ist die Fluoreszenzintensität (FL1/x-Achse) gegen die Anzahl der entsprechenden Zellen (y-Achse). Nach der Stimulation mit der Kapselmutante 10∆cps war eine zweigeteilte Monozytenpopulation sichtbar (C). Dargestellt sind repräsentative Histogramme.

* *

*

n. s.

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Auffällig war dagegen der Kurvenverlauf der CD14-positiven Monozyten nach Stimulation mit der Kapselmutante, da diese Kurve zwei Gipfel aufwies. Der eine Gipfel dieser Kurve mit der größeren Anzahl der Zellen lag auf Höhe der Fluoreszenzintensität unstimulierter Monozyten. Der zweite Gipfel war deutlich nach rechts verschoben. Diese Monozytenpopulation wies somit eine größere Fluoreszenzintensität auf, was auf die erhöhte ROS-Produktion zurückzuführen war.

Dieses Ergebnis deutete auf eine zweigeteilte Monozytenpopulation nach Stimulation mit der Kapselmutante 10∆cps und legt die Vermutung nahe, dass die Kapselmutante die ROS-Produktion nur von einem Teil der porzinen CD14-positiven Monozyten induzierte (Abbildung 22C). Dieser Teil entsprach ungefähr 45% der Gesamtmonozytenpopulation.

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Infolge eines Infektionsgeschehens kann S. suis unterschiedlichen Bedingungen, wie schwankenden Glukosekonzentrationen oder pH-Werten, ausgesetzt sein.

Unterschiedliche Bedingungen herrschen auch während des bakteriellen Wachstums in einer Flüssigkultur, da mit fortschreitender Vermehrung der Bakterien primäre Zuckerquellen, wie z. B. Glukose, verbraucht werden und es durch die Ausscheidung von Stoffwechselabbauprodukten zu einer Ansäuerung des Mediums kommt.

Während des Wachstums bzw. beim Übertritt in die stationäre Wachstumsphase kann es bei Bakterien zu einer Veränderung des Genexpressionsprofils kommen.

Häufig wurde in dem Zusammenhang eine herunterregulierte Expression von Virulenzgenen, wie z. B. eine reduzierte Kapselexpression, beschrieben (Kadioglu et al., 2008; Sitkiewicz und Musser, 2009). Eine herunterregulierte Kapselexpression könnte in Kombination mit einer Heraufregulierung Oberflächen-assoziierter Gene (Kreikemeyer et al., 2003) zu einer verstärkten Exponierung von Oberflächenproteinen und somit zu einer intensiveren Adhäsion an Wirtszellen führen. Des Weiteren ist eine Heraufregulierung von Genen des alternativen Stoffwechsels ein Merkmal stationär gewachsener Bakterien (Nystrom, 2004;

Sitkiewicz und Musser, 2009). Die limitierenden Bedingungen der stationären Wachstumsphase können ebenso eine Reduktion des bakteriellen Stoffwechsels bis hin zur Dormanz (Amako et al., 2008; Oliver, 2005) und Unkultivierbarkeit (Lleo Mdel et al., 2007; Na et al., 2006) induzieren.

Da es während des bakteriellen Wachstums zu einer starken Veränderung des Phänotyps kommen kann, wurde in dieser Arbeit für S. suis der Einfluss der initialen Wachstumsphase zum einen auf die Ausprägung antibiotikatoleranter Eigenschaften und zum anderen auf die Wechselwirkung mit naïven porzinen Monozyten untersucht.

Nährstoffmangel oder in der stationären Wachstumsphase herrschende Stressbedingungen können zu einer Herunterregulierung des bakteriellen Stoffwechsels führen, was in der Bildung von dormanten Bakterienzellen bzw.

Persistern resultieren kann. Persisterzellen weisen aufgrund ihrer Dormanz eine hohe Toleranz gegenüber Antibiotika verschiedener Wirkstoffklassen bei gleich

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bleibender MHK auf und stellen eine phänotypisch variante Subpopulation in einer Bakterienkultur dar (Levin und Rozen, 2006; Lewis, 2007). Ein Anstieg antibiotikatoleranter Subpopulationen in einer Bakterienkultur im Zuge des bakteriellen Wachstums, evtl. bedingt durch die Zunahme limitierender Bedingungen, wurde von Keren et al. (2004a) beschrieben. Da eine Antibiose das Mittel der Wahl bei der Behandlung bakterieller Infektionen ist, stellen antibiotikatolerante Persisterzellen ein Problem bei der antibiotischen Eliminierung dar. Das Phänomen der Persisterbildung wurde bereits für viele Bakterien beschrieben. In dieser Arbeit wurde untersucht, ob S. suis ebenfalls eine wachstumsphasenabhängige Antibiotikatoleranz aufweist und Persister bildet.

Wie oben erwähnt könnte die Wachstumsphase zu einer unterschiedlichen Ausprägung der bakteriellen Oberflächenstruktur, z. B. bezüglich der Expression der Kapsel oder der Exponierung von Oberflächenproteinen, führen. Aufgrund dessen wurde in dieser Arbeit untersucht, ob die initiale Wachstumsphase einen Einfluss auf die Assoziationseigenschaften von S. suis mit porzinen CD14-positiven Monozyten hat. Ein Schritt in der Pathogenese von S. suis ist die Dissemination mit dem Blutstrom und die dadurch ermöglichte Translokation zu den Zielorganen, wobei die Überwindung der Blut-Liquor-Schranke zum Erreichen des ZNS eine besondere Hürde darstellt. In diesem Zusammenhang wurden die Trojan horse theory bzw. die modifizierte Trojan horse theory postuliert, die besagt, dass S. suis im Blutstrom zirkulierende Monozyten als Vehikel benutzen kann, um intrazellulär in diesen persistierend bzw. extrazellulär an diesen adhärierend das ZNS erreichen kann (Gottschalk und Segura, 2000; Williams und Blakemore, 1990). Die Assoziation von S. suis mit Zellen der monozytären Linie wurde in mehreren Studien untersucht, wobei bislang für in vitro-Studien zur Untersuchung der Trojan horse theory zumeist adhärente oder vorbehandelte Monozyten, oder auch Makrophagen, eingesetzt wurden (Charland et al., 1996; Charland et al., 1998; Smith et al, 1999; Segura et al., 2002; Segura und Gottschalk, 2002). In dieser Arbeit wurde die Assoziation von S. suis erstmalig mit affinitätsaufgereinigten, naïven Monozyten im Batch-Verfahren untersucht, mit dem Ziel, durch diesen Versuchsaufbau den in-vivo-Bedingungen möglichst nahe zu kommen und so genauere Aussagen bezüglich der Assoziation

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treffen zu können. Zusätzlich wurden weitere Einflüsse von S. suis auf die Eigenschaften porziner CD14-positiver Monozyten analysiert.

5.1 Wachstumsphasenabhängige Persisterbildung von S. suis

Typische Merkmale von Persisterzellen sind die Vielfachtoleranz gegenüber Antibiotika unterschiedlicher Wirkstoffklassen und die Toleranz des Vielfachen einer MHK eines eingesetzten Antibiotikums (Levin und Rozen, 2006). In dieser Arbeit wurde für S. suis-Stamm 10 eine verlängerte Toleranz gegenüber Antibiotika verschiedener Wirkstoffklassen (Gentamicin, Penicillin G, Amoxicillin, Ciprofloxacin und Rifampicin), eingesetzt in der 100-fachen MHK, festgestellt (Abbildung 2).

Angelehnt an einer vorherigen Studie mit Staph. aureus (Lechner et al., 2012), erwies sich der Einsatz dieser hohen Antibiotikakonzentration als geeignete Methode, um Persister zu identifizieren, da sensible Bakterienzellen abgetötet und Persisterzellen effektiv selektiert werden. Die Toleranz gegenüber dieser hohen Antibiotikakonzentration lieferte einen ersten Hinweis, dass S. suis-Stamm 10 Persister bilden kann.

Die starke Zunahme an antibiotikatoleranten Zellen während der mittleren exponentiellen Wachstumsphase und die wachstumsphasenabhänge Anzahl an antibiotikatoleranten Bakterien gemessen an der Gesamtpopulation gilt als ein weiteres typisches Merkmal der Bildung von Persisterzellen (Keren et al., 2004a;

Lewis, 2007). Für S. suis-Stamm 10 wurde ebenso eine wachstumsphasenabhängige Bildung von antibiotikatoleranten Zellen festgestellt, da exponentiell gewachsene Bakterien (Abbildung 2A) allgemein stärker abgetötet wurden als stationär gewachsene Bakterien (Abbildung 2B). In diesem Zusammenhang ist zu bedenken, dass S. suis-Stamm 10 aus der exponentiellen und aus der stationären Wachstumsphase dieselbe MHK aufwies (Tabelle 4). Die stärkere Antibiotikatoleranz von Bakterien, die bis zur stationären Wachstumsphase wuchsen, ist somit nicht auf eine höhere MHK im Vergleich zu exponentiell gewachsenen Bakterien zurückzuführen. Die Stressbedingungen in der stationären Wachstumsphase induzieren vermutlich eine erhöhte Antibiotikatoleranz stationär

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gewachsener Bakterien bedingt durch eine herunterregulierte Stoffwechselaktivität und einer damit einhergehenden Inaktivierung von Molekülen, die als Angriffspunkte der Antibiotika dienen. Mittels eines Wachstumsexperiments wurde bestätigt, dass stationär gewachsene Bakterien besser als exponentiell gewachsene Bakterien in nährstoffarmem PBS überleben; stationär gewachsener S. suis-Stamm 10 war sogar in der Lage, sich zu vermehren (Anhang, Abbildung 24). Diese Ergebnisse deuten darauf, dass stationär gewachsene Bakterien sich den limitierenden Bedingungen anpassen und durch Veränderung ihrer Eigenschaften eine Robustheit erlangen, die ein Überleben oder sogar eine Vermehrung unter diesen widrigen Bedingungen ermöglichen. Diese Annahme steht im Einklang mit Erkenntnissen von Kolter et al.

(1993), die herausstellten, dass gramnegative Bakterien durch physiologische und morphologische Differenzierung in Nährstoffmangelbedingungen gelangen und diesen wieder entkommen können. Weiterhin beschrieben sie, dass Anpassungen, die Bakterien unter Nährstoffmangel vollziehen, globale Veränderungen in der Zellphysiologie einschließen. Ferner wurde beschrieben, dass Bakterien in der stationären Wachstumsphase einen Status einnehmen, in dem sie resistenter gegenüber verschiedene Faktoren wie hohe Temperaturen, hohe Osmolarität und oxidierenden Substanzen werden (Eisenstark et al., 1996; Foster, 1995; Hengge-Aronis, 1996; Loewen und Hengge-Hengge-Aronis, 1994). Diese Veränderungen resultieren bei E. coli aus dem Anschalten mehrerer, zu einem Regulon zusammengefassten Gene zu Beginn der stationären Wachstumsphase (Loewen und Hengge-Aronis, 1994).

Für Typ I-Persister ist charakteristisch, dass deren Bildung durch ein Signal ausgelöst wird, und dass ihr Level beim Eintreten in die stationäre Wachstumsphase bedingt durch eine Zunahme von limitierenden Bedingungen bzw. Stressfaktoren ansteigt, während im Gegensatz dazu Typ II-Persister zufällig und kontinuierlich entstehen (Balaban et al., 2004; Dhar und McKinney, 2007; Gefen et al., 2008;

Gefen und Balaban, 2009; Keren et al., 2004a; Kussell et al., 2005). Eine wiederholte Re-Inokulation von exponentiell gewachsenem S. suis-Stamm 10 führte zur Eliminierung von Persisterzellen, was die Annahme bestätigt, dass S. suis höchstwahrscheinlich Typ I-Persister als Reaktion auf die Zunahme von limitierenden

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Bedingungen beim Eintreten in die stationäre Wachstumsphase bildet (Abbildung 4).

Anderl et al. (2003) stellten passend dazu fest, dass in einem Klebsiella pneumoniae-Biofilm die Bakterien unsensibel auf eine Behandlung mit Ampicillin und Ciprofloxacin reagierten. Sie vermuteten, dass die Bakterien im Biofilm lokal einer Limitierung von Nährstoffen ausgesetzt sind und somit in die stationäre Wachstumsphase eintreten, was sie unempfänglicher für eine Antibiotikumbehandlung macht.

Der Einsatz von Antibiotika verschiedener Wirkstoffklassen ergab, dass die Überlebenskinetiken von S. suis-Stamm 10 unterschiedliche Verläufe aufwiesen (Abbildung 2). Die Profile variierten zumindest für exponentiell gewachsene Bakterien von einem ausgeprägten biphasischen bis hin zu einem annähernd flachen Verlauf (Abbildung 2A). Da die verschiedenen Antibiotikaklassen unterschiedliche Wirkmechanismen innehaben, kommt es durch die Dormanz evtl. auch zu einer unterschiedlich ausgeprägten Inaktivierung der antibiotischen Zielmoleküle, was die Varianzen in den Überlebenskinetiken erklären könnte. Der ähnliche Kurvenverlauf der beiden β-Laktam-Antibiotika Penicillin G und Amoxicillin (Inhibierung der Zellwandsynthese und somit osmotische Lyse der Bakterienzelle) deutet darauf, dass die Ausprägung der Antibiotikatoleranz von der eingesetzten Antibiotikaklasse abhängig sein könnte. Um diese Annahme weiter zu verifizieren, müssten weitere Antiobiotika derselben Wirkstoffklasse verglichen werden. Die unter Behandlung mit Gentamicin (Hemmung der Proteinbiosynthese) festgestelle biphasische Überlebenskinetik lässt vermuten, dass stark tolerante Bakterien effizient angereichert werden. Der Verlauf der Überlebenskurven unter Einfluss der anderen Antibiotika deutet darauf hin, dass abhängig von den molekularen Zielmolekülen der verschiedenen Antibiotika innerhalb der Bakterienpopulation vermutlich unterschiedliche Grade von Antibiotikatoleranzen ausgeprägt sind. S. suis-Stamm 10 war sogar nach der Behandlung mit Ciprofloxacin, dem Fluorochinolon (Inhibierung der Gyraseaktivität und damit der DNA-Replikation und der Zellteilung), weiterhin überlebensfähig. Fluorochinolone induzieren zudem eine SOS-Antwort in Bakterien und sind dafür bekannt, dass sie auch nicht-teilende Bakterien abtöten können (Phillips et al., 1987). Somit sollten sogar stationär gewachsene Bakterien, die sich nur noch sehr langsam oder gar nicht mehr teilen, empfänglich für eine

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Fluorochinolon-Behandlung sein. Für E. coli wurde jedoch beschrieben, dass die Fluorochinolon-vermittelte SOS-Antwort die Persisterbildung und somit eine Antibiotikatoleranz begünstigt (Dörr et al., 2009). Dieser Mechanismus greift evtl.

auch in S. suis-Stamm 10 und bedingt dadurch offensichtlich auch eine Unangreifbarkeit gegenüber dieser Antibiotikaklasse. Auffällig war, dass Daptomycin als einziges der getesteten Antibiotika sowohl exponentiell, als auch stationär gewachsene Bakterien nach 1 bis 2 h komplett abtötete. Aufgrund seines vielfältigen Wirkmechanismus (Depolarisierung des Membranpotentials und Inhibierung der Protein-, DNA- und RNA-Synthese) scheint dieses Antibiotikum, zumindest wenn es in der 100-fachen MHK eingesetzt wird, in der Lage zu sein, auch die KBE von S. suis-Stamm 10 abzutöten, die gegenüber den anderen beschriebenen Antibiotika tolerant wären. Dies steht im Gegensatz zu der Beobachtung, dass stationär gewachsener Staph. aureus nicht durch die 100-fache MHK von Daptomycin abgetötet werden konnte (Lechner et al., 2012). Dies deutet darauf, dass in S. suis und Staph. aureus, und somit evtl. in den Familien Streptococcaceae und Staphylococcaceae, der Ausbildung von Persisterzellen vermutlich unterschiedliche Mechanismen zugrunde liegen, oder dass die molekularen Zielmoleküle verändert bzw. unterschiedlich exprimiert sind. Die prinzipielle Wirksamkeit der untersuchten Antibiotika wurde durch die Überlebenskinetik der Bakterien in RPMI-Medium ohne Antibiotikumzusatz bestätigt, denn in Abwesenheit von Antibiotika konnte sich S. suis-Stamm 10 im RPMI-Medium deutlich weiter über das Eingangsinokulum hinaus vermehren (Abbildung 2A und 2B), was unter Antibiotikumeinfluss nicht feststellbar war.

Einen Beweis, dass es sich bei den antibiotikatoleranten Zellen von S. suis-Stamm 10 tatsächlich um Persister und nicht um resistente Bakterien handelt, lieferte der Heritabilitätstest (Abbildung 3). Bei dem Test auf Heritabilität (Vererbbarkeit) wird die bestehende Sensibilität einer wiederholt überimpften Bakterienkultur mit anschließender Antibiotikumbehandlung überprüft. Enthielt die Kultur eine resistente Subpopulation, käme es zu deren Anreicherung infolge der Antibiotikabehandlung und schließlich zu einer Vermehrung der Bakterien über das Eingangsinokulum hinaus. Da aber jede neu angeimpfte Kultur ähnlich sensibel wie die unbehandelte

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Ursprungskultur reagierte, ist davon auszugehen, dass es sich bei den Antibiotika-toleranten Bakterien um eine Subpopulation mit einer phänotypischen Varianz handelt, die den Persister-Phänotyp ausbildet. Der Heritabilitätstest spiegelt auch die für die Persisterzellen typische Wachstumsphasenabhängigkeit wider, da Bakterien in der exponentiellen Wachstumsphase sensibler reagierten als Bakterien in der stationären Wachstumsphase und die typische biphasische Überlebenskinetik aufwiesen. Die eingesetzte KBE des Eingangsinokulums stationär gewachsener Bakterien wurde während der Antibiotikabehandlung zweier Zyklen sogar nur minimal unterschritten, was darauf schließen ließ, dass diese Bakterienkultur zum Großteil, wenn nicht sogar komplett, aus gentamicintoleranten Persisterzellen bestand. In weiteren Versuchen wurde festgestellt, dass die Anzahl der Persisterzellen im Heritabilitätstest ebenfalls abhängig von der Konzentration des Gentamicins ist (Anhang, Abbildung 28). Mit fallender Gentamicinkonzentration (67-fache, 13-fache und vierfache MHK) korrelierte ein Anstieg der Persisterzellen sowohl exponentiell (Anhang, Abbildung 28A, 28C und 28E), als auch stationär gewachsener Bakterien (Abbildung 28B, 28D und 28F), wobei der Persisterzelllevel stationär gewachsener Bakterien wie erwartet jeweils höher als der exponentiell gewachsener Bakterien war. Dieses Ergebnis unterstützt die Vermutung, dass unterschiedliche Toleranzgrade einzelner Bakterienzellen innerhalb einer Population existieren. Die Behandlung der stationär gewachsenen S. suis-Kultur mit der vierfachen MHK von Gentamicin resultierte an allen drei Tagen während des dreistündigen Inkubationszeitraumes in einer konstanten Anzahl an Persisterzelllen, die in etwa dem Eingangsinokulum entsprach. Die Inkubation stationär gewachsener Bakterien mit dieser niedrigen Gentamicinkonzentration führt anscheinend zu einer

“Anreicherung“ von Persisterzellen. Dieses Ergebnis ist ein vielversprechender Ansatz für zukünftige Experimente, um die Persisterzellen zu isolieren und auf DNA- und RNA-Ebene zu analysieren. Keren et al. (2004a) vermuteten ebenfalls, dass eine Kultur mit stationär gewachsenen Bakterien zum Großteil aus Persisterzellen besteht, und dass das Vorhandensein von Persisterzellen in einer exponentiell gewachsenen Bakterienkultur durch eine Übertragung von Persisterzellen aus der stationären Kultur herrührt. Die Übertragung von Persisterzellen aus der stationären

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Wachstumsphase könnten auch die Schwankungen der Persisterzelllevel der einzelnen Zyklen im Heritabilitätstest sowohl für die Bakterien aus der exponentiellen als auch aus der stationären Wachstumsphase erklären. Für den Heritabilitätstest werden wiederholt ÜNK angeimpft, verdünnt und bis zur exponentiellen bzw.

stationären Wachstumsphase weiter wachsen gelassen. Da davon auszugegehen ist, dass das bakterielle Wachstum Schwankungen unterliegt und die limitierenden Bedingungen jedes Zyklus nicht identisch sind, ist vermutlich der Persisterlevel jeweils unterschiedlich stark ausgeprägt, was ein Übertragen unterschiedlicher Mengen an Persisterzellen und somit die Schwankungen im Heritabilitätstest erklären würde. Diese Vermutung stützt die Annahme, dass eine Kultur von S. suis-Stamm 10 umso mehr Persisterzellen ausbildet, je weiter sie ausgewachsen ist, und dass eine stationär gewachsene Kultur, bedingt durch die limitierenden Bedingungen, zumindest zum Großteil aus Persisterzellen besteht. Die Beobachtung, dass Kryokonservate exponentiell und stationär gewachsener Bakterien, die aus einer nicht ausgewachsenen ÜNK gewonnen wurden, eine deutlich weniger stark ausgeprägte Antibiotikatoleranz zeigten (Daten nicht gezeigt), untermauert zusätzlich diese Theorie.

Abbildung 29 im Anhang zeigt, wie die Überlebenskinetik des WT von S. suis-Stamm 10 im Vergleich zu der davon abgeleiteten Mutante 10∆ccpA in Anwesenheit der 100-fachen MHK von Erythromycin verläuft. Die ccpA-Mutante wurde durch die Insertion einer Erythromycinresistenzgenkassette erstellt und weist somit einen genetischen Resistenzmechanismus auf. Die resistente ccpA-Mutante konnte sich im Gegensatz zum WT über das Eingangsinokulum hinaus vermehren. So wurde zusätzlich bestätigt, dass es sich bei der Antibiotikatoleranz von S. suis-Stamm 10 um eine Persistenz und nicht um eine Resistenz handelt. Dies wurde weiterhin durch die Beobachtung unterstützt, dass S. suis-Stamm 10 nicht in der Lage war, auf Blutagarplatten mit einem Zusatz von Gentamicin in einer vierfachen MHK, also in Anwesenheit des Antibiotikums in einer geringen Konzentration, zu wachsen (Daten nicht gezeigt).

Die wachstumsphasenabhängige Antibiotikatoleranz von S. suis-Stamm 10 wurde auch gegenüber gängige Antibiotikakombinationen getestet (Abbildung 6). Die