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2.4 Antibiotikaresistenz und -toleranz von Bakterien

2.4.2 Antibiotikatoleranz und Persisterzellen

Das Phänomen der bakteriellen Antibiotikatoleranz wurde erstmalig 1944 von Joseph Bigger beschrieben. Er behandelte eine Staphylokokkenkultur mit dem damals kürzlich entdeckten Penicillin, was zu einer Lyse der Staphylokokken führte. Bigger plattierte die transparent gewordene Kultur aus und registrierte unerwarteterweise überlebende Bakterienkolonien, mit denen er neues Medium animpfte. In dem

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Medium wuchsen erneut Staphylokokken heran, die wiederum durch Penicillin lysierbar waren und eine überlebende Subpopulation ausbildeten. Bigger bezeichnete diese Subpopulation als “Persister“ und unterschied sie von resistenten Mutanten. Er vermutete, dass es sich bei den “Persistern“ um nicht-teilende (dormante) Bakterienzellen handelt, die sich durch ihren ruhenden Zustand unangreifbar für eine Antibiotikabehandlung machen. Kurz nach der Einführung von Penicillin wurde von penicillinresistenten Bakterien berichtet, die durch die Produktion von β-Laktamasen in der Lage sind, Penicillin zu zerstören. In den folgenden Jahren rückte somit die Erforschung von Antibiotikaresistenzen in den Fokus. Das Phänomen der Persisterbildung geriet dadurch in Vergessenheit und wurde erst nach etwa 40 Jahren intensiver erforscht.

Mittlerweile ist die bakterielle Persisterbildung ein bekanntes und besser erforschtes Themengebiet. Sie wurde für diverse gramnegative und grampositive Bakterien beschrieben, wie z. B. für Staphylococcus (Staph.) aureus (Keren et al. 2004a, Lechner et al., 2012), P. aeruginosa (Brooun et al., 2000; Harrison et al., 2005;

Möker et al., 2010; Spoering und Lewis, 2001) Escherichia (E.) coli (Keren et al., 2004a, Keren et al., 2004b; Shah et al., 2006), Mycobacterium (M.) tuberculosis (Keren et al., 2011) oder S. mutans (Leung und Lévesque, 2012). Trotz reichlicher Studien sind viele Aspekte, die mit der Persisterbildung zusammenhängen, unklar.

Die Persistenz von Bakterien ist durch eine Toleranz gegenüber einer Antibiotikumbehandlung gekennzeichnet. Diese Toleranz geht zumeist mit einer Vielfachtoleranz gegenüber verschiedene Antibiotika unterschiedlicher Wirkstoffklassen einher (Levin und Rozen, 2006). Im Gegensatz zu resistenten Bakterien wachsen Persister nicht in Anwesenheit des Antibiotikums, aber sie sterben auch nicht ab (Keren et al., 2004a). Durch einen herunterregulierten Stoffwechsel, die den dormanten Status der Persister hervorruft, kann ein Antibiotikum nicht die Funktion seiner Zielmoleküle beschädigen, auch wenn es prinzipiell noch zu einer Bindung an die Zielmoleküle fähig ist. So entgehen die Persister zwar dem Zelltod durch das Antibiotikum, aber sie büßen dadurch ihre Proliferationsfähigkeit ein (Lewis, 2007). Trotz der bestehenden Antibiotikatoleranz weisen Persisterzellen im Vergleich zu regulären Zellen keine erhöhte minimale

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Hemmkonzentration (MHK) der Antibiotika auf. Des Weiteren können Persisterzellen sogar ein Vielfaches der eingesetzten MHK eines Antibiotikums tolerieren (Levin und Rozen, 2006). Das Vorkommen von Persisterzellen ist als eine vorübergehende phänotypische Varianz innerhalb einer Bakterienpopulation beschrieben, wobei die Ausbildung der Persisterzellen anscheinend durch spezielle Bedingungen induziert wird. Unter Antibiotikabehandlung sterben die regulären Zellen, während die Persisterzellen überleben (Lewis, 2007; Lewis, 2010a; Lewis, 2010b; Wiuff et al., 2005). Keren et al. (2004a) beschrieben die biphasische Überlebenskinetik während der Antibiotikabehandlung als ein typisches wachstumskinetisches Merkmal, die eine Bakterienkultur mit darin enthaltenen Persisterzellen charakterisiert. Sie ist dadurch gekennzeichnet, dass es im Zuge einer Antibiotikabehandlung zunächst zu einem schnellen Abtöten der regulären Bakterienzellen kommt, die einen Großteil der Bakterienkultur ausmachen. Ein kleiner Teil der Bakterienpopulation kann dagegen über einen längeren Zeitraum bei fortwährender Antibiotikabehandlung nur langsam bis gar nicht abgetötet werden. Diese Subpopulation besteht aus Persisterzellen und aus Bakterienzellen, die zwar noch lebensfähig, aber nicht mehr teilungsfähig sind (engl.: viable but not culturable, VBNC; Lleo Mdel et al., 2007; Na et al., 2006). Eine Re-Inokulation der Persisterzellen und eine erneute Antibiotikabehandlung der herangewachsenen Bakterienkultur resultiert erneut in einem Großteil an regulären Bakterien, die durch das Antibiotikum abgetötet werden können, und in einer kleinen Persister-Subpopulation, die nicht oder nur langsam abgetötet werden kann. Die Sensibilität der Bakterienkultur gegenüber das Antibiotikum bleibt somit bestehen und es kommt zu keiner Anreicherung antibiotikatoleranter Bakterien (Keren et al., 2004a). Des Weiteren wurde für verschiedene Spezies eine starke Zunahme von Persisterzellen während der mittleren exponentiellen Wachstumsphase beschrieben.

Der Anteil an Persisterzellen in einer stationär gewachsenen Kultur im Vergleich zur Gesamtpopulation ist zumeist wesentlich höher als in einer exponentiell gewachsenen Kultur (Keren et al., 2004a; Lewis, 2007).

Nach Entfernen des Antibiotikums können Persister weiterhin teilungsfähig sein und wieder den Status von regulären Bakterienzellen einnehmen. Diese Zellen sind i. d. R. wieder auf künstlichen Nährböden kultivierbar. Es besteht allerdings auch die

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Möglichkeit, dass Bakterien, die mit einem Antibiotikum behandelt wurden und in den Persisterstatus eintraten, nach Entfernen des Antibiotikums trotz bestehender Viabilität nicht mehr kultivierbar sind (VBNC). Diese Zellen verharren in einem dormanten Status und stellen ein zusätzliches Risiko dar, da sie kulturell nicht nachweisbar sind, aber dennoch ein infektiöses Agens darstellen (Navarro Llorens et al., 2010).

Ein Beispiel für die Persisterbildung in vivo lieferten Helaine et al. (2014), die für Salmonella eine intrazelluläre Formation von Persisterzellen beschrieben. Die Internalisation von Salmonella durch Makrophagen führte zur Entstehung phänotypisch unterscheidbarer Subpopulationen, die entweder noch in der Lage waren sich zu teilen oder in einen nicht-replizierenden Status eintraten. Bei einem Teil der nicht-replizierenden Bakterien handelte es sich um Persisterzellen, denn diese wiesen eine Antibiotikatoleranz auf und waren in der Lage, sich erneut extrazellulär oder intrazellulär zu vermehren. Außerdem wurde festgestellt, dass an der intrazellulären Bildung von Persistern TA-Module beteiligt sind. Die phänotypische Heterogenität wurde auf die sauren Bedingungen und den Nährstoffmangel in den Vakuolen zurückgeführt. Diese Stressbedingungen induzieren auch die Expression von Virulenzgenen in Salmonella.