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Identifikation biodiversitätsschädigender Subventionen

TEIL A: Ausgangslage

1.8 Identifikation biodiversitätsschädigender Subventionen

Abbildung 1: Vorgehen bei der Recherche und Subventionsanalyse

Zunächst wurde für jedes Habitat der Zustand der Biodiversität auf Basis einer Literaturrecherche und eines ersten Expertenworkshops erfasst. Dabei stützt sich die Studie stark auf die Analysen zum Zu-stand der Biodiversität in der Schweiz von Lachat et al. (2010), Fischer et al. (2015) sowie BAFU

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(2017a). Die identifizierten Belastungen wurden wie folgt kategorisiert (Abbildung 1.a.); Ergebnisse siehe Teil B und Anhang III):

Degradation der Habitate (Quantität/Qualität):

- Stoffliche Belastung - Biologische Belastung - Strukturelle Belastung - Physikalische Belastung - Prozessuale Belastung

Direkte Degradation betreffend:

- Artengemeinschaften - Arten

- Populationen - Individuen - Gene

In einem nächsten Schritt wurden die Belastungen auf ihre Ursachen, die sogenannten Treiber, hin un-tersucht (Abbildung 1.b.). Dabei wurden folgende Bereiche identifiziert, welche die Biodiversität mas-sgebend beeinflussen: Verkehr sowie Verkehrsinfrastruktur, Land- und Forstwirtschaft, Energiepro-duktion und -konsum, Flächennutzung durch Siedlungsentwicklung, Tourismus- und Freizeitaktivitä-ten, Hochwasserschutz, Abwasserentsorgung sowie globale Klimaentwicklung und Ausbreitung von gebietsfremden Arten. In einem zweiten Expertenworkshop wurden innerhalb dieser Bereiche und an-hand konkreter Beispiele über 150 Treiber zusammengetragen, welche die Biodiversität negativ beein-flussen (siehe Anhang IV). Die identifizierten 150 Treiber wurden anschliessend anhand folgender Kriterien gefiltert bzw. aussortiert, d.h., für diese wird nicht nach zugrunde liegenden Subventionen gesucht (Abbildung 1.c.):

1. Kausalität zu schwach: Negative Einwirkung des Treibers ist zweifach indirekt (Treiber wird ausge-schlossen)

2. Behebung der negativen Einwirkung lässt sich regulatorisch erreichen.

3. Überlagerung des Problems durch andere Treiber: Wird die negative Einwirkung von zwei unter-schiedlichen Treibern verursacht und ist der eine ungleich gewichtiger als der andere, wird letzterer nicht mehr weiterverfolgt.

4. Fehlen von Evidenz oder Datengrundlage

In einem weiteren Schritt wurden die verbleibenden Treiber daraufhin analysiert, ob und welche Sub-ventionen ihnen zugrunde liegen. Diese Analyse erfolgte zum einen auf Basis einer Literatur- und Desktopanalyse sowie bilateralen ExpertInnengesprächen (Abbildung 1.e.). Zum anderen wurde eine breite Fachöffentlichkeit17 mittels Umfrage (folgend „WSL-Umfrage 2019“ genannt) über ihr be-kannte Subventionen in die Recherche einbezogen (Abbildung 1. d.; siehe Kapitel 1.10).

Die Subventionen wurden anhand folgender Aspekte charakterisiert und beschrieben (Abbildung 1. g.) Ergebnisse siehe Teil C und Anhang VI:

- Sektor (z.B. Verkehr)

- Bereich (z.B. individueller motorisierter Verkehr) - Subventionsbezeichnung (z.B. Pendlerabzug) - Subventionsart (z.B. Steuer- /Abgabevergünstigung)

- Förderungsgegenstand (z.B. steuerliches Anrechnen von Ausgaben für Einkommenserzielung) - Negative Folgen der Subvention auf Arten / Habitate: (z.B. Fragmentierung, Verlust)

17 An umweltpolitischen Sachfragen interessierte und informierte Öffentlichkeit

31 - Grad der negativen Wirkung auf die Biodiversität (vier qualitative Klassen: nicht eindeutig

(o), wenig (x), mittel (xx), deutlich/stark (xxx))

- Schwierigkeit der Umleitung/Umgestaltung der Subvention (vier qualitative Klassen: gering (x), mittel (xx), hoch (xxx), übermässig->abschaffen (A))

- Biodiversitätsschädigender Anteil der Subvention (drei qualitative Stufen: (i) vollständig bio-diversitätsschädigend; (ii) partiell biobio-diversitätsschädigend; (iii) je nach Umsetzung biodiver-sitätsschädigend) (siehe dazu Kapitel Quantifizierung 1.9).

- Subventionssumme pro Jahr (CHF Mio.)

- Finanzierende politische Ebene (Bundesamt, Kanton, Gemeinde) - Rechtsgrundlage

- Literaturquelle

- Bemerkungen / Besonderheiten

In einem letzten Schritt wurden zunächst die biodiversitätsschädigenden Subventionen unter Einbezug von ExpertInnenen auf ihre negative Wirkung auf Biodiversität hin eingeschätzt (Abbildung 1.h.) und einer von vier Kategorien zugewiesen (s.o.). Ebenso wurde mit einer Einschätzung zur Schwierigkeit einer Umgestaltung vorgegangen. Diese Einschätzungen sind grob, sie sind Expertenschätzungen. So-dann wurde für jede Subvention (und jeden Fehlanreiz) ein Vorschlag formuliert, wie die Subven-tion/der Fehlanreiz modifiziert werden könnte, damit die Biodiversität weniger belastet wird (Abbil-dung 1. i.). Dazu werden vorgeschlagen: a) Auflagen für die Subventionsvergabe, b) Umgestaltung des Instruments der Subvention oder c) Abschaffung der Subvention. Weil solche Vorschläge zu Ziel-konflikten mit anderen nationalen oder wirtschaftlichen Interessen oder mit anderen Umweltzielen führen können, werden Optionen zur Reduktion solcher Zielkonflikte diskutiert.

Dem Anspruch dieser Studie, die biodiversitätsschädigenden Subventionen sowohl auf nationaler, kantonaler als auch kommunaler Ebene zu identifizieren, sind jedoch Grenzen der Information gesetzt.

Deshalb wird im Folgenden wie folgt verfahren: Auf nationaler Ebene besteht ein Vollständigkeitsan-spruch. Kantonale Subventionen werden genannt, wenn Zahlen über alle Kantone vorliegen, was nur selten der Fall ist. Häufig werden exemplarisch einzelne kantonale Subventionen dargestellt. Ver-schiedentlich wird auf Subventionsinformationen des Kantons Luzern zurückgegriffen, wenn keine Informationen über andere Kantone vorlagen18. Zu Subventionen auf Gemeindeebene gibt es generell wenig verfügbare Informationen in schriftlicher Form. Jedoch erlauben es die Rückmeldungen aus der WSL-Umfrage, exemplarische Aussagen über Subventionen auf kommunaler (und kantonaler) Ebene zu machen.

Die Zusammenstellung der identifizierten Subventionen wurde mit folgenden drei Studien abgegli-chen: Schweizerischer Bundesrat 2013, Ecoplan 2013, BFE 2014a. Subventionen, welche in einer der drei Studien bereits diskutiert wurden, sind speziell vermerkt.

1.9 Quantifizierung

Wenn immer möglich, werden die Subventionen quantifiziert (Abbildung 1.f.) und dabei die aktuells-ten Zahlen verwendet, idealerweise von 2018.

Die Quantifizierung birgt jedoch verschiedene Schwierigkeiten:

18 Die Auswahl des Kantons LU erfolgte pragmatisch auf Basis der Kenntnisse der Projektbearbeitenden, des Zugangs zu Daten, der einigermassen vorhandenen Repäsentativität des Kantons.

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1. Generell ist es schwierig, die monetären Schäden an Biodiversität zu berechnen, die durch wirtschaftliche Tätigkeit entstehen. Ein Grund ist, dass kaum Ursache-Wirkungszusammen-hänge vorliegen. Darüber hinaus gibt es methodische Fallstricke bei der Monetarisierung (Seidl & Gowdy, 1999).

2. Steuervergünstigungen (Off-Budget) sind intransparenter als ausgabenseitige Subventionen (On-Budget). Um Steuervergünstigungen zu quantifizieren, muss eine Steuernorm unterstellt werden, die meist mit unterschiedlichen Annahmen begründet werden kann und folglich nor-mativ ist. Zusätzlich erschweren die unterschiedlichen Steuersätze im schweizerisch-föderalis-tischen Steuersystem eine Berechnung. Hinzu kommt, dass Verhaltensänderungen oder Mit-nahmeeffekte durch veränderte Besteuerung wenig absehbar und rechnerisch schwierig zu er-fassen sind. Auf eine eigene Quantifizierung von Steuervergünstigungen wurde in dieser Stu-die deshalb verzichtet. Falls vorhanden, wurden publizierte Schätzungen von Steuervergünsti-gungen verwendet. In verschiedenen Bereichen (z.B. Flächeninanspruchnahme und Versiege-lung durch SiedVersiege-lung) bestehen die Subventionen im Wesentlichen aus Steuervergünstigungen.

Sie werden in dieser Studie genannt, sind aber oft nicht quantifiziert.

3. Um zinsgünstige oder -lose Darlehen sowie Kreditbürgschaften zu quantifizieren, müssen An-nahmen über einen möglichen Marktzins getroffen werden. Zudem sind auch bei dieser Art von Subvention Verhaltensänderungen bei Wegfallen schwer absehbar und fast unmöglich zu quantifizieren.

4. Selbst wenn die Subventionssumme quantifizierbar ist, kann es schwierig sein zu berechnen, welche Anteile der Subvention welche Schäden an der Biodiversität verursachen (siehe Kapi-tel 1.5.2). Zur besseren Nachvollziehbarkeit und Erhöhung der Transparenz wurden deshalb folgende drei Kategorien von Subventionen definiert – gemäss den Anteilen ihrer negativen Wirkung auf Biodiversität. Diese Anteile sind zentral für die Gesamteinschätzung von Sub-ventionen und die Ableitung der Handlungsoptionen:

a. Subvention ist vollständig biodiversitätsschädigend und sollte entsprechend umgelei-tet oder abgeschafft werden.

b. Subvention ist partiell biodiversitätsschädigend, die schädigenden Anteile sind jedoch nicht quantifizierbar. Entsprechend sollten nur diese schädigenden Anteile umgeleitet oder abgeschafft werden.

c. Subvention ist je nach Umsetzung biodiversitätsschädigend. Die geförderte Aktivität kann bei einer biodiversitätsgerechten Anwendung/Umsetzung neutral oder gar posi-tiv auf Biodiversität wirken. Ist dies nicht der Fall, sollte die Subvention als biodiver-sitätsschädigend eingestuft werden (dann folgen a. oder b.).

1.10 Beteiligung der Fachöffentlichkeit an der Identifikation