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Externe Kosten der Regenwasserentsorgung reduzieren

TEIL C: Biodiversitätsschädigende Subventionen je Sektor

8 Entwicklung der Siedlungsfläche 149

10.5 Verursacherprinzip im weiteren Sinne: Verbilligte Entsorgungsleistung durch nicht berücksichtigte externe Kosten

10.6.3 Externe Kosten der Regenwasserentsorgung reduzieren

Um die negativen externen Effekte fehlender Regenwasserretention im Siedlungsraum zu vermindern, sollten vermehrt Versickerungsflächen geschaffen, Kleingewässer ausgedolt und Fremdwasseranteile in Kanälen reduziert werden. Folglich sollten die Mittel für den Ausbau des Systems der Regenwas-serentsorgung nicht allein für vergrösserte Retentionsvolumina im bestehenden Abwassersystems aus-gegeben werden, sondern auch für Massnahmen, die Regenwasser im Siedlungsraum zurückhalten und infiltrieren lassen. Eine derart ausgestaltete blau-grüne Infrastruktur könnte Abflussspitzen bre-chen und so den negativen hydraulisbre-chen Effekt bei der Einleitung in den Vorfluter reduzieren. Zudem würden dadurch zusätzliche Habitate im Siedlungsraum geschaffen. Retentionsflächen sind in Parks, entlang Strassen und Schienen oder auf Flachdächern denkbar. Kleine ausgedolte Fliessgewässer in-nerhalb oder um den Siedlungsraum würden die Abflüsse pluvialer Hochwasser konzentrieren und die Funktion des Regenwasserableitsystems bis zu einem gewissen Grad übernehmen – neben den oben genannten weiteren ökologischen Funktionen.

153 10.7 Exkurs: Strassenentwässerung

Das Abwasser von stark befahrenen Strassen und Schienen ist mit Schadstoffen aus Brems-, Reifen- und Fahrbahnabrieb (Schwermetalle, Kohlenwasserstoffe, Mikrogummi) sowie mit Sedimenten belas-tet. Das Schienenabwasser ist v.a. mit Schmiermitteln und Herbiziden (z.B. Glyphosat) belasbelas-tet. Zur Reinigung des Strassenabwassers können Strassenabwasserbehandlungsanlagen (SABA) installiert werden, welche das Abwasser über natürlichen Boden oder technische Filter reinigen.190 Schienenab-wasser muss je nach Belastung in einen Sickergraben, eine Versickerungsanlage oder in die Kanalisa-tion geleitet werden (BAV, 2018). Der belastete Boden in Trassee- oder Strassennähe oder in den Fil-teranlagen muss als Sondermüll entsorgt werden. Oftmals versickert das Abwasser jedoch nicht im Boden in Strassen- oder Trasseenähe, sondern wird direkt in (Klein-)Gewässer eingeleitet (St. Hasler, private Kommunikation, 03. März 2020). Dadurch wird die Gewässerqualität beeinträchtigt. Neue und sanierte Nationalstrassen- und Schienenabschnitte sind mit Filter- und Reinigungsanlagen ausgestattet, das Abwasser wird aber bei weitem noch nicht durchgängig erfasst und gefiltert. Ebenfalls noch nicht gewährleistet ist die Ableitung und Reinigung des Strassenabwassers auf Kantons- und Gemein-destrassen (dies müsste aus der Strassenrechnung finanziert werden) (M. Maurer, private Kommunika-tion, 26. November 2019). Werden Strassenabwässer im Mischsystem in die ARA eingeleitet, entste-hen Reinigungskosten. Diese werden in gewissen Gemeinden auf die Grundeigentümer (also die Ge-meinden und Kantone) übertragen, so dass diese für ihre Strassenentwässerung aufkommen müssen (St. Hasler, private Kommunikation, 03. März 2020). Häufig werden die Kosten für das Strassenab-wasser aber auf die Grundgebühr der angeschlossenen Haushalte verteilt – Haushalte subventionieren in diesem Fall also Strassennutzer und -nutzerinnen. Wird das Strassenabwasser hingegen ohne Reini-gung in Oberflächengewässer eingeleitet, entstehen externe Kosten, welche von der Umwelt und der Allgemeinheit getragen werden müssen. Beides vergünstigt den Verkehr.

10.8 Mögliche Lösungsansätze

Das Strassen- und Schienenabwasser sollte nicht ungefiltert in Gewässer eingeleitet werden. Es sind genügend Mittel zur Verfügung zu stellen, um das Strassen- und Schienennetz mit Filter- und Reini-gungsanlagen auszurüsten, oder die Verkehrswege sind so anzulegen, dass das Wasser in Strassen- o-der Trasseenähe versickern kann, bevor es ins Gewässer gelangt. Dazu sind 2-3m breite Strassenrän-der nötig. Zu beachten ist dabei, dass StrassenränStrassenrän-der nicht eine Doppelfunktion von Abwasserfilter und Schaffung von Ersatzlebensräumen einnehmen sollten. Daher dürften Ersatzlebensräume nur auf Strassenabschnitten ausgewiesen werden, die über eine Reinigungsanlage verfügen.

190 Ein Beispiel zur Einordnung der Kostenhöhe: Die Erstellung der SABA Pfaffensteig kostete CHF 3.5 Mio.

(ASTRA, 2010).

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Tabelle 17: Übersicht Subventionen in der Abwasserentsorgung mit (potentiell) negativer Wirkung auf Biodiversität.

Subventionsbezeichnung Subventionsart hrliche Subvention [Mio. CHF/Jahr] Bewertung der negativen Wirkung der Subvention auf Biodiversität Biodiversitätsschädigender Anteil der Subvention Schwierigkeit bei Umleitung / Umgestal- tung der Subvention Quellen

Fehlendes Kommu-nikation mit M. Maurer, 26.

November 2019

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11 Hochwasserschutz

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Der Schutz der Bevölkerung vor Naturgefahren, die Pflege von Kulturlandschaft und der haushälteri-sche Umgang mit Boden sind Staatsaufgaben (Bundesverfassung Art. 57, Art. 75, Art. 105). Vor al-lem im 19. und Anfang 20. Jahrhundert trieben Bund und Kantone die Urbarmachung und Besiedlung von wenig produktiven Flächen voran, was den Gewässerraum massiv verkleinerte und die Gewässer-biodiversität stark beeinträchtigt (hat). Heute noch erfolgen Eingriffe in Gewässerräume, weshalb die entsprechenden Prozesse und Subventionen192 hier betrachtet werden sollen. Zu betonen ist, dass dem Gewässerraum heute mehr Fläche eingeräumt wird, wobei jedoch einer (Wieder-)Ausdehnung des Gewässerraumes starke Interessen (Nahrungsmittelproduktion und teilweise Bevölkerungsschutz) im Wege stehen.

11.1 Wirkung auf Biodiversität

Der Hochwasserschutz und die Gewinnung von Kulturland und Siedlungsfläche haben den Gewässer-raum193 in den letzten 150 Jahren massiv reduziert und beeinträchtigt. Das Gewässersystem wurde verkürzt, eingeengt, kanalisiert, eingedolt oder trockengelegt und die Sedimentdynamik stark beein-trächtigt (Lachat et al., 2010). Bachsperren am Oberlauf oder Geschiebeauffangbecken verhindern den Eintrag von Geschiebe. Dadurch kommt es zu einem Geschiebedefizit im Unterlauf, was zum Eintiefen der Sohle führt. Dieser Effekt wird durch Kiesentnahmen verstärkt (Di Giulio et al., 2017).

Uferverbauungen und Gerinneverkleinerungen erhöhen den Abfluss und somit die Transportfähigkeit.

Das resultierende erhöhte Erosionspotential sowie künstliche Sohleabsenkungen verringern die Grundwasserspiegel in Auen und verunmöglichen die Vernetzung mit Seitengewässern (Weber et al., 2017). Um der Eintiefung der Sohle entgegenzuwirken, wurden Sohleschwellen und Querverbauun-gen installiert, welche aquatischen Lebensräume fragmentieren (Weibel, 2012). Diese und andere Barrieren haben die Fliessgewässer in einzelne Segmente aufgeteilt. Ökologische Interaktionen mit angrenzenden terrestrischen Lebensräumen im Gewässerraum sind durch Hochwasserschutzbauten weitgehend unterbunden. Im Mittelland sind zudem rund 17 % der Fliessgewässer eingedolt, beson-ders in Gebieten mit intensiver landwirtschaftlicher Nutzung (Lachat et al., 2010; BAFU, 2017f).

Durch die Gewinnung von Kulturland gingen in den letzten zwei Jahrhunderten rund 71 % aller Auen verloren (Fischer et al., 2015). Dieser Verlust ist besonders bemerkenswert, da 84 % aller einheimi-scher Arten in Auen vorkommen können (Fieinheimi-scher et al., 2015). Eine Hartholzaue, der äusserste ter-restrische Lebensraum im Gewässerraum, benötigt ein Gebiet von mindestens 10 ha, das bei extremen Hochwassern überschwemmt wird (Scheidegger et al., 2012). Ansonsten verkommen ehemalige Hart-holzauen zu Mittellandwäldern.

191 Die identifizierten Subventionen in diesem Sektor werden ab Kap. 11.2 beschrieben und sind tabellarisch in Tabelle 19 aufgelistet.

192 Zahlungen an die Kantone für den Hochwasserschutz gelten als Subventionen und werden in der Subventi-onsdatenbank des Bundes geführt.

193 Gewässerraum umfasst die natürliche Gerinnesohle, die Uferbereiche und angrenzende Bereiche, welche in direkter Beziehung zum Gewässer stehen.

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Die Pegelregulierungen der grossen Seen in der Schweiz verhindern natürliche Seespiegelschwankun-gen, Uferlebensräume wurden damit zerstört (Lachat et al., 2010).194 Uferaufschüttungen zur Gewin-nung von Bauland für Strassen, Schienen, Wohn- oder Industriebauten haben viele Flachufer zerstört.

Die Ufer der meisten Seen sind zu über 50 % verbaut und die natürlichen Lebensräume somit verloren (Fischer et al., 2015). Durch die Gewässerverbauungen wurde der Lebensraum Gewässer insgesamt monotoner und strukturärmer. Dadurch nahm die Artenvielfalt der Fische und des Benthos in Schwei-zer Gewässern deutlich ab (Lachat et al., 2010; BAFU, 2017f).