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Energiekonsum durch Industrie 145

TEIL C: Biodiversitätsschädigende Subventionen je Sektor

7 Energiekonsum durch Industrie 145

Von Subventionen im Bereich des Energiekonsums profitieren hauptsächlich energieintensive Bran-chen. Dabei handelt es sich um Unternehmen der Zementindustrie, der Bau- und Baustoffindustrie, der Metallindustrie sowie der Abfallverbrennung und – im Falle der Rückerstattung des Netzzuschlags – auch um Bergbahnen und Abwasserverbände. Die Produktionsprozesse dieser Branchen, aber auch der Konsum der produzierten Güter, können negative Wirkung auf Biodiversität haben. So verbilligen sol-che Subventionen die Produktion von Baumaterialien wie Zement und Beton und somit das Bauen.

Beides, die Produktion von Baumaterialien wie auch der Flächenverbrauch, ist biodiversitätsrelevant.

7.1 Wirkung auf Biodiversität

Die Subventionierung des Energieverbrauchs der Industrie verbilligt die produzierten Konsum- und Produktionsgüter. Dadurch erhöht sich die Energienachfrage und somit auch die Energieproduktion.

Dadurch wirkt sich die Subventionierung des Energieverbrauchs doppelt nachteilig auf Biodiversität aus: zum einen bei der Energieproduktion (z.B. durch Flächenverbrauch für Anlagen und Infrastruk-tur, Abbau der Energieträger, Auswirkungen auf den Gewässerraum), zum anderen durch Abfall bei der Produktion bzw. am Ende des Produktlebenszyklus (z.B. durch Treibhausgase, sonstige Emissio-nen, Abwärme oder Abfall). Treibhausgasemissionen beeinträchtigen Biodiversität über die Klimawir-kung. Abwärme kann die Gewässertemperatur erhöhen, wenn sie ins Gewässernetz eingeleitet wird.

Abfall belastet Deponieraum und andere Umweltmedien.

Es ist festzuhalten, dass je nach Energieträger (fossil, nuklear, erneuerbar) die durchwegs biodiversi-tätsschädigende Auswirkung subventionierter Energie zugunsten der Industrie sehr unterschiedlich ist.

Da nicht bekannt ist, welche Energiequellen die energieintensiven Unternehmen nutzen, ist auch nicht identifizierbar, welche Art der Energieproduktion durch Subventionen indirekt gefördert wird und da-mit welche Wirkung einzelnen Unternehmen oder Branchen zugeordnet werden kann. Wie sich die Energieproduktion auf Biodiversität auswirkt und welche Subventionen relevant sind, wird im Kapitel 6 beschrieben.

7.2 Subventionierung des Energiekonsums der Industrie

7.2.1 Emissionshandelssystem (EHS)

Kompensationspflicht energieintensiver Unternehmen

Fünfzig emissionsintensive Schweizer Unternehmen, die eine Tätigkeit nach CO2-Verordnung Anhang 6 ausüben, sind in das Emissionshandelssystem (EHS) eingebunden (CO2-Verordnung, Art. 40, Art.

41 Abs. 3, Art. 142 Abs. 1) und müssen ihre nicht vermeidbaren Treibhausgasemissionen kompensie-ren. Dafür wurden sie von der CO2-Abgabe befreit (BAFU, 2018f). Der Preis einer Tonne CO2 im ob-ligatorischen EHS liegt durchschnittlich bei CHF 8.55 (Mittelwert der Periode 2015-2018). Dieser Wert ist sehr gering im Vergleich zum CO2-Tonnenpreis von CHF 96, den CO2-abgabepflichtige Un-ternehmen zahlen. Diese Preisdifferenz kann als eine Subvention derjenigen UnUn-ternehmen betrachtet werden, die in das EHS eingebunden sind (BAFU, 2019h).146 Bei einer Emission 2018 von 4.57 Mio. t

145 Die identifizierten Subventionen in diesem Sektor werden ab Kap. 7.2 beschrieben und sind tabellarisch in Tabelle 11 aufgelistet.

146Der niedrige Preis im EHS resultiert aus der zu hohen Obergrenze (cap) bzw. den kostenlosen Zuteilungen von Emissi-onsberechtigungen.

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CO2eq (BAFU, 2019e) liegt die Subvention bei CHF 399.7 Mio. (unter Berücksichtigung der kosten-losen Zuteilungen von Emissionsrechten liegt diese Subvention noch höher, siehe nächstes Kapitel).

Am 1. Januar 2020 wurde das schweizerische Emissionshandelssystem mit dem europäischen System verknüpft (Schweizerischer Bundesrat, 2019d). Neu wurden auch die Luftfahrt und fossil-thermische Kraftwerke in das EHS einbezogen (siehe Kap. 3.4.2.3). Durch den grösseren Markt sind tiefere CO2 -Preise zu erwarten, was die Subventionierung erhöht (BAFU, 2019d).

Kostenlose Zuteilung von Emissionsberechtigungen

Emissionsberechtigungen sind bis zu einer Obergrenze (cap) verfügbar und können gehandelt werden.

So bildet sich ein Marktpreis, der (bisher) stark schwankt. Die Emissionsberechtigungen werden durch den Bund jährlich kostenlos an die Unternehmen abgegeben, die am Emissionshandelssystems betei-ligt sind, und auch bei stark sinkenden Preisen nicht wieder zurückgezogen. Durch die kostenlose Zu-teilung der Emissionsberechtigungen verzichtet der Bund auf entsprechende Einnahmen (BAFU, 2020b).

Im Zeitraum 2013-2018 wurden den am EHS beteiligten Unternehmen 29.5 Mio. Emissionsrechte kostenlos zugeteilt (bei einer gesamten Emissionsmenge von 29.7 Mio. t CO2eq). Ausgehend von ei-nem durchschnittlichen Preis von CHF 8.55 pro Tonne CO2 hätte der Bund in der Periode 2013-2018 Einnahmen von CHF 252 Mio. generieren können, wenn er sämtliche Emissionsrechte versteigert hätte, statt sie kostenlos zu verteilen. Somit ergibt sich eine jährliche Subvention der energieintensiven Unternehmen von CHF 36 Mio. (BAFU, 2019e).

7.2.2 Rückerstattung des Netzzuschlags für energieintensive Unternehmen

139 energieintensive Unternehmen können gemäss Energiegesetz (EnG) Art. 39 Abs. 2 eine Rücker-stattung des Netzzuschlags (2.3 Rp./kWh) beantragen (BFE, 2019g). Dazu sind Massnahmen zur Energieeffizienzsteigerung vorzuweisen. Im Jahr 2018 wurden insgesamt CHF 60.8 Mio. rückerstattet (BFE, 2018a).

7.2.3 Strommarktliberalisierung für Grosskunden

Grosskunden147 profitieren seit 2009 von einem liberalisierten Strommarkt (Stromversorgungsgesetz StromVG). Sie können den Stromlieferanten innerhalb dieses liberalisierten Strommarktes frei wählen und dadurch kostengünstigen Strom beziehen. Dazu gehören auch die Energieversorgungsunterneh-men. Diese können günstigen Strom im europäischen Grosshandel einkaufen und ihn an gebundene Endkunden zu einem meist deutlich höheren Preis weiterverkaufen.148

Die Teilliberalisierung des Strommarktes kommt somit einer relativen Subventionierung von 1. Ener-gieversorgungsunternehmen mit gebundener Kundschaft und begrenzter eigenen Stromproduktion in der Schweiz gleich sowie von 2. Grosskunden, die – verglichen mit KMU und Haushalten – einen niedrigeren Strompreis bezahlen. Die Höhe dieser Subvention schwankt je nach Zusammensetzung des Strommixes und des entsprechenden Strompreises und kann kaum ermittelt werden.

7.2.4 CO2-Abgabebefreiung ohne EHS

Unternehmen können sich von der CO2-Abgabe befreien lassen, ohne in das EHS aufgenommen zu werden, wenn sie vorweislich eine massgebliche Treibhausgasreduktion erreicht haben und weitere Massnahmen planen. Dies ist ein positiver Anreiz für die Reduktion von Treibhausgasemissionen

147 32'500 Unternehmen oder 0.8 % aller Endkunden (BFE, 2018d)

148 www.nzz.ch/meinung/die-liberalisierung-des-strommarkts-ist-zahnlos-ld.1433157 abgerufen am 30. März 2020.

111 (BAFU, 2019i). Es ist indes zu diskutieren, ob nicht eine ausreichend hohe CO2-Abgabe ein sinnvolle-rer Anreiz zur Reduktion von Emissionen wäre. Von der Abgabebefreiung profitierten 2017 823 Un-ternehmen mit einer Gesamtemission von 1.5 Mio. t CO2 pro Jahr, was bei einem CO2-Preis von CHF 96 pro Tonne CO2 eine Subventionierung von rund CHF 145 Mio. ausmacht (BAFU, 2018g). Zweifel-los würden bei einem CO2-Preis in dieser Höhe spürbare Reduktionen stattfinden, so dass die Subven-tionssumme nach kurzer Zeit geringer ausfallen dürfte.

7.2.5 Mögliche Lösungsansätze

Von einer Vergünstigung des Energieverbrauchs ist im Allgemeinen abzusehen, weil mit der Energie-produktion externe Kosten – auch zulasten Biodiversität – einhergehen und diese bei einer Vergünsti-gung steigen. Die CO2-Abgabe sollte für alle Industriezweige ungeachtet des Energieverbrauchs gel-ten, solange der CO2-Tonnenpreis im europäischen EHS niedriger ist als die Schweizer CO2-Abgabe.

Die hohe Abgabe ist ein wirksamer Anreiz zur Reduktion von Emissionen. Die Ungleichbehandlung von Grossverbrauchern und KMU/Haushalten bzgl. der freien Wahl ihres Stromanbieters sollte aufge-hoben werden.

Eine Eliminierung der Subventionen könnte die internationale Wettbewerbsfähigkeit energieintensiver Industrien beeinträchtigen. In Einzelfällen könnte dies eine Abwanderung dieser Industriezweige ins Ausland bewirken. Eine dortige Produktion wäre möglicherweise nicht weniger energieintensiv, die Nutzung der Energiequellen möglicherweise biodiversitätsschädigender als im Inland. Dieses Argu-ment greift indes insofern zu kurz, als dass sich auch Nachbarländer zur Abschaffung biodiversitäts-schädigender Subventionen verpflichtet haben und die dortigen Energiesubventionen ebenfalls zur Diskussion stehen (Umweltbundesamt, 2016). Weiter könnte die importierte graue Energie einer CO2 -Abgabe unterstellt und die Energieabgabe auf Exporte erstattet werden, so dass die Spiesse in- und ausländischer Firmen gleich lang wären. Inwieweit eine Eliminierung der Subvention des industriellen Energiekonsums die Energieproduktion beeinflusst, ist schwer abzuschätzen.

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Tabelle 11: Übersicht Subventionen in der Energiekonsum mit (potentiell) negativer Wirkung auf Biodiversität.

Subventionsbezeichnung Subventionsart hrliche Subvention [Mio. CHF/Jahr] Bewertung der negativen Wirkung der Subvention auf Biodiversität Biodiversitätsschädigender Anteil der Subvention Schwierigkeit bei Umleitung / Umgestal- tung der Subvention Quellen

CO2-Abgabebefreiung 399.7 BAFU 2018f, 2019e

Kostenlose Zuteilung

Emissi-onsrechte 37.6 BAFU 2018f, 2019e

Rückerstattung Netzzuschlag 6.8 BFE 2018f, 2019g

Strommarktliberalisierung für

Grosskunden k.A. StromVG

CO2-Abgabebefreiung ohne

Einbindung in das EHS 145 k.A. k.A. BAFU 2019i, BAFU

2018g

Subventionsart

On-Budget Subvention Off-Budget Subvention Implizite Subvention Finanzieller Fehlanreiz

Grad der schädigenden Wirkung einer Subvention

nicht eindeutig gering mittel stark

Biodiversitätsschädigender Anteil einer Subvention

vollständig partiell je nach Umsetzung innerökologischer Zielkonflikt

Schwierigkeitsgrad, eine Subvention umzugestalten

gering mittel hoch abschaffen

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