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Hyperextension der Fesselgelenke bei Deutschen Holsteinrindern und bei Deutschen Holstein-Limousin-Kreuzungskälbern

5. Hyperextension der Fesselgelenke bei Deutschen Holsteinrindern und bei Deutschen Holstein-Limousin-Kreuzungskälbern

BÄHR, C.1, BAUM, B.2, HEWICKER-TRAUTWEIN, M.2, SCHOLZ, H.3, DISTL, O.1

1Institut für Tierzucht und Vererbungsforschung, Tierärztliche Hochschule Hannover,

2Institut für Pathologie Tierärztliche Hochschule Hannover,

3Klinik für Rinder, Tierärztliche Hochschule Hannover

BÄHR, C., BAUM, B., HEWICKER-TRAUTWEIN, M., SCHOLZ, H., DISTL, O. (2003):

Hyperextension der Fesselgelenke bei Deutschen Holsteinrindern und bei Deutschen Holstein-Limousin-Kreuzungskälbern.

Dtsch. tierärztl. Wschr.

Zusammenfassung

In zwei verschiedenen Milchviehbetrieben wurden in den Jahren 2000 bis 2002 sechs Kälber mit beidseitiger Durchtrittigkeit der Fesselgelenke in variabler Ausprägung an beiden Vorder- und Hintergliedmaßen geboren. Vier von den betroffenen Kälbern auf dem ersten Betrieb waren Kreuzungskälber von Deutschen Holsteinkühen, Farbrichtung rotbunt, und einem Limousinbullen, während zwei der betroffenen Tiere auf dem zweiten Betrieb der Rasse Deutsche Holstein, Farbrichtung schwarzbunt, angehörten. Bei vier betroffenen Kälbern verliefen die BVDV-Untersuchungen negativ. Bei drei Kälbern waren die Selen-Werte im Blut geringgradig erniedrigt und die Glutamat-Dehydrogenase-Werte leicht erhöht. In der histologischen Untersuchung wiesen die zwei betroffenen Kreuzungstiere von dem ersten Betrieb eine Degeneration von Hepatozyten mit fortschreitender periportaler Fibrose auf. Die Leberdegeneration führte zum Tod der betroffenen Kreuzungskälber. Ein Kreuzungskalb zeigte zusätzlich ein Astrozytenödem im zentralen Nervensystem. Auf dem ersten Betrieb stammten alle betroffenen Kälber von einem Bullen ab und zugleich waren alle Mütter miteinander verwandt. Im

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zweiten Betrieb konnte für die betroffenen Rinder ein gemeinsamer männlicher Vorfahre ermittelt werden. Die Pedigrees der betroffenen Tiere lassen einen monogenen oder oligogenen autosomal rezessiven Erbgang mit variabler Expressivität vermuten. Allerdings konnte nicht geklärt werden, ob die beobachteten kongenitalen Anomalien der Kälber aus den zwei Betrieben durch verschiedene Genorte bedingt werden und damit unterschiedliche genetische Defekte darstellen.

Für umweltbedingte Ursachen ließen sich keine Hinweise finden.

Schlüsselwörter: Kalb, angeborene Gliedmaßenanomalien, Durchtrittigkeit, Deutsche Holstein, Kreuzungstiere, Vererbung.

BÄHR, C., BAUM, B., HEWICKER-TRAUTWEIN, M., SCHOLZ, H., DISTL, O. (2003):

Hyperextension of fetlock joints in German Holstein cattle and German Holstein-Limousin Crossbred calves.

Dtsch. tierärztl. Wschr.

Summary

In two different dairy farms six calves exhibiting bilateral flexion of the fetlock joints in front or rear legs were born in 2000 to 2002. Four of the affected calves from the same farm were crossbred between German Holstein cows with red and white coat colour and a bull of the breed Limousin. The other two affected calves born on another farm were purebred German Holsteins with a black and white coat colour.

For all affected calves analyses of BVD virus were negative. Three of the calves showed a lower selen concentration and a higher glutamate dehydrogenase concentration in the analyses of blood metabolites. Two crossbred calves showed a degeneration of the liver with a progressive periportal fibrosis in a histological examination. In one calf an edema of astrocytes of the central nervous system was

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autosomal recessive locus or more recessive gene loci with variable expressivity.

However, the analysis could not clarify whether different gene loci are responsible for the congenital anomalies observed in the calves from the two farms and thus, the observed anomalies may be different genetic entities. Obvious environmental reasons were not found.

Key words: Calf, congenital anomalies of the limbs, flexion of fetlocks, German Holstein, crossbred animals, inheritance.

Die Durchtrittigkeit beim Kalb ist charakterisiert durch Hyperextension des Fesselgelenks. Während beim Rind die Bärentatzigkeit als schwerste Form der Durchtrittigkeit definiert wird (DIRKSEN 1994), wobei Fessel- und Kronbeinachse bei steiler Stellung des Klauenbeins fast waagerecht verlaufen, unterscheidet man beim Fohlen die sogenannte Hyperextension der Beugesehnen von der bärenfüßigen Stellung (DIETZ u. HUSKAMP 1999). Bei der Hyperextension der Beugesehnen besteht eine starke Winkelung des Fesselgelenks. Der Huf wird entweder auf den Trachtenwänden oder den Ballen belastet oder der Fesselkopf berührt sogar den Boden, wobei die Hufsohle von vorn sichtbar wird. Bei der bärenfüßigen Stellung behält die Hufsohle bei steiler Stellung des Hufbeins den Kontakt zum Boden.

Beim Kalb wird eine beidseitige Sehnenschwäche als Ursache von Durchtrittigkeit angesehen (ANDERSON 1996). Sie wird vermehrt bei Kälbern gesehen, die vor dem eigentlichen Geburtszeitpunkt oder zum normalen Geburtstermin mit einem zu geringen Geburtsgewicht und Anzeichen einer Prämaturität geboren wurden. Bei der beidseitigen Hyperextension der Fesselgelenke erwachsener Rinder wird ein Mineralstoffmangel als Ursache diskutiert (DIRKSEN 1994). Insbesondere einseitige Durchtrittigkeit kann auch nach Ruptur der Beugesehnen auftreten (STANEK 2002).

Auch beim Pferd wird eine Beugesehnenschwäche als Ursache für die beidseitige Durchtrittigkeit angegeben (HERTSCH 1980, STASHAK 1989). In den meisten Fällen bessert sich die Beugesehnenschwäche in den ersten Tagen nach der Geburt und ist nach etwa einer Woche verheilt. Persistierende Beugesehnenschwächen

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können bei prämaturen oder systemisch erkrankten Fohlen auftreten (KNOTTENBELT u. PASCOE 2000). STASHAK (1989) unterscheidet noch die hochgradige Hyperextension von der Beugesehnenschwäche. Bei dieser hochgradigen Form von Hyperextension weisen die Musculi flexores digitales keine Veränderungen auf. Ihre Ätiologie ist allerdings unbekannt. BÖHM (1954) vertritt die Theorie, dass der Sehnenstelzfuß der Vordergliedmaßen und die Hyperextension der Fesselgelenke der Hintergliedmaßen die gleichen Ursachen haben. Durch die extensive Beugung des Sprunggelenks des Fohlens im Uterus werden die Beugesehnen in einen extrem passiven Beugezustand gebracht. Nach der Geburt müssen die Fohlen die noch nicht im Spannungsgleichgewicht befindlichen Sehnen in ein „dynamisches Gleichgewicht“ bringen. Die Beugesehnenschwäche ist vermehrt unter den schweren Pferderassen wie Shire Horse, Percheron, Suffolk, Punch und Clydesdale verbreitet. Bei diesen Rassen sind in der Regel die Hintergliedmaßen stärker betroffen als die Vordergliedmaßen. Bei schwererem Verlauf der Erkrankung können die Fohlen begleitend Anzeichen einer Muskelschwäche oder systemischen Erkrankung aufweisen. Radiologisch fällt die häufig unzureichende Ossifikation des Skeletts auf (KNOTTENBELT u. PASCOE 2000). Untersuchungen zur Erblichkeit dieses Defektes liegen nicht vor.

Da in zwei Milchviehbetrieben insgesamt 6 Kälber mit ausgeprägter Hyperextension der Fesselgelenke auffielen, sollten diese Fälle klinisch, pathologisch-anatomisch und –histologisch untersucht werden. Über die Analyse der Pedigrees sollte eine mögliche erbliche Ursache geklärt werden.

Material und Methoden

Bei 4 Kälbern (Kalb A1-A4), die aus Kreuzungen zwischen Deutschen Holstein Kühen, Farbrichtung rotbunt, und einem Limousinbullen in einem Milchviehbetrieb

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Rinder der Tierärztlichen Hochschule Hannover klinisch untersucht. Bei einem Tier wurden Röntgenaufnahmen der Gliedmaßen angefertigt. Von der rechten Vordergliedmaße bzw. Hintergliedmaße wurden jeweils von der Zehe im lateromedialen und dorsopalmaren bzw. –plantaren Strahlengang und vom Karpal- bzw. Tarsalgelenk im lateromedialen Strahlengang Röntgenaufnahmen angefertigt.

Von beiden betroffenen Kälbern aus Betrieb A wurden EDTA- und Serumblutproben gewonnen. Im Labor der Klinik für Rinder der Tierärztlichen Hochschule Hannover wurden Metaboliten und Enzyme von Leber und Nieren sowie Mineralstoff- und Elektrolytkonzentrationen gemessen sowie ein Blutbild angefertigt (Tab. 1). Im Institut für Virologie der Tierärztlichen Hochschule Hannover wurden EDTA-Blutproben von zwei Kälbern (Kalb A3 und A4) mittels ELISA-Test auf BVDV-Antigen und EDTA-Blutproben der Mütter der vier betroffenen Tiere, vier weiterer Tiere in einem Alter zwischen 2,5 und vier Jahren und fünf gleichaltriger, unauffälliger Kälber aus demselben Betrieb mittels ELISA-Test auf BVDV-Antigen und –Antikörper untersucht.

Zwei betroffene Tiere (Kalb A3 und A4) wurden im Institut für Pathologie der Tierärztlichen Hochschule Hannover pathologisch-anatomisch bzw. –histologisch untersucht.

Die zwei weiteren betroffenen Rinder (B1 und B2) wurden vor Ort auf dem Milchviehbetrieb (Betrieb B) klinisch untersucht (Abb. 3). Auch von diesen Tieren wurden EDTA-Blutproben entnommen und in gleicher Weise wie für die Tiere aus Betrieb A untersucht.

Die Verwandtschafts- und Inzuchtkoeffizienten innerhalb der Familien wurden mit dem Programm Optimate 3.8 (WREDE u. SCHMIDT 2003) berechnet.

Ergebnisse Anamnese

Betrieb A: Die 4 Kälber (3 männliche, 1 weibliches) mit einer starken Durchtrittigkeit der Fesselgelenke der Vorder- und/oder der Hintergliedmaßen stammten aus einem Milchviehbetrieb mit ca. 90 Kühen. Zum Zeitpunkt der Geburt bestand nur eine

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beidseitige geringgradige Durchtrittigkeit an Vorder- und Hintergliedmaßen bei allen Tieren. Mit zunehmendem Alter nahm der Grad der Durchtrittigkeit zu. Alle Kälber nahmen in den ersten Lebenstagen eine leichte „Sterngucker“-Haltung ein, indem sie den Kopf in den Nacken überstreckten. Das erste Kalb verstarb unerwartet ohne erkennbaren Grund etwa 3 Wochen nach der Geburt. Das zweite Kalb verstarb ebenso unerwartet in einem Alter von etwa 4 ½ Monaten. Die zwei noch lebenden Kälber (Kalb A3 und A4) wurden im Alter von 5 bzw. 2 Monaten in die Klinik für Rinder der Tierärztlichen Hochschule Hannover eingeliefert. Alle betroffenen vier Kälber stammten von einem Bullen ab. Die Mütter waren jeweils Erstkalbinnen und zeigten keine Anomalien an den Gliedmaßen.

Betrieb B: Aus diesem Milchviehbetrieb mit ca. 35 Kühen der Rasse Deutsche Holstein der Farbrichtung schwarzbunt stammten 2 weibliche Tiere, die im Laufe des ersten Lebensjahres eine beidseitige Durchtrittigkeit der Fesselgelenke der Hintergliedmaßen entwickelten. Das erste Tier (Rind B1) wurde als drittes Kalb, das zweite Tier (Rind B2) als zweites Kalb von jeweils phänotypisch unauffälligen Kühen geboren. Die Tiere stammten von verschiedenen Bullen ab. Die mütterlichen Halbgeschwister von beiden betroffenen Tieren hatten keine Gliedmaßenanomalien.

Auf beiden Betrieben wurden derartige Gliedmaßenanomalien bisher noch nicht beobachtet.

Klinische Untersuchung

Kalb 3 aus Betrieb A: Der Ernährungszustand des Kalbes war schlecht. Das Haarkleid war struppig. Die Vordergliedmaßen fußten auf den Afterklauen und wiesen somit eine starke Hyperextension der Fessel- und Karpalgelenke auf. Die Tarsalgelenke wurden stark angebeugt gehalten. Die Fesselgelenke der Hintergliedmaßen waren nahezu normal gewinkelt. An weiteren Gelenken waren keine Auffälligkeiten zu beobachten. Eine Überdehnbarkeit der Haut war nicht

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Auf den Röntgenaufnahmen der rechten Vorder- und der rechten Hintergliedmaße stellten sich mittelgradig vergrößerte Gelenkspalten in den Karpal- und den Fesselgelenken sowie mittelgradig vergrößerte Epiphysenfugen dar.

Das Blutbild wies einen geringgradig erhöhten Wert für die Leukozyten, die Lymphozyten, die Erythrozyten und den Hämatokrit auf. Die blutchemische Untersuchung zeigte geringgradig erhöhte Werte von Gesamtbilirubin (GB), Aspartat-Amino-Transferase (AST), Gamma-Glutamyl-Transferase (GGT) und Glutamat-Dehydrogenase (GLDH). Bei den Elektrolyten fielen ein geringgradig erhöhter Kalium Wert sowie ein geringgradig erniedrigter Selen Wert auf. Die Untersuchung auf BVDV-Antigen war negativ.

Kalb 4 aus Betrieb A: Der Ernährungszustand des Kalbes war mäßig. Das Haarkleid wies haarlose Stellen an Ohren, Nasenrücken und Tarsalgelenken auf. Das Tier stand auf allen vier Gliedmaßen geringgradig durchtrittig mit leicht aufgekrümmten Rücken, wobei bei diesem Kalb die Fesselgelenke der Hintergliedmaßen von der Hyperextension stärker betroffen waren als die Vordergliedmaßen. Alle anderen Gelenke erschienen ohne besondere Abweichungen. Das Sehvermögen war bei diesem Kalb erhalten. Nach wenigen Tagen verendete dieses Kalb unerwartet.

Das Blutbild wies einen geringgradig erniedrigten Wert der Leukozyten, der segmentkernigen neutrophilen Granulozyten, des Hämatokrits und des Gesamteiweißes sowie einen geringgradig erhöhten Wert der Lymphozyten auf. Die blutchemische Untersuchung ergab einen geringgradig erhöhten Wert der Glutamat-Dehydrogenase (GLDH) und geringgradig erniedrigte Cholesterin- und Selen-Werte.

Der Kalium-Wert war geringgradig erhöht. Die Untersuchung auf BVDV-Antigen war negativ.

Die Untersuchungsergebnisse der Blutproben der Mütter aus Betrieb A auf BVDV-Antigen und –Antikörper fielen negativ aus. Die Untersuchung von Blutproben auf BVDV-Antigen und –Antikörper von vier Kühen desselben Betriebs in einem Alter von ca. zwei bis vier Jahren ergab ein positives Antikörper-Ergebnis bei einem ca.

2,5 Jahre alten Tier. Die stichprobenhafte Untersuchung von 5 gleichaltrigen,

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unauffälligen Kälbern aus Betrieb 1 verlief negativ für das BVDV-Antigen, aber positiv bei allen Kälbern für die BVDV-Antikörper.

Rind 1 aus Betrieb B: Der Ernährungszustand dieses Rindes war gut, der Pflegezustand der Klauen jedoch mäßig. Nur die Hintergliedmaßen wiesen eine starke Hyperextension der Fesselgelenke auf, so dass das Tier auf den Afterklauen fusste. An den anderen Gelenken waren keine Veränderungen feststellbar. Die Blutuntersuchungen zeigten einen geringgradig erhöhten Glutamat-Dehydrogenase (GLDH)-Wert und einen geringgradig erniedrigten Selen-Wert. Die Untersuchung auf BVDV-Antigen und –Antikörper verlief negativ.

Rind 2 aus Betrieb B: Der Ernährungszustand dieses Tieres war ebenfalls gut, der Pflegezustand der Klauen mäßig. Dieses Tier wies eine mittelgradige Hyperextension der Fesselgelenke der Hintergliedmaßen auf. An den anderen Gelenken waren keine klinisch erkennbaren Veränderungen feststellbar.

Die Blutuntersuchungen zeigten keine Abweichungen von der Norm. Die Untersuchung auf BVDV-Antigen und –Antikörper verlief negativ.

Pathologisch-anatomische Untersuchung

Kalb 3 aus Betrieb A: Das 5 Monate alte, männliche Kalb wog 41 kg und war kachektisch mit seröser Atrophie von Nieren- und Herzkranzfett. Die Gelenke waren ohne besonderen Befund. Die Beuge- und Strecksehnen der Gliedmaßen waren ohne besonderen Befund. Das Herz wies eine Pfahlform sowie einen patenten Ductus botalli auf. Die Interstitien der Leber traten deutlich hervor. Die Augen wiesen eine beidseitige Katarakt auf.

Kalb 4 aus Betrieb A: Das 2 Monate alte, weibliche Kalb hatte ein Gewicht von 38 kg.

Die Gliedmaßen wiesen am aktiven und passiven Bewegungsapparat keine

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hyperplastisch. Die Milz zeigte eine mittelgradige pulpöse Hyperplasie. Der Labmagen war dilatiert und nach links verlagert und wies eine teils flächenhafte erosiv-ulzerative Abomasitis auf. Die Dünndarmschleimhaut war gesamthaft gerötet.

Im Dünndarm befand sich verflüssigte Ingesta.

Pathologisch-histologische Untersuchung

Kalb 3 aus Betrieb A: Die Muskelfasern der langen Zehenbeuger wiesen hochgradige Kalibervariationen und eine mittelgradige Proliferation des endomysialen Bindegewebes auf. Exemplarisch wurden einzelne Sehnenabschnitte histologisch in der Übersichtsfärbung Hämatoxylin-Eosin sowie in der Spezialfärbung Elastica-van Gieson untersucht. Dabei wurden keine Auffälligkeiten, insbesondere nicht in der Strukturierung der Kollagenfasern, gefunden. Eine elektronenmikroskopische Untersuchung, die Aufschluss über Veränderungen in den Kollagenfibrillen, beispielsweise als Folge eines Ehlers-Danlos-Syndrom, hätte geben können, wurde nicht durchgeführt. Das Herz zeigte ein hochgradig kontrahiertes zellkernreiches Myokard. Die Leber wies eine hochgradige periportale Fibrose und Gallengangsproliferation mit hochgradigem Verlust von Leberparenchym auf. Multifokal lagen Degenerationen und Nekrosen von einzelnen sowie Gruppen von Hepatozyten mit fokalen Blutungen vor. Zahlreiche Hepatozyten zeigten trübe bis hyaline Einschlüsse des Zytoplasmas. Spezialfärbungen zum Nachweis von Stärke, Kohlenhydraten, Kupfer und Eisen waren ohne besonderen Befund. In den Nieren zeigten sich vereinzelte akute Degenerationen von Tubulusepithelien. Im Cerebralkortex, im Hirnstamm und im Rückenmark zeigte sich multifokal ein mittelgradiges Astrozytenödem mit Plasmadiapedese. In den Ventralhörnern des Rückenmarks waren einzelne Gruppen von Axonen nachweisbar.

Kalb 4 aus Betrieb A: Bei der histologischen Untersuchung des M. semitendinosus sinister, des N. ischiadicus sinister, des Ln. ischiadicus sinister und der Beuge- und Strecksehnen waren keinerlei Veränderungen feststellbar. Das Herz wies eine geringgradige multifokale subakute nicht-eitrige Myokarditis auf. Die Lunge zeigte eine hochgradige subakute fibrinopurulente Pleuritis, Kompressionsatelektasen des

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angrenzenden Lungenparenchyms, ein mittelgradiges fibrinreiches interstitielles Ödem mit Thromben in zahlreichen Lymphgefäßen und multifokal geringgradige lymphoplasmazytäre peribronchioläre Manschettenbildung. Die Milz war ohne besonderen Befund. Die Leber wies geringgradige periportale lymphohistiozytäre Infiltrate und periportal multifokal duktuläre Transformation von Hepatozyten auf.

Zahlreiche Hepatozyten enthielten mehrere trübe Einschlüsse mittlerer Größe.

Einzelne hepatozelluläre Degenerationen und Nekrosen waren insbesondere periportal erkennbar. Eine neurohistologische Untersuchung konnte nicht durchgeführt werden.

Analyse der Pedigrees

Betrieb A: Die vier betroffenen Kälber des Betriebes A stammten von vier verschiedenen Kühen der Rasse Deutsche Holsteins, Farbrichtung rotbunt ab. Der Vater war ein Besamungsbulle der Rasse Limousin, der in diesem Betrieb häufiger zur Besamung von Erstkalbinnen eingesetzt wurde. Insgesamt wurden in den Jahren 2000 bis 2002 23 Kälber von diesem Bullen geboren. Auch die Mütter der betroffenen Kälber wiesen verwandtschaftliche Beziehungen auf (Abb. 4). Zwei Mütter haben den gleichen Vater. Die anderen Kühe zeigten teilweise gleiche Vorfahren in der 2., 3. und 4. Generation. Bei dem Bullen sind keine weiteren Defektkälber bekannt. Da deren Mütter Erstkalbinnen waren, hatten sie keine weiteren Nachkommen. Insgesamt waren drei männliche als auch ein weibliches Kalb betroffen.

Der Verwandtschaftsgrad zwischen den Kälbern 1 und 4 betrug 25 %, der zwischen den Kälbern 2 und 4 und den Kälbern 3 und 4 25,2 %, der Verwandtschaftsgrad zwischen den Kälbern 1 und 2 sowie den Kälbern 1 und 3 belief sich auf 26,2 % und

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väterlicher Großvater von Rind 2 und großmütterlicher Großvater für Rind 1. Die Rinder waren nach dem vorliegenden Pedigree nicht ingezüchtet.

Diskussion

Berichte über hochgradige Durchtrittigkeit bei Kälbern sind in der Literatur selten.

Auch die Ursachen sind noch wenig erforscht. Eine übermäßige Beugung der Kniegelenke und in milderer Form nur der Fesselgelenke wurde bei Gir Rindern in Brasilien gesehen (HUSTON et al. 2000). Diese Tiere konnten entweder nicht oder nur mit Mühe stehen. Eine Besserung der Symptome trat nur in Einzelfällen ein. Die Analyse der Pedigrees deutete auf einen monogenen autosomal rezessiven Erbgang hin. Da bei den hier vorgestellten Fällen die Kniegelenke nicht betroffen waren, dürfte es sich um einen anderen genetischen Defekt handeln.

Eine generelle angeborene übermäßige Beweglichkeit der Gelenke, disproportionierter Zwergwuchs und teilweise Gaumenspalten traten bei Fleischrindern unbekannter Rasse in Kanada auf, nachdem die Mütter während der Trächtigkeit in den Wintermonaten nur mit Gras- oder Kleesilage gefüttert wurden.

Eine Ergänzung mit Heu und Gerste beseitigte die Probleme. Eine genetische Disposition der Tiere schien zusätzlich zu bestehen (PROULX u. RIBBLE 1992).

Diese Fütterungs-assoziierte kongenitale und erbliche Anomalie zeigt zwar eine gewisse Ähnlichkeit zu den hier beschriebenen Fällen, unterscheidet sich jedoch in vielen Punkten.

Die wenigen Erkenntnisse beim Rind stimmen nur zu gewissen Teilen mit den Beobachtungen beim Fohlen überein. Im Unterschied zum Fohlen verschlechterte sich die Durchtrittigkeit bei allen vier Kälbern und den beiden Rindern mit zunehmendem Alter anstatt sich zu verbessern. Bei den aktuell beschriebenen Fällen wiesen die Kälber zusätzlich verschiedene andere Erkrankungen auf. Direkte Zusammenhänge zwischen diesen Erkrankungen und der Durchtrittigkeit der Fesseln waren nicht ersichtlich. KNOTTENBELT u. PASCOE (2000) erwähnen Muskelschwäche und systemische Grunderkrankungen, die begleitend bei Fohlen auftreten können. Bei den beiden pathologisch-anatomisch untersuchten Kälbern

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fielen insbesondere degenerative Veränderungen der Leber auf, die bei Kalb A3 wahrscheinlich die Ursache für die Kachexie und den Tod des Tieres darstellten. Bei Kalb A4 waren gleichartige Veränderungen, aber in geringerer Ausprägung vorhanden, was möglicherweise mit dem geringeren Lebensalter zusammenhängt.

Ein ähnliches pathohistologisches Bild ist für verschiedene Speicherkrankheiten, insbesondere bei der Hämochromatose der Salers-Rinder (O’TOOLE et al. 2001) bekannt. Trotz der Anwendung verschiedener Spezialfärbungen zum Nachweis von Eisen, Kupfer, Glykogen oder PAS-positiven Kohlenhydraten gelang es nicht, den Inhalt der hepatozellulären Vakuolen zu spezifizieren. Die bei Kalb A3 gefundene Myelodysplasie weist Parallelen zur kongenitalen Neuromyodysplasie auf, bei der ebenfalls Gliedmaßenfehlstellungen, jedoch infolge von Beugesehnenverkürzungen, mit verschiedenen Rückenmarksmissbildungen vergesellschaftet sind. Jedoch treten bei der Neuromyodysplasia congenita gravierende Veränderungen wie Hydranencephalie, Hydrocephalus oder Spina bifida auf und nicht nur mikroskopisch diagnostizierbare Veränderungen im Rückenmark. Die Kalibervariationen in den Muskelfasern bei Kalb A3 weisen ebenfalls in Richtung einer neurogenen Ursache.

Ein ähnliches pathohistologisches Bild ist für verschiedene Speicherkrankheiten, insbesondere bei der Hämochromatose der Salers-Rinder (O’TOOLE et al. 2001) bekannt. Trotz der Anwendung verschiedener Spezialfärbungen zum Nachweis von Eisen, Kupfer, Glykogen oder PAS-positiven Kohlenhydraten gelang es nicht, den Inhalt der hepatozellulären Vakuolen zu spezifizieren. Die bei Kalb A3 gefundene Myelodysplasie weist Parallelen zur kongenitalen Neuromyodysplasie auf, bei der ebenfalls Gliedmaßenfehlstellungen, jedoch infolge von Beugesehnenverkürzungen, mit verschiedenen Rückenmarksmissbildungen vergesellschaftet sind. Jedoch treten bei der Neuromyodysplasia congenita gravierende Veränderungen wie Hydranencephalie, Hydrocephalus oder Spina bifida auf und nicht nur mikroskopisch diagnostizierbare Veränderungen im Rückenmark. Die Kalibervariationen in den Muskelfasern bei Kalb A3 weisen ebenfalls in Richtung einer neurogenen Ursache.