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Fallbericht - Diphallus bei einem Deutschen Holsteinkalb

Missbildungen im Kopfbereich bei Deutschen Holsteinkälbern

12. Fallbericht - Diphallus bei einem Deutschen Holsteinkalb

BÄHR, C., DISTL, O.

Institut für Tierzucht und Vererbungsforschung der Tierärztlichen Hochschule Hannover

BÄHR, C., DISTL, O. (2003): Fallbericht - Diphallus bei einem Deutschen Holsteinkalb.

Dtsch. tierärztl. Wschr.

Zusammenfassung

Bei einem Kalb der Rasse Deutsche Holsteins trat ein Diphallus auf. Bei der klinischen Untersuchung konnten eine Verdopplung der Glans penis, des Corpus penis und der Urethra, aber keine weiteren Missbildungen festgestellt werden. Eine chromosomale Anomalie könnte als Ursache für diese kongenitale Anomalie in Frage kommen.

Schlüsselwörter: Rind, Deutsche Holsteins, kongenitale Anomalie, Diphallus.

BÄHR, C., DISTL, O. (2003): Case report - Diphallus in a German Holstein calf.

Dtsch. tierärztl. Wschr.

Summary

A diphallus was found in a German Holstein calf. Clinical examination revealed a duplication of glans penis, corpus penis and urethra, but no further anomalies were observed. Possibly, this congenital anomaly is caused by a chromosomal aberation.

Key words: Cattle, Deutsche Holsteins, congenital anomaly, diphallus.

Kongenitale Anomalien des Penis sind in der Regel mit Anomalien der Harnröhre verbunden. Doppelbildungen des Penis können nach dem Grad der Spaltung differenziert werden in: zweigeteilte Glans penis mit einem gemeinsamen Präputium, Spaltung bis in das Corpus penis, gemeinsamer Schaft an der Radix penis oder

12. Diphallus bei einem Deutschen Holsteinkalb

Verdopplung der Harnröhre bis zur Blase (HERZOG 2001). Beim Rind wurde ein Diphallus bisher nur sehr selten beschrieben. ROBERTS (1986) berichtete von einem Diphallus bei einem Bullen. Die Urethra war nur in einem Teil der Glans penis vorhanden. LEIPOLD und DENNIS (1986) erwähnten den Diphallus in einer Auflistung angeborener Anomalien beim Rind als sehr seltene Missbildung unbekannter Ursache. Bei einem ingezüchteten weiblichen Schweizer Braunviehrind wurde eine Verdopplung der Harnröhre und des vaginalen Teils der Zervix beobachtet (BRAUN et al. 2000). Die Autoren stellten eine reziproke Translokation zwischen den Chromosomen 20q23 und 22q23 fest. Beim Menschen stellten KARNA u. KAPUR (1994) in einem Fall von Diphallus bei einem Mann eine balanzierte reziproke Translokation zwischen den Abschnitten der Chromosomen 1 und 14 (t1;14) (p36.3;q24.3) fest. AXNER et al. (1996) fanden bei einer Katze einen Diphallus in Verbindung mit einem unilateralen Kryptorchismus. Weitere Einzelfälle von Verdopplungen der Urethra wurden bei einem männlichen Pudel (TOBIAS u.

BARBEE 1995), bei einer weiblichen Ziege mit 6 Beinen (OTIANG’A-OWITI et al.

1997) und bei einem Lama gefunden, das ein Zwitter war (LOPEZ et al. 1998).

Ergebnisse Anamnese

Das männliche Kalb der Rasse Deutsche Holsteins, Farbrichtung schwarzbunt, wurde am 4.3.2003 auf einem Milchviehbetrieb mit einer Verdopplung des Penis geboren. Die Mutter des Kalbes zeigte keine Missbildungen des Urogenitaltrakts. Auf dem Betrieb traten bisher derartige Missbildungen nicht auf.

Klinische Untersuchung

Das Kalb zeigte eine Verdopplung der Glans penis und des Corpus penis mit einem gemeinsamen Präputium. Harn wurde aus jedem Penis abgesetzt, so dass auch auf

12. Diphallus bei einem Deutschen Holsteinkalb

Diskussion

Der Diphallus ist eine beim Rind sehr seltene Missbildung des Urogenitaltrakts, die erst von wenigen Autoren beschrieben wurde (ROBERTS 1986; LEIPOLD u.

DENNIS 1986). Im Gegensatz zu der Beschreibung von ROBERTS (1986), wo nur in einem Teil der zweigeteilten Glans penis eine Harnröhre vorhanden war, zeigte sich in dem hier beschriebenen Fall eine weitergehende Verdopplung mit einer doppelt angelegten Harnröhre, aber mit einem nur einfach ausgebildeten Präputium.

Ebenfalls vergleichbar ist hier die Verdopplung der Harnröhre sowie des vaginalen Teils der Zervix bei einem weiblichen Schweizer Braunviehjungrind, bei dem eine reziproke Translokation der telomeren Enden zwischen den Chromosomen 20 und 22 zu finden war (BRAUN et al. 2000). Auch beim Menschen fanden KARNA u.

KAPUR (1994) im Fall eines Diphallus eine balanzierte reziproke chromosomale Translokation. Jedoch bestehen zwischen den humanen und bovinen Chromosomen (HSA1, HSA14 und BTA20, BTA22) keine Syntäniebeziehungen. Somit ist also auszuschließen, dass die bei dem weiblichen Braunviehjungrind beobachteten Bruchpunkte denen bei den von KARNA u. KARPUR (1994) beschriebenen chromosomalen Bruchpunkten beim Diphallus des Menschen syntän sind.

Wahrscheinlich dürften somit die beim weiblichen Tier auftretenden Verdopplungen der Urethra und von Teilen des Genitaltrakts nicht mit dem Bild des Diphallus identisch sein. Es ist nicht auszuschließen, dass chromosomale Veränderungen den Grund für die Verdopplungen im Urogenitaltrakt darstellen. Deshalb könnte auch für den hier beschriebenen Fall vermutet werden, dass eine chromosomale Aberration die Ursache für die Verdopplung des Penis sein könnte. Da das Kalb zur Weitermast verkauft wurde, war es nicht mehr möglich, Material für eine zytogenetische Untersuchung zu asservieren. Anhaltspunkte für eine exogene Ursache lagen nicht vor.

Danksagung

Wir danken Herrn Dr. Sehr, praktischer Tierarzt, und Frau Katharina Plociennik, praktische Tierärztin, Wesel, recht herzlich für die Ermittlung des Falles.

12. Diphallus bei einem Deutschen Holsteinkalb

Literatur

AXNER, E., STRÖM, B., LINDE-FORSBERG, C., GUSTAVSON, I., LINDBLAD, K., WALLGREN, M. (1996): Reproductive disorders in 10 domestic male cats. J. Small Anim. Pract. 37, 394-401. - BRAUN, U., GANSOHR, B., FEIGE, K., GARDELLE, O., SUWATTANA, D., STRANZINGER, G. (2000): Urethral duplication and chromosomal translocation in a Swiss Braunvieh heifer. Vet. Rec. 146, 44–46. - HERZOG, A. (2001): Parey`s Lexikon der Syndrome: Erb- und Zuchtkrankheiten der Haus- und Nutztiere. Parey, Berlin, 367. - KARNA, P., KAPUR, S. (1994): Diphallus and associated anomalies with balanced autosomal chromosomal translocation. Clin.

Genet. 46, 209–211. - LEIPOLD, H.W., DENNIS, S.M. (1986): Congenital defects affecting bovine reproduction. In: Morrow, D. A.: Current theraphy in theriogenology.

WB Saunders Co, Philadelphia, 435. – LOPEZ, M.J., MARKEL, M.D., DUBIELZIG, R. (1998): Urinary obstruction in a hermaphroditic llama. J. Am. Vet. Med. Assoc.

212, 710-712. – OTIANG’A-OWITI, G.E., ODUOR-OKELO, D., KAMU, G.K., MAKORI, N., HENDRICKX, A.G. (1997): Morphology of a six-legged goat with duplication of the intestinal, lower urinary, genital tracts. Anat. Rec. 247, 432-438.- ROBERTS, S.J. (1986): Veterinary obstetrics and genital diseases theriogenology.

Published by the author, Ithaca, New York, 793. – TOBIAS, K.S., BARBEE, D.

(1995): Abnormal micturition and recurrent cystitis associated with multiple congenital anomalies of the urinary tract in a dog. J. Am. Vet. Med. Assoc. 207, 191-193.

Korrespondenzadressen:

Corinna BÄHR und Prof. Dr. Ottmar DISTL, Institut für Tierzucht und

Vererbungsforschung der Tierärztlichen Hochschule Hannover, Bünteweg 17p, 30559 Hannover.

E-mail: ottmar.distl@tiho-hannover.de

13. Untersuchung zur Frequenz von angeborenen Anomalien beim